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Updated: 18.12.2012 15:51
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Von der Isar an den Bosporus

München ist nicht nur Tagungsort der sogenannten "NATO-Sicherheitskonferenz" (SIKO), auf der sich seit über 40 Jahren die Elite der westlichen Kriegstreiber einfindet, sondern auch eine Stadt in der diverse internationale Multis angesiedelt sind. Speziell im Bereich der Rüstungsproduktion sitzen in München und Umgebung einige Konzerne, die als "Global Player" in ihrer jeweiligen Rüstungssparte zu bewerten sind: Siemens, EADS, MTU und Krauss-Maffei- Wegmann, um die Wichtigsten beim Namen zu nennen. Anhand einer (kleinen) Kampagne wollen wir versuchen die antimilitaristische Fixierung auf die SIKO zu durchbrechen und die kritische Aufmerksamkeit auf den Rüstungsstandort München auszudehnen. Gleichzeitig soll die Verbindung zwischen der hier produzierten todbringenden Technologie und ihren globalen Auswirkungen auf Krieg und Elend transparent gemacht werden.

"Siemens, Daimler, Deutsche Bank ..." wer kennt sie nicht die alte und immer noch aktuelle Demo-Parole. Unsere erste öffentlichkeitswirksame Aktion werden wir vor den Hauptsitz der Siemens-AG tragen, weil diesem deutschen Multi kein Geschäft zu schmutzig ist so lange es genügend Profit verspricht. Außerdem wurde der Termin bewusst in zeitliche Nähe zum NATO-Gipfel in Istanbul (28./29. Juni) gelegt, um eine thematische Brücke von der Isar (SIKO) an den Bosporus zu schlagen. Vor dem "Bayerischen Hof" wollen wir unsere Solidarität mit den GenossInnen in der Türkei, die dort gegen die NATO-Kriegspolitik auf der Straße sein werden und bereits seit Anfang April mit Repression überzogen werden, zum Ausdruck bringen.

Global Player mit "brauner" Weste

Siemens hat sich im Nationalsozialismus, ebenso wie andere deutsche Konzerne, durch eine massive Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen immens bereichert. Das Unternehmen war damals wichtigster Lieferant für elektrotechnische Rüstungsgüter mit einem steigenden Umsatz von 330 Millionen auf 1,8 Milliarden Reichsmark. Ab 1940 bestand die Belegschaft zu 30% aus ZwangsarbeiterInnen, an den Standorten Nürnberg, Wien, Berlin und Neustadt-Coburg waren KZ-Außenkommandos eingerichtet. Nur unter Druck und weil man in die USA expandieren wollte, sah sich Siemens 1962 gezwungen 7 Millionen DM an die"Jewish Claims Conference" zu zahlen. 2200 jüdische KZ-Insassen, die Zwangsarbeit und Lager überlebt hatten, erhielten eine einmalige Zahlung von 3300 DM. Die große Mehrzahl der Siemens-ZwangsarbeiterInnnen wurde jedoch bis dato nicht entschädigt.

Heute ist der Münchner Konzern einer der führenden transnationalen Multis. Ob Erschließung von Ölfeldern und Pipelinebau in Aserbaidschan, Lieferung hunderttausender biometrischer Ausweise in die chinesische Region Macao, Bau neuer Kraftwerke im Iran oder (noch) Subunternehmer des US-Unternehmens Bechtel im Irak; kaum ein Land, kaum ein Geschäft in dem Siemens nicht präsent ist.
Keine Wirtschaftsdelegation, die den Kanzler auf seinen diversen Reisen begleitet, ohne Siemens-Beteiligung und immer kommt es zu lukrativen Geschäftsabschlüssen. So bestehen z.B. in Malaysia gute Aussichten auf einen Kraftwerksauftrag in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro und auf den Bau einer Schnellbahnstrecke mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde Euro.

Bezeichnend für die weltweite Bedeutung des Münchner Konzerns ist auch, dass mit dem Vorstandsvorsitzenden Heinrich von Pierer, zum ersten mal in der Geschichte der UN, der Boss eines großen Weltkonzerns vor dem Sicherheitsrat referieren durfte (15.4.04). Von Pierer forderte dabei die Regierungen - in diesem Fall hauptsächlich Washington - auf, für die Wirtschaft "das erforderliche Minimum an Sicherheit in Afghanistan und im Irak" zu gewährleisten.

Auch im Bereich Sozialabbau spielt das Unternehmen selbstbewusst den ausschließlich am Profit orientierten globalen Akteur. Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Lohndumping werden gnadenlos vorangetrieben, Widerstand von Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen dagegen werden mit der Drohung, ganze Produktionsstätten in Billiglohn-Regionen zu verlagern, ausgehebelt. Laut Betriebsrat sind derzeit rund 74.000 der 170.000 Arbeitsplätze des Unternehmens in Deutschland von einer Verlagerung in kostengünstigere Regionen bedroht!

Atomkonzern Siemens

Siemens war von Anfang an maßgeblich am Aufbau des Atomprogramms der BRD beteiligt. Alle neueren Atomkraftwerke (AKW) hierzulande, außer Mühlheim-Kärlich, wurden vom Tochterunternehmen KWU entwickelt und gebaut, AKW's wurden auch nach Holland, Spanien, Argentinien, Brasilien, Iran,Österreich und in die Schweiz exportiert. Im Laufe der Jahre wechselte der für die Atomenergie zuständige Unternehmensbereich häufiger seinen Namen und seine Rechtsform. Mit der Fusion der Atomsparte der französischen Framatome (2001) stiegen beide Unternehmen zum neuen Weltmarktführer Framatome ANP (Advanced Nuclear Power), mit einem Jahresumsatz von rund drei Mrd. Euro und 13.000 Mitarbeitern, auf. Der bayerische Multi ist seit Jahren maßgeblich daran beteiligt, die"Europäisierung" und Liberalisierung der Energiepolitik voranzutreiben. Da Atomkraftwerke und fossile Großkraftwerke in Deutschland gegen den Widerstand aus der Bevölkerung nicht mehr durchsetzbar sind, werden sie mittlerweile im benachbarten Ausland an Standorten, wo die "politische Akzeptanz" größer ist, errichtet. Ob Neubau oder Nachrüstung, ob in China, Litauen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Slowenien oder in Tschernobyl/Ukraine(!), Siemens hintertreibt mit seinem Atomkraftwerksbau-Ost den Atomausstieg-West. Die fetten Gewinne wandern in den Westen, das Risikopotential der Atomtechnologie wird jedoch exportiert, so wurden mit allen osteuropäischen Partnerländern Abkommen darüber abgeschlossen, dass der Konzern im Falle von Atomunfällen nicht haftbar gemacht werden kann.

Siemens "entrüstet" sich

Ähnlich wie eine Reihe anderer Firmen in Westeuropa trennte sich Siemens Anfang 1999 vollständig von seiner Rüstungssparte. Jedoch, eine Trennung zwischen"ziviler" und "militärischer" Produktion gibt es heute nicht mehr: Kriegführung ist ohne den sich ständig intensivierenden Einsatz von Mikroelektronik unmöglich geworden. "Ein neuer Kamerad in der Kompanie - Wenn die Verteidigungsbereitschaft in Zukunft mit reduziertem Budget und geringerer Truppenstärke zu sichern sein wird, muss vor allem einer ganz besonders stramm stehen: Kamerad Computer." So warb Siemens bereits Mitte der 90er Jahre großformatig in einschlägigen Zeitschriften wie Europäische Sicherheit und Wehrtechnik und lag damit voll im Trend der "Revolutionierung" der Militärtechnik.

Heute gehört Siemens zu den weltweit größten Lieferanten für Waffenelektronik und ist z.B. zusammen mit der Daimler-Tochter DASA an Entwicklung und Bau der neuen NATO-Flugabwehrrakete MEDAS beteiligt, die ab dem Jahre 2005 zum Einsatz kommen soll. Zudem ist die Weltfirma nach wie vor an einem der wichtigsten deutschen Rüstungsunternehmen, dem Münchener Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann (KMW), zu 49 Prozent beteiligt. Tatsache ist auch, dass Siemens dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan Flankenschutz verleiht, indem das Unternehmen in Kabul als erste ausländische Firma eine Repräsentanz einrichtete.

Nicht nur an der Rüstungsfront, sondern auch mit der Repression nach innen und der Abschottung nach außen werden satte Gewinne eingefahren: Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter sind mit Siemens-Computern ausgestattet und an diversen Terminals von Flughäfen und Grenzstationen ist Siemenstechnologie im Einsatz gegen Illegale, Flüchtlinge und politisch Verfolgte.

S.A.M. (Sozialistische Aktion München) und Con Action rufen dazu auf, die Aktivitäten gegen den Istanbuler NATO-Gipfel auch hier vor Ort zu unterstützen, indem wir unsere Solidarität mit den GenossInnen in der Türkei vor den Tagungsort der SIKO tragen. Kommt alle und lasst uns anschließend bei Siemens einen Besuch abstatten, einer führenden Adresse des militärisch-industriellen Komplexes. München, 26. Juni 2004, 13:00 Uhr, Auftaktkundgebung vor dem "Bayerischen Hof" (Promenadeplatz) anschließend Demonstration zur SIEMENS-Zentrale am Wittelsbacher Platz.


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