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Updated: 18.12.2012 15:51
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Zum geplanten Angriff gegen demokratische Opposition

Wie tagesschau.de am 03.05.2005 berichtete (1), will die Regierungskoalition für 2009 eine Änderung im Jahressteuergesetz durchsetzen, wodurch - laut tagesschau.de - "Extremistische Vereine (ihre) Steuervorteile verlieren" sollen. Propagandistisch wird dies der Öffentlichkeit als Maßnahme gegen die NPD verkauft. Tatsächlich will man auf das Verbot einer verfassungsfeindlichen Organisation verzichten und dafür ungewünschte demokratische Opposition unterdrücken. Damit reiht sich dieser Angriff in eine rechte Politik ein, wie sie bereits mit den bayerischen Plänen zur Änderung des Versammlungsrechts für die Demokratie bedenkliche Formen angenommen hat (2). Und wohl nicht zufällig, fällt diese Änderung ins Wahljahr 2009. Denn da geht es um Macht und nicht um Demokratie, welche zumindest vom Grundsatz her, wechselnde Machtverhältnisse gerade ermöglichen soll. Nach dem geplanten Gesetz zur Änderung der Gemeinnützigkeit von Vereinen, wäre ein Verein "Rettet die Demokratie" jedoch sicher "extremistisch".

Armin Kammrad, 04.05.2008

Zielt bereits das geplante Bayerische Versammlungsrecht auf die erweiterte Möglichkeit des Polizeieinsatzes gegen Streikende und auf Einschüchterung von oppositionellen Demokraten, besonders von all jenen ab, welche gegen die Aktivitäten der zurzeit herrschenden Politik trotz massivem Polizei- und Bundeswehreinsatz (Stichwort "Heiligendamm") auf die Straße gehen, so soll die geplante Änderung im Steuergesetz oppositionelle Organisationen finanziell austrocknen und politisch lahmlegen. Darüber hinaus hat diese Verweigerung der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit den Effekt einer Gleichstellung von besonders linker Opposition mit Neonazis.

Dabei muss man sich klar darüber sein, dass ein Verein, welcher erst einmal als "extremistisch" steuerrechtlich eingestuft ist, auch strafrechtlich verfolgt werden kann. Bestimmt doch bereits das Vereinsgesetz mit § 3, dass auf behördlichen Beschluss ein Verein verboten werden kann, wenn er sich in seiner Intension "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" richtet. Die im Vereinsgesetz bereits angelegte behördliche Deutungshoheit darüber, was als verfassungsgemäß zu gelten hat, erweitert die geplante steuerrechtliche Definition nur. Damit soll offensichtlich erreicht werden, dass eine erst einmal an die Macht gekommene rechte Regierungspolitik, letztlich auch allein bestimmen kann, was extremistisch und verfassungsfeindlich ist und was nicht. Eine gerichtlich Prüfung nach Grundgesetz Artikel 9 Abs.1 wird damit zwar nicht aufgehoben, sie ist jedoch dem Einsatz der exekutiven Verfolgungs- und Ermittlungsorgane nachgeordnet. So kann bereits bisher bei Verdacht eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz ermittelt werden (VereinsG § 4). Mit dem geplanten Steuergesetz jedoch bereits bei steuerrechtlichen Zweifeln an der Gemeinnützigkeit. Die immer noch andauernde Überwachung der Linksfraktion durch den Verfassungsschutz zeigt anschaulich, dass es der rechten Regierungskoalition nicht um einen Schutz der Verfassung, sondern ausschließlich um Überwachung und Einschüchterung von Opposition geht.

Schwer erkennbar ist die wahre Absicht nicht. Lautet der zentrale Satz im geplanten Steuergesetz bezüglich einer Anerkennung der Gemeinnützigkeit doch: "Die Steuervergünstigung setzt voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung kein extremistisches Gedankengut fördert und sich im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält" (zit. nach 1.)

Auffällig ist zunächst, dass abweichend von Grundgesetz und Vereinsgesetz, Verstöße gegen die Völkerverständigung als fehlende Voraussetzung für einen verfassungsgemäßen Verein, überhaupt nicht erwähnt werden. Zum Maßstab wird einzig ein nicht eindeutig justiziabler "Extremismus" gemacht und dieser, nicht begrenzt auf Handlungen, sondern auf die Gesinnung. Selbst der Duden definiert "Extremismus" als "radikale (politische) Haltung oder Richtung". Das Verbot für gemeinnützige Vereine " extremistisches Gedankengut" nicht fördern zu dürfen, zielt auf die Unterdrückung von für das Gemeinwohl wichtiger Meinungen ab, sofern sie nicht den Interessen der gesetzgeberischen Macht entsprechen und in deren Augen zu radikal sind. Foucault lässt grüßen (3).

Beispielsweise ist Pazifismus ein extremer Gegensatz zu einer Politik, welche auf Angriffskriege zum Zweck der Ausbeutung anderer Länder setzt (wie z.B. im Falle der militärischen Zerschlagung Jugoslawiens im Interesse deutscher und internationaler Kapitalbesitzer). Aber bedeutet die öffentliche Kundgabe pazifistischer Einstellungen bereits eine Förderung "extremistische(n) Gedankenguts" ? Was ist mit Jean Ziegler, der klar aussprach: "Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet" . Ist es denn extremistisch, genau diesem Morden ein Ende setzen zu wollen? Fördert bereits die Meinung, diesem kapitalistischen Hungerregime, was sich in den Hartz-Gesetzen auch innerhalb Deutschlands als "Hunger per Gesetz" darstellt, ein Ende zu setzen, Extremismus?

Diese Beispiele ließen sich noch beliebig fortsetzen. Sie laufen jedoch alle darauf hinaus, dass vor allem ein herrschender Extremismus andere Meinungen nicht dulden und unterdrücken will. Wie die letzten wichtigen Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zeigen, scheint es jedoch nirgendwo so viele Verfassungsfeinde zu geben, wie in den Reihen derer, die über die Verfassung wachen sollen. Allerdings, Herr Schäuble, dessen Ministerium aus Steuergeldern einerseits kräftig die NPD über eine, fast die gesamte Partei stellende, Anzahl von sog. "Spitzel" und andererseits die Überwachung von (gewählter) Opposition durch den Verfassungsschutz finanziert, erklärte sogar öffentlich immer wieder, dass er das Grundgesetz entsprechend seiner persönlichen Interessen (Überwachung von Opposition, Weitergabe von persönlichen Daten an Folterstaaten wie den USA unter Bush, Einsatz der Bundeswehr im Inneren, Ermordung unschuldiger Menschen durch Flugzeugabschuss usw.) ändern will. Welcher "Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung" ist dann aber gemeint? Der, welche rechte Politiker wie Schäuble, sich wünschen und durchsetzen wollen? Stecken nicht genau solche verfassungsfeindlichen Kräfte hinter diesem Angriff auf Meinungs- und Vereinsfreiheit, wie er sich im Gesetzentwurf zur Gemeinnützigkeit von Vereinen, aber auch im geplanten bayerischen Versammlungsrecht darstellt?

Es geht bei der geplanten Änderung des Steuerrechts bezüglich der Gemeinnützigkeit von Vereinen, also nicht um die Verfassung und schon gar nicht um deren Verteidigung, sondern einzig um Verfassungsänderungen, ein Außerkraftsetzen der Verfassung über Notstandsgesetze oder Sicherheitsrat und subjektiven Verfassungsinterpretationen auf Basis einer Macht, die nicht "vom Volke" (GG Art.20 Abs.2), sondern von den Vertretern einer destruktiven Wirtschaftsideologie ausgeht. Und Macht will keinen Widerstand. Es geht letztlich manchen Damen und Herren in Berlin darum, dass kein als gemeinnützig eingetragener Verein mehr solche Beiträge öffentlich macht, wie meinen hier. Denn außerhalb der häufig von ihrem Gemeinnützigkeitsstatus lebenden alternativen Vereine. ist die Presse ja bereits immer fester in Hand des großen Vermögens konzentriert und so etwas wie die Bertelsmann-Stiftung steht allein schon deshalb im gemeinnützigen " Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung", weil sie diesen ja maßgeblich gestaltet. Andere Vorstellungen von einer verfassungsgemäßen Ordnung können da schon deshalb nicht gemeinnützig sein, weil sie denen der Bertelsmann-Stiftung widersprechen.

Doch so viel "Extremismus" erlaube ich mir trotzdem: Sitzt eine verfassungsfeindliche rechte Oligarchie erst einmal an der Macht, sollten wir gerade in Deutschland aufmerksam werden, wenn es da immer mehr gegen demokratische Opposition, statt in Richtung eines Verbots der neofaschistischen NPD geht. Aber vielleicht wird die noch gebraucht. Warum sonst werden statt einem Verbot der NPD plötzlich Menschen mit "extremistischen Gedanken" verfolgt, wenn eine extrem ablehnende Haltung gegenüber der NPD wohl das ist, was sich wirklich einmal eindeutig als verfassungsgemäß verstehen darf?

Anmerkungen:

1) http://www.tagesschau.de/inland/steuervorteile2.html externer Link

2) vgl. Gesetzentwurf Bayerisches Versammlungsgesetz BayRS 2180-4-I

3) vgl. bes. "Überwachen und Strafen", wo Foucault aufzeigt, dass die gesetzgebende Macht vorrangig auf eine Verinnerlichung von Verboten und einem völlig angepassten Verhalten abzielt

Siehe dazu auch:


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