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Updated: 18.12.2012 16:00
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Hartz-IV, Behörden und die Würde des Menschen

In der Hoffnung, einen Teil zum Bild unseres 'Sozialstaates' unter Hartz-IV beizutragen aber auch in der traurigen Gewissheit, daß es vielen vielleicht noch schlechter geht als mir, möchte ich Ihnen kurz schildern, was mir gegenwärtig widerfährt:

Seit dem 01.01.2005 beziehe ich ALG2. Als Alleinstehender (42 Jahre) und (noch) Besitzer eines kleinen Hauses bekomme ich den Höchstsatz von 345,- € und ca. 2 Drittel der Hypothekenrate für das Haus. Als ich im Oktober letzten Jahres meinen Antrag auf ALG2 abgegeben hatte, sagte mir die freundliche Sachbearbeiterin auf meine Frage nach der Übernahme von Heizkosten, daß ich dann einfach Heizöl tanken und die Rechnung danach einreichen solle. Damit hatte ich gar nicht gerechnet und war froh, zumindest diese Sorge los zu sein, da sich meine Heizölvorräte ohnehin dem Ende zuneigten.

Am 14.02.2005 bat ich die zuständige Agentur für Arbeit in Schwelm um eine Bestätigung der Kostenübernahme für eine neue Heizöllieferung, gemäß der mündlichen Zusicherung vom Oktober
2004. Am 17.02.2004 war es dann soweit: Das Heizöl war verbraucht. Ich bekam von einem Bekannten leihweise zwei Radiatoren, die elektrisch betrieben wurden, um die kurze Übergangszeit wenigsten einigermaßen überbrücken zu können. Da zu diesem Zeitpunkt aber der
Winter zurückgekehrt war, wurde es sehr kalt und die Radiatoren schafften es gerade mal, mein Wohnzimmer auf ca. 14°C zu 'erwärmen'. Warmes Wasser hatte ich auch nicht mehr, da dieses
vorher ebenfalls über die Zentralheizung erwärmt wurde.

Nach 14 Tagen hatte ich noch nichts von der Agentur für Arbeit gehört und schrieb diese erneut an. Mittlerweile hatte ich schon zur Selbsthilfe gegriffen und im Vertrauen auf die Gültigkeit der Aussage bzgl. der Kostenübernahme schon Heizöl bestellt. Leider wohne ich etwas abgelegen auf einer Anhöhe. Da es immer wieder mal schneite und weder die Stadt noch die Anlieger einen Winterdienst durchführten, war an eine Lieferung des Heizöl aber noch nicht zu denken.
Nach weiteren 10 Tagen schrieb ich dann die hiesige JobAgentur EN an. Ich erklärte den Status Quo und bat um eine Stellungnahme. Was ich dann als Antwort erhielt verschlug mir ersteinmal die Sprache. Mit dem Hinweis darauf, daß nach dem SGB II lediglich angemessene Heizkosten
berücksichtigt werden könnten und daß die Agentur für Arbeit in Schwelm meine Akte offensichtlich nur unvollständig an die JobAgentur EN übersandt hatte, sei eine weitere Bearbeitung nicht möglich. Entscheidungsrelevante Unterlagen lägen nicht vor. Ich sollte die Unterlagen einreichen und dann könnte man weitersehen. Diese Liste enthielt: Personalausweis, Kontoauszüge der letzten drei Monate, Kaufvertrag für Haus- und Grundbesitz, Grundbuchauszug, Nachweis über
Kreditverpflichtungen, Grundbesitzabgaben, sonstige mit dem Haus in Verbindung stehende Kosten, Pachtvertrag, Vermögensaufstellung, Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit ab dem 01.01.2005 und die letzte Heizölrechnung.

Das empfand ich als reine Schikane und Verzögerungstaktik. Ich hatte die Dokumente bereits zweimal eingereicht. Das aufgrund dieser Dokumente überhaupt ein positiver Bescheid über
Leistungen nach ALG2 ergangen war, schien die JobAgentur EN nicht weiter zu interessieren. Da ich in der glücklichen Lage bin, einen Bekannten zu haben, der nicht nur Rechtsanwalt ist, sondern in dieser Angelegenheit auch bereit war zunächst auf sein Honorar zu verzichten, übertrug ich ihm mein Mandat. Gleichzeitig stornierte ich die Heizölbestellung. Das war besonders bitter, da der Weg jetzt gerade einen Tag auch für Tanklastwagen wieder befahrbar war.

Heute am 04.04.2005, sitze ich noch immer im Kalten. Die JobAgentur EN hat sich letzte Woche gemeldet. Ich möge doch bitte die letzte Heizölrechnung einreichen. Und wenn ich sie denn
schon hätte auch die Aktuelle. Das ist an Zynismus schon kaum noch zu überbieten. Wenn man in einer solchen Lage erkennen muß, daß sich diejenigen, die über eine Kostenübernahme
entscheiden müssen, offensichtlich überhaupt nicht mit der Sachlage auseinandersetzen, macht das wenig Mut. Wie könnte ich denn schon eine aktuelle Rechnung haben, wenn die Kostenübernahme noch gar nicht geklärt ist!?

Glücklicherweise kommt der Frühling. Aber wärmer als 15°C wird es im Haus noch nicht. Die elektrischen Heizkörper mußte ich vor ca. drei Wochen abschalten. Da der Stromverbrauch von mir zu tragen ist, konnte ich mir das nicht mehr leisten. Meiner Gesundheit geht es auch nicht
besonders. Im Sommer mag Kaltduschen erfrischend sein. Im Winter ist es das bestimmt nicht.

Es gab zwischenzeitlich auch etwas Erfreuliches. Die Jobagentur EN hat beschieden, daß mir 648,- EUR an Heizkosten zustehen. Als Katalysator hat sicherlich auch die Aussicht auf eine einstweilige gerichtliche Verfügung genutzt. Grundlage dieses Bescheides war allein die Tatsache, daß Kosten von 1EUR pro Quadratmeter/Monat als angemessen gelten. Und nichts von den Dokumenten, die ich noch wiederholt hätte beibringen sollen! Das diese Grundlage natürlich auch schon am 14.02.05, also dem Tag meiner Antragsstellung, gegolten hat wird seitens der Jobagentur EN
offenbar nicht wahrgenommen. Leider repräsentiert dieser Wert von 1EUR auch mit Sicherheit nicht angemessene Kosten. Allein seit Februar 2004 hat sich der Preis für Heizöl fast verdoppelt. Ein weiteres Indiz dafür, wie weit sich die Behörden von der realen Welt entfernt haben. Nu ja, gestern war das Geld auf meinem Konto. Morgen wird Heizöl geliefert. Der Preis für dieses Öl ist seit dem 14.02.05 übrigens um mehr als 9 Prozent gestiegen. Angesichts leerer Kassen der Kommunen, ein weiterer trauriger Aspekt in dieser Angelegenheit.

Die Sache ist also noch nicht zu Ende. Sicherlich werde ich selbst es nicht so kommentarlos hinnehmen, wie man mit mir verfahren ist. Ziemlich genau zwei Monate ohne Heizung und warmes Wasser... Das mindeste wäre eine Erklärung seitens der Behörden, wünschenswert eine Entschuldigung.
Vielleicht gerechter aber wäre Satisfaktion.

Jörg Heck, 12. April 2005


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