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Bundesnachrichtendienst auf Herausgabe von Akten zu argentinischer Militärdiktatur verklagt

Dossier

die Verschwundenen von Mercedes-Benz ArgentinienDie Journalistin Gaby Weber hat beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) eingereicht. Sie will damit die Herausgabe von Akten erreichen, die zur Zeit der argentinischen Militärdiktatur von 1975 bis 1983 durch den Residenten des BND in Buenos Aires gesammelt wurden. Weber bezieht sich dabei auf das Bundesarchivgesetz (BArchG), nach dem amtliche Dokumente nach 30 Jahren offengelegt werden müssen, sofern keine Sperrerklärung für sie vorliegt. Nach einer Anfrage Webers hatte der BND bereits einige Berichte vorgelegt, die aber nur wenig aussagekräftig waren. Eine weitere Herausgabe hatte der BND mit dem Verweis auf mögliche negative Folgen für seine Reputation verweigert. Mit der Klage will die Journalistin nun erreichen, dass alle Berichte des BND-Residenten aus der fraglichen Zeit offengelegt werden. Durch die Dokumente verspricht sich Weber Aufklärung über eine mögliche Zusammenarbeit des BND und der deutschen Industrie mit dem argentinischen Militär, das politische Gegner foltern und töten ließ…Beitrag von Arne Semsrott bei netzpolitik.org vom 18. Oktober 2015 externer Link, siehe Neues und Hintergründe:

  • Das Bundesarchiv und die Informationsfreiheit: Warum Dokumente der Öffentlichkeit verschlossen bleibenNew

    „Mit einer Verfassungsbeschwerde versuchte die Journalistin Gaby Weber, für ihre Recherchen an Unterlagen von politischen Stiftungen zu gelangen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts stärkt zwar das Recht auf Informationszugang, praktisch aber bleiben die Akten weiterhin unzugänglich. (…) Wen auch immer aus der aktuellen Regierungsriege der Wählerwille den Job kosten wird, eine Frage stellt sich bei jedem Regierungswechsel: Wer erhält amtliche Unterlagen und Dokumente derjenigen politischen Spitzenkräfte, die in wichtiger Position die Geschicke der Menschen maßgeblich beeinflusst haben? (…) Das Bundesarchivgesetz wurde im Januar dieses Jahres – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – geändert. Man hatte zwar laut Koalitionsvertrag eigentlich eine Novelle zur „Verbesserung der Nutzer- und Wissenschaftsfreundlichkeit“ (…) versprochen, aber ganz im Sinne der Geheimen gibt es neue Grenzen der Transparenz: Die Geheimdienste sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes im März 2017 mit noch weitreichenderen Ausnahmen von der Pflicht zur Archivierung von Unterlagen erlöst, wenn deren Beamte der Meinung sind, es gäbe gute Gründe für eine Geheimhaltung. (…) Die Journalistin wartet nun erstmal auf Beantwortung ihrer Informationsfreiheitsanfrage. Ihre Forderung geht aber über ihre eigenen Recherchen hinaus: Das Kanzleramt hat meinen Antrag und muss ihn bearbeiten und die Akten zur Verfügung stellen. Ich halte es aber für notwendig, dass eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber angeschoben wird, dass mit der Vorenthaltung der Informationen über zentrale Dinge der deutschen Geschichte eine Wahrnehmung demokratischer Rechte gar nicht möglich ist.“ Beitrag von Constanze Kurz vom 7. August 2017 bei Netzpolitik.org externer Link
  • „Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen“ 
    „… Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung der Bereitstellung von Akten zur Einsichtnahme durch das Bundesarchiv. (…) Mit ihrer gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 (Informationsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 Satz 2 (Presse- und Rundfunkfreiheit) sowie Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (Wissenschaftsfreiheit). (…) Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Verfassungsbeschwerde genügt nicht den Anforderungen an den Grundsatz der Subsidiarität gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin hat es versäumt, zur Durchsetzung des von ihr begehrten Informationszugangs zunächst einen Antrag an das Bundeskanzleramt zu stellen, in dessen Zuständigkeit die Akten geführt wurden, und diesen Antrag erforderlichenfalls dann vor den Fachgerichten weiterzuverfolgen. Ein solcher Antrag ist hier nicht deshalb entbehrlich, weil die Beschwerdeführerin stattdessen einen Antrag an das Bundesarchiv gestellt hat. Da die Akten dem Bundesarchiv nie zur Übernahme angeboten wurden und von ihm damit auch nicht zum Archivgut erklärt werden konnten, sind sie nicht in dessen Verantwortungsbereich gelangt. Ein entsprechender Antrag hat sich auch nicht durch das nachfolgende Klageverfahren erübrigt. Zwar richtete die Beschwerdeführerin ihre verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Bund und damit gegen denselben Beklagten, gegenüber dem eine Klage auch im Falle eines erfolglosen Antrags beim Bundeskanzleramt zu erheben wäre. Das ändert jedoch nichts daran, dass Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein der Antrag an das Bundesarchiv und dessen Verpflichtung zur Zugänglichmachung der begehrten Informationen war, nicht aber auch eine mögliche Verpflichtung des Bundeskanzleramts…“ Aus dem Leitsatz des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluss des Ersten Senats vom 20. Juni 2017 externer Link – 1 BvR 1978/13 – zu den Voraussetzungen einer auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde, mit der Informationszugang zu amtlichen Dokumenten geltend gemacht wird, die sich in Privatbesitz befinden.

    • Und ein echter Hammer darin hinsichtlich der Informationsfreiheit: „… Insbesondere erstreckt sich der Informationszugangsanspruch von vornherein nicht auf Dokumente, die eine informationspflichtige Stelle für die Erfüllung ihrer Aufgaben zwar beschaffen könnte oder auch müsste, sich aber nicht beschafft hat.…“
    • [Video von Gaby Weber] In eigener Sache – der Kampf um die Akten
      Ich bemühe seit fast 40 Jahren die Gerichte, um an die Akten zu gelangen. Erst ging es um Datenschutz, dann um die strategische Fernmeldeüberwachung, dann um die Unterlagen der deutschen Geheimdienste und danach um die der ausländischen Dienste. Es geht dabei auch um den Rechtstreit wegen der „privatisierten“ (also der gestohlenen) Unterlagen, die Minister und Staatssekretäre nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt mit nach Hause nehmen und die dann in den Archiven der Parteistiftungen landen. Das Bundesverfassungsgericht hat in meiner Sache am 12. Juli 2017 eine Entscheidung getroffen.“ Video von Gaby Weber vom 11.07.2017 bei youtube externer Link
  • [Spendenaufruf] Prozess gegen Bundesamt für Verfassungsschutz
    Das Kölner Verwaltungsgericht hat jetzt das Bundesamt für Verfassungsschutz de facto von der Auskunftspflicht befreit, obwohl es dazu nach dem Bundesarchivgesetz verpflichtet wäre. Es reicht aus, wenn das BfV – Weltmeister im Schreddern – meint, die Arbeit des Heraussuchens der begehrten Akten sei eine „nicht zumutbare Arbeit“ – siehe das Urteil vom 15.12.2016
    Geklagt hatte Gaby Weber, es ging um die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer mit dem argentinischne Folter-Regime. Gaby geht in Berufung, bittet aber um Spenden, denn das BfV-Verfahren ist nicht das einzige, das sie führt, und alleine ist das schwierig wegen der Anwalts- und Prozesskosten. Und es ist eben wichtig, diese Diskussion auch über die Gerichte zu führen. Die öffentliche Diskussion über Aktenöffnung ist in Deutschland erst zehn Jahre alt, jetzt gilt es eine entsprechende Rechtsprechung zu bekommen.
    Anhängig ist ihr Verfahren gegen das Bundesarchiv, über das demnächst das Verfassungsgericht entscheiden muss; es geht um den bandenmässigen Diebstahl von amtlichen Dokumenten durch Minister und Bundeskanzler, die ihre Akten nach ihrem Ausscheiden in privaten Partei-Archiven verstecken. Es geht auch um die Klage gegen den BND wegen Offenlegung der Berichte seines Residenten an der Botschaft in Buenos Aires. Die Sache hängt beim Bundesverwaltungsamt. Und sie will weitere Klagen anhängig machen.
  • Spendenkonto: IBAN DE53200411550192074300, BIC COBADEH055
  • Eine schöne Zusammenfassung der Hintergründe liefert Fefe am 25.12.2016 externer Link, darin eine ebenso schöne Motivationshilfe zum Spenden: „… Der Streitwert ist glücklicherweise vergleichsweise moderat, d.h. eure Spenden-Euros können gleich eine ganze Serie an Klagen finanzieren, wenn da jetzt ein bisschen was bei rumkommt. Gaby wird damit dann eine Spur der Verwüstung durch die „parteinahen Stiftungen“ und ihre Aktenverstecke ziehen. Frohes Fest!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=87949
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