Rüsten, sonst knallt’s. Industrie droht Bundesregierung wegen Exportstopps nach Saudi-Arabien mit Schadenersatzforderungen

Aufruf Münchner SIKO-Demonstration 2017: Frieden statt NATO – Nein zum Krieg!Einige Vertreter der deutschen Rüstungsindustrie werden wohl voller Sehnsucht dem Silvesterfest entgegensehen, können sie doch dann endlich ungehindert mit Böllern jeglicher Art vor sich hin knallen. Zwar brummt das milliardenschwere Geschäft mit Waffenexporten nach wie vor, dennoch wird kurz vor Jahresende ein Warnschuss abgefeuert. Grund ist der Stopp der Lieferungen nach Saudi-Arabien. In diesem Zusammenhang seien »natürlich auch Schadenersatzforderungen denkbar«, drohte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien, in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur, das am Freitag veröffentlicht wurde. Zudem forderte er die Koalition aus CDU/CSU und SPD auf, »rein politische Themen« nicht auf dem Rücken der Unternehmen auszutragen. Atzpodien und seine Kollegen scheinen erbost, hatten sie sich doch auf den halbgaren Kompromiss der Bundesregierung verlassen. (…) Strengere Regeln mögen die Kunden der Rüstungskonzerne, die Atzpodien vertritt, ganz und gar nicht. Die deutsche Exportpolitik sei »unvorhersehbar« und »durch überraschende Wendungen oft nicht nachvollziehbar«, gab der Branchenchef zu Protokoll. Ganz neu sind seine Forderungen indes nicht. Bereits im Oktober hatte Atzpodien im Handelsblatt von einem »Vertrauensschutz« gesprochen, den die Rüstungsunternehmen dringend bräuchten...“ Artikel von Jan Greve in der jungen Welt vom 29.12.2018 externer Link, siehe auch:

  • Rüstungslieferungen: Rheinmetall will Schadensersatz für Lieferstopp nach Saudi-Arabien / Jürgen Grässlin: »Forderungen von Rheinmetall sind blanker Hohn« New
    „… Die Bundesregierung stellt sich wegen des verhängten Lieferstopps für alle Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien auf millionenschwere Schadensersatzforderungen ein. In einem aktuellen Brief ans Wirtschaftsministerium droht der Waffenhersteller Rheinmetall nach SPIEGEL-Informationen, das Unternehmen werde die Bundesregierung bei einer Fortsetzung des Embargos wegen der eigenen Umsatzausfälle auf Schadensersatz verklagen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Ende Oktober nach dem Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi festgelegt, dass keine neuen Genehmigungen für Waffenexporte nach Riad erteilt werden und auch bereits durch die Bundesregierung genehmigte Rüstungslieferungen Deutschland nicht verlassen dürfen. Aus Sicht von Rheinmetall besteht ein Schadensersatzanspruch, da die Regierung mit ihrer Entscheidung bereits durch den Bundessicherheitsrat genehmigte Exporte aus politischen Gründen aufhalte. Zudem fürchtet das Management, dass Aktionäre gegen Rheinmetall klagen könnten, wenn die Firma keinen Schadensersatz für die Einbußen verlangt.(…) Der Umfang der gestoppten Geschäfte ist enorm. Laut Insidern sind bereits produzierte Rüstungsgüter im Wert von bis zu zwei Milliarden Euro betroffen…“ Beitrag von Matthias Gebauer, Christoph Schult und Gerald Traufetter vom 20. Januar 2019 bei Spiegel online externer Link, siehe dazu: 

    • Jürgen Grässlin: »Forderungen von Rheinmetall sind blanker Hohn«
      Zwischen Anklagebank und Drohgebärden: Rüstungskonzerne bekommen zunehmend Gegenwind. (…) [Frage] Die Verantwortung des Staates spielte zuletzt auch in der Debatte um mögliche Schadenersatzforderungen deutscher Rüstungskonzerne eine Rolle, die ihr Geschäft wegen des verhängten Exportstopps nach Saudi-Arabien gefährdet sehen. Geht diese Entscheidung der Bundesregierung grundsätzlich in die richtige Richtung? [Grässlin] Die Festlegung von Union und SPD im Koalitionsvertrag vor knapp einem Jahr ist zunächst positiv zu bewerten. Dabei ging es um Exportgenehmigungen von Ausfuhren in Länder, die unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind. Dort zerstört die Militärallianz unter Führung Saudi-Arabiens mithilfe deutscher Waffen selbst zivile Einrichtungen. In der Sache ist es also unumgänglich, einen Exportstopp zu verhängen. Andererseits ist es blanker Hohn, wenn Rheinmetall vom deutschen Steuerzahler nunmehr finanzielle Entschädigung fordert. Denn zeitgleich verfolgt der Konzern die Strategie, zentrale Produktionsteile auszulagern und sich so offenbar der deutschen Rechtsprechung zu entziehen. Ich denke da etwa an die auf Sardinien aufgebaute Tochterfirma RWM Italia, einem der führenden Hersteller großkalibriger Munition. RWM-Munition ist nachweislich nach Saudi-Arabien geliefert und im Jemenkrieg eingesetzt werden…“ Interview von Jan Greve mit Jürgen Grässlin in der jungen Welt vom 23.01.2019 externer Link, Jürgen Grässlin ist Vorsitzender des Rüstungsinformationsbüros und Sprecher der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«
  • Waffenexporte Rüstungsindustrie droht wegen Waffen-Export-Verbot mit Schadenersatzklagen
    Nach dem Tod des Journalisten Khashoggi hat die Bundesregierung Waffenexporte nach Saudi-Arabien untersagt. Die Industrie droht deshalb mit Schadenersatzforderungen. Aber offenbar umgeht sie das Exportverbot. (…) Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, forderte Union und SPD auf, rein politische Themen nicht auf dem Rücken der Unternehmen auszutragen. Er sagte, natürlich seien in diesem Zusammenhang auch Schadenersatzforderungen denkbar…“ Meldung vom 28. Dezember 2018 beim MDR externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142089
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