letzte Änderung am 18. März 2004

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Wo bitte geht's zur Revolution?

Text der Beilage zur Wildcat 69, Frühling 2004


"ArbeiterInnen können viel verändern, indem sie gemeinsam nichts tun"

Fast Food.
Last Minute.
Next Job.
Ich-AG.

KEINE ZEIT!

Alle haben immer mehr Stress. Angst bestimmt, was wir tun. Angst, ohne Job, das heißt ohne Geld zu sein. Angst, den Anschluss zu verlieren. Angst, allein zu sein.

Der Stress, den wir spüren, ist der Krach eines zusammenbrechenden Systems – eines Systems, das die menschliche Arbeit immer produktiver gemacht hat. Wenn wir mit immer weniger Arbeit immer mehr produzieren können, wieso haben wir dann nicht mehr Zeit? Warum geht der Stress immer weiter?

Dieses Gesellschaftssystem hat die Ausbeutung der Arbeit zum Inhalt. Der wilde Streik legt die Axt an die Wurzeln. Im gemeinsamen Kampf gegen die Arbeit werden neue Horizonte sichtbar.

Es ist an der Zeit.“

Die Rückseite des Plakats ist ebenso lesenswert:


Wo bitte geht's zur Revolution?


Seit 30 Jahren stagniert der Kapitalismus, seit 20 Jahren läuft der Angriff von oben auf die Sozialsysteme und die Arbeitsbedingungen, seit knapp 10 Jahren prangert eine weltweite Bewegung die Ungerechtigkeiten dieses Systems an. Warum halten so viele Menschen noch still? Warum krepiert der Kapitalismus nicht endlich?

Es gibt keinen Automatismus

Schon vor 120 Jahren schien in der »great depression« das Ende des Kapitalismus gekommen zu sein, aber die Art, wie er diese Grenzen übersprang, hat so eindrücklich eine neue Ära aufgeschlagen, dass wir heute genau das für »Kapitalismus« halten, was im Überwinden dieser tiefen Krise erst entstanden ist: Die Massenproduktion von dauerhaften Konsumgütern wie Auto, Kühlschrank, Zentralheizung bedeutete einen gewaltigen Sprung – auch im Lebensstandard derer, die diese Dinge produzierten. Aber der Zusammenhang zwischen technischer und sozialer Entwicklung, den der Kapitalismus zu garantieren schien, ist vor aller Augen zerbrochen, in den letzten drei Jahrzehnten gab es nur noch die starke Entwicklung in Südostasien.
Wenn der Kapitalismus an Grenzen stößt, sind die Voraussetzungen dafür gegeben, die ganze Scheiße umzuwälzen (lat. Revolution), aber er wird nicht »automatisch« zusammenbrechen.

Warum halten die Leute noch still?

Zum einen ist da die Angst um den Arbeitsplatz und das Wissen darum, dass es anderen noch schlechter geht. Zum anderen gibt es soziale Schichten, die niedrigere Arbeiterlöhne und Sozialleistungen als in ihrem Interesse liegend begreifen. Es sind nicht nur »die Unternehmer«, sondern auch Steuerberater, Abteilungsleiter, gutverdienende Tagesschaureporter, Politiker und Funktionäre jeder Art, die immer aggressiver und unverblümter verschärfte soziale Ungleichheit fordern. Das Schröder-Regime ist entschlossen, im Auftrag dieses »oberen Drittels« (in Wirklichkeit sind es deutlich weniger!) eine harte Sanierung durchzuführen. Derweil werden nicht mehr nur die Bauarbeiter objektiv in Konkurrenz zu ukrainischen Löhnen gesetzt. Die Autoindustrie droht mit tschechischen und spanischen Löhnen, was bei VW mit dem 5000x5000-Modell zum erstenmal zum deutlichen Unterschreiten der Haustarife geführt hat. Jetzt werden die Software-Abteilungen in Konkurrenz zu Programmierern in Indien gesetzt. Vielen droht ein schlechteres Leben, aber es fehlt – bei allem Jammern – eine Vorstellung davon, wie es anders gehen könnte – bis auf Korrekturen, die das ganze insgesamt intakt lassen. Nur deshalb gibt es die »ideologische Lufthoheit der Steuerberater«.

Was kommt nach der no glob-Bewegung?

In der Folge der Proteste gegen die WTO-Tagung im Herbst 1999 in Seattle trat zum ersten Mal in der Geschichte eine globale Bewegung auf. In Seattle kämpften ArbeiterInnen und Jugendbewegung, GewerkschafterInnen und AnarchistInnen gemeinsam auf der Straße. Das war anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels in Genua im Sommer 2001 noch einmal möglich: Flüchtlinge, besetzte Jugendzentren, ArbeiterInnen... Die Staatsmacht schlug hart zurück. Seither hat die Bewegung an Schwung verloren, sie blitzte aber immer wieder auf, z.B. als weltweit Millionen Menschen gegen den Irak-Krieg demonstrierten oder am 1. November 2003 in Berlin gegen die Sozialpolitik der Regierung. Die Bewegung gegen den Neoliberalismus hat ihre ideologischen Ziele erreicht (die neoliberale Ideologie hat abgewirtschaftet), ihre politischen und sozialen nicht (der Irak wurde bombardiert und besetzt; die Ungleichheit nimmt zu, weltweit sterben wieder mehr Menschen an Hunger). Marktverhältnisse sind verschärft in den Alltag eingekehrt. Daraus entsteht Frust und Entpolitisierung. Viele »Promis« sind dagegen zufrieden, weil ihre Analysen und Ratschläge das Ohr der Mächtigen finden.
In dieser Konstellation hat die revolutionäre Strömung, die bei Massenevents wie Welt- und Europäischen Sozialforen meist nur ein Farbtupfer war, vielleicht eine Chance. Immer mehr Menschen wissen, dass der Kapitalismus nie und nimmer ein vegetarischer Haifisch werden wird. Um diese Chance zu ergreifen, reicht es nicht, jetzt immer von »Antikapitalismus« und »sozialer Frage« zu reden, und ansonsten die bisherige Politik weiterzumachen. Eine revolutionäre Strömung muss sich darauf beziehen, dass die oben beschriebene gesellschaftliche Blockade aufzubrechen begonnen hat: In Italien, Frankreich, Polen, Großbritannien usw. kommen Streiks und Mobilisierungen in Gang, die selbstorganisiert sind, und die außerhalb der institutionellen Vermittlungen selber was durchsetzen... sogar in der BRD dreht sich seit einigen Monaten der Wind.

Nicht der »technische Fortschritt« – die Klassenkämpfe sind der Motor der Geschichte!

Bis jetzt hat sich der Kapitalismus gerade dadurch ausgezeichnet, dass er »natürliche«, soziale, technische usw. Grenzen produktiv überwinden konnte. Er schien eine unaufhaltsame Entwicklung zu verkörpern, die mit Blut und Eisen die ganze Erde eroberte, den Ausgebeuteten aber von Generation zu Generation materiell einen besseren Lebensstandard ermöglichte. Daraus zog dieses zerstörerische Ausbeutungssystem bisher seine Legitimation. Deshalb konnten die Herrschenden einen »Zweck in der Geschichte« behaupten, als dessen Vertreter sie sich hinstellten. Massaker wurden damit gerechtfertigt, dass »wir« sonst heute nicht da wären, »wo wir sind«.
Die Arbeiterbewegung hat diese Geschichtsauffassung nicht radikal kritisiert, sondern die Perspektive in die Zukunft verschoben. Die alte Sozialdemokratie sagte: Ihr müßt euch opfern und die Wirtschaft aufbauen, damit es euren Kindern oder Enkeln besser geht. Der Stalinismus sagte: Wir müssen ein paar Millionen »Kulaken« töten, damit wir in 50 Jahren den Kommunismus »aufgebaut« haben werden. Beide hatten die Entwicklung der Industrie als Voraussetzung, beide waren Anhänger des Fließbands.


Kapitalismus und Sozialismus

Obwohl auch wir – z.B. in diesem Plakat – von »Kapitalismus« reden, ist das eigentlich nicht richtig, denn er ist kein geschlossenes System. Wenn klar ist, dass wir damit kein Ding, sondern ein soziales Verhältnis meinen, wäre es genauer, immer von »Kapital« zu sprechen.
Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus war keine Revolution, wie uns die bürgerliche Geschichtsschreibung glauben machen will: Im wesentlichen waren die Herrschenden vorher dieselben wie die nachher – nur wenige waren einen Kopf kürzer gemacht worden. Der Feudalismus war auf beiden Seiten in die Krise gekommen. Die Leibeigenen flohen in die Stadt. Auch die Herren flohen aus der direkten Abhängigkeit von ihren Leibeigenen in die flüssigere Ausbeutung durch Lohn (-Arbeit) und kümmerten sich von nun an darum, ihren zu Geld gewordenen Reichtum zu mehren. Die Aufsässigkeit der ehemaligen Knechte und Leibeigenen hatte nicht in die Freiheit, sondern nur in ein neues Klassenverhältnis, in eine neue Form der Unterwerfung geführt.
Das Kapital ist ein umkämpftes gesellschaftliches Verhältnis. Gleichwohl entstehen in diesem Verhältnis jede Menge Dinge zum Anfassen, vor allem Maschinen. Das Bezeichnende am Kapital ist die Produktion der Produktivkraft. Der bisherige Kapitalismus war in erster Linie die Agrarrevolution: die landwirtschaftliche Produktivität wurde enorm gesteigert. Dadurch gab es einen Überschuß von Arbeitskraft auf dem Land. In der ganzen Geschichte des Kapitalismus sind Menschen vom Dorf in die Stadt geflüchtet, vom Acker in die Fabrik, vom »Süden« in den »Norden« – in den letzten 25 Jahren überwiegt diese Flucht bei weitem die Verwertungsmöglichkeiten des Kapitals; die MigrantInnen bilden riesige Belagerungsringe um die Weltmetropolen; es gibt eine weltweite Krise der Städte.
Die kapitalistische Entwicklung der Landwirtschaft ist zerstörerisch: Chemie und profitorientierte Genmanipulation, Raub und Reduzierung von Kulturpflanzen und -tieren durch Agrarkonzerne, weltweite Plünderung der biologischen Ressourcen, Vernichtung von Pflanzen- und Tierarten... Die Landwirtschaftspolitik ist verbrecherisch: Agrarsubventionen zerstören die Nahrungsmittelproduktion in anderen Ländern usw.. Heute könnten wenige Prozent der Menschheit genug Lebensmittel für alle produzieren. Trotzdem sterben Menschen an Hunger. Der Irrsinn dieser Wirtschaftsweise ist offenkundig.

Sobald die Menschen lesen und schreiben können, ist der Sozialismus überholt

Alle Sozialismusvorstellungen gehen davon aus, dass man die Fabriken unter Arbeiterverwaltung stellt und die Zirkulation durch (staatliche) Planung organisiert. Alle anderen Fragen werden auf die »nächste historische Etappe« verschoben. Selbst anarchistische Utopien blieben im Kern »sozialistisch«, weil sie die »notwendige Arbeit gerecht verteilen« wollten... das wirft sofort die Frage auf, welche Institution diese Verteilung verwaltet, denn entfremdete Arbeit bleibt entfremdete Arbeit, auch wenn es »nur« vier Stunden täglich sein sollen! Sozialistische Vorstellungen waren immer an den Staat gebunden. Die offizielle Arbeiterbewegung hat versucht, sich in den Staat hineinzukämpfen. Nur AnarchistInnen und einige linkskommunistische Strömungen waren antistaatlich – und blieben Randerscheinungen.
In entwickelten kapitalistischen Gesellschaften, in denen die Bauern nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit stellen, lösen sich die Kommunistischen Parteien auf und werden sozialdemokratisch (z.B. Italien: PCI wird DS). Die Sozialdemokratie selbst wirft ihren schlechten Utopismus ab und bekennt sich offen zum Kapitalismus (BRD: das »Godesberger Programm« der SPD).
Alle »revolutionären« Bewegungen im 20. Jahrhundert wurden, wo sie an die Macht kamen, zu Entwicklungsdiktaturen, von der Sowjetunion bis zu den »jungen Nationalstaaten«. Das hatte die objektive Voraussetzung, dass Entwicklung für alle möglich schien – die 30jährige Krise des Kapitals macht damit ein Ende. Auf Seiten der Menschen hatte es die Voraussetzung, dass sie an den Staat (als Lenker der Entwicklung) glaubten – die weltweite revolutionäre Bewegung von 1968 ff. machte damit ein Ende; »1989« besiegelte es. Denn in diesem historischen Prozess haben sich auch die Menschen und ihre Vorstellungen verändert. Niemand glaubt mehr, dass der Staat unser Leben verbessern wird, dass AKWs eine sichere Energieversorgung darstellen, es gibt weltweit Kämpfe gegen entmündigende Großprojekte ...


ArbeiterInnen können viel verändern, indem sie gemeinsam etwas nicht tun – indem sie streiken!

Wie sollen die Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und alles umstürzen können? Woher soll die Macht dazu kommen? Das ist wohlgemerkt nicht die Frage danach, wie wir die Macht erringen, sondern wie wir sie zersetzen können! Die Frage muß aber gestellt werden.

Unterdrückte und ausgebeutete Menschen haben sich immer gewehrt. In diesem Sinn hat das Kommunistische Manifest recht: die Geschichte ist eine von Klassenkämpfen. Aber erst im Kapitalverhältnis entsteht eine Klasse, die alles umstürzen kann, nicht nur die Herren austauschen und die Arbeit anders verteilen, sondern die Herrschaft des Menschen über den Menschen beenden und die Arbeit abschaffen. Die Arbeiterklasse ist mehr als eine Ansammlung von Menschen, denen es schlecht geht. Sie ist zusammen und abhängig voneinander, weltweit. Ihr Zusammensein ist die Voraussetzung der kapitalistischen Produktivität. Sie produziert das Kapital. Das ist ein großer Unterschied zu Bauern und Sklaven, die auch viele waren, die ausgebeutet wurden, die auch dagegen gekämpft und heroische Aufstände organisiert haben – sie waren aber isolierte Produzenten, durch deren Arbeit die Herren den »Reichtum der Natur« ausbeuteten.

Heute sind die ArbeiterInnen weltweit die Mehrheit und nicht mehr die BäuerInnen. Direkt auf dem Land arbeiten immer weniger – und auch die sind in ihrer großen Mehrheit (Land ) ArbeiterInnen.

Die Arbeiterklasse verkörpert die Möglichkeit zur Abschaffung aller Klassen, zum Kommunismus. Sie kann auch nur in dieser Spannung, nur prozesshaft begriffen und nicht soziologisch definiert werden (»wer gehört dazu, wer nicht?«). Der Kapitalismus hat immer wieder behauptet, seinen Klassencharakter überwunden zu haben – aber so lange Menschen lohnarbeiten müssen, gibt es einen Klassenantagonismus. Und heutzutage, wo jemand gestern »Hausfrau« war, heute»arbeitslos« ist, morgen vielleicht Büroangestellte und übermorgen im Supermarkt an der Kasse oder in der Fabrik am Montageband arbeitet, ist die Position im Klassenverhältnis viel stärker ausschlaggebend als der jeweilige Job. War da mal was mit »Berufsstolz«?
Alle gesellschaftlichen Institutionen sind aus dem Klassenkampf entstanden, alle müssen umgewälzt werden: Knast, Schule, Fabrik, Uni, Stadt/Land. Auch Geschlechterrollen und die Einteilung in gesund/krank entstehen aus der Verwertung der (Lohn-)Arbeit. Politische Konzepte, die den Kapitalismus abschaffen wollen, aber »erstmal« die Fabriken, die Autos, die sozialen Beziehungen usw. so lassen wollen, wie sie sind, sind nicht revolutionär, sondern das Gegenteil davon.

Nachdem sich die Linke in der BRD viele Jahre lang überhaupt nicht mehr um »das proletarische Kampfterrain« gekümmert hat, ist jetzt wieder vermehrt von der »sozialen Frage« oder der »Arbeiterklasse« die Rede. Die ersten verwechseln in aller Regel die Arbeiterklasse mit ihren Repräsentanten (Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre) und halten ihre »zivilgesellschaftlichen« Träume von Mindesteinkommen und Mindestlohn für revolutionäre Forderungen. Die zweiten schwadronieren meistens ideologiebeladen daher, nach Jahren der Dekonstruktion aller »identitären Zuschreibungen« scheinen Proletkult und leninistische »Arbeiterpolitik« Auferstehung zu feiern.
Dagegen sind ein paar Dinge festzuhalten: Es gibt keine »Arbeiteridentität«, die Arbeiterklasse ist kein fertiges Subjekt, ihr größtes Bedürfnis ist es, nicht mehr Arbeiterklasse zu sein. Sie hat auch keine historische Mission, kein fernes Ziel zu erreichen, es geht um das Hier und Jetzt! »Kommunismus ist die wirkliche Bewegung« haben Marx und Engels in der »Deutschen Ideologie« geschrieben. Und wir stehen nicht als Strategen außerhalb, sondern sind selbst Teil der Klassenzusammensetzung – die heute eine andere ist als zu Zeiten von Marx oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch die Frage nach der Revolution ist aktuell eine andere als zu Zeiten der Pariser Commune. Heute stellt sich die Frage nach einer befreiten Gesellschaft ohne Arbeit. Es gibt einen gigantischen Überschuss an produktivem know-how der Menschheit, den das Kapital nicht mehr verwertet.
Durch Auf- und Abschwünge im Klassenkampf hindurch hat sich geschichtlich die strukturelle Macht der Arbeiterklasse ausgeweitet. Die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zeigte, dass man die ArbeiterInnen nicht mehr in den Zustand des unorganisierten Proletariers zurückstoßen konnte. Das Weltwirtschaftssystem nach 1945 war die Anerkenntnis dessen im Versuch, die Arbeiterklasse durch Sozialstaat, Gewerkschaften und faktische Mindestlöhne in die Ausbeutung zu integrieren. Die weltweiten Klassenkämpfe 1968 ff. zerbrachen diese Konstellation. In diesen Kämpfen wurde alles thematisiert, der Lohn, die Arbeit; Lohnspaltung, Geschlechterrollen und Karriere wurden abgelehnt, usw.. Im Zentrum dieser ökonomischen, kulturellen und sozialen Krise der Reproduktion der Arbeiterklasse steht die Krise der Arbeit. Die Herausforderung war so radikal, dass die Krise bis heute andauert. Sie ist strukturell von der Arbeiterklasse determiniert (hervorgerufen und geprägt). Globalisierung, wo sie tatsächlich stattfand, führte in den letzten 30 Jahren (schneller als jemals in der Geschichte) dazu, dass sich die Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen angeglichen haben – durch Kämpfe! (Während gleichzeitig große Teile der Menschheit von jeder Entwicklung abgeschnitten sind und die Schere zwischen arm und reich sich weiter öffnet.) Auch die größten Migrationsströme in der Geschichte der Menschheit haben die Ansprüche der ArbeiterInnen nicht geknackt, sondern eher weiterverbreitet.

Die Krise in den Ausbeutungsbeziehungen hat sich in den letzten Jahrzehnten durch alle Ebenen kapitalistischer Herrschaft durchdekliniert und verschärft – bis zum Niedergang der Hegemonialmacht im kapitalistischen Weltsystem. Den USA gelingt es nicht, ihre Krise durch permanenten Krieg zu überwinden, im Gegenteil: sie verschärfen sie dadurch noch (»Krise des Kriegs«). Das gleiche passiert im nationalen Rahmen: beim Versuch, ein scharfes Krisenprogramm durchzusetzen verlieren Staat, Gewerkschaften und Parteien die letzten Reste an Glaubwürdigkeit.

Wer sich in dieser Situation mit Repräsentanten an einen Tisch setzt, um die »soziale Frage« zu erörtern, macht sich zu deren Handlanger. Weg mit den historischen Kostümen (»die Arbeiterklasse und ihre Partei!«)! Wo heute Kämpfe laufen, sei es in Argentinien oder Frankreich, sind solche Konzepte längst überholt. Die Leute organisieren sich selbst und lassen sich nicht mehr bevormunden. In Italien haben alte »Arbeiteraristokraten« und junge Prekäre im Dezember 2003 gemeinsam wilde Streiks im Nahverkehr organisiert. Solche Prozesse müssen wir uns angucken, in Bolivien, Nigeria, China, Polen... und »bei uns«, daraus lernen und mitmachen!

Frühling 2004, Beilage zur Wildcat 69
Plakat zu bestellen bei redaktion@wildcat-www.de

(ein Plakat kostet 2 Euro (1,44 Euro sind Porto!), 10 Plakate 6 Euro, 20 Plakate 10 Euro)

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