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Am Tage der Massendemonstrationen gegen die „Abschaffung der Rente“ beschließt das brasilianische Parlament, den Zeitraum für Ergänzungen zum Gesetzentwurf zu verlängern…

Die Demonstration in Belo Horizonte am 15.3.2017 gegen die Rentenreform der brasilianischen Regierung war die grösste seit vielen Jahren, über 100.000 Menschen beteiligten sichEs waren über eine Million Menschen, die sich am 15. März 2017 an Streiks, Blockaden, Besetzungen und Demonstrationen beteiligt haben, gegen eine Rentenreform, die faktisch ein Ende der Rentenversicherung ist. Obwohl verschiedene Gouverneure und Präfekten, die der ungewählten Regierungskoalition angehören, versucht hatten, Streiks mit juristischen Mittel zu verhindern, sind sie dabei kläglich gescheitert. Wenn es eine Überraschung an diesem Tag gab, dann nicht so sehr die großen Demonstrationen in Städten wie Sao Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte (die auch, aber vor allem interessant die Demonstrationen in so vielen kleineren Städten) – sondern vor allem die massiven Streiks, die an diesem Tag stattfanden, die in diesem Ausmaß nicht unbedingt zu erwarten gewesen waren. Sie zu verbieten ging nicht – die brasilianische Verfassung kennt durchaus das Recht auf politischen Streik, anders als etwa in der BRD das Grundgesetz – und sie haben das Parlament immerhin dazu gebracht, die Frist, die an eben diesem 15. März abgelaufen war, um Ergänzungen einzubringen, bis zum Wochenende zu verlängern –  etwas, das die Regierung Temer vorher rundweg abgelehnt hatte. Unsere kleine Materialsammlung „Kampftag gegen Rentenreform in Brasilien“ vom 16. März 2017 ist auch ein Versuch, Antwort darauf zu geben, ob dies nun ein Erfolg war, der die politische Landschaft des Landes verändern kann:

Kampftag gegen Rentenreform in Brasilien

Berichte vom Tage – Überblicke und Besonderheiten

„Paralisações por todo o Brasil em defesa das aposentadorias“ von Isaias Dalle am 15. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist die Einleitung eines allgemeinen chronologischen  Überblicks über einen guten Teil der Aktivitäten am „Kampftag 15. März“, mit Berichten vor allem aus einer ganzen Reihe von Landeshauptstädten

„Greves, paralisações e bloqueios de avenidas tomam o País; CSP-Conlutas defende greve geral, já!“ am 16. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CSP Conlutas externer Link ist ebenfalls ein summarischer Überblick über Aktionen des Tages, ergänzt um zahlreiche Fotos und der Feststellung, dass die Conlutas den Schluss aus diesem Tag zieht, dass die Situation reif sei, für die Ausrufung des Generalstreiks

„Veja como foi a paralisação nacional contra a Reforma da Previdência“ am 15. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein redaktioneller Überblick über die Eriegnisse des Tages, woebi hier auch Berichte aus kleineren Orten gegeben werden

„MILHARES DE TRABALHADORES VÃO A LUTA CONTRA O DESMONTE DA PREVIDÊNCIA E OS ATAQUES AOS DIREITOS TRABALHISTAS NESSE 15 DE MARÇO „ am 15. März 2017 beim Gewerkschaftsbund Intersindical externer Link ist vor allem ein Überblick über die zahlreichen Streiks, die dieser linke Gewerkschaftsbund am 15. März organisiert hat – oft genug auch diese in kleineren städten, und auch bei Betrieben mit relativ wenig Streiktradition

„Metroviários paralisam Metrô de São Paulo e recebem apoio da população“ am 15. März 2017 bei der CSP Conlutas externer Link ist ein Bericht über den vielleicht am meisten beachteten Streik dieses Tages, den der Metro Sao Paulo – wofür, und dies ist eine absolute Besonderheit, die Streikenden viel Zuspruch aus der Bevölkerung erhielten

„Transporte e educação encabeçam forte paralisação nacional do 15M“ am 15. März 2017 bei Esquerd Diario externer Link ist eine Bewertung vor allem der Streiks an diesem Tage, deren wichtigster ohne Zweifel der landesweite Streik der Bildungsgewerkschaften war, dem aber die ebenfalls beinahe flächendeckend stattfindenden Streiks im öffentlichen Nahverkehr nahe kamen. Mit 140 Km Staus im Stadtgebiet von Sao Paulo war die Wirkung des Streiks der Metro und der Busse Hauptthema der sogenannten Journalisten im Fernsehen

„Em BH, paralisamos o Call Center contra a reforma da previdência no 15 de março“ am 15. März 2017 ebenfalls bei Esquerda Diario externer Link ist ein kurzer Streikbericht einer Beschäftigten im Almaviva Call Center von Belo Horizonte. Mehrere Hundert Beschäftigte traten in den Streik bei diesem weltweit operierenden Unternehmen, auch weil hier frech Gesetze gebrochen werden: Die Herrschaften der Chefetage weigern sich, den gesetzlichen Mindestlohn zu bezahlen, und diktieren ihre Beschäftigten müssten zum letztjährigen Mindestlohn arbeiten. Gesetzesbrüche von Unternehmen sind seit dem Antritt dieser Regierung im ganzen Land eine nahezu alltägliche Erscheinung geworden – die „Reformen“ gehen den Auftraggebern nicht schnell genug…

„Movimentos populares ocupam Ministério da Fazenda contra reforma da Previdência“ am 15. März 2017 bei Brasil de Fato externer Link ist ein Bericht über die Besetzung des Finanzministeriums in Brasilia an diesem Kampftag: organisiert von dem Zusammenschluss „Volk ohne Angst“ beteiligten sich über 1.500 Menschen an der Besetzung, die sich den ganzen Tag über halten konnte

„Em São Paulo, mulheres ocupam a Superintendência do INSS contra a Reforma da Previdência“ am 15. März 2017 beim Gewerkschaftsbund Intersindical externer Link ist ein Bericht über die Besetzung  der Landeszentrale des Sozialversicherungs-Instituts in Sao Paulo durch die Gewerkschafterinnen der Intersindical und anderer Gruppierungen vor Ort

Vergebliche Repressionsversuche

„CUT-SP condena tentativa de Alckmin e Doria de barrar o direito à greve dos metroviários e condutores“ am 14. März 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist die Stellungnahme des Regionalverbandes der CUT des Bundesstaates Sao Paulo, in der der – gescheiterte – Versuch des Gouverneurs und des Bürgermeisters kritisiert wird, die Streiks bei Metro und Omnibussen verbieten zu lassen und darauf verwiesen wird, dass solch ein Vorgehen nicht nur im Widerspruch zu geltendem Recht in Brasilien stehe, sondern auch deutlich mache, dass die PSDB – die Partei der beide angehören – eine prinzipiell antigewerkschaftliche Politik verfolge

„RJ: Manifestação contra reforma da previdência é duramente reprimida pela polícia de Pezão“ am 15. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein kurzer Bericht über die größte Attacke auf eine Demonstration an diesem Tag, als in Rio de Janeiro die Militärpolizei die etwa 70.000 DemonstrantInnen mit Tränengas angriffDer verbotene Streik an der Uni Sao Paulo am 15.3.2017, an dem sich rund 20.000 Lehrende, studierende und Angestellte beteiligten

„Trabalhadores e estudantes da USP paralisam apesar de decisão da justiça“ ebenfalls am 15. März 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Bericht über den gemeinsamen Streik von Lehrenden, Studierenden und technischem Personal an der größten Universität des Landes, der USP in Sao Paulo, der durchgeführt wurde, obwohl die Allianz Gouverneur/Rektor in Gerichtsurteil gegen den Streik bekommen hatten – der Hintergrund für diese Entschlossenheit ist ein „Sparplan“, der ungefähr 5.000 Menschen auf die Straße werfen soll

Erste Schlussfolgerungen und Ergebnisse

„Maia reabre até sexta prazo para emendas ao texto da reforma da Previdência“ am 15. März 2017 bei der Agencia Brasil externer Link ist die Meldung über den Beschluss des Parlamentspräsidenten, die Frist für Ergänzungen zum Gesetzentwurf über die sogenannte Rentenreform bis zum Wochenende zu verlängern – allgemein als erstes, wenn auch viel zu kleines, Zugeständnis an die Mobilsieirungen an diesem Tag bewertet

„15M: resumo do dia e primeiras conclusões“ am 16. März 2017 bei Esquerda Online externer Link ist einerseits ebenfalls ein Überblick über die Aktionen des Tages, bewertet dann aber –ohne Spekulationen über die konkreten Auswirkungen des Tages – den Fakt, dass exakt am zweiten Jahrestag der ersten Massendemonstration gegen die damalige PT Regierung (mit Parolen wie „Tod dem Kommunismus“ und Prügelorgien gegen alles, was irgendwie links aussah) jetzt die Straßen der größten Stadt des Landes von den Arbeiterinnen und Arbeitern beherrscht wurden, die so stark präsent waren, dass angekündigte „polizeiliche Maßnahmen“ nicht stattfanden, eine Veränderung der politischen Konjunktur wird daraus geschlussfolgert

„Para entidades, o „15 de março“ foi um avanço das lutas contra reformas de Temer“ von Nadine Nascimento am 15. März 2017 bei Brasil de Fato externer Link ist ein Bericht über die Pressekonferenz der Gewerkschaften am Abend des Kampftages, wobei die gemeinsame Einschätzung darauf hinaus lief, dass dieser Tag ein echter Fortschritt im Kampf gegen die antisozialen reformen der Temer-Regierung gewesen sei

„Um novo papel para os sindicatos?“ von  Pedro Otoni am 14. März 2017 bei Outras Palavras externer Link ist ein Beitrag des Koordinators der linken Basisbewegung Brigadas Populares, der am Vorabend des Kampftags bereits deutlich macht, dass alleine schon Vorbereitungen und Beschlüsse deutlich machen, dass es diesmal keiner der rituellen Protesttage werden wird, wie es seit dem Sturz der Rousseff-Regierung bereits mehrere gegeben hatte. Wenn man auf rituale verzichte und stattdessen mobilisiere, wenn man die Trennung zwischen Gewerkschaften und Mitgliedschaft und Belegschaften anerkenne (die ja bereits vom Gesetz vorgegeben worden ist)  und daran arbeite, sie zu überwinden, in dem man mit allen „von unten“ zusammenarbeite, dann könnten die Gewerkschaften in Brasilien eine andere, positive und starke Rolle übernehmen – und vielleicht werde dieser Kampftag einer der Ausgangspunkte einer solchen Entwicklung

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=113542
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