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Brasilianische Putschregierung will den Kampf gegen Sklavenarbeit beenden: Einer der deutschen Profiteure heißt Haribo

Reporter Brasil Titelseite einer Broschüre gegen Sklavenarbeit in Brasilien

Die nicht gewählte brasilianische Regierung hat einen weiteren Schritt zur Umsetzung des Wunschprogramms der Unternehmerverbände unternommen: Der Leiter der Inspektion zur Bekämpfung von der Sklaverei ähnlichen Arbeitsbedingungen wurde abgesetzt, die Behörde soll umstrukturiert, die Definition von Sklavenarbeit aufgeweicht werden – ein Schritt, der keineswegs nur in der linken Öffentlichkeit und ihren Medien als Teil des Vorhabens bewertet wird, den Kampf gegen diese Arbeitsbedingungen zu beenden. Die „Brücke zur Zukunft“, wie das Programm von Temer und Konsorten euphorisch getauft worden war, erweist sich als das, was Kritiker von Beginn an sagten: Eine Brücke in die Vergangenheit. Wie andere auch, hat LabourNet Germany verschiedentlich darauf hingewiesen, dass die bundesdeutschen Unternehmen an der Absetzung der gewählten sozialdemokratischen PT-Regierung keineswegs so unbeteiligt waren, wie es in der hiesigen Medienlandschaft zumeist dargestellt wurde. Sowohl die damaligen antidemokratischen Bekundungen der Topmanager von VW und Mercedes zeigen dies, als es auch die Rolle der deutschen Unternehmen im Paulistaner Unternehmerverband FIESP nahe legt. Es ist der Verband, der sich – in offen antidemokratischer Kampagne – für die Absetzung der gewählten Regierung (mit Millionenbeträgen)  stark machte. Dass diese Unternehmen von diesem „Regierungswechsel“ profitieren, zeigt nun das Beispiel Haribo. Siehe dazu eine kurze Materialsammlung zum Vorgehen der brasilianischen Regierung – und zu den Arbeitsbedingungen nicht nur bei den Haribo-Zulieferfirmen:

„Der Haribo-Check“ von Melanie Jost und Matthias Fuchs am 16. Oktober 2017 bei der ARD externer Link war der erste aktuelle Beitrag zum Thema, worin zu verschiedenen Fragen im Rahmen des montäglichen Markenchecks zu den Arbeitsbedingungen festgehalten wurde: „Eine Zutat spielt für fast alle Sorten von Haribo-Fruchtgummi eine wichtige Rolle: Carnaubawachs. Es verleiht den Gummibärchen ihren Glanz. Die Palme, die dieses Wachs produziert, wächst nur an einem einzigen Ort auf der Erde: im Nordosten von Brasilien. Dorthin fahren wir, um etwas über die Arbeitsbedingungen während der Ernte zu erfahren. Wir besuchen Arbeiter, tief im Dschungel, bei fast 40 Grad im Schatten. Mit 12 Kilo schweren Stangen schneiden sie Palmstrünke ab. Heruntergefallene Strünke können mit ihren Stacheln für üble Verletzungen sorgen. Es sei eine harte Arbeit für wenig Geld, erzählen uns die Arbeiter. Ein Vertreter des brasilianischen Arbeitsministeriums berichtet uns, bei Razzien auf den Carnauba-Farmen würden immer wieder Minderjährige entdeckt, die illegal arbeiten. Die Arbeitsbedingungen seien unmenschlich. So müssten die Arbeiter zum Teil im Freien schlafen oder in Lastwagen und es gebe kein sauberes Trinkwasser. Dies seien Zustände, die laut brasilianischem Strafgesetzbuch den Tatbestand ähnlich der Sklaverei erfüllen“.

„Haribo-Bären und die modernen Sklaven“ von Ben Knight am 20. Oktober 2017 bei der Deutschen Welle externer Link (auch in anderen Sprachen gesendet) ist einer der zahlreichen Beiträge, die nach dem ersten ARD-Film das Thema weiter verbreiteten. Darin heißt es zu den Arbeitsbedingungen weiter: „Die Autoren des Films zeigen, dass Haribo sein Carnauba-Wachs von Plantagen bezieht, wo die Arbeiter 40 Real oder rund 10 Euro am Tag verdienen. Dafür schneiden sie die Blätter mit Sensen ab, die an langen Stangen angebracht sind. Sie sind gezwungen, im Freien oder auf Lastwagen zu schlafen, haben keine Toiletten und müssen ungefiltertes Wasser von einem nahe gelegenen Fluss trinken. Einige der Arbeiter seien noch nicht volljährig, so der Film. Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen sind derart schlecht, dass die brasilianische Polizei schon bei Razzien Arbeiter befreit hat. Ein Vertreter des brasilianischen Arbeitsministeriums sagte, man verzeichne eine steigende Zahl von Beschwerden wegen der Carnauba-Wachs-Herstellung. Die Behörde habe festgestellt, dass viele der Beschäftigten unter Bedingungen arbeiten, „die man als Sklaverei bezeichnen kann“. „Die Arbeiter werden wie Gegenstände gehandelt, schlimmer als Tiere“, sagte er““. Wobei auch die Qual der Tiere bei der Gelatineproduktion ein Thema der Berichterstattung ist – und in diesem Beitrag auch auf die Aussage von Amnesty BRD verwiesen wird, dass die Bundesregierung – im Unterschied etwa zu Frankreich – nichts unternommen habe, solche „Geschäftsbeziehungen“ bundesdeutscher Unternehmen irgendwie zu regulieren…

„Haribo Gummy Bear Ingredients Made by Modern Slaves“ am 19. Oktober 2017 bei Freedom United externer Link soll hier als Beispiel dafür stehen, wie die Berichte über Haribos wenig segensreiches Wirken im brasilianischen Nordosten global weiter verbreitet werden – dies ist ein Beitrag über den Beitrag der Deutschen Welle.

„Brazil Backtracks on Anti-Slavery Policies“ am 22. Oktober 2017 ebenfalls bei Freedom United externer Link ist ein kurzer Beitrag über die Neudefinition von „Sklavenarbeit“ durch die brasilianische Regierung, die etwa eine solche Definition nun daran bindet, dass die Beschäftigten gezwungen würden, an einem bestimmten Ort zu leben. Bisher reichten dafür solche Kriterien aus, wie gezwungen sein bestimmte Arbeiten zu leisten, um Schulden ab zu bezahlen…Eine Reform die, so der Beitrag, den Interessen des in Brasilien so mächtigen Agrarkapitals entspreche…

„VW-Sklavenarbeit in Brasilien: Welthaus Bielefeld wies bereits 1984 auf Zustände hin“ vom 11. August 2017 externer Link ist eine Pressemitteilung des Welthauses, in der zur aktuellen Berichterstattung über frühere Sklavenarbeiten, die keineswegs nur in einem irgendwie abgetrennten agrarkapitalistischen Sektor bittere Realität war und ist: „WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung berichteten am 11. August 2017 über eine Rinder-Farm des Autokonzerns Volkswagen in Brasilien, bei in den 1980iger Jahren Landarbeiter wie Sklaven behandelt wurden. Die im Amazonasgebiet gelegene Farm „Vale do Rio Cristalino“ ist jedoch nicht erst seit heute für diese Praktiken bekannt. Das Welthaus Bielefeld informierte bereits 1984 über die massiven Vorwürfe gegenüber dem VW-Unternehmen – mit großem Echo in der entwicklungspolitisch interessierten Öffentlichkeit der 80er Jahre. In die öffentlich-rechtlichen Medien schaffte es das Thema damals jedoch nicht. (…) Unter dem Titel „Die Farm am Amazonas“ fasste damals das Welthaus Bielefeld den Kenntnisstand aus mehreren Quellen zusammen und machte das Thema damit der deutschsprachigen Öffentlichkeit zugänglich. Die mehrere tausend Exemplare waren schnell vergriffen. Herausgeber des Info-Heftes war die „Arbeitsgruppe Brasilien“, eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen des damals noch unter dem Namen „Dritte Welt Haus“ firmierenden Welthauses Bielefeld. So veröffentlichte das Informationsheft auch einen ins Deutsche übersetzen Ausschnitt eines Artikels der brasilianischen Zeitung „O Sao Paulo“ vom 3. Juni 1983. Landarbeiter berichteten darin als Zeugen von der massiven Gewalt und von Sklaverei ähnlichen Zuständen auf der Farm. Die Vorwürfe waren auch damals dem VW-Konzern nicht unbekannt, wie das Heft berichtet. Es habe sogar eine Einladung von brasilianischen Kritikern auf die Farm gegeben, bei der alle Vorwürfe von Vertretern der Farm und der Wolfsburger PR-Abteilung von VW zurückgewiesen worden seien. Die Recherchen von WDR, NDR und SZ bestätigten nun, dass auch die Konzernspitze in Wolfsburg spätestens im Jahr 1983 über Vorwürfe gegen die Farm informiert worden war. Helmut Hagemann,  Vertreter der damaligen Welthaus-Bielefeld-Gruppe kommentiert: „Medien haben sich damals nicht interessiert. Gut, dass das Thema jetzt nochmal auf den Tisch kommt!“ “.

„Temer distorce ação de resgate de escravos ao justificar nova portaria“ von Piero Locatelli und Leonardo Sakamoto am 20. Oktober 2017 bei Reporter Brasil externer Link ist ein Beitrag über ein Fernsehinterview des sogenannten Präsidenten, in dem der Mann behauptete, die bisherige Feststellung sklavereiähnlicher Bedingungen sei übertrieben – etwa, wenn dies geschehe, weil keine Seife zur Verfügung stehe. Die Autoren von Reporter Brasil, eine Redaktion, die sich seit langem dem Kampf gegen moderne Sklaverei gewidmet hat, weisen nach, dass es sich dabei wieder einmal um eine Lüge handelt. Der von Temer angeführte Fall des Unternehmens MRV Engenharia sei in der Tat von der Inspektion als ein Fall sklavereiähnlicher Bedingungen geahndet worden. Nur habe es dabei mehr als 40 bestätigte Anklagepunkte gegeben, unter anderem nicht ausbezahlte Löhne und zahlreiche konkrete Zwangsmechanismen, von denen die mangelnden Hygiene-Einrichtungen (und keineswegs nur fehlende Seife) eben nur einer der angeführten Punkte gewesen sei…

„Oposição quer anular portaria do governo que dificulta combate ao trabalho escravo“ am 19. Oktober 2017 beim Gewerkschaftsbund CUT externer Link ist ein Beitrag über die Initiativen oppositioneller Parlamentsabgeordneter gegen den Erlass der Temer-Regierung zur Neudefinition von Sklavenarbeit.  Der Erlass 1129 der Regierung war am 16. Oktober 2017 veröffentlicht worden und steht seitdem heftig in der Kritik aller irgendwie demokratischer und progressiver Kräfte, weit über die Gewerkschaftsbewegung hinaus. Das Problem, dass diese Regierung mit ihrer Maßnahme für die Unternehmen hat ist, dass die bisherige Regelung, beziehungsweise Definition, Bestandteil des Strafgesetzbuches ist – und damit eine Gesetzeskraft hat, die nicht durch bloße Erlasse verändert werden kann…

„O maior ataque à fiscalização de combate ao trabalho escravo no Brasil“ von Lucas Reis da Silva am 18. Oktober 2017 bei Esquerda Online externer Link ist der Beitrag eines langjährigen Mitglieds der Inspektion zur Sklavenarbeit über die Gegenreform der Regierung, in dem neben der Ungesetzlichkeit einer Veränderung des Strafgesetzbuches durch ein diktiertes Dekret vor allem praktische Erfahrungen im Mittelpunkt stehen – die zu Erfolgen führten, wie etwa die Befreiung von 55.000 Menschen aus solchen Arbeitsbedingungen in den Jahren der Gültigkeit des Gesetzes.

„Conheça 9 marcas famosas envolvidas com trabalho escravo“ von Amanda Navarro am 18. Oktober 2017 bei Esquerda Diario externer Link ist ein Beitrag über 9 Marken-Unternehmen, die von der Sklavenarbeit profitieren – unter anderem die „Trendsetter“ der brasilianischen Fleischindustrie, aber auch zahlreiche nationale wie internationale Modeunternehmen, die in Brasilien zumeist die Arbeit bolivianischer Frauen ausbeuten…

„Empresa alemã é acusada de explorar mão de obra escrava no Brasil“ am 21. Oktober 2017 bei der Rede Brasil Atual externer Link ist ein Betrag, der als nun eines von vielen möglichen Beispielen dafür steht, dass die Berichterstattung über Haribo nun auch in Brasilien selbst angekommen ist. Der Zusammenhang mit der Gegenreform der Regierung ist dabei zentrales Thema des Beitrags.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123065
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