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Updated: 18.12.2012 15:51
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Daniel Kreutz

Manuskript zur Betriebsversammlung des Seniorenzentrums Grullbad in Recklinghausen am 12.10.06

"Ein-Euro-Jobs" in Pflegeheimen

(Anrede)

Ich bin Mitglied des Landespflegeausschusses von Nordrhein-Westfalen und vertrete dort die beiden Sozialverbände - den Sozialverband Deutschland (SoVD) und den Sozialverband VdK. Die Sozialverbände sind Interessenorganisationen hauptsächlich von Sozialrentnerinnen und -rentnern und von behinderten Menschen. Sie vertreten in NRW zusammen rund 300.000 Mitglieder. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die sozialpolitische Interessenvertretung von pflegebedürftigen Menschen und pflegenden Angehörigen. Beide Verbände haben im Landespflegeausschuss und in dessen Untergremium mit dem etwas sperrigen Titel "Kleine Landeskonferenz zu Fragen der Qualitätssicherung in der Pflege" einen gemeinsamen Sitz, mit dessen Wahrnehmung ich beauftragt bin.

Im Landespflegeausschuss beraten gemäß Paragraf 92 SGB XI unter Geschäftsführung des Landessozialministeriums hauptsächlich die Vertreter der Kostenträger und der Leistungserbringer, aber auch einige wenige Vertreter der Pflegebedürftigen und Beschäftigten über Fragen der Finanzierung und des Betriebs von Pflegeeinrichtungen. Der Ausschuss kann einvernehmlich Empfehlungen beschließen, die Pflegekassen und Pflegeeinrichtungen auch bei ihren Vertragsgestaltungen angemessen zu berücksichtigen haben.

Als die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit im August 2004 - da war Hartz IV noch nicht in Kraft - ihr "Vorgriffskonzept" zur Schaffung von so genannten "Ein-Euro-Jobs" vorlegte, in dem auch die Altenhilfe als ein Einsatzfeld vorgesehen war, da hat der Sozialverband Deutschland das Thema sofort auf die Tagesordnung des Landespflegeausschusses setzen lassen mit dem Ziel, so rasch wie möglich zu einer Empfehlung zu kommen, die auf Gefahrenabwehr und Schadensbegrenzung hinwirkt. Es wurde bereits damals das Risiko gesehen, dass es aus Gründen des allgemeinen Kostendrucks, der auf den Pflegeeinrichtungen, aber auch auf den Kostenträgern - insbesondere auf den Kommunen als Sozialhilfeträger - lastet, zu einem Missbrauch von "Ein-Euro-Jobs" in den Einrichtungen kommen könne, der dann in zunehmender Weise zur Verdrängung regulärer Beschäftigter, zu Qualifikationsabbau und damit neuerlichen Gefährdungen der ohnehin prekären Pflegequalität für die pflegebedürftigen Menschen führen könnte.

Das Konstrukt dieser "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung", so die rechtliche Bezeichnung, war zwar schon in das alte Sozialhilferecht eingeführt worden, war dort aber noch deutlich stärker pädagogisch ausgerichtet. Erst durch Hartz IV haben die so genannten Ein-Euro-Jobs ein bedeutendes Gewicht für den Arbeitsmarkt gewonnen. Nach den aktuellsten Zahlen der Arbeitsverwaltung haben wir 45.700 Ein-Euro-Kräfte in NRW und 30.000 unbesetzte Plätze, das ist ein Viertel des Bestands an offenen Stellen. Unbesetzte Ein-Euro-Plätze werden statistisch wie unbesetzte reguläre Arbeitsplätze als offene Stellen gezählt, und Ein-Euro-Kräfte gelten in der Statistik nicht als arbeitslos - was beides außerordentlich fragwürdig ist.

Die gängige Bezeichnung "Ein-Euro-Jobs" ist in doppelter Weise irreführend. Es handelt sich nicht um Jobs - also um Arbeitsverhältnisse - und die in diesen sozialrechtlichen Arbeitsgelegenheiten Beschäftigten sind keine Arbeitnehmer. Der Großteil der Schutzrechte aus Arbeitsrecht, Betriebsverfassung und Tarifvertragsrecht, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten, gilt hier nicht. Und der eine Euro oder ein Euro fünfzig ist auch kein Lohn, sondern der sozialrechtliche Ausgleich für Mehraufwendungen, die den Leuten dadurch entstehen, dass sie in Arbeitsgelegenheiten arbeiten. Die Mehraufwandsentschädigung soll verhindern, dass sie sich unter dem Strich finanziell noch schlechter stehen wie der Hartz IV-Empfänger, der nicht in eine solche Arbeitsgelegenheit geht. Rechtlich arbeiten Ein-Euro-Kräfte umsonst. Und unter bestimmten Voraussetzungen dürfen sie das unter Androhung empfindlicher Leistungskürzungen nicht ablehnen. Deshalb sprechen manche Sozialrechtler hier von "Pflichtarbeit" oder von einem "neuen Arbeitsdienst". Der Staat bewegt sich damit auf der Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen - um es zurückhaltend zu formulieren.

Zweifellos gibt es viele Langzeiterwerbslose, die sich freiwillig auf Ein-Euro-Jobs melden, weil sie nicht auf die Hoffnung verzichten mögen, dass dies vielleicht doch eine Chance sein könnte, wieder Zugang zum regulären Arbeitsmarkt zu finden, auch wenn die Erfahrungen ganz überwiegend dagegen sprechen. Andererseits ist es von außen gar nicht möglich, die Freiwilligkeit im Einzelfall festzustellen, weil die auch dadurch motiviert sein kann, dass man einen möglichst großen Abstand zu den ansonsten drohenden Sanktionen wahren will.

Nun sind Tätigkeiten im Lebensbereich pflegebedürftiger Menschen, insbesondere wenn sie als Demenzkranke umfassend auf Hilfe und Betreuung angewiesen sind, außerordentlich verantwortungsvolle Aufgaben, die nicht zuletzt eine Reihe entwickelter Kompetenzen erfordern. Deshalb haben wir bereits 2004 die Notwendigkeit gesehen, den Einsatz von Ein-Euro-Kräften in Pflegeeinrichtungen von strengen Voraussetzungen abhängig zu machen.

Der Landespflegeausschuss hat unseren entsprechenden Antrag im September 2004 an die Kleine Landeskonferenz für Qualitätssicherung überwiesen mit dem Auftrag, dort eine konsensfähige Beschlussempfehlung zu erarbeiten. Die Kleine Landeskonferenz hat dazu eine Arbeitsgruppe gebildet, an unter anderem der MDK und Leistungserbringer beteiligt waren. Die Arbeitsgruppe hat sich eingehend mit den geltenden rechtlichen Grundlagen befasst und der Kleinen Landeskonferenz dann im Herbst 2005 einen einvernehmlichen Entwurf für eine Beschlussempfehlung vorgelegt. Der Vertreter des Verbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (VKSB) legte allerdings wegen einiger Formulierungen Veto ein, so dass die Beschlussempfehlung nochmals an die Arbeitsgruppe zur Überarbeitung zurückverwiesen wurde. Die Überarbeitung hat stattgefunden und es wird erwartet, dass der Landespflegeausschuss die Empfehlung in seiner kommenden Sitzung im November verabschiedet.

Damit wird der Landespflegeausschuss insbesondere an die Träger der Pflegeeinrichtungen, die Arbeitsagenturen und die Kommunen appellieren, bei Angeboten von Ein-Euro-Jobs einige Grundsätze zu berücksichtigen, die ich Ihnen jetzt erläutern möchte.

Der Zuständigkeit des Landespflegeausschusses entsprechend wird dabei keine Bewertung von Ein-Euro-Jobs vorgenommen, sondern die werden dort maßgeblich unter rechtlichen, insbesondere pflegerechtlichen Gesichtspunkten behandelt. Zunächst wird entsprechend der einschlägigen Rechtsvorschriften des SGB II, also des Hartz IV-Gesetzes, darauf hingewiesen, dass diese Arbeitsgelegenheiten gegenüber anderen Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik nachrangig sind. Sie kommen erst dann in Betracht, wenn vorrangige Eingliederungsleistungen nach dem regulären Arbeitsförderungsrecht - zum Beispiel eine Umschulung oder eine ABM-Stelle - nicht gefördert werden. Die vielfach zu beobachtende Praxis, dass Langzeiterwerbslose von vorrangigen Einliederungsmaßnahmen regelrecht ausgeschlossen werden und die Arbeitsgelegenheiten als vorrangiges Angebot gehandhabt werden, ist deshalb rechtlich fragwürdig.

Nach den Grundsatzvorschriften des SGB II müssen die Maßnahmen zweitens zur Vermeidung oder Beseitigung oder zur Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sein. Das heißt, sie müssen erkennbar auf das Ziel der Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt ausgerichtet sein. Sie müssen im konkreten Einzelfall die Eingliederungschancen in plausibler Weise verbessern. Nur dann sind sie "erforderlich" und damit überhaupt zulässig . Auch dem trägt die Praxis des Massengeschäfts, zu dem die Arbeitsgelegenheiten geworden sind, oft nicht ausreichend Rechnung. Oft muss man den Verdacht haben, dass nur die Arbeitslosenstatistik entlastet werden soll; während Betroffene durch Ein-Euro-Jobs geschleust werden, ohne dass sich damit eine erkennbare Erhöhung der Eingliederungschancen im regulären Arbeitsmarkt verbindet. Auch dies ist rechtlich fragwürdig.

Bei Arbeitsgelegenheiten in Pflegeeinrichtungen muss nach geltendem Recht das Leitziel in einer gezielten Heranführung an reguläre Arbeitsplätze bestehen, die in diesem Bereich vorhanden sind. Im Vordergrund der Maßnahmeplanung muss also die Frage stehen: was ist zur Heranführung an reguläre Arbeit in der Altenhilfe geeignet? Dabei geht es weniger um's Arbeiten wie in einem Arbeitsverhältnis - es sind ja ausdrücklich keine Arbeitsverhältnisse - sondern eher um ein begleitetes Kennenlernen der verschiedenen Arbeitsprozesse. Deshalb muss jeweils eine umfassende Einführung in das Berufsfeld und in den einrichtungsspezifischen Pflege- und Betreuungsprozess gewährleistet sein, am besten auf der Grundlage eines Curriculums, also eines schriftlichen Lehrplans.

Auf der anderen Seite muss besonderes Augenmerk auf den Auswahlprozess der Ein-Euro-Kräfte gelegt werden. Er muss geleitet sein von
- den individuellen Fähigkeiten,
- der Motivation,
- den Interessen der Arbeitssuchenden,
- den Qualifikationsmöglichkeiten für die entsprechenden Tätigkeiten im Berufsfeld der Altenhilfe
- und von der Perspektive, nach Beendigung der Arbeitsgelegenheit auch ein entsprechendes Folgeangebot machen zu können.

Weil die Beziehung zwischen dem Anbieter und den pflegebedürftigen Menschen von einem besonderen Vertrauensverhältnis gekennzeichnet ist, empfiehlt das Beschlusspapier, bei der Auswahl auch von Personen, die nicht direkt an der Pflege beteiligt sind, hinsichtlich der folgenden Kriterien ähnlich sorgfältig zu verfahren wie bei Pflegefachkräften:
- Zuverlässigkeit (ggf. polizeiliches Führungszeugnis)
- Sozialkompetenz
- Kommunikationsfähigkeit
- Erfahrung in der Führung eines Haushalts
- Geduld und freundliches Auftreten.
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass bei allen ausgeübten Tätigkeiten die Haftungsrisiken der Ein-Euro-Kräfte, die auch strafrechtlicher Natur sein können, zu beachten und so weit wie möglich abzusichern sind.

Jetzt zu der spannenden Frage der Zusätzlichkeit . Zusätzlichkeit ist ja eine der zwingenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Ein-Euro-Jobs. Zusätzlichkeit heißt zunächst, dass die entsprechende Arbeit ansonsten entweder gar nicht, oder nicht in diesem Umfang oder nicht zu dieser Zeit verrichtet werden könnte.

Sämtliche Arbeiten in einem Pflegeheim, die zum vertraglich zugesicherten und deshalb auch sozialrechtlich refinanzierbaren Leistungsumfang gehören, sind schon mal nicht zusätzlich. Im Beschlussentwurf für den Landespflegeausschuss steht da der Satz: "Zusätzliche Leistungen in der Pflege können keine Leistungen sein, die bereits sozialrechtlich refinanziert sind."

Nach dem SGB XI haben Pflegeheime - anders als ambulante Pflegedienste - einen umfassenden Versorgungsauftrag. Der wird konkretisiert durch das im Rahmenvertrag der Kostenträger und Leistungserbringer (§ 75 Absatz 1 SGB XI) beschriebene Leistungsspektrum, das auch für die Pflegesatzverhandlungen und für die Heimverträge maßgeblich ist. Wenn man nun prüfen will, wo vielleicht Einsatzmöglichkeiten für Ein-Euro-Kräfte bestehen können, muss man sich erstmal die Bestimmungen des Rahmenvertrags angucken. Was da dem Grunde nach als Teil des regulären Leistungsumfangs beschrieben ist, scheidet als zusätzliche Arbeit aus. Und wenn man sich das ansieht, dann stellt man schnell fest, dass man schon ein gewisses Maß an kreativer Phantasie braucht, um sich im Heim zusätzliche Einsatzmöglichkeiten überhaupt vorstellen zu können.

Ich will einige Regelungen nennen, die Tätigkeitsfelder betreffen, von denen häufig behauptet wird, das könnten doch Ein-Euro-Kräfte machen. Paragraf zwei des Rahmenvertrags definiert die Leistungen der allgemeinen Pflege, der sozialen Betreuung und der Behandlungspflege. Zu den Pflegeleistungen im Bereich Mobilität gehört da unter anderem die Hilfestellung, sich mit dem Rollstuhl im Außengelände zu bewegen . Und "das Verlassen und Wiederaufsuchen der Pflegeeinrichtung; dabei sind solche Verrichtungen außerhalb der Pflegeeinrichtung zu unterstützen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erfordern" .

Die Leistungen zur sozialen Betreuung sollen zudem "zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft auch außerhalb der Einrichtung beitragen" . Sie sollen "Hilfebedarf bei der persönlichen Lebensführung und bei der Gestaltung des Alltags ausgleichen, soweit dies nicht durch das soziale Umfeld - z.B. durch Angehörige - geschieht." Sie sollen "Vereinsamung vermeiden" und "der Gestaltung des persönlichen Alltags, einem Leben in der Gemeinschaft, und der Unterstützung bei der Erledigung persönlicher Angelegenheiten dienen."

Mit diesen Bestimmungen sind beispielsweise auch die Bedarfe an notwendiger Begleitung zur ambulanten ärztlichen Behandlung, bei Einkäufen und Besorgungen sowie die Bedarfe zur Organisation eines Gemeinschaftslebens für HeimbewohnerInnen dem Grunde nach gedeckt.

Paragraf drei Rahmenvertrag regelt Unterkunft und Verpflegung . Da ist nicht nur die Reinigung aller Räumlichkeiten der Einrichtung und die Wäscheversorgung erfasst, sondern auch die "Wartung und Unterhaltung der Gebäude, der Einrichtung und Ausstattung, der technischen Anlagen und der Außenanlagen" - also alle so genannten Hausmeistertätigkeiten einschließlich der Pflege von Grünflächen.

Die Speisen- und Getränkeversorgung nach Paragraf drei beinhaltet die Zubereitung und das Bereitstellen . Das mundgerechte Zubereiten von Essen und Trinken sowie die Unterstützung beim Essen und Trinken - einschließlich aller unmittelbaren Vorbereitungstätigkeiten wie portionsgerechte Vorgabe oder Umgang mit Besteck - sind wiederum Teil der Pflegeleistungen nach Paragraf zwei. Damit ist der ganze Bereich Ernährung draußen.

(Anrede)

Natürlich wissen auch die Autoren des Beschlussentwurfs, dass das, was im Rahmenvertrag aufgeschrieben ist, unter den tatsächlichen Bedingungen der Refinanzierung und mit der tatsächlichen Ausstattung mit regulärem Personal nicht zu machen ist. Das liegt aber am Unvermögen des Heimträgers , die notwendige Refinanzierung und personelle Besetzung, auf die er dem Grunde nach Anspruch hat, und wo die Kostenträger sich zur Refinanzierung verpflichtet haben, in den Pflegesatzverhandlungen auch durchzusetzen. Das berechtigt ihn jedenfalls nicht dazu, die Lücken mit Ein-Euro-Kräften zu stopfen. Und wer das trotzdem macht, gibt den Kostenträgern eine Handhabe, um womöglich entsprechende Kürzungen der Pflegesätze zu fordern.

(Anrede)

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass kommunale Heimträger in den Vergütungsverhandlungen vor besonderen Schwierigkeiten stehen, weil da für die Kommune ein Interessenkonflikt als Leistungserbringer einerseits und Sozialhilfeträger andererseits besteht.

Soweit man sich Ein-Euro-Tätigkeiten im Heim vorstellen kann, die tatsächlich zusätzlich wären, ist über die bisher geschilderte Problematik hinaus noch zweierlei zu berücksichtigen: Zum einen kann es sein, dass als zusätzlich erscheinende Leistungen über andere Sozialleistungsträger refinanzierbar sind - etwa nach dem SGB IX über Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Pflegebedürftige Menschen sind fast immer - und auch über die enge Definition des SGB XI hinaus - zugleich behinderte Menschen im Sinne des SGB IX und haben Anspruch auf Leistungen zum Ausgleich von Teilhabebeeinträchtigungen nach anderen, in das SGB IX eingebundenen Rechtsgrundlagen. Auch solche Leistungen scheiden für Ein-Euro-Kräfte aus.

Und wenn man trotzdem etwas Zusätzliches findet, kann es gut sein, dass es dann einen Konflikt mit der skizzierten arbeitsmarktpolitischen Erforderlichkeit gibt. Die Sozialrechtsprofessoren Utz Krahmer und Helga Spindler weisen etwa darauf hin, dass das Spazierenfahren von Pflegebedürftigen mit dem Rollstuhl zwar zusätzlich , aber in aller Regel für die Eingliederung eines Langzeiterwerbslosen ins Arbeitsleben nicht erforderlich sei, jedenfalls solange sich kein Berufsstand des "Rollstuhlschiebers" etabliere. Das ist ein wichtiger Unterschied zum Einsatz von Zivis. Denn der Zivildienst hat nicht die Aufgabe, die Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt zu fördern.

Abschließende Bemerkung: Ich finde es außerordentlich verdienstvoll, wenn Betriebs- und Personalräte von Pflegeeinrichtungen und anderswo ihre rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nutzen, um den Einsatz von Ein-Euro-Kräften so weit wie möglich zu begrenzen und einem Missbrauch, der über kurz oder lang reguläre Beschäftigung gefährdet oder die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze verhindert, einen Riegel vorzuschieben. Und wenn ich höre, in welcher Zahl hier im Seniorenzentrum "Ein-Euro-Kräfte" eingesetzt werden, dann belegt allein dies schon, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann.


Zu den Hintergründen siehe:

Betriebsratsvorsitzender wegen kritischer Haltung zu 1-Euro-Jobs gekündigt

Rolf Kohn hatte gegen die ständige Ausweitung von 1-Euro-Jobs im städtischen Seniorenheim gekämpft. Mittlerweile kommen 40 (!) "zusätzliche" MAE auf 100 regulär Beschäftigte. Nun wurde Kohn (und zwei weiteren KollegInnen) mit fadenscheinigem Vorwand gekündigt. Das Seniorenzentrum Grullbad ist eine 100%ige Tochter der Stadt Recklinghausen. Der einzige Gesellschafter der - mit "kostenlosen" Arbeitskräften so gesegneten - Einrichtung ist Bürgermeister Wolfgang Pantförder. Der Aufsichtsrat setzt sich aus vom Rat der Stadt Recklinghausen gewählten Mitgliedern zusammen...

  • Am Mittwoch, den 29.11.2006, findet um 13:15 Uhr der Kammertermin zur fristlosen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden Rolf Kohn vor dem Arbeitsgericht in Herne statt. Hier soll geklärt werden, ob es eine Absprache zwischen dem Heimleiter, Karl-Heinz Hufnagel, und dem Betriebsrat über die Abrechnung der Gelder für das Frühstück einzelner Betriebsratsmitglieder gegeben hat. Ist eine ausreichende Klärung nicht möglich, wird ermittelt, ob Rolf Kohn als Verwaltungsangestellter zu viel oder zu wenig Geld abgerechnet hat. Dazu muss ggf. ein weiterer Verhandlungstermin anberaumt werden.
  • Solidaritätszeitung für die Gekündigten im Seniorenzentrum Grullbad
    Ausgabe Nr. 1/2006 externer Link pdf-Datei
  • Unter dem Motto "Seid nicht so dumm - Knecht Ruprecht geht um" ruft die Solidaritätsinitiative "Recklinghausen für Rolf Kohn" zu einer Demonstration und Kundgebung am Samstag, den 02.12.2006, ab 11 Uhr auf. Die Auftaktkundgebung beginnt um 11 Uhr vor dem Arbeitsamt am Wickingplatz. Die Hauptkundgebung findet auf dem Käthe-Kuhlmann-Platz vor dem Rathaus statt. Hier lässt Knecht Ruprecht seine Rute schwingen wegen des rechtswidrigen Einsatzes von 1-€-Jobs im Seniorenzentrum Grullbad, den Kündigungen im Seniorenzentrum Grullbad und der Personalnot in den Alten- und Pflegeheimen.
  • "Ein-Euro-Jobs" in Pflegeheimen
    Manuskript eines Vortrags von Daniel Kreutz zur Betriebsversammlung des (kommunalen) Seniorenzentrums Grullbad in Recklingenhausen am 12.10.06. Aus dem Text: ".Ich finde es außerordentlich verdienstvoll, wenn Betriebs- und Personalräte von Pflegeeinrichtungen und anderswo ihre rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nutzen, um den Einsatz von Ein-Euro-Kräften so weit wie möglich zu begrenzen und einem Missbrauch, der über kurz oder lang reguläre Beschäftigung gefährdet oder die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze verhindert, einen Riegel vorzuschieben. Und wenn ich höre, in welcher Zahl hier im Seniorenzentrum "Ein-Euro-Kräfte" eingesetzt werden, dann belegt allein dies schon, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann."
  • In Recklinghausen hat sich nun eine Soli-Initiative gegründet, die auf ihrer Homepage externer Link ausführlich über die Kündigung des BR, die anstehende Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Herne und die 1-Euro-Jobs informiert.
  • Der ver.di-Bezirksvorstand Emscher-Lippe-Nord hat sich in seiner Sitzung am 18.9.2006 ausführlich mit dem Sachverhalt beschäftigt. Folgender Beschluss wurde gefasst:
    • Der ver.di-Bezirksvorstand solidarisiert sich mit Rolf Kohn
    • ver.di unterstützt die für Rolf Kohn gegründete Initiative (www.recklinghausen-fuer-rolf-kohn.de [Siehe unsere Meldung vom 26.9.06)
    • Alle Betriebs- und Personalräte des ver.di-Bezirks werden aufgefordert, ihre Solidarität durch beigefügte Unterschriftenliste pdf-Datei zu bekunden. Die Redaktion des LabourNet Germany geht davon aus, dass auch Proteste aus anderen Organisationen und anderen Regionen willkommen und benötigt werden. Die Unterschriftenliste beinhaltet auch die Adresse für Proetste, ein Spendenkonto sowie weitere Hintergründe.

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