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Afrika

Bundesdeutsche Regierung mehrfach in westafrikanischen Staaten: Aufholjagd im Einflussgebiet?

Logo der französischen AfrikasolidaritätSo wurde Afrika lange Zeit kaum beachtet – von Politikern wie Geschäftsleuten –, galt es doch als verlorener Kontinent. Das hat sich jüngst stark geändert. Allein diese Woche reisen drei europäische Spitzenpolitiker durch Afrika. Die britische Premierministerin Theresa May ist in Kenia, Nigeria und Südafrika unterwegs, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereist den Senegal, Ghana und Nigeria, und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) absolviert eine Tour de Force durch sieben Länder: Eritrea, Äthiopien, Mosambik, Botsuana, Simbabwe, Tschad und Ghana. Woher das plötzliche Interesse für Afrika? Da wären zunächst wirtschaftliche Interessen: Europa hat Angst, den Anschluss zu verlieren, scheint doch längst der Ausverkauf des südlichen Nachbarkontinents begonnen zu haben: China macht fast täglich durch große Investitionen von sich reden: eine Billion US-Dollar wolle es in Afrikas Infrastruktur stecken, erklärte es kürzlich. Chinesische Unternehmen – mehr als 10.000 sollen es laut der Unternehmensberatung McKinsey sein – bauen in Afrika Zugstrecken, Flughäfen, Häfen, Brücken, Regierungspaläste und, und, und…“ – aus dem Beitrag „Was ist da los in Afrika?“ von Lea Wagner am 29. August 2018 in der taz externer Link – dem hinzuzufügen wäre, dass das „geringe Interesse“ an Afrika bestenfalls eine Haltung des bundesdeutschen Kapitals war. Sofern man etwa Ägypten oder Südafrika nicht zu Afrika zählt… Zur Investitionsoffensive in Afrika und ihren Kritikern vier weitere Beiträge:

  • „Merkel auf Afrikareise: mit Investitionen die illegale Migration eindämmen“ von David Signer am 30. August 2018 in der NZZ externer Link ist, wie so oft, etwas deutlicher und konkreter als viele bundesdeutsche Beiträge, auch zur „Station“ Senegal: „Bei Sall dürfte sie auf offenere Ohren stossen als bei dem nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari, dessen Land mit wesentlich dramatischeren Problemen konfrontiert ist – Boko Haram, Korruption und riesigen Einkommensunterschieden. Sall ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger Abdoulaye Wade nicht der Ansicht, dass Emigration per se etwas Gutes sei, weil sie Rimessen ins Land spüle. Bei der Pressekonferenz mit Merkel betonte er, es sei unwürdig, wenn sich Afrikaner in die Hände von Schleppern begeben und unter illegalen Bedingungen in Europa leben müssten. Es gehe darum, in Afrika selbst genügend Arbeitsplätze zu schaffen: «Die Zukunft der Jugend ist hier.» Aber selbst bei einem Wirtschaftswachstum von sechs Prozent können kaum genug Jobs kreiert werden für die 300 000 Jungen, die jährlich auf den Arbeitsmarkt drängen. Das Bemühen, mit der Immigration, die in ihrer Kanzlerschaft eine so wichtige Rolle spielt, zurande zu kommen, dürfte Merkels häufige Kontakte mit afrikanischen Politikern in den letzten paar Jahren erklären. Die Entwicklungszusammenarbeit spielt dabei eine zunehmend kleinere Rolle, dafür rückt die Wirtschaft in den Vordergrund. «Investitionen, Investitionen, Investitionen!», deklamierte sie vor Journalisten, womit die Prioritäten klar waren. Das passt zur Initiative der deutschen G-20-Präsidentschaft 2017, als mit elf besonders reformfreudigen Ländern Afrikas wie Senegal und Ghana der «Compact with Africa» angestossen wurde. In dieser langfristig angelegten Übereinkunft geht es vor allem um Rechtssicherheit für private Investitionen. Merkel und Sall konnten auch bereits ein aufgegleistes Projekt präsentieren, bei dem in Zusammenarbeit mit einem deutschen Energieunternehmen 300 Dörfer mit Solarstrom versorgt werden sollen…
  • „Deutsches Terrain“ von Christian Selz am 31. August 2018 in der jungen welt externer Link über die Bestrebungen bundesdeutschen Kapitals: „Denn der deutschen Wirtschaft soll der Boden im Wettrennen um Afrikas Märkte und Ressourcen bereitet werden. Im Rahmen ihres Programms »Compact with Africa«, das Merkel auf der Pressekonferenz mit Sall wie in einer TV-Dauerwerbesendung penetrant bewarb, will Berlin Investitionen und Exporte in teilnehmende afrikanische Länder mit staatlichen »Hermes«-Bürgschaften absichern. Die Regierungen der »Partner« müssen sich zudem verpflichten, sich in ihren gesetzlichen Rahmen reinreden zu lassen. »Verbesserung des Investitionsklimas« heißt das – und bedeutet Eingriffe in Arbeits- und Unternehmensrecht von nur noch auf dem Papier unabhängigen Staaten. »Entwicklungshilfe« wird privatisiert und zugleich sichergestellt, dass das deutsche Geld dort ankommt, wo es hin soll: in den Kassen deutscher Unternehmen. Läuft bei Export oder Investition in einem afrikanischen Land dann dennoch etwas schief, zahlt der deutsche Steuerzahler. »Bei uns investiert nicht der Staat, sondern bei uns investieren private Unternehmen. Die treffen eine Entscheidung. Wir können dabei helfen, dass sie getroffen wird, aber wir können nicht 100 Prozent jedes Risikos übernehmen«, erklärte Merkel am Mittwoch in Dakar. Der Fakt ist korrekt. Doch die Kanzlerin verschweigt die Tatsache, dass das deutsche Wirtschaftsministerium Anfang Juni die Selbstbeteiligung sowohl bei Investitionen und Exporten in bzw. nach Senegal und eine Reihe weiterer afrikanischer Staaten auf fünf Prozent gesenkt hat. Die Regierung übernimmt also 95 Prozent des Risikos, bekommt für ihre Anlage aber keine Dividende…
  • „Wie man Fluchtursachen schafft“ am 30. August 2018 bei German Foreign Policy externer Link zur bisherigen Auswirkung der so hochgelobten Investitionen: „Daran, dass Senegal, Ghana und Nigeria die koloniale Zurichtung ihrer Ökonomien und die damit verbundene, strukturell verfestigte Armut nie abschütteln konnten, ist die Bundesrepublik alles andere als unschuldig. So ist zwar beispielsweise der deutsche Handel mit Senegal, das auf der Rangliste der Käufer deutscher Industrieprodukte lediglich auf Platz 118 liegt, aus Berliner Sicht vernachlässigbar. Dennoch ist das Handelsdefizit, das Senegal im Warentausch mit Deutschland verzeichnet, für Dakar verhängnisvoll: Weil das Land kaum für Deutschland interessante Rohstoffe besitzt, erreichte sein Defizit mit einem Umfang von 100 Millionen Euro im Jahr 2017 mehr als 0,7 Prozent des gesamten senegalesischen Bruttoinlandsprodukts. Der kontinuierliche Abfluss von Geldern in solcher Größenordnung erhöht die Schuldenlast – und erschwert jegliche eigenständige Entwicklung. Seit Jahren bekannt ist etwa auch, dass EU-Fischfangflotten die ehedem fischreichen senegalesischen Küstengewässer stark überfischen. Das hat zur Folge, dass rund um die Fischerei, die in Senegal ein Sechstel aller Arbeitsplätze schafft, immer mehr Jobs verlorengehen.[5] Berlin reagiert mit Migrationsabwehr. So fördert die bundeseigene Entwicklungsagentur GIZ im Rahmen sogenannter Entwicklungshilfe in Senegal nicht nur das „Grenzmanagement“, sondern auch ein Programm mit dem Namen „Réussir au Sénégal“, das junge Menschen im Land zurückhalten soll. Im Januar hat das deutsche Entwicklungsministerium in Dakar ein „Migrationsberatungszentrum“ eröffnet, das „über die Gefahren irregulärer Migration auf[klären]“, also von einer unerwünschten Einreise in die EU abhalten soll.[6] Darüber hinaus heißt es in Berlin, das Zentrum informiere über „Beschäftigungsmöglichkeiten“ in Senegal – bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 40 Prozent. (…) Ähnlich verhält es sich in Ghana. Einer der berüchtigtsten Beiträge Deutschlands und der EU zur Erhöhung der Arbeitslosigkeit in Ghana sind millionenschwere Dumpingexporte von Geflügelfleisch. Konnte Ghana noch in den 1990er Jahren seinen gesamten Hühnerfleischkonsum aus eigener Produktion decken, so ist die einheimische Branche seit den frühen 2000er Jahren kollabiert – weil sie gegen Billigeinfuhren von Geflügel aus Großschlachtereien aus der EU, insbesondere auch aus Deutschland, nicht mehr konkurrieren konnte. Bereits im Jahr 2003 lag die Kapazitätsauslastung ghanaischer Schlachthöfe nur noch bei 25 Prozent; Fachleute schätzten die Zahl der Arbeitsplätze, die durch die Importe aus der EU in Ghana verlorengingen, schon vor fünf Jahren auf mindestens 100.000.[7] Führten Unternehmen aus der EU im Jahr 2010 bereits 40.000 Tonnen Geflügelfleisch nach Ghana aus, so steigerten sie ihre Exporte immer mehr – zuletzt um 75 Prozent auf 135.320 Tonnen im vergangenen Jahr…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136852
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