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Updated: 18.12.2012 15:51
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Unter falscher Flagge

Die AUB und die Rolle gelber Gewerkschaften

Die Korruptionsaffäre bei Siemens, wo Millionenbeträge an Schmiergeldern geflossen sein sollen und in die Gewerkschaftsfunktionäre verstrickt sind, brachte eine kleine Gewerkschaft ins Gerede, die sonst nicht gerade im Fokus öffentlicher Medien steht: die "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger", kurz AUB. Ihr Bundesvorsitzender Schelsky sah sich zum Rücktritt gezwungen, weil - nun, vielleicht, möglicherweise, unter gewissen, der AUB selbstverständlich völlig unbekannten, von ihr aber freilich aufs schärfste verurteilten Umständen - Zahlungen von Siemens an ihn, bzw. seine Unternehmungsberatung getätigt wurden; die Staatsanwaltschaft ermittelt. Jedwede Verstrickung in Bestechungsvorgänge weist die AUB entrüstet von sich, und stellt sich als lockeres Netzwerk dar, das gar keinen Einfluss auf Betriebsräte nehmen wolle und könne. Und eine "gelbe Gewerkschaft", wie immer wieder behauptet, sei sie keineswegs. Das sei üble DGB-Propaganda. Vielmehr verstehe man sich als "ideologiefrei" und wirke "betriebsbezogen". Übersetzt bedeutet das, statt auf Streiks auf die Partnerschaft von Kapital und Belegschaft zu setzen, die Identifizierung mit dem Betrieb zu fördern und vor allem solche KollegInnen zu organisieren, für die so etwas wie Solidarität bestenfalls ein Hirngespinnst ist. Eben genau das zeichnet aber eine gelbe Gewerkschaft aus.

Sicher, in der Geschichte wurden viele gelbe Gewerkschaften direkt von Firmen gegründet oder wenigstens gefördert. Die AUB aber ist mit 30.000 Mitgliedern und 19.000 Betriebsräten keine reine Siemensangelegenheit. Auch Aldi mag die AUB. Und sie ist nicht die einzige. "Unabhängige" sitzen schon lange in vielen deutschen Betriebsräten. Sie sind überall dort stark, wo Facharbeiter ohne den Ballast unqualifizierter GenossInnen mehr für sich rausschlagen wollen, oder restlos verunsicherte und desillusionierte KollegInnen fürchten, dass der konfrontative Weg nur zum Jobverlust führt.

Damit ist die AUB vielleicht ein bisschen mehr als eine klassische gelbe Gewerkschaft, deren Aufgabe es in erster Linie war, die Arbeiterschaft zu befrieden. Eine Mischung aus "wir schaden uns nur selbst, wenn es dem Betrieb schlecht geht" und "wir können ja doch nicht gewinnen", zu mancher Zeit und an manchem Ort auch noch der erhobene Zeigefinger, dass Gott es nicht möchte, dass man sich gegen die Obrigkeit auflehnt - das stellte die typische Propaganda einer gelben Gewerkschaft im Sinne der Firma dar. (Gelbe Gewerkschaften sind übrigens keineswegs originär christlichen Ursprungs, wie ein weitverbreiteter Irrtum lautet. Wohl wurden gelbe Gewerkschaften teilweise von Kirchen initiiert, wie z. B. im zaristischen Russland unter wohlwollender Obhut des Staates. Aber weder ist eine christliche Gewerkschaft per se gelb, noch muss eine gelbe Gewerkschaft religiös orientiert sein.)

Eigentlich gelten sie als Relikt aus einer Zeit, da organisierte Arbeiterschaft und Kapital sich noch unversöhnlich gegenüberstanden und mit ihnen versucht wurde, die Macht der "roten" Gewerkschaften zu spalten. Eine gelbe Gewerkschaft im modernen Deutschland scheint anachronistisch. Und womöglich verweist die AUB nicht ganz zu unrecht darauf, dass Arbeitgeberverbände häufig lieber mit DGB-Gewerkschaften zusammenarbeiten.

Wenn der DGB Sozialpartnerschaft rühmt und sich für den Standort Deutschland einsetzt, vertritt er eine gelbe Linie auf nationaler Ebene. Die Logik, die eine gelbe Gewerkschaft auf den eigenen Betrieb anwendet, wurde nur auf eine höhere Stufe gehievt. Mit Einführung der paritätischen Mitbestimmung im Jahre 1976, die die Beteiligung von Belegschaftsvertretern an Konzernaufsichtsräten vorsieht, wurde endgültig die Grenze zwischen Arbeit und Kapital verwischt. Ein Aufsichtsrat sieht Arbeiter nicht als Klassenangehörige, sondern als Teil des Konzerns, dessen Interessen im Mittelpunkt stehen. Statt der Belegschaft durch das Mitbestimmungsrecht ein stärkeres Gewicht zu verleihen, lernten deren Vertreter in den Aufsichtsräten sehr schnell, Firmenpolitik aus einer anderen Blickweise zu betrachten. Gewerkschaftsfunktionäre wurden nicht nur äußerlich ihren Gegnern von früher immer ähnlicher. Sogar ein neoliberaler, bürgerlicher Journalist wie H.-U. Jörges spricht von einer "mafiosen Umarmung von Arbeit und Kapital".

Wenn Rationalisierungsmaßnahmen Entlassungswellen beinhalten, wenn Lohnkürzungen und Mehrarbeit mit Konjunkturlage und Firmensituation gerechtfertigt werden, dann argumentieren DGB-Gewerkschaften stets aus der gleichen Perspektive wie die Konzernleitung. Selbst wenn sie bestimmten Maßnahmen nicht zustimmen, dann deshalb, weil es der Firma doch besser ginge, als sie behauptet. Häufiger aber sind es gerade DGB-Betriebsräte, die auf Kündigungen und Werkschließungen nur achselzuckend reagieren, denn da sei eben nichts zu machen, man würde sich nur selbst schaden, wenn man jetzt streike, so lange der Betrieb in Not sei.

Artikel von Matthias Seiffert in der "Direkte Aktion" Nr. 181 vom Mai/Juni 2007. Informationen zum Heft, Bestellmöglichkeiten und das Online-Archiv auf der Seite der FAU externer Link


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