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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Die in Offenburg/Baden gehaltene Rede von Ingrid Wagner, ver.di Erwerbslosenausschuss Südbaden

Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen!

am heutigen bundesweiten Aktionstag "Hartzschluss" sind wir hier zu Wahlkampf- zeiten zusammengekommen, um unseren Protest gegen die Unsozialgesetze Hartz IV zu äußern. Da es sich um einen bundesweiten Aktionstag handelt, möchte ich vorab etwas zu der immer stärker werdenden Repression gegen Linke und Antifaschisten in unserem Land sagen. Hier eine kleine Aufzählung der Geschehnisse in letzter Zeit:

  • November 2004 - Abschaltung der Seiten von Indymedia - Unterdrucksetzung des Providers,
  • dieses Jahr: Verhaftung des politischen Journalisten Nick Brauns aus München und Beschlagnahme von Sachen aus seiner Wohnung,
  • 5.7.2005 Beschlagnahme der PC, Speichermedien und Aktenordner des Internetportals Labournet in Bochum,
  • 11.8.2005 Beschlagnahme der PC, Speichermedien und Büroinhalte vom Anti-Atom-Büro im Wendland und als "krönender Abschluss" die Erstürmung einer Anti-Nazi-Party am 28.August in Berlin, wobei die Polizei ungewöhnlich hart vorging. Mehr zu den Durchsuchungen könnt ihr unter www.antifa.de externer Link erfahren.

Um unseren Protest gegen diese Verfolgungsmaßnahmen auszudrücken, rufe ich alle fortschrittlichen Gruppen und Einzelpersonen auf, den Aufruf zur Anti-Nazi-Gala, die für den 16. oder 17.September in Berlin geplant ist, zu unterstützen, indem ihr euch auf die Einladungsliste setzen lasst und/oder kleine Soli-Partys zur selben Zeit an eurem Ort veranstaltet. Mehr darüber könnt ihr von mir am verdi Stand erfahren.

Nun möchte ich zu den beiden schlimmsten Lügen im derzeitigen Wahlkampf Stellung nehmen. Die erste betrifft die Vollbeschäftigung, die zweite das Wirtschaftswachstum, also das Wachstum des Bruttoinlandprodukts. Lassen wir uns nichts vormachen von denen, die das Recht auf Arbeit nur deshalb hochhalten, um ihre eigene Machtposition abzusichern: Eine 100 %ige Vollbeschäftigung hat es bis auf einige Jahre in der Aufbauphase nach dem 2. Weltkrieg in den letzten 200 Jahren Industriezeitalter überhaupt nie gegeben! Diese Aufbauphase wird als das deutsche Wirtschaftswunder bezeichnet. Doch bereits seit Anfang der 70er Jahre zeichnete sich aufgrund des technologischen Fortschritts ab, dass sich die Produktivität immer rasanter und intensiver vervielfacht, d.h. es konnten in allen Industrienationen immer mehr Produkte in immer kürzerer Zeit durch den Einsatz von Maschinen hergestellt werden. Infolgedessen nahm der Produktionsbereich durch Konzentration gesellschaftlich gesehen ab, während der Dienstleistungsbereich immer mehr anschwoll. Ausschlaggebend für diejenigen, die von Lohnarbeit abhängig sind, ist jedoch, dass seit dieser Zeit der Bedarf an menschlicher Lohnarbeit kontinuierlich abnimmt. Diese auch in Zukunft anhaltende Tendenz tot zu schweigen, ist anscheinend das Tagesgeschäft der herrschenden Parteien und leider auch manchen Gewerkschaftsfunktionärs.

Wer ist denn noch bereit, dem Märchen von "mehr Wachstum tut not und dann wird alles gut" zuzuhören? Was wird passieren, wenn liberale und konservative Träume vom Wirtschaftswachstum wahr werden? Noch mehr Rationalisierungswellen werden dazu führen, dass sich die Produktivität noch mehr steigert. Infolgedessen werden immer weniger Menschen mit immer geringerem Einkommen in immer prekäreren Arbeitsverhältnissen noch viel mehr Waren und Dienstleistungen herstellen, die immer schwieriger abzusetzen sein werden. Mindestens ein Drittel der Bevölkerung wird verarmen!

Lasst uns einen Moment innehalten und uns fragen, ob wir nun gegen den technischen Fortschritt wettern sollten, der uns unsere schönen sicheren Arbeitsplätze geraubt hat?

Das wäre nicht die richtige Stoßrichtung. Denn der technische Fortschritt bringt uns einen Überfluss an Gütern, der mit immer geringerem Aufwand hergestellt wird. Dass dieser Überfluss nicht gerecht verteilt ist, ist nicht die Schuld von Automatisierung und Technik sondern ist ein kulturelles Umverteilungsproblem. Staatliche Sozialpolitik nimmt jetzt hierbei eine höchst unrühmliche Rolle ein, sie nimmt dem Bürger seine Würde, macht ihn zum Bittsteller und belässt ihn in der Unmündigkeit, wenn er sich gerade nicht nützlich machen kann - aus welchem Grund auch immer. Hier kommt nun das Konzept des Bedingungslosen Grundeinkommens zum Tragen. Der französische Dichter Victor Hugo sagte einmal: "Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist"

Wieso ist gegenwärtig so ein günstiger Zeitpunkt, um ein Bedingungsloses Grundeinkommen zu erkämpfen, wie es das deutsche Netzwerk Grundeinkommen will und wie es vom weltumspannenden Basic Income Earth Network propagiert wird?

Dieses Bedingungslose Grundeinkommen - ausgezahlt an jeden Bürger als eine Art Sozialdividende - gewinnt an Bedeutung als emanzipatorische, fortschrittliche Existenzsicherung nicht nur aber auch für jene Bürger, die durch die Mechanismen der kapitalistischen Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben. Die sich zwar gerne sinnvoll betätigen, aber dafür nicht bezahlt werden. Diese Bürger sind gegenwärtig standig mit der Sicherung ihrer Existenz besorgt. Eine aufgeblähte Sozialadministration, die nach Einführung eines GE größtenteils überflüssig würde, hält sie auf Trab. In Deutschland gibt es Kindergeld, Erziehungsgeld, Wohngeld, BaFÖG, Ausbildungsförderung, Subventionen für die Rentenkassen, ALG II, Sozialgeld, Beihilfen für Bergbau, Landwirtschaft sowie Eingliederungszuschüsse und andere Fördermaßnahmen.

Nach neueren Berechnungen macht das ca. € 10.000 aus an Sozialausgaben pro Kopf und pro Jahr! Damit wäre ein Grundeinkommen im mittleren Bereich bereits jetzt finanzierbar, also etwa € 833,--, denn € 10.000 : 12 = € 833.

Das Grundeinkommen würde den Arbeitsmarkt entlasten, das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen entspannen, Teilzeitarbeit, ehrenamtliche Arbeit sowie die klassischen unbezahlten Arbeiten im familiären Bereich ermöglichen bzw. aufwerten, ohne jedoch den 1. Arbeitsmarkt auszuhebeln. Nur der Zwang, sich und seine Arbeitskraft um jeden Preis zu Markte zu tragen, würde wegfallen.

Schon oft ist dieses nicht neue Konzept wieder in Schubladen weggelegt worden. Unter dem Namen Existenzgeld wurde es bereits seit Anfang der 80er Jahre von der Erwerbslosenbewegung als einziger sozialer Bewegung in Deutschland verfochten.

Helft mit, dass dieses Weglegen nicht wieder passiert, widersprecht, wenn es heisst, es gäbe keine Alternativen zu Agenda 2010! Informiert euch über das Deutsche Netzwerk Grundeinkommen! Nehmt teil am ersten deutschsprachigen Kongress, der unter dem Motto "Grundeinkommen - In Freiheit tätig sein" vom 7.-9. Oktober 2005 in Wien stattfindet.

Fragt die Kandidaten eures Wahlkreises im Wahlkampf nach ihrer Meinung zum Grundeinkommen.

DIE ARBEIT HOCH? NEIN! KOPF HOCH!

Ich danke Euch für eure Aufmerksamkeit!

Wagner, ver.di Erwerbslosenausschuss Südbaden, Netzwerk Grundeinkommen, Runder Tisch Freiburg und bundesweit der ELO- und Sozialhilfe-Initiativen


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