Home > Diskussion > EU > Sopo > bahl
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Europäisches Sozialmodell - aber wie? Eine Politik der Gleichheit

Vorstoß zu der Kernfrage eines Gleichgewichts im Sozialen: starke Gewerkschaften. Nur wem gelingt es die Gewerkschaften stark zu machen - etwa der Politik?

Das Beispiel "Skandinavisches - insbesondere das Schwedische - Modell

 

Einleitende Bemerkungen: die USA

Hast du in Deutschland je davon gehört, dass jemand explizit starke Gewerkschaften will - und dafür dann auch noch institutionell die Voraussetzungen schafft also durch Politik? - Nein, in Deutschland nicht, dort wurde gerade das genaue Gegenteil durchexerziert - aber in Schweden (ist zwar schon etwas her, wirkt aber noch nach)! So wurde politisch-kulturelle Hegemonie geschaffen und dies kam - man kann es sich angesichts der heutigen Maßstäbe dieser Partei(en) gar nicht mehr vorstellen - durch eine Sozialdemokratie (nicht die deutsche).

Nur bemerkenswerter Weise ereignete sich dies nicht allein in Skandinavien - sondern höre und staune auch in den USA - nur mit weit weniger nachhaltiger Wirkung - denn der "institutionelle Set" war staatlich und von außen gesetzt und nicht den Gewerkschaften selbst überantwortet. (siehe dazu das 3.Kapitel von Paul Krugman "Die große Kompression" S. 45 ff., insbesondere S.57 ff.) Konzeptionell war es dort eben weit weniger grundsätzlich durchdacht - oder auch von einer anderen - prinzipiell der Gleichheit viel skeptischeren gegenüberstehenden - Kultur getragen!

Das wertvolle an der empirischen Darstellung der von Krugman so genannte "Großen Kompression" ist dabei auch, dass Krugman der - durchaus umstrittenen Frage - nachgeht; inwieweit die Politik kausal für die Schaffung starker Gewerkschaften ist. Einer Frage, die er selbst dann letztlich nicht entscheidet - sondern an dieser Stelle nur festhält, dass es auch die Politik ist. Mit dem Blick auf die skandinavischen Länder - so meine ich -, kann man diese Frage eindeutig beantworten.

Die spezifische Form des Streikrechtes beeinflusst die Lohnfindung - aber nur begrenzt das Soziale einer Gesellschaft insgesamt

Das skandinavische Modell ist wohl das Entwickeltste - und darüber kannst du dann auch getrost die "französischen Verhältnisse" (Streikrecht des einzelnen Bürgers) vergessen. Nur der schwedische "institutionelle Set" ist weit anspruchsvoller - und bräuchte eine politische Machtverschiebung - zusammen mit einer Werteverschiebung in Richtung von mehr Gleichheit und Gerechtigkeit!

So versuche ich persönlich ein wenig die aktuelle deutsche Sozialdemokratie , die ein so wesentlicher Grund für die hiesige Gewerkschaftsmisere ist, zu vergessen - indem ich mich umschaue, was sonst noch geboten wird - nicht ganz unbedeutend mit Blick auf die Europawahl 2009. Und es gibt informative neue Texte dazu.

Europäisches Sozialmodell - immer weiter auf der Suche: wieder ein Stück weiter - aber dennoch immer weiter entfernt

Insgesamt bleibt Frankreich doch einem konservativen Sozialstaatsmodell verpflichtet.

Bevor wir uns weiter in einem Streit verzetteln über die bessere Lohnfindung und die Bedeutung des jeweiligen Streikrechtes dabei - hie das individuelle (z.B. französische) Streikrecht und dort der sog. "Nipperdeysche Käfig" des Streikrechts für Deutschland, sollten wir den Blick erweitern auf das europäische Sozialstaatsmodell.

Frankreich selbst ist insgesamt einem eher konservativen Sozialstaatsmodell zuzurechnen. Die Reichweite eines selbst "powervollen" Streikrechts zur sozialstaatlichen Gestaltung ist eben beschränkt. (siehe dazu Becker, S. 231 - sowie insgesamt zu den Anforderungen auch Meidner, S. 2 ff.)

Wenn man sich auf das Streikrecht allein beschränken würde, bleibt die "Reichweite" eben auch reduziert.

Ich muss aber zugeben, dass mir dies individuelle Streikrecht - neben seiner jeweiligen Effizienz (Wirkungsweise: wirtschaftlich angemessenere Lohnerhöhungen, solidarischere Lohnpolitik sowie weniger Diskriminierung - insbesondere der Frauen) - auch einfach unter demokratischen Gesichtspunkten sympathisch ist. Während das Wahlrecht als alleiniger Einflussfaktor nur sehr langsam und langfristig wirkt ( siehe den sehr langsamen und mühsamen Entstehungsprozess der Linkspartei in Deutschland als Alternative zum politisch dominierenden neoliberalen Diskurs ) , bietet das - auch politische - Streikrecht hier schneller Reaktions- und Einflussmöglichkeiten der Bürger selbst gerade in sozialen und beruflichen Angelegenheiten, da dieses Streikrecht dem Bürger selbst zusteht und ihm so etwas wie ein "Widerstandsrecht" in diesen Fragen gibt (vor allem defensiv).

Wieso ist eigentlich bei uns noch niemand der Frage nachgegangen, wieso die Hartz-Reformen, diese Organisierung des "freien Falles der Löhne" - nicht schon längst - gerade unter dem ökonomischen Druck des Exportweltmeisters Deutschland mit seinem Lohndumping ( "China Europas" ) unter dem gemeinsamen Dach des Euro in den besonders ökonomisch betroffenen romanisch-sprachigen Ländern Europas (Sarkozy & Berlusconi) nachvollzogen wurde?

Wahrscheinlich ist die Drohung mit dem Widerstandspotential dieses auch politisch wirkenden Streikrechts zu groß, als dass man den Weg der SPD-Schröder-Regierung nicht so ohne weiteres nachschreiten kann.

Man beachte dazu z.B. den erfolgreichen CPE-Streik der Franzosen gegen dieses Gesetz mit dem "nur" der Kündigungsschutz für die Jugendlichen eingeschränkt werden sollte. Von Streikwelle zu Streikwelle steigerte sich die Menge der Streikenden derart ins Millionenfache, dass dieses Gesetz wahrhaft vom Tisch der Regierung gespült wurde.

Deutschland geht voran: Löhne nach unten

Mit der "Organisierung des freien Falles der Löhne" (Hartz) wurde jedoch nicht nur ein überdimensionierter Teilzeitsektor (sogar Kritik der OECD) geschaffen, sondern auch ein Niedriglohnbereich - verbunden mit enormer Kinderarmut - was in seiner rasanten Entwicklung in Europa einzigartig ist (Bosch & Weinkopf 2007).

Dieser eklatante Wegfall der politischen Stützung des deutschen Lohnfindungssystems hat es wohl - insgesamt - so in die Enge getrieben, dass es nun unter dem Dach des Euro den Wettlauf der anderen Volkswirtschaften (z.B. Frankreich, Italien u.a.) um die Senkung der Lohnkosten antreibt.

Um es mit Paul Krugman und seiner "Politik der Ungleichheit" auszudrücken, hat die Regierung Schröder im Vorantreiben der Ungleichheit noch rechts von der Regierung Kohl/Blüm agiert.

Nur während Krugman für die USA noch zu hoffen wagt, dass mit dem nächsten Präsidenten Obama in den USA wieder eine Abkehr von dieser Politik der Ungleichheit ( Clinton gehört ebenso in diese Reihe - er stand eben rechts von Nixon ) möglich wird und damit eine Rückkehr zu einem "New Deal", erscheint für Deutschland eine solche Perspektive derzeit unmöglich, weil die politischen Mehrheiten dafür nicht in Sicht sind.

Im Gegenteil - die strikte Verhinderung einer Mindestlohnregelung durch die Konservativen (CDU, CSU) zementiert diese Rolle Deutschlands für Europa - sozusagen nach dem Motto "Konservative aller Länder vereinigt euch, schlagt den Gewerkschaften auf`s Haupt und treibt immer mehr Arbeitnehmer ins soziale Abseits, um die totale Gewinnfreiheit der Unternehmer immer weiter in ungeahnte Höhen zu treiben"

... und die EU zementiert die Politik der Ungleichheit

Diese Politik wird flankiert von einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ( EuGH ), der der Freiheit der Unternehmer eine solche absolute Priorität in der europäischen Verfassung einräumt, dass andere verfassungsmässige Grundrechte - wie die Tarifautonomie - dahinter zurückzutreten haben und nur noch ein Schattendasein führen dürfen... So wird eine wirtschaftswissenschaftliche Schule - der Neoliberalismus - in Europa Verfassungsrang erhalten - und eine Abkehr von der Politik der Ungleichheit, wie es Krugman für die USA fordert - wird gleich "verfassungsmäßig" untersagt. Dieses Diktat einer Denkrichtung hat Allain Supiot mit Recht gegeißelt. (Supiot 2008)

Und der Deutsche Philosoph Jürgen Habermas stellt nach dem negativen Votum der Iren zum Vertrag von Lissabon schlicht fest: "Ein Gemeinwesen darf nicht so konstruiert sein, dass schon die Anlage des Gebäudes Alternativen zum vorherrschenden Marktliberalismus ausschließt" (Habermas 2008). Nur momentan - so wie es aussieht, werden all diese renommierten Warnungen nichts nützen, weil die EU in sturer Dogmatik diesen Weg weiter schreitet - nicht umsonst hat diese ideologische Fixierung ohne Praxisbezug Supiot an die untergegangenen Staaten der kommunistischen Ära erinnert.

Ein Ausweg für Europa: das "Skandinavische Modell"

In dieser für Deutschland und Europa so eindimensional auswegslos dünkenden Situation mit einer Dominanz konservativer Sozialstaatsmodelle - unter neoliberalem Diktat (vgl. Butterwegge u.a. "Neoliberalismus" ) - wird es mit der Aussicht auf die Europawahl 2009

geradezu überlebensnotwendig den Blick auf das oder besser die "Skandinavischen Modelle" zu werfen, zumal es dazu zwei sehr gute und sich analytisch ergänzende neue und aktuelle Texte gibt. (Uwe Becker und Andreas Kuhlmann - siehe unten)

Zwischenbemerkung: die kulturelle Dimension

Vom Grundsatz her - so muss vermutet werden - liegt diesen Modellen ein anderes Menschenbild zugrunde. Die kulturellen Dimensionen in seiner ganzen Tiefe auszuloten, ist mir nur an dieser Stelle unmöglich. Nur ein Hinweis sei mir gestattet bezüglich der Ausprägung dieser doch gewaltigen zwischenmenschlichen Solidarität in den nordischen Ländern: es sind rein protestantische Länder - von der Genese her - . Der Katholizismus war dort bis zum Begin des 20. Jahrhunderts untersagt. Im Dreißig-jährigen Krieg sind diese Kulturen aufeinander geprallt - mit dem Ergebnis des Westfälischen Friedens, der so etwas wie einen konstitutiven Akt für Europa darstellte (siehe dazu Michel Foucault in seinem ersten Band der "Gouvernementalität") Danach trennten sich die Wege. Dabei darf nicht unterschlagen werden, dass der angelsächsische Protestantismus mit seiner hervorgehobenen Betonung des "Jeder ist seines Glückes Schmied" - zusammen mit den USA (special relationship) - großenteils (siehe gerade Krugman) - einen anderen Weg eingeschlagen hat. Dieser andere Weg hat bisher weltweit Dominanz beansprucht (siehe "Washington consensus"), jedoch wie Paul Krugman scharfsinnig analysiert, an ein Ende gekommen ist. Dies hindert die EU jedoch nicht daran, diesen Weg für sich dogmatisch von oben als den "einzig Seligmachenden" vorzuschreiben.

Diese Zwischenbemerkung soll nur darauf aufmerksam machen, dass allen Modellen nicht nur eine institutionelle Wirkung und eine ökonomische Effizienz zu eigen ist, sondern sie auch aus einer - meist tief in die Geschichte zurückreichenden - kulturellen "Verwurzelung" stammen (siehe dazu auch die Diskussion um die Pfadabhängigkeit).

Hierdurch wird auch deutlich, dass das Umschalten auf neue andere institutionelle Arrangements, selbst wenn diese sich in einem anderen nationalen Zusammenhang bezüglich ihrer sozialen Bedeutung gut bewährt haben - und sowohl ökonomisch als auch in ihrer sozialen Wirkung bezüglich Beseitigung einer Ungleichheit als sehr effektiv erwiesen haben, nicht so ganz einfach durch einen bloßen politischen Willensakt erfolgen kann (auch eingedenk des Diktats von Basta-Schröder bei Hartz und Co.).

Das skandinavische - insbesondere das Schwedische - Modell

Nachdem in jüngster Zeit zwei neue und informative Texte vorliegen - mit inhaltlich unterschiedlichen Schwerpunkten wurden meine Gedanken angeregt, die Vorbild-Funktion dieses Modells für Europa zu erörtern und festzustellen. Während Becker uns mehr noch die trotz allem wichtige soziale Empirie beibringt, liefert Andreas Kuhlmann einiges Aktuelles - vor allem auch wie die jetzige konservative Regierung eher mit dem "Schnitzmesser" daran geht, das schwedische Modell in seiner so wichtigen sozialpolitischen Bedeutung zu zerlegen, nachdem die Konservativen es Anfang der 90er Jahre, als sie auch an die Regierung kamen noch "mit der Axt" versucht hatten - und scheiterten. (Kuhlmann S.1,2 (!), 5 und 6 (!))

Im Zentrum aller konservativen Angriffe steht das sog. Ghent- oder Gent-Modell der Arbeitsmarkt-Organisation, zu der vor allem Kuhlmann doch einmal genauere Informationen liefert. (Kuhlmann , S. 3 und 2). Die Arbeitslosenversicherung - jedenfalls die wichtige einkommensabhängige - ist vom Prinzip her freiwillig und wird von den Gewerkschaften organisiert. So ist sie nicht allgemein verpflichtend wie in Deutschland sondern eben freiwillig. Darüber hinaus gibt es dann nur die Grundsicherung. Diese Organisation des Arbeitsmarktes sichert den Gewerkschaften einen hohen Organisationsgrad (Becker 230 und Kuhlmann 2 und 4 - sowie auch Meidner S.5 und 8). Bei Becker ist der hohe Organisationsgrad irgendwie ein "Geschenk" - oder vielleicht auch eine schwedische "Eigenart" - aber auch Meidner, der als einer der Mit-Urheber des schwedischen Modells es genauer wissen müsste, sagt dazu nur wenig genaueres (ein wenig , S. 8). Durch diese institutionelle Verbindung der Gewerkschaften mit der Arbeitslosenversicherung (Kuhlmann S. 2) und der daraus folgenden Mitgliederstärke , die immer noch in Europa einmalig ist, trotz der ganzen konservativen Versuche dieser Verbindung - vor allem durch finanzielle Sanktionen - die Basis zu entziehen (Kuhlmann S. 2 - aber auch 6), haben die gewerkschaftlich Stärke noch nicht wesentlich - bisher - verringern können.

Bei der Institutionalisierung stand ein Gedanke Pate, dass man durch diesen politischen Akt starke Gewerkschaften haben wolle - eben einen starken Sozialpartner. Gleichzeitig sicherte sich die Sozialdemokratie in Schweden dadurch politisch eine "sozialdemokratische Hegemonie" (Meidner, S. 4).

Und auch Konservative Regierungen haben - bisher! - an diesem Grundkonsens nichts Grundsätzliches ändern können.

So erfreut sich - trotz aller Krisen-Rhetorik schon in den 90-er Jahren (Meidner 1994) - das Schwedische Modell empirisch heute noch einer enormen sozialen Stabilität (vgl. Becker 2008).

Aber auf solch ein taktisches und machtpolitisches Kalkül lässt sich das "schwedische Modell" keineswegs reduzieren. Eingebettet in ein breites makroökonomisches - keynesianisch inspiriertes - Gesamtverständnis war es immer bedeutsam. Neoliberales konnte - dann entsprechend auch dem Zeitgeist - "eingesprengselt" werden, wie die neueren Versuche einen Niedriglohnsektor zu schaffen (Kuhlmann S. 5 und Becker S.233), aber Keynes und die Makroökonomie konnten nie so gänzlich aus der politischen Arena beseitigt werden - wie letztlich z.B. bei uns in Deutschland.

Im Gegenteil schreibt Becker: Skandinavien macht beinahe alles , was neoklassischen Lehrbüchern zufolge unweigerlich zu Wachstumsschwäche und reduzierter Konkurrenzfähigkeit führen muss - nur sie sind damit ökonomisch sehr erfolgreich ! Die Steuern sind hoch, die Sozialleistungen großzügig, der öffentliche Sektor ist groß und teilweise ineffizient, die Lohnspreizung relativ gering (immer noch!) und der Kündigungsschutz ist, abgesehen von der speziellen dänischen "flexicurity"-Konstellation, keineswegs locker. Und die Entwicklung der Löhne verläuft, in diesem Falle ähnlich wie in den liberalen Ländern Großbritannien und USA, beinahe klassisch-keynesianisch parallel zu jener der Produktivität. (Becker S. 238 ) Für das liebe Deutschland lässt sich zur Lohnmisere dann nur folgendes feststellen: "Die Reallöhne sind während des Aufschwunges gesunken. Und dies ist äußerst ungewöhnlich, denn normalerweise sinken Reallöhne in der Aufschwungphase nur in Ländern mit geringem Produktivitätszuwachs (Becker S. 239).

Ein ganz zentraler Punkt ist in den skandinavischen Länder und auch in Schweden auch ein ausgeprägter Korporatismus zwischen Arbeitgebern und den Gewerkschaften , was die Steigerung der Produktivität anbelangt - unter Einbeziehung des Staates - auf dem Feld des Wachstums und der Produktivitätssteigerung (Becker S.239 und 243).

Man muss sich den Sozialstaat eben auch leisten können - durch die Produktivitätsgewinne.

Der schwedische Korporatismus auf einem Gebiet verhindert jedoch nicht auf der anderen Seite auch harte Lohnkämpfe mit den entsprechenden Erfolgen zu führen. So ist, was die Streiks angeht nicht nur der schwedische, sondern generell der skandinavische Korporatismus weit weniger "freundlich" als der der deutschsprachigen Länder oder der Benelux-Staaten (Becker, S. 242) So gesehen kann man in dieser Gesamt-Institutionen-Konstellation mit starken Gewerkschaften die Effizienz des individuellen Streikrechts von Frankreich hintanstellen. In Schweden handelt es sich bei dem Wechselspiel von Streiten und Miteinander Reden eben um einen Konsensualismus zweier starker Partner.

In dieser Konstellation können dann auch Mindestlöhne von den Sozialpartner festgelegt werden, die dann allgemein flächendeckend anerkannt werden (keine gesetzliche Mindestlöhne notwendig - Becker S. 234).

Die Verteilungsgerechtigkeit wird auch über ein Steuersystem gewährleistet - und zusätzlich durch die Sozialleistungen. Beide Elemente zusammen haben einen größeren Umverteilungseffekt als sämtliche andere Sozialsysteme in allen anderen Ländern. (Becker S. 233) Dänemark ist das egalitärste Land - gefolgt von Schweden. Bei der Armut ist die Sachlage ähnlich - auch wenn durch Kürzungen diese etwas zugenommen hat. Aber ganz wichtig : der Unterschied bei der Kinderarmut sticht hervor, was auf die hohe Frauenbeschäftigung zurückzuführen ist. (Becker S. 234)

Und die hohe Frauenbeschäftigung lässt sich durch den breiten öffentlich Sektor gewährleisten - so dass man gelegentlich sogar von "Staatsfeminismus" spricht (Becker S. 233 nebst 232).

Dieser starke öffentliche Sektor wird durch hohe Abgaben finanziert - und er lässt sich eben darüber finanzieren, solange der Marktsektor so hocheffizient ist. (Becker S. 236)

Trotz des Ansatzes einen Paradigmenwechsel von einem auf Solidarität beruhenden Versicherungssystem zu einem auf marktwirtschaftlichen Prinzipien beruhenden System unter der jetzigen konservativen Regierung in Schweden herbei zuführen (Kuhlmann, S. 7), konnte der Wandel nicht so grundsätzlich herbeigeführt werden, dass Schweden nicht doch noch ein "Vorbild" für ein soziales Modell für Europa bleiben kann. Deutlich ist jedoch auch hier zu sehen, dass ein Einfluss auf die Lohnbildung genommen werden soll - auch mit der Tendenz einen Niedriglohnbereich zu schaffen. (Kuhlman, S. 5 und 8)

Artikel von Volker Bahl vom Juli 2008

Literatur:

  • Wichtiger ökonomischer Basis-Text : Paul Krugman, "Nach Bush" - Eine Geschichte der Politik der Ungleichheit von dem bekannten amerikanischen Ökonomen - insbesondere das Kapitel 3 "Die große Kompression"
  • Die beiden zentralen Texte zu Schweden:
    1.) Uwe Becker , "Was ist dran am skandinavischen Modell" in: Leviathan 2 / 2008, S. 229 ff.
    2. ) Andreas Kuhlmann, "Das schwedische Modell" / FES
    http://library.fes.de/pdf-files/bueros/stockholm/05356.pdf externer Link pdf-Datei
  • eine grundlegende Einführung auch:
    Rudolf Meidner (einem Mit-"Urheber" des Modells): "Modell Schweden" in: WSI-Mitteilungen 1 / 1994, S. 1 ff.
    gewerkschaftspolitisch beachtenswert insbsondere die dort vorgenommene Kritik einer zentralistischen Lohnpolitik - die auch ein "Fundament" des schwedischen Modells war

    weiter genannte Texte:
  • 1.) Gerhard Bosch, Claudia Weinkopf (HG.) ( 2007 ) Arbeiten für weniger Geld. Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland - Frankfurt 2007
  • 2.) Jürgen Habermas "Ein Lob den Iren " in Sueddeutsche Zeitung vom 17. Juni 2008
  • 3. ) Alain Supiot, in Journal du Mauss www.journaldumauss.net/spip.php?page=imprimer&id_article=283 externer Link
  • siehe weter auch bei Wikipedia die Schlagworte "Schwedisches Modell" und "Wohlfahrtsstaat Schweden" - die beide stark durch einen Artikel in "Brand-Eins" inspiriert wurden.

Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang