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Was in Bangladesch Friedhof der Schiffe genannt wird – ist ein Friedhof für Werftarbeiter

Dossier

Abwrackwerft - Friedhof für Arbeiter. Werftarbeiter in Pakistan protestieren nach Gasexplosion in Großbrand auf altem Öltanker (November 2016, IndustriALL)Die Abwrack-Werften in Bangladesch (wie auch jene in Pakistan und Indien) sind eine Todeszone für die Menschen, die da arbeiten (müssen). Immer wieder neue Meldungen über sogenannte Unfälle – die es, wenn überhaupt, nur dann in die Kommerz-Medien schaffen, wenn es Todesopfer gibt, solange sie „nur“ verletzt sind, ist das keine Meldung wert – und es wäre auch schwer, dabei mit der Anzahl der Unfälle Schritt zu halten, von Langzeiterkrankungen zu Schweigen. In der Gefährlichkeit höchstens noch überboten von den Textil-Unternehmen des Landes sind in dieser einst eher zufällig entstandenen Branche sowohl die Untätigkeit von Seiten der Regierung und den Behörden dieselbe wie in der Textilbranche, als auch die Einspar-Bestrebungen der Unternehmen mit tödlichen Folgen verbunden. Weder die Einhaltung des „Bangladesh Ship Recycling Act“ von 2018 wird kontrolliert, noch hat die Regierung bisher die gewerkschaftliche Forderung nach Unterzeichnung der „Hong Kong International Convention for the Safe and Environmentally Sound Recycling of Ships“ erfüllt. Siehe zur Situation auf den Abwrack-Werften weitere Informationen:

  • Schrottschiffe am Strand: Bangladesch ratifiziert Hongkong-Konvention zum umweltverträglichen Abwracken – (wann) wird es an den tödlichen Arbeitsbedingungen etwas ändern? New
    „Seit Jahrzehnten protestieren zivilgesellschaftliche Initiativen weltweit gegen die menschenunwürdigen und ökologisch verheerenden Praktiken des Abwrackens ausgedienter Handelsschiffe an den Stränden (vor allem) von Pakistan, Indien und Bangladesch. 2009 hatte die UN-Schiffahrtsorganisation IMO sich nach langem Zaudern und Zanken auf das »Internationale Übereinkommen von Hongkong zum sicheren und umweltverträglichen Recycling von Schiffen«, kurz Hongkong-Konvention genannt, verständigt, das diesem Treiben ein Ende setzen sollte – jetzt erst könnte der Tag näher rücken, da dieses Übereinkommen endlich in Kraft tritt: Mit Bangladesch hat in dieser Woche nach Indien das zweite der wichtigsten Abwrackländer die Konvention ratifiziert. Allerdings ist dieser Schritt nur eine Etappe auf dem komplizierten Weg der IMO-Beschlussfassung: Zwar wird über Konventionen wie diese satzungsgemäß mit Stimmenmehrheit entschieden, nur werden damit die Beschlüsse noch lange nicht rechtswirksam. Im Falle der Hongkong-Konvention gilt Folgendes: Zunächst müssen mindestens 15 Staaten das Übereinkommen ratifizieren – aber nicht irgendwelche. Mit Bangladesch haben jetzt 20 IMO-Mitglieder diesem Abkommen zugestimmt. Das genügt nicht, denn diese Staaten repräsentieren nur knapp 31 Prozent der Welthandelstonnage, erforderlich sind aber mindestens 40 Prozent. Zudem müssen diese ratifizierenden Länder mindestens drei Prozent der weltweiten Recyclingkapazität vertreten – diese Marge immerhin ist mit Bangladeschs Zustimmung erreicht. Dennoch braucht es erst die Erfüllung des Tonnagesolls, bevor der Prozess des Inkrafttretens fortgesetzt werden darf; und der dauert dann noch einmal zwei Jahre. (…) Es ist nach wie vor – unter Missachtung des Seerechtsübereinkommens der UNO – üblich, Handelsschiffe nicht unter der Flagge des Reeder-Heimatlandes fahren zu lassen, sondern sie in die Schiffsregister von Staaten »auszuflaggen«, deren Regeln dem Reeder günstigere Tarife, Steuern oder andere Normen gegenüber dem Heimatland bescheren. Die Internationale Transportarbeiterföderation (ITF) spricht von Billigflaggenstaaten und kritisiert nicht nur soziale Folgen für Seeleute, sondern betont, dass Schiffe unter diesen Flaggen oft auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Ladung, Mensch und Umwelt darstellten. Diese Billigflaggenstaaten verdienen gut am Geschäft mit der Registrierung fremder Schiffe. Deshalb blockieren sie in der IMO häufig Beschlüsse, die zwar in der Sache wirksam, aber für die Reeder oft auch teuer sind: Man will die Geschäftspartner von jetzt und morgen ja nicht verprellen. Deutschland hat 2019 als weltweit 13. Staat die Hongkong-Konvention offiziell ratifiziert. Im selben Jahr ist eine 2013 beschlossene EU-Schiffsrecyclingverordnung in Kraft getreten, die deutlich schärfere Kriterien festlegt als die Hongkong-Konvention; Brüssel wollte so den Druck in Sachen Abwrackregelung erhöhen. Ungeachtet dessen sind deutsche Reeder – bei anhaltend staatlicher Subventionierung – nicht nur maßgeblich Nutznießer üblicher Ausflaggungspolitik, sondern auch mal in Abwrackskandale verwickelt….“ Artikel von Burkhard Ilschner in der jungen Welt vom 17. Juni 2023 externer Link

    • Sehr sehenswert dazu das ZDF Magazin Royale vom 26. Mai 2023 externer Link : „Unter falschen Flaggen“: „Wir sind verrückt nach Meer. Und wer Meer sagt, der muss auch Containerschifffahrt sagen. Dahinter stehen sympathische Familienbetriebe, denen es mehr um den Salzgeschmack auf der Zunge geht und weniger um Nebensächlichkeiten wie faire Löhne…“ (Videolänge 33 min., verfügbar bis zum 25. Mai 2024)
  • Reedereien flaggen auch aus, weil dadurch Abwracken billiger wird – auf den Friedhöfen für Werftarbeiter in Bangladesch
    Nicht weniger als 674 ozeantaugliche Schiffe und Plattformen wurden im Jahr 2019 abgewrackt – davon 469 in nur drei Orten in Bangladesch, Indien und Pakistan – die aber zusammen rund 90% der Gesamt-Tonnage ausmachten. Diese Arbeiten kosteten am Strand Chittagongs in Bangladesch 24 Arbeiter das Leben – die höchste Zahl an Opfern der letzten 10 Jahre. 45 Schiffe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und 40 aus Griechenland – das waren die beiden Länder mit den meisten „entsorgten“ Schiffen, wobei, wie immer, unklar bleibt, welche Reedereien von wo auch unter diesen Flaggen fahren. So ist etwa die Reederei Berge Bulk aus den Bermudas eines der Unternehmen, die am meisten Schiffe zum Abwracken nach Bangladesch geschickt haben – aber Todesopfer unter den Arbeitern und verseuchte Strände hindern nicht daran, irgendwelche Preise für Nachhaltigkeit zu bekommen. Die Maersk-Reederei dürfte bekannter sein – ist allerdings seit letztem Jahr nicht mehr im Register Dänemarks verzeichnet. Womit die neuen EU-Bestimmungen über Abwracken für die Großreederei auch nicht mehr bindend sind. In der Pressemitteilung „Platform publishes list of ships dismantled worldwide in 2019“ vom 03. Februar 2020 verweist die NGO Shipbreaking Platform externer Link auf zahlreiche weitere Vergehen von Reedereien, die auch nach wie vor sich in den offiziell kritisierten Registern aus Palau, den Komoren und St Kitts & Nevis eintragen lassen – und zeichnet nach, wie sich dies am „Ende der Kette“ auf Mensch und Umwelt auswirkt. Die Pressemitteilung ist mit den ausführlichen Berichten verlinkt.
  • „Accident on board Greek ship kills two and injures thirteen“ am 03. September 2019 bei der NGO Shipbreaking Platform externer Link ist eine Pressemitteilung der Initiative über einen neuerlichen „Unfall“ – diesmal hat das Abwracken eines griechischen Schiffes zwei Todesopfer gefordert sowie 13 verletzte Kollegen. Aminul Islam, 35 und Tushar Chakma, 27 Jahre alt verloren ihre Leben. Die Toten von Chattogram (wo sich das Abwrack-Unternehmen Ziri Subedar befindet) sind in den Monaten bis einschließlich August nunmehr bereits 15 an diesem Ort.
  • „Safety crisis in Bangladesh shipbreaking yards continues“ am 29. Mai 2019 bei IndustriAll externer Link war ein Beitrag, der einerseits eine (schreckliche) Zwischenbilanz der Tötungen und Verstümmelungen zu Beginn des Jahres zog, andererseits aber auch über die Proteste gegen diese Verhältnisse informierte, deren Höhepunkt bis dahin eine große Demonstration in Chittagong war, die von den Gewerkschaften BMF und BMCGWF zusammen mit Aktiven des Ship Breaking Workers‘ Trade Union Forum (SBWTUF) organisiert worden war.
  • „Schrott am Strand“ von Christian Faeseke am 02. Mai 2019 in der jungle world externer Link war ein Beitrag über den heutigen Alltag auf diesen Werften und die Geschichte dieser Branche: „… Bis dahin wurden Schiffe umständlich und teuer in den Häfen der Industrieländer recycelt. Das Abwracken in Bangladesh war lukrativer. Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen gab es nicht, dafür aber zahlreiche billige Arbeiter. Auch die einzigen natürlichen Voraussetzungen, ein hoher Gezeitenhub und weicher Grund, waren gegeben. Größere Investitionen waren für den Einstieg in die Schiffsverwertung nicht nötig. In den achtziger Jahren entstanden auch in Indien bei Alang und in Pakistan bei Gadani ähnliche Strand­abschnitte zur Schiffsabwrackung. Von der Schnellstraße aus sind in Richtung Strand überall Schiffsbrücken zu erkennen, die hier locker die Baumwipfel überragen – Schiffe, die zum Abwracken bei Springflut auf den Strand gesetzt wurden. Links und rechts der Straße reihen sich Hütten als Verkaufsflächen für verschiedene Schiffsbauteile aneinander: von ganzen Maschinenblöcken, Navigationsinst­rumenten und Schiffslampen über zurückgelassene Hantelbänke und Gitarren der ehemaligen Besatzungen bis zu Rettungsringen und Feuerlöschern ist hier alles zu finden. Teilweise sind darauf sogar noch die ausgebleichten Schiffsnamen zu entziffern. An Pfählen baumeln Rettungsanzüge zum Verkauf. Ein fast ausgetrockneter Flussarm neben der Schnellstraße ist mit orangefarbenen Rettungsbooten bedeckt. (…) Hat ein Schiff das Ende seiner Lebenszeit erreicht, wird es häufig an Schrotthandelsfirmen weiterverkauft. Damit entledigen sich die einstigen Besitzer jeglicher Verantwortung für den wei­teren Verbleib des Schiffes oder für dessen Entsorgung. Nach Analysen der NGO Shipbreaking fuhren 2018 mehr als 60 Prozent aller Schiffe, die zum Verschrotten an den Küsten Südasiens landeten, unter sogenannten flags of convenience (FOC), Billig- oder Gefälligkeitsflaggen, die oft von Inselstaaten wie den Komoren, Niue, Palau oder St. Kitts und Nevis vergeben werden. Diese Flaggen sind bei Schrotthändlern besonders beliebt, weil sie wenigen bis gar keinen Bedingungen des Internationalen Seerechts unterliegen. Die Flaggen dieser Staaten werden üblicherweise nicht während des regulären Einsatzes der Schiffe benutzt und ihre Anbieter unterbieten sich gegenseitig bei »Letzte-Fahrt-Rabatten«. Oft wird ein Schiff wenige Wochen vor der letzten Reise noch einmal ausgeflaggt und umgemeldet. In den drei südasiatischen Abwrackgebieten in Indien, Bangladesch und Pakistan wurden 2018 zusammen 90,4 Prozent der weltweiten Abwracktonnage verschrottet…

Siehe zum Abwracken in der Türkei: Tödliches Recycling: Werftarbeiter streikten in der Türkei für bessere Arbeitsbedingungen auf der Demtaş-Werft in Aliağa

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154044
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