Die „Abwähler“ von SAP

Artikel von Ralf Kronig vom 8.12.2015

Seltsame Vorgänge gab es im Vorfeld der „Abwahl“ der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden bei SAP SE.

Im Mai 2014 wurde nach acht Jahren der Betriebsratsvorsitz, der von zwei arbeitgebernahen Listen gestellt wurde, abgelöst. Gewählt wurden als Betriebsratsvorsitzender einer unabhängigen Liste Ralf Herzog und als Stellvertreter der IG Metaller und Mitgründer des Betriebsrats der SAP SE, Ralf Kronig und das langjährige Aufsichtsratsmitglied Panagiotis Bissiritsas. Anfang Juli 2015 verkündete der Betriebsratsvorsitzende Ralf Herzog, dass er zum 30.9.2015 von seinem Amt zurücktreten und danach in Vorruhestand gehen wird.

Erfolge in der kurzen Amtszeit waren die Verhinderung von betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen eines weltweiten Kosten-und Restrukturierungsprogramms und ein lukratives Vorruhestandsprogramm.

Bis zur Neuwahl des neuen Betriebsratsvorsitzenden gab es vier Monate Diskussionen, ob nicht gleich der gesamte Betriebsratsvorsitz gewählt werden soll. Viele Kandidat/-innen schickten sich „selbst ins Rennen“. Unverhohlen und offen wurde über eine „Abwahl“ der beiden Stellvertreter gesprochen. In Meetings sprachen sich viele Meinungsführer/-innen für eine Abberufung aus. Eine sachliche Begründung steht bis heute aus. Vielmehr verdeutlicht es weiter aufbrechende Grabenkämpfe und Pöstchenschacherei innerhalb des Gremiums.

Letztendlich bildete sich eine interessante Allianz aus arbeitgebernahen und gewerkschaftlich-gelenkten Listen, um die beiden Stellvertreter Ende Oktober mit einfacher Mehrheit abzuwählen.

In den neuen Betriebsratsvorsitz wurden laut Presse ein „Einzelkämpfer“  und eine unabhängige IG Metallerin gewählt. Die große Last einer sog. Abwahl kann ihnen niemand nehmen. Und bei 11 vertretenen Listen mit den vielen „Lagerkämpfen“ und „persönlichen Interessen“ wird eine „Bündelung der Kräfte“ mit der Fokussierung auf die Betriebsratsarbeit sicherlich nicht leichter. Manche fühlen sich jetzt als Gewinner eines Machtkampfs, vergessen jedoch zunehmend die Interessen der Kolleginnen und Kollegen – für die sie gewählt wurden.

Am Tag der Ab- bzw. Neuwahl äußerte der neue Betriebsratsvorsitz in einer selbst verfassten Presseerklärung despektierlich über die früheren stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden: „Die Entscheidung … lässt klar erkennen, dass die Arbeit für die Belegschaft bei der Wahl im Vordergrund stand und nicht die Interessen einzelner Listen. Die bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden wurden zur Unterstützung dieser neuen Ausrichtung abberufen.“ Das fördert nicht die so oft hinausposaunte Aussage, dass es in Zukunft weniger „Gräben“ und „breitere Füße“ geben werde, eher das Gegenteil: Ausgrenzung und Abwertung. Einbeziehung und Kooperation sieht anders aus.

Und wann kommt die nächste „Abwahl“ der nun vereinten Hardliner im SAP-Betriebsrat? Einige Wochen nach der „Abwahl“ geht’s munter weiter. Mit Ab-und Neuwahlen von Ausschüssen.

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