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Updated: 18.12.2012 15:51
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Wirtschaftsweiser: "Krise kehrt im Herbst zurück"

oder Europa als Echternacher Springprozession: "Ein Schritt vor - und zwei Schritte wieder zurück"?

Wirtschaftsweiser Lars Feld (siehe http://www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/der-freiburger-oekonom-lars-feld-wird-wirtschaftsweiser--40234969.html externer Link) prophezeit "Die Krise kehrt im Herbst zurück" (zu Prof. Lars Feld vom Walter-Eucken-Institut siehe http://www.walter-eucken-institut.de/das-institut/personen/prof-dr-lars-p-feld.html externer Link)

Dieser neue Sachverständige aus Freiburg wird nun von der so tief neoliberal gestrikten Wirtschaftspresse als Shootingstar unter Deutschlands Spitzenökonomen (SZ von heute) begrüßt (endlich scheint es ein marktgläubiges "Gegengift" gegen den Keynesianer Peter Bofinger im Sachverständigenrat zu geben, so dass man diesen "ab jetzt" dann "links" liegen lassen kann! - Siehe das Interview mit Peter Bofinger in der TAZ vom 23. Juli 11: Ergebnis des EU-Griechenland-Gipfels "Die Banken haben sich behauptet": http://www.taz.de/!74989 externer Link)

Nachdem wohl gestern die "Welt" Lars Feld groß mit dieser "Prognose", die Krise kehrt im Herbst zurück, für den Herbst in Szene gesetzt hatte ( http://www.welt.de/wirtschaft/article13520843/Wirtschaftsweiser-erwartet-Rueckkehr-der-Euro-Krise.html externer Link) zieht heute die Süddeutsche damit nach (= nicht im Netz) - woraus ich mir erlaube jetzt einige Sätze zu zitieren, die die Begeisterung der Wirtschafts-Journaille über diesen "Spitzen-Ökonomen-Shootingstar" etwas deutlicher werden lassen:

Nachdem er sich allgemein gegen eine Abkehr von der Vision des gemeinsamen Euro ausgesprochen hat - sieht er aber für den Herbst neue Turbulenzen auf den Finanzmärkten und meint: "Zur Schicksalsfrage wird nicht die Stabilität des Euro, sondern die der Europapolitik. Ich sehe die Gefahr einer Transferunion mit uneingeschränkter gemeinsamer Haftung im Euro-Raum. Die Folge wäre eine überproportionale Belastung gesunder Länder und ihrer Steuerzahler. Das ist nicht nur schädlich für die Schuldendisziplin. Das gefährdet auch die politische Akzeptanz der Währungsunion in den starken Ländern. Solidarität lässt sich nicht erzwingen."

Und Europas Krise ist nicht zu Ende: "Die Turbulenzen an den Finanzmärkten sind vermutlich nicht vorbei. Wir werden im Herbst neue Nervosität erleben. Ich erwarte, dass die Zweifel der Märkte (sic!) spätestens im September zurückkommen. Sie werden hinterfragen, ob die Hilfen für Griechenland ausreichen - und ob andere Länder genügend finanzpolitische Disziplin üben." (...) "Das Paket für Griechenland reicht nicht aus, um das Land in eine stabile Finanzlage zu versetzen. Es muss ein größerer Schuldenschnitt kommen der private Gläubiger stärker beteiligt. (...) Die Schulden einzelner Länder zu Schulden aller zu machen, ist ebenfalls das falsche Signal. Der Einsatz des EFSF für Griechenland muss also die Ausnahme bleiben... " (SZ vom 2.8.2011)

Der Schritt nach vorne, den Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz und andere festgestellt hatten, soll also der falsche Weg sein (vgl. Joseph Stiglitz "Europa ist auf einem guten Weg die Krise zu lösen": http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-07/Joseph-Stiglitz-Interview/komplettansicht externer Link oder auch Stephan Schulmeister "Verblüffend lernfähig": http://www.taz.de/konom-Schulmeister--zu-EU-Institutionen/!75152 externer Link)

Dieser "gute Anfang" in Europa soll also die Ausnahme bleiben, die Märkte weiter das Heft in der Hand behalten (http://www.nachdenkseiten.de/?p=7415 externer Link).

Die durch - auch politisches - Lohndumping erschlichene ökonomische "Stärke Deutschlands" mit seinen Überschüssen kommt als ökonomisches Problem nicht auf die Tagesordnung - jenes "Modell ohne Zukunft", wie es Stephan Kaufmann in der FR skizzierte (aber nicht im Netz - sondern nur "zitiert" http://dasgelbeforum.de.org/forum_entry.php?id=226653 externer Link, wo auch das Erstaunen gezeigt wird, dass der Artikel nicht ins Netz darf). (Dieses "Modell ohne Zukunft" sah übrigens auch Keynes schon so und mahnte seine "Abschaffung" - durch zu bezahlende Strafen bei den Überschussländern - übrigens schon bei den Verhandlungen von Bretton Woods nach dem 2. Weltkrieg an - damals vergeblich gegen die USA.)(Siehe dazu auch "Europa im gemeinsamen Lernprozess nach "vorne" - Ein Anfang vom Ende einer kopflosen Politik gegenüber führungslosen Märkten": http://www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl8.html)

Nur wenn man diesen Wirtschaftsweisen - und damit den Mainstream der deutschen - ach so marktgläubigen - neoliberalen Ökonomen in ihrer Regierungsberatungstätigkeit wieder betrachtet, kommt einem dieser "erste Schritt" nach vorne dann - möglicherweise - eher wie eine "Echternacher Springprozession" vor - ein kleiner Schritt nach vorne, um dann wieder gleich zwei zurück zu machen. Die Wirtschafts-Presse stimmt uns schon gleich mit dem Wirtschaftsweisen Feld darauf ein.

Anmerkung zur "Echternacher Springprozession": Bei der Echternacher Springprozession wurden ursprünglich wohl drei Schritte vor und dann wieder zwei zurück gemacht. Weil das jedoch immer wieder nur in einem Chaos endete, hat man die Rückwärtsschritte "abgeschafft" - und verharrt auf der Stelle oder "schreitet" nur nach der Seite. - Vielleicht wäre es angebracht, dass die EU auch daraus lernen würde - und, um ein Chaos zu vermeiden, sich die vom Wirtschaftsweisen Feld angedachten "Rückwärtsschritte" erspart.

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 2.8.2011


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