Der Arbeitskonflikt bei Neupack: Eine unendliche Geschichte – Der Betriebsrat hat die Verhandlungen abgebrochen!

Artikel von Dieter Wegner (aktiv im Soli-Kreis Neupack externer Link ), 25.07.2013

neupack_was_glaubt_ihr_klAlles schien in trockenen Tüchern: Der IG BCE-Bezirksvorsitzende Ralf Becker hatte auf der Mitgliederversammlung am 28. Juni erklärt, daß der Streik auch offiziell beendet sei und schickte Siegesmeldungen über den Erfolg an die Medien. Aber die Unterschrift des Betriebsrates für die Betriebsvereinbarung fehlte noch, denn der hatte ja monatelang über die Einzelheiten verhandelt. Die IG BCE-Führung war von der ursprünglichen Forderung, deswegen die Urabstimmung  erfolgt war und die KollegInnen am 1. Nov. 2012 in Streik getreten waren, schon lange abgerückt.

Die Betriebsvereinbarung beinhaltete auch keine Maßregelungsklausel, in der der BR-Vorsitzende Murat Günes, einbezogen war. Über sein Arbeitsschicksal wird das Hamburger Arbeitsgericht in einer Verhandlung am 23. September entscheiden.

Jetzt mußte der Betriebsrat sich wieder an den Verhandlungstisch begeben, im Glauben, nur noch letzte Einzelheiten auszuhandeln.

Weit gefehlt: Die Familie Krüger mit ihrem Berater Hoeck macht weiter wie bisher.

In ihren Neupack-News teilten sie gestern mit: „So wird durch den das Unternehmen bekämpfenden Teil des Betriebsrates den Kolleginnen und Kollegen bewußt die Verbesserung ihres Einkommens und die weiteren, vielen Vorteile vorenthalten!“. Damit will die Geschäftsführung die Belegschaft gegen ihren Betriebsrat aufbringen.

Was war geschehen? Bei den Verhandlungen hatte sie die Forderung nachgeschoben, „daß der Betriebsrat die Zustimmung zur langfristigen Einstellung von 57 während des Streiks als Streikbrecher eingestellte Kolleginnen und Kollegen erteilt“. (Brief des Betriebsrates an die Belegschaft vom 24.7.). Und weiter in dem Brief. „Der Betriebsrat kann, obwohl er nichts gegen die ehemaligen Streikbrecher als Personen hat, nicht zustimmen. Mit den 57 Kollegen wären wir 240 Leute. Vor dem Streik waren wir 195 Leute und hatten einen deutlich höheren Auftragseingang als heute. Der Betriebsrat sieht deshalb die akute Gefahr, daß infolge dieser Einstellungen dann andere Kollegen – letztlich wohl als Maßnahme wegen ihrer Streikteilnahme – gekündigt werden.“

Der Betriebsrat will diese Woche noch eine Betriebsversammlung einberufen.

Ein neuer Streik scheint aus mehreren Gründen unwahrscheinlich: Die Lager sind übervoll, ein Streik käme Neupack sehr gelegen.

Die Lage ist völlig unklar, denn der Bez. Vors. hat den Streik offiziell für beendet erklärt und mitgeteilt, daß eine Urabstimmung nicht notwendig sei, da es ja nur um eine Betriebsvereinbarung gegangen sei.

Vor allem aber haben die ehemals Streikenden die Schnauze deshalb voll, weil sie die IG BCE-Führung mit der Eröffnung des Flexi-„Streiks“ am 24.1. in eine demütigende Niederlage geführt hatte. Und dieser Führung sollen sie bei einem neuen Anlauf vertrauen?

Seit dem 24.1. arbeiteten sie fast normal wieder, wenn auch unter erschwerten Umständen: Ihre Vorgesetzten begrüßen die Streikbrecher freundlich, sie selbst werden übergangen. Das nennt man kollektives Mobbing.

Mit der Niederlage hatten sie sich abgefunden, sie wollten sie vergessen und zur Normalität des Alltags zurückkehren. Ihr Traum, einen Tarifvertrag zu erkämpfen, damit ungleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, die Behandlung nach „Nasenfaktor“, daß jährlich Lohnerhöhungen gezahlt werden (einige hatten seit 12 Jahren keine Lohnerhöhung bekommen!) war zerschollen. Die IG BCE-Führung war großsprecherisch mit ihnen zusammen in den Kampf eingestiegen: Wir werden an Neupack ein Exempel statuieren, koste es, was es wolle. (IG BCE-Vorsitzender Vassiliadis). Die KollegInnen hatten den von der Gewerkschaft erzeugten Illusionen geglaubt, daß die große IG BCE (680 000 Mitglieder) den kleinen Mittelständler (195 Beschäftigte) in wenigen Wochen besiegen würde.

Sie wissen, wem sie diese demütigende Niederlage zu verdanken haben: Der IG BCE-Führung, die für den 24. Januar den realen Streik beendete und den Flexi-„Streik“ anordnete, damit den Krügers wieder die leeren Lager gefüllt wurden. Sobald die zur Arbeit Kommandierten das durchschauten, prägten sie dafür den Begriff „Flexi-Verarschung“.

Nicht nur die IG BCE hatte die Niederlage schon vor Wochen als Erfolg verkauft, auch die AG Betrieb und Gewerkschaft der Hamburger Linkspartei haute in ihrer fünfseitigen Stellungnahme vom 2.7. in die gleiche Kerbe: „Ohne den achtmonatigen (sic!) Kampf wäre dieses Ergebnis nicht erreicht worden“. Die IG BCE hatte gar in ihrem Streik-Info vom 27. Juni getönt: „Dieser Kampf hat sich gelohnt – eine neue Zeit beginnt“.

Krüger/Hoeck holten die IG BCE-Führung aus ihrem sozialpartnerschaftliche Wolkenkuckucksheim: Statt „neuer Zeit“ die alte Scheiße, nur noch schlimmer als je zuvor.

Das Eingeständnis der Niederlage und die Analyse der Gründe sind jedoch Voraussetzungen für zukünftige Kämpfe, nicht nur bei Neupack sondern bei tausenden Firmen, in denen der Belegschaft ein Tarifvertrag verweigert wird und die wegen einer härteren Gangart des Kapitals zum Widerstand gezwungen werden.

Hoeck/Krüger führen die IG BCE-Führung seit Monaten mit dem Nasenring durch die Manege, wer das einmal aus Prinzipien der Sozialpartnerschaft akzeptiert hat, ist dem auf Dauer ausgesetzt. Zu leiden hat darunter aktuell der Betriebsrat und die Belegschaft.

Marx sprach einmal davon, daß die Gewerkschaften ihren Auftrag nur unvollkommen erfüllten, wenn sie nur einen Guerilla-Krieg gegen die Unternehmer führten und nicht die Veränderung des Systems als Ziel hätten. Beim Neupack-Konflikt ist es so, daß Krüger/Hoeck den Guerilla-Krieg führen gegen einen Gegner, der immer noch auf Sozialpartnerschaft pocht.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=41008
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