»
Brasilien »
»

Daimler Brasilien: Mal eben rund 2.000 Entlassungen per Telegramm aussprechen – solcher Zynismus ruft erst recht Widerstand hervor, Solidarität: Auch

Daimler Belegschaft demonstriert gegen 2.000 Entlassungen am 17.8.2016 im brasilianischen Sao BernardoAm Montag, 15. August gab es Arbeit für Telegrammboten: Daimler versandte an rund 2.000 Beschäftigte des Werkes die ebenso kurze wie zynische Entlassungsmitteilung. Am Mittwoch demonstrierten 7.000 KollegInnen (von insgesamt knapp 9.000 Beschäftigten) gegen diese Entlassungen in der Stadtmitte von São Bernardo do Campo, am Donnerstag erneut: auf der Autobahn und vor dem Unternehmen. Das Unternehmen antwortete zunächst mit einem Verhandlungsangebot, das keines war – seit 15. August wurde die vorübergehende (bezahlte) Werksschließung verwirklicht. Bereits Anfang August hatte es einen eintägigen Proteststreik gegen die Entlassungspläne gegeben – und gegen die Haltung der Unternehmensleitung, die alle Möglichkeiten, Entlassungen zu umgehen als erschöpft ansieht, obwohl bereits über 600 Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit freiwilligen Ausscheidens nutzten. Während faktisch zur selben Zeit eine Vereinbarung bei VW Arbeitsplätze bis 2021 absichert. Siehe zu dieser Auseinandersetzung aktuelle Beiträge inklusive Übersetzungen von Aktionsberichten und Solidaritätsbekundungen aus der BRD:

„ABC: passeata reúne mais de 7 mil trabalhadores contra demissões na Mercedes“ am 17. August 2016 bei der Metallföderation CNM-CUT externer Link dokumentiert, ist der Bericht über die erste Demonstration am Mittwoch in der Stadtmitte von Sao Bernardo, der dankenswerter Weise ins Deutsche übesetzt wurde:

Bericht von der Demonstration am 17. August in Sao Bernardo

„“Über 7.000 Arbeiterinnen und Arbeiten demonstrierten gestern, am 17.8. in Stadtzentrum von Sao Bernardo gegen die Entlassungen, die das Unternehmen ab Montag, den 15.8. per Telegramm an die Arbeiter versandte. In einer Versammlung vor dem Gewerkschaftshaus verkündeten die KollegInnen ihre Bereitschaft zur Verteidigung der entlassenen KollegInnen. Jeden Tag wird über die jeweilige Widerstand-Aktion Gewerkschaftszeitung der SMABC vom 19.8.2016 mit dem Titel gegen die Entlassungen bei Daimler Brasilienentschieden. Heute, am 18.8. versammeln sich die KollegInnen ab 7.00 Uhr vor der Fabrik.
“Wir sind bereit und zeigen Bereitschaft für diesen Kampf und diesen Krieg. Wir werden eine Front der Solidarität gegen die Angriffe gegen uns aufbauen.”, sagt Rafael Marques, der Vorsitzende der Metallgewerkschaft des ABC. “Es gibt derzeit Angriffe gegen die Arbeiter im ganzen Land durch eine reaktionäre Allianz der Regierung, der Unternehmen und des Finanzsektors.”
Aroaldo da Silva, zweiter Vorsitzender: “Als erstes weisen wir diese Telegramme des Unternehmens an die Arbeiter zurück. Unsere Antwort ist Kampf”.  Auch der Generalsekretär der CUT, Sergio Nobre kritisiert die Respektlosigkeit des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten durch das Unternehmen, Entlassungen über Telegramme zu verschicken: “Es gibt Kollegen, die bereits 20 Jahre in der Fabrik arbeiten und auf eine so demütigende Art und Weise diese Nachricht erhalten.” Valter Sanches betonte die Bedeutung der Solidarität:” Wir erhalten Nachricht und Unterstützung von Arbeiterinnen und Arbeitern aus Deutschland für unseren Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze. Wir werden die Entlassungen nicht akzeptieren.”
Teilnehmer des Protestes waren auch Vertreter der Gewerkschaftsverbände CGTB und CSP-Conlutas”

„Passeata contra demissões na Mercedes“ am 18. August 2016 auf der Facebookseite der Metallgewerkschaft des ABC (SMABC) externer Link ist ein Fotobericht über die zweite Demonstration am Donnerstag, die über die Autobahn zum Werk ging und erneut rund 7.000 KollegInnen mobilisierte

„Metalúrgicos decidem por atos diários contra demissões na Mercedes“ am 17. August 2016 bei You Tube externer Link eingestellt ist das Video einer Nachrichtensendung von TVT (dem Fernsehkanal des Gewerkschaftsbundes CUT), dass die Belegschaft in den täglichen Versammlungen über das weitere Vorgehen entscheidet

Ein überblicksartiger Beitrag zum bisherigen Geschehen und aktuellen Stand ist:

„Zuspitzung bei Mercedes – Benz in Brasilien“

vom 16. August 2016, den wir hiermit dokumentieren:

Am 2. August hatte die Werkleitung angekündigt, Ende des Monats 2 500 Leute zu entlassen. Sie hätte keine andere Möglichkeit, um dem Personalüberhang zu begegnen, der sich hauptsächlich aus der immer noch schlechten Auftragslage ergebe. Am Donnerstag 4. August versammelte sich die gesamte Belegschaft vor Schichtbeginn vor dem Tor und entschied, an dem Tage die Arbeit im gesamten Betrieb ruhen zu lassen. An den folgenden Arbeitstagen ( Freitag 5., Montag 8. und Dienstag 9. ) zogen jeweils 800 bis 1 000 Beschäftigte aus verschiedenen Abteilungen  (Achsenfertigung, LKW – Produktion, Busbauer) mit Pfeifkonzerten durch den Betrieb und versammelten sich vor dem Werkstor mit den zur Zeit beurlaubten Kollegen, um dort gemeinsam die Entschlossenheit aller KollegInnen kundzutun, diese Entscheidung der Werkleitung nicht hinzunehmen.
Am Mittwoch 10. und Donnerstag 11. ließ die Geschäftsleitung dann doch  Verhandlungen zu. Das Ergebnis:   Die Werkleitung bleibt unerschütterlich bei der eingenommenen und verkündeten Position. Es gibt keine alternativen Lösungen. Es wird Entlassungen geben.
Am Freitag versammelte sich erneut die gesamte Belegschaft. Sie wurde an dem Tag von der Geschäftsleitung  mit folgender Maßnahme überrascht: Ab Montag 15. August ist bis auf unbestimmte Zeit das gesamte Werk geschlossen und alle ArbeiterInnen werden in bezahlten Urlaub geschickt, außer einige Kernbereiche wie Öfen und Instandhaltung.
Am Dienstag 16. werden dann die ersten Telegramme verschickt, mit denen die betreffenden KollegInnen darüber informiert werden, dass sie ab dem 1.September entlassen sind.
Für Mittwoch, 17. August sind dann alle KollegInnen zu eine großen Versammlung in das Gewerkschaftshaus eingeladen. Hier sollen mögliche weitere Protestmaßnahmen besprochen und entschieden werden.
Solidaritätsschreiben sind jetzt unbedingt erforderlich. Schickt sie an die Adressen, die wir Euch im letzten Rundbrief durchgegeben haben

Darauf gab es als erste Reaktion:

Eine Solidaritätserklärung aus dem Werk Bremen vom 17. August 2016, die wir ebenfalls dokumentieren:

Im Namen von 25 Betriebsräten und Vertrauensleuten von Mercedes Benz, Werk Bremen, sende ich Euch unsere Kampfesgrüße.
Das Kapital kennt keine Grenzen, wenn es um seine Profite geht. Es vernichtet die Existenzen Tausender Familien, ohne mit der Wimper zu zucken; es beutet weltweit ganze Völker aus und scheut auch, wenn die Bilanzen es erfordern, vor Kriegen nicht zurück.
In Bremen haben wir mehrmals gegen out-sourcing und Leiharbeit gestreikt. Das Management hat 761 Abmahnungen ausgesprochen, mit der Drohung, uns zu kündigen, wenn wir unser Streikrecht nochmal wahrnehmen. Seit eineinhalb Jahren führen wir deshalb einen Kampf um das Streikrecht in unserem Land, das einzige Mittel, das wir haben, um uns gegen die Willkür des Kapitals zu wehren. Sie versuchen, uns Arbeiter gegeneinander in die Schlacht zu schicken. Wir sagen: Unsere Brüder und Schwestern in Brasilien oder in Südafrika sind uns tausend Mal näher, als die Herren Bernhard oder Zetsche.
Wir wünschen Euch und uns viel Kraft im Kampf. Fabriken in Arbeiterhand – das ist unsere Losung gegen kapitalistische Willkür und Entlassungen.
Bremen, 17. August 2016

„ABC: metalúrgicos na Mercedes param em defesa dos empregos“ am 05. August 2016 bei der CNM-CUT externer Link dokumentiert ist ein Beitrag, in dem die Grundsatzposition der Gewerkschaft SMABC (und der Föderation) dargestellt wird, die einerseits als Alternative zu Entlassungen die Wiederaufnahme des Programms Programa de Proteção ao Emprego (PPE) (Programm zum Schutz der Beschäftigung) vorsieht, andrerseits bezahlte (staatlich subventionierte) Kurzarbeit – ein Programm, das die Metallgewerkschaft und der Gewerkschaftsbund CUT im wesentlichen zusammen mit Unternehmerverbänden und der bisherigen PT Regierung entwickelt hatten, dessen Anwendung das Unternehmen aber ablehnt. In dem Beitrag wird auch berichtet, dass bei VW ein entsprechendes Abkommen erreicht worden sei.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=103119
nach oben