Neupack-Streik: Den Krügers die Rute – den Streikenden Apfel, Nuß und Mandelkern

„Auch am Nikolaustag standen Streikende und Unterstützer ab 5 Uhr vor den Toren der Firma Neupack in Hamburg-Stellingen. Das Besondere diesmal: Als wir um 7 Uhr ins Streikzelt gingen, um einen Kaffee zu trinken und zu schauen, ob die Brötchen schon da sind, kam nicht nur ein Nikolaus sondern drei Nikoläuse mit ins Zelt, mit großen Säcken auf dem Rücken. Sie sagten, sie kämen gerade von KollegInnen von der Firma Schleifmittel Hermes in Lurup und übergaben als erstes 200 Euro. Ihre Säcke waren voll mit Apfel, Nuß und Mandelkern, Nahrung für die kommenden Streikwochen. Sie sagten: Ihr seid zwar keine Braven, aber die Guten, deshalb die Geschenke! Aus dem Sack ragten auch noch mehrere Ruten und eine Papierrolle. Die Ruten seien für die Krüger-family und die Geschäftsführer. Wir durften einen Blick in die Papierrolle werfen, entschuldigend sagte ein Nikolaus: Es gibt so viele schlechte Taten der Krüger-family, die können wir nicht alle im Kopf behalten, wir mußten sie aufschreiben.

Wir lasen:

Tarifvertrag verweigert, 10 Jahre keine Lohnerhöhung gezahlt, keine gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, respektlose Behandlung der Beschäftigten, Mitarbeiter werden gedemütigt, weil sie zu wenig Lohn kriegen und deshalb die Steuerzahler als Aufstocker schädigen, Arbeit bei 40 Grad ohne zureichende Belüftung.

Wir lasen gar nicht weiter, das kannten wir ja alles. Wir konnten uns noch gerade bedanken, dann eilten sie weiter mit den Worten: Wir haben keine Zeit, wir haben viel zu tun bei den Krügers! Danach konnte man im Bürogebäude lange ein lautes Klatschen und Aua-, Aua-Rufe hören.

Die Krügers erstatteten Anzeige wegen schwerer Körperverletzung, sie seien von drei maskierten Männern überfallen und schwer mißhandelt worden, die Anzeige wurde diesmal aber abgewiesen wegen Nichtzuständigkeit und an Petrus verwiesen. Als die Beschwerde bei ihm einging, soll er dröhnend gelacht haben, wie etliche Streikende im Zelt deutlich hörten: „Aber ich selbst habe sie doch geschickt und sie haben die Richtigen getroffen“. Die Streikenden wurden sehr nachdenklich: Wenn Gerechtigkeit kaum vor dem Hamburger Arbeitsgericht zu kriegen ist – dann kann man sie wohl eher im Himmel finden. Oder sie sich erkämpfen.

Um 17 Uhr war dann wieder Treffen des Soli-Kreises im Streik-Zelt. Oben unter dem Dach der Jurte hing das Modell eines Airbusses, das hatte aber kein Streikender in den langen Nachststunden gebastelt, das hatten Vertrauensleute von Airbus am Dienstag gebracht.

Am Dienstagmorgen um fünf war auch eine Gruppe junger Leute gekommen, die den Streikenden unbekannt waren und hatten das Tor abgesperrt, durch das der Bus wollte mit den Streikbrechern aus Polen. Sie wurden mehrere Stunden aufgehalten. Die Blockierer hinterließen Bekennerschreiben mit dem Satz: „The young unkwon flying pickets haben zugeschlagen“.

Auf den Treffen ist es usus, daß die Unterstützer über gelaufene und geplante Aktionen berichten und die Streikenden über das Geschehene der letzten Tage, das heißt seit dem letzten Treffen des Soli-Kreises. Das Unbehagen der letzten Woche war deutlich zu spüren: Es fanden zwei Geheimtreffen statt, sie erfuhren aber nichts von Inhalt und Ergebnis dieser Gespräche. Sie, als die Akteure waren ausgeschlossen und zur Passivität gezwungen. Eine Kollegin erklärte, daß sie noch Vertrauen in die Verhandlungskommission hätten, aber erwarteten, bei der Verhandlung am Montag (14 Uhr) einbezogen zu werden und informiert zu werden. Es wurde deutlich: Sie streiken nicht, weil das Streiken so schön ist sondern weil sie ein Ziel haben: Den Tarifvertrag. Um den zu erreichen, haben sie vor fünf Wochen zusammen mit ihrer Gewerkschaft den Streik begonnen. Und ihre Geduld mit der Verzögerungstaktik der Krüger-family ist nicht unendlich. TARIFVERTRAG JETZT ist nach wie vor die Losung!

Am Montag um 10 Uhr ist Mitgliederversammlung in der Hamburger Innenstadt. Alle Mitglieder aus Rotenburg und Stellingen sollen ihren Standpunkt kundtun zur jetzigen Situation beim Streik. Um 14 Uhr beginnen dann die Verhandlungen bzw. das Gespräch: Mit der festen Meinung der Belegschaft: TARIFVERTRAG JETZT können die Vertreter dann da reingehen.

Der Nikolaus hatte Schwerarbeit zu verrichten, er kam ins Zelt, um allen UnterstützerInnen Schokolade und Gummibärchen aus dem Sack zu holen, keine einzige Rute!!

Am Freitagnachmittag waren KollegInnen von Neupack von StudentInnen ins Cafe Knallhart (Ex HWP) gebeten worden, um über ihren Streik zu berichten. Es war eine große Runde mit 55 TeilnehmerInnen. Es war wohl das erste Mal, daß die Situation der Arbeitswelt in dieser handfesten Form in diese Gemäuer einzog. Zwei Kolleginnen und drei Kollegen berichteten nicht nur darüber wie es zum Streik gekommen war sondern auf viele Nachfragen sehr anschaulich, wie der Arbeitsablauf ist. Etliche der StudentInnen kennen die Arbeitswelt, einige aber noch nicht.

Der Kollege Karl Fortenbacher (München) ist hartnäckig und bleibt den Machenschaften von Holger Piening auf der Spur, der Besitzer einer Leiharbeiterfirma in Deutschland ist und an der polnischen Firma work expreß kapitalmäßig beteiligt ist und gleichzeitig stellv.Vorsitzender des IGZ, der Interessengemeinschaft Zeitarbeit, dem Tarifpartner der IG BCE. Die Firma work expreß aus Polen hatte gleich zu Beginn des Streiks Streikbrecher nach Stellingen und Rotenburg geschickt, die schon am dritten Tag von der Firma Neupack fest angestellt wurden. Dadurch wurde es Neupack möglich, die Produktion wesentlich hochzufahren.

Hier sein Beitrag auf ZOOM externer Link, der Seite der IGM für Zeitarbeiter.

Dieter Wegner, Soli-Kreis Neupack, 09.12.2012. Kontakt: soli-kreis@gmx.de

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=15436
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