Bundesdeutsche Leitmedien: Bis zum (für manche Journalisten: bitteren) Ende wird „Staatsräson“ praktiziert – auch aus Chemnitz

Buch: Lügen die Medien? Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung.„… Gegen 16.30 Uhr hätten sich dann rund 800 Menschen in der Innenstadt von Chemnitz versammelt. Die Polizei habe diesen Zug nicht aufhalten können. Dabei sei es auch zu Flaschenwürfen in Richtung der Polizisten gekommen. Unter diesen Demonstranten waren Medienberichten zufolge auch gewaltbereite Rechte. „Es wurden rassistische und fremdenfeindliche Parolen gebrüllt“, so Brandau. Zudem seien auf Internetvideos Übergriffe auf Menschen zu sehen. Nach rund eineinhalb Stunden habe sich dann auch diese Kundgebung wieder aufgelöst. Zur Demonstration durch die Chemnitzer Innenstadt hatte eine rechte Hooligangruppe aufgerufen. Diese Menschen nutzten den Vorfall auf dem Stadtfest für ihre politische Agenda, so Brandau. Mehrere rechte Gruppierungen hätten nun zu weiteren Kundgebungen aufgerufen, auf der anderen Seite mobilisiere sich jedoch auch Gegenprotest von linken und bürgerlichen Organisationen…“ – aus dem Bericht „Ausschreitungen nach tödlichem Streit – Was passierte in Chemnitz?“ am 27. August 2018 im Deutschlandfunk externer Link, der hier exemplarisch stehen soll für die Art der Berichterstattung in den sogenannten Leitmedien an den beiden ersten Tagen des rechten Mobs in Chemnitz. „Ausschreitungen“, bei denen „auch Rechte“ beteiligt gewesen seien. In anderen Medien folgten die üblichen Rituale von Rechts/Links-Konfrontation – sogar noch, als Journalisten bereits selbst von dem Mob angegriffen wurden… Zur Medienwirkung aus Chemnitz zwei weitere Beiträge – sowohl direkte Kritik, als auch bestehende Anforderungen betreffend:

  • „Rechte und linke Demonstranten“ am 28. August 2018 bei Haltungsturnen externer Link unterstreicht zur konkreten Wirkungsweise der Medien in Chemnitz: „Ein Nazimob rennt durch eine sächsische Kleinstadt. Menschen, die keine Nazis sind, demonstrieren dagegen, dass ein Nazimob durch die sächsische Kleinstadt rennt. Und die deutschen Medien heute so (und zwar bis in die von mir geschätzte liberale Zeit Online hinein): „Proteste rechter und linker Demonstranten“. Das ist ein Problem. Oder vielmehr: Das ist der Sieg (zumindest der kulturelle und der Diskurssieg) der Rechtsextremen in diesem Land. Denn wo Menschen, die keine Nazis sind, als „links“ bezeichnet werden, erscheint Nazisein als fast schon normal, nämlich als nicht-links. Und das ist für die meisten Menschen in diesem Land gut und normal. Also nicht-links zu sein. Unter anderem deshalb, weil die Worte rechts und links im öffentlichen Diskurs heute nicht mehr eine grobe und unproblematische Verortung in einem politischen Koordinatensystem meinen, sondern das, was „wir“ früher als rechts- oder linksradikal bezeichnet haben. Wie vor einigen Jahren ein damals noch jugendlicher Verwandter formulierte: „Rechts ist, wenn ich Ausländer verhaue, nicht, wenn ich was gegen Ausländer habe“. Das hat mich damals unglaublich aufgeregt. Und heute ist es Teil dessen, was die meisten Menschen, die ich erlebe, ungefähr so sagen. Wenn es in diesem Sinne „links“ sein soll, gegen Nazis zu sein, dann ist es wohl noch schlimmer, als ich dachte. Dann richten sich Journalistinnen und Politikerinnen in einer bequemen Äquidistanz ein – Nazis und Nicht-Nazis, irgendwie beide gleich weit weg von mir. Merkt ihr, oder? Es ist nicht links, gegen Nazis zu sein und aufzustehen, wenn sie marschieren oder rennen. Es ist normal. Und viele Konservative, die ich kenne (und die sich, wenn sie in meinem Alter oder etwas älter sind, selbst eigentlich als „rechts“ im alten Sinne bezeichnen würden), finden es überhaupt nicht witzig, dass sie auf einmal als Linke bezeichnet werden, nur weil sie gegen Nazis sind…
  • „Chemnitz: Wie Nazis mit Falschmeldungen Pogromstimmung erzeugt haben“ am 28. August 2018 beim Volksverpetzer externer Link ist eine Analyse von  Thomas Laschyk mit dem Untertitel „Falschmeldungen und selektive Berichterstattung“. Darin heißt es unter anderem: „Wer sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht explizit von dieser Ideologie distanzieren kann oder will, macht sich zum Mittäter. Auf der heutigen Demo in Chemnitz bezeichnen sich die Rassisten als „frei, national, sozial“, zeigen Hitlergrüße, rufen fremdenfeindliche und verfassungswidrige Parolen. Das ist kein legitimer Protest. Kein Trauermarsch. Und kein legitimer Protest. Das ist Faschismus. Durch selektive Wahrnehmung, Bots und Fake-Accounts und Fake News wurde in den letzten Jahren der Grundstein für den Faschismus gelegt. 2015 wurde zur Dolchstoßlegende des 21. Jahrhunderts konstruiert. Ein austauschbarer Anlass wurde genutzt, um die Früchte des Hasses zu ernten und auf die Straße zu tragen. Und jetzt, wird in Chemnitz auf der Straße ausgetestet, ob sich der Faschismus auch da draußen halten kann. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir das nicht zu lassen. Dass die Berichterstattung nicht den Fehler macht, die Rechtsextremen sprachlich irgendwie zu verharmlosen oder die Menschen, die sich dem Faschismus entgegenstellen als irgendetwas anderes darzustellen. Die Zivilgesellschaft und unsere Demokratie steht vor einer gefährlichen Herausforderung. Wir dürfen jetzt nicht falsche Toleranz zeigen. Und klar für unsere Werte einstehen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136766
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