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Updated: 18.12.2012 15:51
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Zur Umverteilung von unten nach oben, genannt: "Finanzkrise"

Ob nun mit staatlichen Bürgschaften und Schuldenübernahme oder ohne, die Zeche zahlen in jedem Fall die Vermögenslosen. So ist es zumindest geplant. Denn eine Stabilisierung der Finanzmärkte bedeutet nichts weiter, als die Umverteilung von unten nach oben zu beschleunigen. Dies ist allein aus wirtschaftlicher Logik heraus zwangsläufig. Entweder begleichen diejenigen die Schulden, welche sie verursacht oder gar von Schulden im großen Umfang profitiert haben, oder man sucht nach noch offenen Geldquellen. Dabei wird man denen die viel haben, möglichst nichts nehmen. Allerdings kann man denen, die kaum noch etwas haben, immer noch ein Bisschen nehmen, eben weil sie zu wenig haben, um anderen etwas nehmen zu können.

Kommentar von Armin Kammrad, 05.10.2008

Der Handel mit fremdem Geld soll offenbar nach Meinung der herrschenden Wirtschaftspolitik möglichst bald wieder schwungvoll weitergehen. Die Frage ist nur woher das Geld kommen soll, um ihn wieder in Schwung zu bringen.

So meldete SPIEGEL-Online in einer " SPIEGEL-Analyse zur Bankenkrise " am 04.10.2008 (1) eher beiläufig, dass die Deutsche Bank zwar 516 Milliarden Euro an sog. "ungesicherten" Krediten mit sich "herumschleppt" (etwa so viel, wie private Bankeinlagen in Deutschland existieren sollen), doch gleichzeitig zu einem Spottpreis jene faulen Kredite in den USA gekauft hat, welche die anderen nicht mehr loswurden.

Der Hintergrund ist das Schulden-Übernahmepaket in den USA. Nachdem dort der Beschluss nun doch fiel, durch eine staatliche Finanzspritze von 700 Milliarden Dollar die Wall-Street "zu retten", sieht die Deutsche Bank die Chance, " diese Anleihen der amerikanischen Regierung für mindestens das Zwei- oder Dreifache ihres Einstiegspreises verkaufen zu können" (1). Jetzt wo der Steuerzahler in den USA also zahlen soll, versucht die Deutsche Bank nun einen Teil dieser Gelder in ihre Bücher zu bekommen. Bei den leidigen Schuldnern kommt, entgegen der offiziellen Propaganda, natürlich nichts an.

Das ist keine Überraschung. Schließlich geht es nahezu allen hektischen Finanzrettungs-Akteuren um die Rettung des nun angeschlagenen Finanzsystems. Und dieses beinhaltet nun einmal vorrangig die Rettung von Vermögen, was gerade aufgrund morbiden Wirtschaftens mit Geld, was nicht da war, zustande gekommen ist. Davon lebt es, und es hat in der Vergangenheit gut damit gelebt. Aber das betrifft nicht nur die USA. Dies allein schon deshalb nicht, weil - wie das Verhalten der Deutschen Bank zeigt - deutsche Banken im US-amerikanischen Bankgeschäft dick vertreten sind (2).

Nach heutigen Meldungen ist hier im Land das 35 (oder 50?) Milliarden-Rettungspaket für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (zunächst) gescheitert. Über die Gründe wird noch spekuliert (3). Dabei ist jedoch klar, dass es in diesem Fall offenbar nicht so problemlos funktioniert, aus den Schulden anderer Kapital zu schlagen bzw. zumindest Schulden in Gewinne zu transformieren. Denn - wie jetzt öffentlich wurde - läuft gerade über einen Immobilienfinanzierer die Absicherung besonders der Versicherungen über Pfandbriefe von einem geschätzten Wert von 900 Milliarden Euro. So zeigt gerade die Hypo Real Estate, wie sicher die ganzen Riester-Versicherungen wirklich sind. Klar, von staatlicher Seite wurde deren Sicherheit ebenso garantiert wie die von Pfandbriefen. Doch woher soll die Bundesregierung im drohenden Notfall plötzlich soviel Geld herbekommen, damit aus einem Sicherungsgesetz eine reale finanzielle Absicherung wird? Unpopulär ist sicher eine steuerpolitischer Ausgleich für zuvor gewährte steuerliche Förderung zur privaten Altersversorgung. Aber das muss man nicht für jedermann so offensichtlich über die Bühne ziehen. "Merkel garantiert die Sicherheit von privaten Spareinlagen", lautet eine auf dpa bezogene Pressemeldung am heutigen Sonntag. Ich kann nur empfehlen in Berlin anzurufen und Frau Merkel um eine möglichst baldige Überweisung zu bitten.

Denn die Aussage ist von den Fakten her Blödsinn, was auf oft die verlachte Urfassung von Sicherheitsversprechungen durch Norbert Blüm übrigens nicht zutrifft. Eingerechnet aller An- und Einlageformen, wie Festgeld, Versicherungen, Aktien usw. beträgt das geschätzte Vermögen in Deutschland im Moment um die 4,5 Billionen Euro. Der Staat selbst hat dem gegenüber Schulden von ca. 1,5 Billionen Euro. Solche Garantieversprechungen lassen sich also nur mit Umverteilung von Vermögen realisieren. Dies ist jedoch nicht gewollt. Denn sonst müsste Frau Merkel die 4,5 Billionen in irgendeiner Form angreifen, damit sich die ca. halbe Billion Spareinlagen wirklich absichern ließen.

Obwohl auch bei der Verschuldung von Hypo Real Estate der Steuerzahler vorrangig einstehen soll, kann dies für die anderen Banken, wie z.B. der Bayerischen Landesbank, zum Verlustgeschäft werden. Diese ist nämlich mit über einer Milliarde bei der Hypo Real Estate mit drin und riskiert durch private Schuldenübernahme einen Verlust an Einfluss z.B. gegenüber der Deutschen Bank. Diese wiederum, will jedoch keine Übernahme von Schulden, sondern Gewinn aus den Schulden anderer ziehen. Und für die Pfandbriefe bei der Hypo Real Estate muss nicht die Deutsche Bank irgendetwas absichern, weil der Steuerzahler hier ja die viel näher liegende zwangsweise zu melkende Kuh darstellt.

Allerdings ist die Finanzsituation tatsächlich extrem labil für die geschätzten 500 Milliarden Privateinlagen bei Banken in Deutschland. Würden z.B. die Gewerkschaften statt nur Tarifkämpfe zuführen, zu einem geschlossenen Kampf gegen die Schuldenpolitik der Banken aufrufen, hätten sie zurzeit eine ungeahnte Macht. Es reicht, wenn Millionen Menschen schlagartig ihr Geld abheben würden. Das Problem ist nur, dass sich in diesem Moment die nackte Wahrheit zeigen würde. Für alle Verbindlichkeiten ist schlichtweg zuwenig Geld da, weshalb der Notstandsplan für den Tag X bereits längst Gesetz ist. Dabei ist die Aussage bezüglich zu geringem Kapital jedoch nur bedingt richtig. Es ist genug Vermögen da, um alle ihr Geld umgehend zurückgeben zu können. Es befindet sich in der Regel nur nicht auf jener Bank, die gerade Zahlungsschwierigkeiten hat. Das große Vermögen ist da meist schneller. Und wenn nicht, steht im Extremfall Schäubles Bundeswehr vor der Filiale, um das Geld der Vermögenden vor dem Zugriff der Vermögenslosen zu schützen. Nicht zufällig bemüht sich die Regierungskoalition gerade angesichts der, von Ihr mit verursachten Finanzkrise plötzlich verstärkt um eine Änderung des Artikels 35 Grundgesetz, damit - wie es in einer AFP-Meldung am 05.10.2008 heißt -, d er Einsatz der Bundeswehr "zur Abwendung außergewöhnlicher Notfälle auch mit militärischen Mitteln" auch gegen die Bevölkerung im Land möglich wird.

Deshalb ist es ein Trugschluss zu meinen, mit der Absicherung des Finanzsystems wäre auch das Geld sicher, was mensch im guten Glauben zur Bank getragen hat (oder zwangsweise der Bank treuhändisch jeden Ersten im Monat aushändigen muss). Gerade diese Bescheidenheit erzeugte das, was nun als "Finanzkrise mit bedrohlichem Ausmaß" bezeichnet wird. Es existiert zu viel Vermögen und nicht zu wenig. Vor allem diejenigen, welche an permanenter Vermögensvermehrung interessiert waren (und nach wie vor wohl auch sind), erzählen das Märchen von der "Sicherheit". So wie - ökonomisch eigentlich völlig widersinnig - möglichst niedrige Löhne oder möglichst hohe Beträge an Versicherungen, nicht irgendwelche persönliche Sicherheit bringen, kann es nicht auf Dauer funktionieren, dass die Mehrheit der Bevölkerung ihre Mini-Ersparnisse dafür hergibt, damit sich Vermögen immer weiter vermehrt. Aber genau das ist die herrschende wirtschaftspolitische Grundlogik: Damit überhaupt was weitergeht, müssen die Reichen immer reicher werden.

Dieser Logik hat sich natürlich auch der Gesetzgeber begeistert verschrieben.

So wurden bereits 2005 für börsennotierte Unternehmen die International Financial Reporting Standards (IFRS) für die Bilanzierung europaweit eingeführt. Sie ermöglichen diesen Unternehmen vor allem eine flexible Bestimmung des Gewinns und damit des fiktiven Wertes und vor allem der steuerlichen Belastungen. Wie Rüdiger Jungbluth in "Die Zeit" am 01.10.2008 berichtet, hat die Bundesregierung im Mai einen Entwurf für ein " Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts" erarbeitet, der noch dieses Jahr, trotz Finanzkrise, verabschiedet werden soll (4): " Anders als ein zahlengläubiges Publikum denkt, hängt der Gewinn eines Unternehmens nicht nur von seinem tatsächlichen Erfolg ab, sondern auch davon, welche Rechnungsregeln angewandt werden", schreibt Rüdiger Jungbluth und warnt davor dieses Gesetz zu verabschieden, weil bereits heute " 98 Prozent der Vermögenswerte (..) keinen objektiv nachprüfbaren Wert" haben (4). Die Frage ist nur: Was ist dann noch sicher?

Die herrschende Wirtschaftspolitik beschleunigt nicht nur die fehlende Sicherheit, weil durch neue Bilanzierungsmöglichkeiten reale Verluste in der Bilanz als "Gewinn" auftauchen können (wie natürlich bezüglich Steuer andererseits Gewinne leichter in "Verluste" mit ein wenig Rechenkunst verwandelt werden können). Sie unterstützt damit aktiv eine Vermögensvermehrung, welche real nur durch Enteignung der sowie so nicht gut Betuchten im Krisenfall ausgeglichen werden kann. Denn ein Hungerlohn oder ein Regelsatz auf Kriegsniveau, ist zwar nichts Berauschendes, aber wenigstens reales Geld, was noch weggenommen werden kann. Und die Menge macht es. Aus Lohnsenkung oder Absenkung der Kaufkraft für soziale Leistungen (z.B. beim Gesundheitsfond) lassen sich Fehlbewertungen "leicht" wieder ausgleichen. Hierin gipfelt die ganze Hoffnung auf Rettung des Finanzsystems und dies sogar ohne den beliebten Umweg einer Wirtschaftstheorie, die eine gut florierende Kreditwirtschaft als wichtigste Voraussetzung betrachtet, damit mehr investiert und so wieder mehr Arbeitsplätze entstehen.

So mag der Einzelne, in welcher Form auch immer, sein Geld irgendwie anlegen. Dass Geld nicht arbeitet, kann eigentlich fast als "Volksweisheit" bezeichnet werden. Weniger scheint im allgemeinen Bewusstsein sich die Konsequenz daraus eingeprägt zu haben: Geld, was sich ohne Arbeit vermehrt, kann folglich auch nicht als etwas "Sicheres" betrachtet werden. Schuftet nicht irgendwo irgendjemand im Schweiße seines Angesichts dafür, dass einer Geldanlage Mehrwert gegenübersteht, handelt es sich bei der "sicheren Anlage" zwangsläufig immer um Geld, was als realer Wert noch nicht da ist.

Der Sicherheitsbegriff des Gesetzgebers baut bereits auf Verschuldung, also zukünftiges und nicht gegenwärtiges Eigentum, auf. Denn wenn gegenwärtig in den Medien häufig von "Sicherheiten" gesprochen wird, so sollte beachtet werden, dass diese nur prinzipiell, d.h. entsprechender gesetzlicher Regelungen und deren Begrenzungen, gelten.

So wird nach der deutschen Liquiditätsverordnung (LiqV) ausreichende Liquidität konkret nach einer Kennzahl bestimmt, welche das Verhältnis zwischen "verfügbaren Zahlungsmitteln und während dieses Zeitraumes abrufbaren Zahlungsverpflichtungen", unterteilt nach unterschiedlichen Laufzeiten (z.B. einem bis zu drei Monaten), angibt (LiqV § 2). Eine vorzeitige, außerordentliche Kündigung, weil z.B. die Bank in eine extreme finanzielle Schieflage geraten ist, ist jedoch nicht vorgesehen. Die Folge ist, dass alle gesetzlich vorgeschriebene oder freiwillig vereinbarte "Sicherheit" häufig vom guten Willen anderer Banken abhängt Kredit zugewähren. Vergleichbar den amerikanischen Immobilienkrediten ist dann also Geld, was eigentlich auf dem Papier da sein soll, faktisch nicht unmittelbar verfügbar. Dies nicht deshalb, weil man es verliehen hat, sondern weil man selbst jemand braucht, der einem etwas leiht, um das abgegebene Versprechen ggf. auch einhalten zu können.

Genau hier haben nun auch einige deutsche Banken im Moment große Probleme. So muss die Landesbank Baden-Württemberg "bis Dezember 2009 Forderungen kurzfristiger Geldgeber in Höhe von rund hundert Milliarden Euro refinanzieren" (1). Bei der Bayrischen Landesbank sind es 43 Milliarden, die bis Ende 2009 fällig werden. Doch woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Dabei handelt es sich bei den beiden Landesbanken bereits um Kredite die erforderlich sind, um nach der Liquiditätsverordnung überhaupt noch als zahlungsfähig zu gelten. Die Eigensicherung gegenüber z.B. Sparkunden ist also bereits über Pump finanziert. Die Kreditgeber der Landsbanken, insbesondere Sparkassen, sind jedoch wiederum daran interessiert, dass Geld der Sparer nicht Banken zugeben, welche die Rückzahlung nicht mehr garantieren können - außer der Steuerzahler gleicht jene Verluste wieder aus, welche die Landesbanken verursacht haben. Im Fall des Falles würde dies sowie so kommen. Denn schließlich geht es auch um das große Geld, was die Landesbanken in ihren zittrigen Händen haben und was eben besonders flüchtig ist; bevor die Kleinsparer endlich ihr Geld abheben wollen, haben die Großanleger längst schon "umgebucht".

An dieser Stelle sollte auch klar werden, was dies mit den ganzen Sicherheiten auf sich hat: Ob nun über den Weg der Steuern oder durch Verzicht auf den Banken geliehenes Geld, immer sollen die Vermögenslosen die Vermögensgefährdungen der Reichen ausgleichen. Sonst droht angeblich allen der finanzielle Untergang, dass Drohmittel heißt "Inflation", die heimliche Enteignung, bei der es nichts nutzt, seine paar Kröten unterm Kopfkissen zu verstecken.

So ist das System angelegt. Das Opfer, nicht der Täter wird herangezogen. Allerdings müssen die Opfer sich auch irgendwann einmal wehren.

So sind geringe Löhne, das Hinnehmen von Sozialabbau usw., alles Maßnahme, die zwar viel Vermögen ermöglichen, doch damit zugleich auch jene Gefährdung des eigenen Wertes, der im Extremfall zu so etwas wie einer "Finanzkrise" führt. Es ist zwar ein sehr löbliches Unterfangen immer fleißig arbeiten zu wollen, aber es wäre naiv dabei zu übersehen, dass diese Einstellung letztlich nur die eigene Existenz gefährdet. Arbeit ohne angemessene Entlohnung, macht längerfristig arbeitslos.

Das beste Mittel gegen die Finanzkrise, wären hohe Löhne. Je höher sie sind um so mehr an Sicherheit wäre der Gewinn für die Mehrheit der Menschen. Ebenso schützt ein möglichst hoher Regelsatz die Allgemeinheit am Besten vor großer Schädigung durch eine destruktive Kreditwirtschaft. Ohne dem wird die Verarmung noch weiter fortschreiten. Abhängig von ihrer Tiefe, kann eine Krise des Finanzsystems nur durch noch mehr Umverteilung von unten nach oben oder gar nicht überwunden werden. Allerdings haben gerade in Krisenzeiten die Opfer eine gute Chance nun einmal zu Tätern zu werden. Leider wird bisher dieser Aspekt, besonders in gewerkschaftlichen Kreisen, kaum diskutiert.

QUELLEN:

1)  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582216,00.html externer Link

2) vgl. "Kurssprünge" German-Foreign-Policy v. 29.09.2008

3) http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582295,00.html externer Link

4)  ZEIT ONLINE   41/2008 S. 24   [ http://www.zeit.de/2008/41/Marktbewertung externer Link]


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