letzte Änderung am 7. Januar 2004

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»Lebenslängliches Lernen«

SUD Éducation zur Bildungspolitik à la EU

Die Bildungspolitik, ein üblicherweise marginalisiertes Stiefkind im Prioritäten-Ranking öffentlicher Aufgaben, hat durch die Streiks an den Hochschulen neue Aufmerksamkeit erhalten. Anders als noch bei der Aufregung um die PISA-Ergebnisse, in der die negativen Folgen mangelnder Bildungsinvestitionen für den Wirtschaftsstandort Deutschland im Vordergrund standen, stellen die Streiks den Zusammenhang zwischen der Individualisierung und Privatisierung von bislang im öffentlichen Auftrag erbrachter Bildung und der allgemeinen Demontage des Sozialstaats her. Doch während hierzulande die Ursachen dieser Entwicklung immer noch in einer ›verfehlten‹ Politik der nationalen Regierung gesucht werden, hat die SUD Éducation eine Broschüre vorgelegt, in der nicht nur die Konsequenzen einer radikalisierten Ökonomisierung des Bildungswesens im nationalen Rahmen untersucht werden, sondern auch deren Zusammenhang mit den umfassenden Konzepten der EU und des GATS (s. Artikel in diesem express) zum Umbau der sozialen Sicherungssysteme in Richtung »totaler« Wettbewerb. Wir dokumentieren aus dieser Broschüre  das Vorwort (s. unten) sowie Auszüge aus dem Haupttext, die sich mit der EU-Bildungspolitik beschäftigen. Der vollständige Text wird im Zusammenhang mit einer bildungspolitischen Veranstaltung von <www.links-netz.de> und express-Redaktion als Broschüre erscheinen und kann bei der Redaktion erfragt werden.

Nachdem auf dem EU-Gipfel von Lissabon im März 2000 festgestellt worden war, es sei dringend notwendig, die europäischen Bildungs- und Ausbildungssysteme an den »aktuellen ökonomischen und sozialen Wandel« (verstanden als Manifestation der durch die kapitalistische Globalisierung geschaffenen Bedingungen) anzupassen, konnte die Europäische Kommission ihrer Phantasie freien Lauf lassen und sich der Entwicklung eines »völlig neuen, beispiellosen Ansatzes zu Bildung und Ausbildung« widmen. Aus diesen Überlegungen sind drei Dokumente hervorgegangen, die gewissermaßen die neue offizielle EU-Doktrin zum Thema Bildung repräsentieren:

Das »lebenslange Lernen« hat in jedem der drei Texte eine zentrale Funktion. Es bildet die Grundlage für die geplante »Neuordnung« der »Lernsysteme« aller europäischen Länder. Hinter diesem Begriff, der nirgends präzise definiert wird, lassen sich unschwer die wesentlichen Züge neoliberaler Ideologie ausmachen. »Hauptakteure von Wissensgesellschaften sind die Menschen« selbst (LLL: 8): Jeder muss seine Schäfchen also selber ins Trockene bringen. Die Gesellschaft wird jeder Verantwortung für ihre Mitglieder entbunden, zumindest derjenigen für die Schaffung von »Chancengleichheit« im Wettbewerb zwischen den Individuen. Jeder ist also seiner eigenen Bildung Schmied. Wer damit scheitert, hat eben Pech gehabt: Er wird auf dem Arbeitsmarkt ›unvermittelbar‹; und da sich die Gesellschaft aus jeglicher Pflicht ihm gegenüber zurückgezogen hat, ist er auf sich allein gestellt.

Hierin besteht der deutliche Bruch mit dem Diskurs, der dem Bildungswesen zumindest vorgeblich bisher zu Grunde gelegen hat: Früher sollte Bildung den Zugang aller zum Wissen ermöglichen, um mehr soziale Gleichheit zu ermöglichen. Jetzt aber braucht man sich endlich nicht mehr mit solch ›republikanischem‹ Zierat abzugeben: Bühne frei für den allumfassenden Wettbewerb!

Diese Entwicklung findet im Rahmen der EU-Politik ihren Ausdruck in einem durchaus kohärenten Projekt. Wenn dieses in der formulierten Weise durchgezogen wird, werden wir es mit einem neuen Bildungssystem zu tun bekommen. Es ist daher von zentraler Bedeutung, über die Leitlinien der neuen EU-Bildungspolitik Bescheid zu wissen. Was ist also konkret geplant?

»Leitlinien« der EU-Bildungspolitik

1. Das Bildungssystem den Unternehmen unterstellen

»Es ist unabdingbar, ein hochwertiges System der Anrechnung der Studienleistung (...) zu entwickeln (...) Begleitet sein muss dies von einer stärkeren Einbeziehung derjenigen, die letztlich Zeugnisse in der Praxis bewerten (...) Die Sozialpartner und die betreffenden NRO spielen deshalb in diesem Bereich eine genauso wichtige Rolle wie Behörden und Pädagogen« (LLL 18/19).

Schon diese erste brutale Formulierung, die mit »Sozialpartnern« selbstverständlich die Unternehmen meint, zeigt, dass man der Europäischen Kommission hinsichtlich ihres Projekts zumindest keine mangelnde Klarheit vorwerfen kann. Schnell wird deutlich, dass es darum geht, dem Bildungssystem das Monopol auf die Kontrolle des Erlernten und die Ausstellung von Zeugnissen zu entreißen, und zwar mittels einer einfachen Methode:

2. Schulen zu Gleichrichtungsmaschinen machen

»Durch einen europäischen Rahmen sollte festgelegt werden, welche neuen Grundfertigkeiten durch lebenslanges Lernen zu vermitteln sind: IT-Fertigkeiten, Fremdsprachen, technologische Kultur, Unternehmergeist und soziale Fähigkeiten (BS 21).

Dies sind also die Bildungsziele der EU-Kommissare, die den Auftrag bekommen hatten, eine vollständige Liste der Kompetenzen zu erstellen, die sich jeder Einzelne aneignen sollte. Zunächst ist nicht zu übersehen, dass alles, was mit Kultur im umfassenden Sinne zu tun hat, offenbar vergessen wurde. Was übrig bleibt, lässt sich in zwei Kategorien einteilen. Da wäre auf der einen Seite eine instrumentalisierte Lehre zu nennen, die den unmittelbaren Nutzen zum Ziel hat und die (künftigen) Beschäftigten auf »die Einführung von flexiblen Arbeitsmustern« (BS 10) vorbereiten soll. Auf der anderen Seite sollen sich die Beschäftigten »Fertigkeiten« aneignen, »die über das rein Fachliche hinausgehen«, vor allem »Anpassungsfähigkeit, Toleranz gegenüber anderen und gegenüber Autorität« (BS 10).

Unverbesserliche Utopisten, diese Kommissare. Sie träumen von Schule als reiner Sozialisationsinstanz für die Propagierung neoliberaler Werte, allen voran des Unternehmergeistes: »Unternehmergeist geht auch weit über die Wirtschaft hinaus – er ist gleichbedeutend mit einem aktiven und reaktiven Geist – etwas, was die Gesellschaft als Ganzes wertschätzen und in das sie investieren sollte. Schulen und Ausbildungseinrichtungen sollten dieses Element in ihre Lehrpläne aufnehmen und sicherstellen, dass sich die jungen Menschen in diesem Bereich schon von klein auf entwickeln können« (BS 14). Zum Beispiel sollten Schulen »ihre Kontakte zu den Unternehmen in ihrer unmittelbaren Umgebung auch dazu nutzen, Beispiele erfolgreicher Geschäftsmodelle im Rahmen ihrer Lehrpläne zu präsentieren« (BS 13). Weiterer Kommentar überflüssig. (...)

4. Schüler zu Wissenskunden machen

»Es gilt ebenfalls, einen europäischen Markt der Bildungsinhalte und der Dienstleistungen aufzubauen und zu stimulieren, der den Bedürfnissen der Bereiche Bildung und Kultur sowie der Bürger entspricht. Dabei muss die Industrie unbedingt einbezogen werden« (EL 9).

Die hervorstechendste Qualität der Europäischen Kommissare ist sicherlich ihre Offenheit. Sie sagen es in dürren Worten, aber ungeschminkt: Bildung ist eine Ware. Damit diese Ware von den Kunden gekauft wird, muss die Industrie in sie investieren. Das gilt zuvorderst für die europäische Lernsoftware-Industrie, die unglücklicherweise an »einer schwachen Kapitalausstattung« (EL 9) krankt. In dieser Hinsicht können wir die Kommissare beruhigen, denn bestimmte Unternehmen, wie z.B. der französische Konzern Vivendi Universal, sind gerade dabei, in diesem Sektor Ordnung zu schaffen: Strategisch gezielt kaufen sie Schulbuchverlage auf. Damit bilden sie heute die Kartelle, die morgen weltweit den Bildungsmarkt kontrollieren werden. In der EU haben sie dabei eine Verbündete, die für »engere Beziehungen dieser Industrie mit den Bildungs- und Ausbildungssystemen« (EL 9) plädiert.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist nur ein erster Schritt, denn bald sollen auch die Schulen Privatunternehmen den Zugang erlauben: »An die Schulen wird mehr und mehr der Wunsch herangetragen werden, sie sollten ihre Tore für die Erwachsenenbildung öffnen und ihre Ausrüstungen und Infrastrukturen zur Verfügung stellen« (BS 21). (...)

6. Schulen zu Unternehmen machen

»Die Dezentralisierung der Machtbefugnisse kann unterschiedliche Formen annehmen. Es gibt kein Idealmodell, doch ein genereller Trend in diese Richtung ist in der gesamten EU zu beobachten. Mehr Freiheit für die Schulleiter bedeutet, dass sie andere Arten von Partnerschaft mit den Behörden eingehen können, nicht nur bilaterale, sondern auch multilaterale, nicht nur mit anderen Akteuren des Bildungswesens (etwa Universitäten, pädagogischen Hochschulen oder anderen Schulen), sondern auch mit privaten Einrichtungen, wie etwa Unternehmen. Die Barrieren niederzureißen, die derartige Partnerschaften behindern, kann ein erfolgreicher Weg sein, um die Einrichtungen des Bildungswesens in die Lage zu versetzen, sämtliche ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen – Finanzkapital, Humankapital und soziales Kapital – bestmöglich zu nutzen« (BS 15).

Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, das Zitat in Gänze wiederzugeben. Man lasse sich zunächst die stilistische Delikatesse auf der Zunge zergehen: »Human- und Sozialressourcen bestmöglich zu nutzen«. Man bemerke auch, dass das Humankapital stets nach dem Finanzkapital genannt wird.

Schließlich wird deutlich, dass mit diesem Diskurs eine Ideologie transportiert wird, die dem Vertrag, also der zentralen Institution des Marktes, das Primat über das Gesetz einräumt. Der Pädagoge ist tot, es lebe der Manager! Hinter diversen multiplen und multilateralen Partnerschaften, hinter Konzernchefs, die frei mit den staatlichen Mächten verhandeln, gewinnt die marktförmige Beziehung an Profil. Es ist nur schwer vorstellbar, wie zwei so widersprüchliche Logiken wie die Orientierung an sozialen Bedürfnissen (welche das Ziel jeglichen öffentlichen Dienstes sein muss, der seinen Namen verdient) und die Fixierung auf Profitmaximierung miteinander koexistieren sollen. (...)

Begriffe zu Schwertern

Begriffe, die aus humanistisch, kooperativ und solidarisch verfassten Zusammenhängen gerissen werden; Worte, deren heutige Bedeutung durch ihre Geschichte mit Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegungen, politischen und pädagogischen Bewegungen geprägt ist, werden regelmäßig in vielerlei Gesetzestexten, Dekreten und Richtlinien, Diskursen und Projekten benutzt und von den Medien banalisiert. Verquickt mit eher traditionellen, liberal eingefärbten Begriffen schaffen sie ein semantisches Netz, das für einen dem Sprecher oft unbewussten Wechsel von einem Gedankensystem ins andere sorgt, indem sich an jeden bekannten, »befreundeten« Begriff automatisch eine Kette von anderen, »modernen« Worten anschließt, um zu suggerieren, dass die hier geplanten Projekte unausweichlich sind.

Kein Bereich vermag dieser sprachlichen Artistik zu entkommen, und der Bildungsbereich ist davon besonders stark betroffen. Er war immer schon von zwei entgegengesetzten Strömungen geprägt: einer Bildungslogik, die auf sozialen und individuellen Bedürfnissen, auf der Idee von Chancengleichheit und persönlicher Entwicklung basiert, und einer – kurz gesagt – Unternehmenslogik, die auf Profit basiert. Die Offensive, die auf globaler, europäischer und auf französischer Ebene verfolgt wird, setzt dezidiert auf Projekte, die der zweiten Logik zur Durchsetzung verhelfen wollen. Markttauglichkeit (employabilité) ist hier ein Leitbegriff, der zunächst in die Arbeitswelt eingedrungen ist und sich jetzt im Bildungsbereich breit macht. Er bezeichnet die Tatsache, dass es in einer Welt, deren Nabel die wirtschaftliche Entwicklung (der Profit) ist, nicht mehr gestattet ist, Lohnarbeit als lediglich »instrumentellen« Teil des individuellen Lebens (etwas, das man nun einmal tun muss, um sein Leben fristen zu können) zu begreifen. Vielmehr steht sie nun im Mittelpunkt jeglichen Bildungsprogramms, jeglicher Grund- oder Weiterbildung.

Auf jeder Ebene, in jedem Kolloquium, an jedem Runden Tisch, mit jedem Memorandum will uns die Artistik der Wörter – trivial gesagt – ein X für ein U vormachen. Ihre am häufigsten gebrauchten »Waffen« sind folgende:

Die Liste kann beliebig fortgeführt werden... (...)

Gewerkschaftliche Strategie

Die Bildungssysteme sind überall mit liberalen Logiken konfrontiert und machen tiefgreifende Transformationen durch. In Europa und speziell in Frankreich vollziehen sich diese Veränderungen in mehr oder weniger sichtbaren Schritten, Sektor für Sektor, aber sie sind niemals Gegenstand öffentlicher Diskussionen. Aufgrund dieses ›heimlichen‹ Vorgehens der internationalen Organisationen und der nationalen Regierungen, die deren Pläne umsetzen, sind die schrittweisen Veränderungen für uns wie unzählige Teile eines Puzzles, das es im Ganzen sichtbar zu machen gilt. Zu diesem Zweck muss die traditionelle Perspektive der korporatistischen Gewerkschaften überwunden werden.

Nur weil wir, SUD Éducation, eine Berufsgruppen übergreifende Gewerkschaft sind, können wir die Logik erkennen, die den Reformen an den Grund- und den weiterführenden Schulen, an Fachhochschulen, Universitäten und Ausbildungsstätten zu Grunde liegt, wie z.B. im Fall der »sonstigen Beschäftigten«.

Gleichermaßen haben wir es unserer Mitgliedschaft im sektorübergreifenden Dachverband Solidaires zu verdanken, dass wir auch dort auf gemeinsame Logiken stoßen. Auch Bahn und Post sind für Privatunternehmen attraktiv geworden. Man differenziert also die Aktivitäten der Bahn (Gütertransport international, Gütertransport national...), der Post (Briefe, Telefon...) und des Bildungsbereichs (Ausbildung, höhere Bildung...) aus, um sie den Gesetzen des Marktes besser ausliefern zu können.

Und schließlich haben wir es unseren länderübergreifenden Verbindungen mit anderen europäischen Gewerkschaften zu verdanken, dass wir Entwicklungstendenzen erkennen können, die den europäischen Bildungssystemen gemeinsam sind (systematischer Ausbau prekärer Beschäftigung, systematische Förderung des Wettbewerbs zwischen den Bildungseinrichtungen, systematischer Ausbau des Spielraums für Privatunternehmen).

Die Gegenwehr formiert sich im Rahmen der lokalen Gruppen des Verbandes Solidaires und zwischen den europäischen Gewerkschaften (z.B. die Plattform von Granada und die letzten europäischen Vernetzungstreffen); so bilden sich Kollektive zur Verteidigung der öffentlichen Dienste.

Die Frage der Bildung hängt dabei direkt mit unserer Vorstellung von Demokratie zusammen: Bildung darf niemals etwas werden, das Spezialisten vorbehalten ist. Die Gewerkschaft SUD Éducation wird auch weiterhin all ihre Kräfte in den Dienst der Aufgabe stellen, sowohl im Rahmen von Solidaires als auch in der gesamten Gesellschaft eine öffentliche Debatte über die Frage anzuzetteln: »Was für eine Schule wollen wir, was für eine Gesellschaft wollen wir

Lasst uns dafür sorgen, dass nicht sie für uns entscheiden!

 

Kontakt: Veronique Roudier über SUD Éducation:<www.sudeducation.org>

Übersetzung: Anne Scheidhauer

Titel der Broschüre im Original: »L’école face à la mondialisation capitaliste«, les cahiers de SUD Éducation

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11-12/03


Eine andere Schule!

Weder Liberalisierung noch Status quo in der Bildung

Hinter dem Diskurs über die notwendige Modernisierung des Bildungssystems verbirgt sich die tatsächliche Absicht, den öffentlichen Dienst dem Warensektor zuzuschlagen.

Die Texte unserer Broschüre (s.o.; Anm.d.Red.) sollen die zeigen, inwiefern die Verwarenförmigung der Schule nur perverse Auswirkungen haben kann: im Hinblick auf den gleichberechtigten Zugang aller zu Bildung und Ausbildung überall; im Hinblick auf Kostenfreiheit, Laizität und Unabhängigkeit gegenüber der Geschäftswelt und/oder den lokalen Machtverhältnissen (auch das bedeutet Laizität!).

Der Privatisierungsprozess ist in den Bereichen Telekommunikation, Post, öffentlicher Transport, Gesundheit, Kultur und Forschung bereits weit fortgeschritten. Oppositionsbewegungen haben sich mit gezielten Mobilisierungen noch schwerer getan als die Betroffenen selbst, und weder den gewerkschaftlichen Organisationen noch den NutzerInnen ist es umfassend gelungen, die doppelzüngigen Argumentationen der politischen und wirtschaftlichen Führungen ans Tageslicht zu zerren und zu demontieren.

Letztere präsentieren ihre Vorhaben ständig unter dem Blickwinkel der zunehmenden Betonung der individuellen Verantwortung im beruflichen Bereich, angereichert mit der Behauptung, eine größere Effektivität der öffentlichen Dienste zu Gunsten der Nutzer erreichen zu wollen.

Aber die Vorteile, mit denen sie die »Ich-Agenten« ködern wollen (Individualisierung der Karriere, des Gehalts, der Ausbildung, der Sozialleistungen, der Rente; freie Arbeitszeiteinteilung je nach persönlicher Initiative), bedeuten im wirklichen Leben:

Für die NutzerInnen übersetzt sich die bessere Leistung, die der private Sektor angeblich bringt, schnell in Preisanstiege, Verknappungen der angebotenen Dienste (durch Abschaffung »unrentabler« Aktivitäten), Ungleichbehandlung zwischen gut und schlecht versorgten Gegenden, Schwächung der Infrastrukturen (schlampige Unterhaltung von Netzen aufgrund gestiegener Kosten) und Vervielfachung von »Vorfällen« und Beeinträchtigungen jedweder Art. Wenn sie uns nicht gerade mit dem unmittelbaren persönlichen Nutzen ködern wollen, dann beschwören die Führungen das Szenario einer internationalen Konkurrenz herauf, die uns angeblich das Genick brechen würde, oder sie besinnen sich auf die allmächtige Europäische Kom-mission in Brüssel, die ihnen ihre Entscheidungen sowieso aufzwingt.

Die Bildung entkommt dem Rundumschlag nicht. Das Ziel von SUD Éducation ist es, die gemeinsame Absicht sichtbar zu machen, die hinter all diesen einzelnen Projekten und Reformen im französischen Bildungssystem steht, um sie besser bekämpfen zu können: die Eingliederung in das weltweite Unterfangen, die Bildung zur Ware zu machen. Das Ziel unseres Kampfes ist nicht, den öffentlichen Dienst Bildung als Funktion des Staates zu verteidigen, sondern ihn zu einem Bildungswesen zu transformieren, das allen gehört und allen dient.

Gegen die weltweit auf dem Vormarsch befindliche Logik, der zufolge Personen, Dienste und Güter zu Waren gemacht werden sollen und die unter anderem im General Agreement on Trade and Services (GATS, einem Produkt der Welthandelsorganisation WTO, s. Artikel dieses express; Anm.d.Red.) ihren Ausdruck findet, beteiligt sich SUD Éducation am Aufbau einer unabhängigen und alternativen europäischen Gewerkschaftsbewegung. Damit beteiligen wir uns an Kämpfen hier und anderswo, mit denen wir gemeinsam erreichen wollen, dass eine andere Schule als Teil einer anderen Welt Wirklichkeit wird.

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