Ernte-MigrantInnen: Wenn Spargel und Erdbeeren besser behandelt werden

Dossier

Spargelernte: KnochenarbeitDeutsche Bauern sind besorgt: Helfen ihnen künftig keine Saisonkräfte mehr auf den Spargelfeldern? (…) Die Bedingungen sind vielerorts tatsächlich schlecht. Nehmen wir die Bezahlung. Auf dem Papier zum Beispiel bekommt natürlich jeder Helfer den deutschen Mindestlohn von 8,84 Euro in der Stunde. In der Praxis sieht das ganz anders aus, und das spricht sich früher oder später natürlich auch in den Herkunftsländern herum. (…) Übrigens klagen französische Bäuerinnen und Bauern, dass die deutschen Landwirte den Markt dort mit billigem Spargel überfluten, weil der Mindestlohn bei uns niedriger ist als auf der anderen Rheinseite. Die französischen Arbeitgeber verlangen inzwischen von den deutschen Gewerkschaften, dass sie für höhere Löhne in der Landwirtschaft sorgen sollen. Das ist doch absurd!“…“ Interview von Bernd Kramer vom 25.05.2018 in der Zeit online externer Link („Wenn man die Leute anständig behandelt, kommen sie auch“). Siehe spezielle Dossiers ganz unten und hier allgemein eine seitdem verheerende Entwicklung:

  • Jahresbericht der IG BAU zu ausländischen Saisonbeschäftigten in 2023: Keine ausreichende soziale Absicherung, zu wenig Lohn und zu lange Arbeitszeiten New
    Im Jahr 2023 haben die ausländischen Saisonbeschäftigten teilweise wieder unter unzumutbaren Bedingungen gearbeitet. Auch erste Lichtblicke sind im Jahresbericht verzeichnet. (…) In der Saisonarbeit und der mobilen Beschäftigung gibt es eine Vielzahl von Sonderregelungen, meist zugunsten der Arbeitgeber*innen: Sie können Beschäftigte bis zu 70 Arbeitstage kurzfristig anstellen und damit Sozialversicherungsabgaben sparen. Sie können Ausnahmegenehmigungen für eine tägliche Arbeitszeit von bis zu zwölf Stunden statt der ansonsten üblichen Obergrenze von zehn Stunden einholen. Darüber hinaus können sie die Kosten für die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung vom Mindestlohn abziehen und bei Aushilfstätigkeiten extrem kurze Kündigungsfristen von nur einem Tag im Arbeitsvertrag festschreiben. Wie schon in den Jahren zuvor war die Grundproblematik im Jahr 2023 die oftmals deutliche Unterschreitung des Mindestlohns. Des Weiteren wurde mehrfach die Arbeitszeit über die gesetzlich erlaubte Grenze ausgeweitet. Erntearbeiter*innen, die die oft sehr hohen Leistungsvorgaben nicht erreichten, wurden nach wenigen Tagen mit extrem kurzer Kündigungsfrist entlassen. Obendrein wurde der Lohn erst kurz vor der Abreise ausbezahlt, so dass eine eingehende Kontrolle nur schwer möglich war. Festzustellen war auch, dass mehrfach überhöhte Kosten für die Unterbringung in Drei- und Vierbettzimmern den Beschäftigten vom Lohn abgezogen wurden. Schließlich war wie schon im vergangenen Jahr der Krankenversicherungsschutz ein Ärgernis. Immer noch sind die Gruppenversicherungen üblich, die keinen ausreichenden Schutz gewähren. Oftmals bleiben Arztkosten bei den Beschäftigten selbst hängen. Positiv wird in dem Jahresbericht vermerkt, dass sich teilweise die Qualität der Unterkünfte verbessert hat und vermehrt digitale Arbeitszeiterfassungssysteme genutzt werden. (…)
    Die Erntesaison in Deutschland erstreckt sich in der Regel von März bis Oktober. Im Jahr 2020 arbeiteten laut Statistischem Bundesamt insgesamt etwa 274 700 Menschen als Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft. Das Bundesamt führt nur alle zehn Jahre eine Landwirtschaftszählung durch. Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit waren zum Stichtag 31. Mai 2023 rund 124 000 „ausländisch abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft, im Gartenbau und Forst“ zu verzeichnen.
    Im Jahr 2023 ging die Initiative Faire Landarbeit mit insgesamt 18 verschiedenen Teams im ganzen Bundesgebiet 47mal aufs Feld, dabei traten sie mit etwas mehr als 3300 Saisonbeschäftigten in direkten Kontakt. Das waren ähnlich viele Aktionen wie im Jahr 2022. Rund 80 Prozent der angetroffenen Beschäftigten waren Frauen und Männer aus Rumänien. Die zweitgrößte Gruppe bilden die Polinnen und Polen mit etwa 10 Prozent
    …“ Pressemitteilung der IG BAU vom 27.03.2024 externer Link darin der Bericht externer Link und Forderungen externer Link
  • Mehr Schutz für Saisonarbeitskräfte: Landwirtschaftsgewerkschaften aus Rumänien, Polen, Bulgarien und Deutschland unterzeichnen Kooperationsabkommen
    „Sie stechen Spargel, pflücken Erdbeeren, graben Kartoffeln aus. Miese Unterkünfte, eine Bezahlung noch unter dem gesetzlich festgelegten Mindestlohn, Akkordarbeit bis zum Umfallen, eine Krankenversicherung, die den Namen nicht verdient. Auch das ist Realität. Erntehelfer*innen in Deutschland, die aus dem Ausland kommen, müssen oftmals unter äußerst widrigen Bedingungen arbeiten. Und das sind nicht wenige: Im Schnitt kommen knapp 275 000 Saisonarbeiter*innen im Jahr zu uns, das sind knapp ein Drittel aller Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Um die Rechte der Arbeitnehmer*innen zu stärken, haben die jeweiligen Spitzen der Landwirtschaftsgewerkschaften aus Deutschland, Rumänien, Polen und Bulgarien jetzt auf der Grünen Woche in Berlin ein Kooperationsabkommen unterzeichnet. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass die Erntehelfer*innen „häufig unbekannten Situationen ausgesetzt und nur unzureichend über ihre Rechte und Pflichten informiert sind“. Zwar kümmerten sich die Gewerkschaften schon seit Jahren um diese Beschäftigten, doch würden ihre Arbeiten „durch national unterschiedliche Bedingungen erschwert. Die Zusammenarbeit über die nationalen Grenzen hinweg soll die Information und Beratung der betroffenen Arbeitnehmer*innen verbessern.“ Schließlich will man sich auch deutlich besser mit weiteren NGOs wie beispielsweise der „Fairen Mobilität“ vernetzen. (…) Aus Rumänien kommen jedes Jahr über die Hälfte aller Erntehelfer*innen und aus Polen etwa ein Viertel. Der Rest verteilt sich auf meist osteuropäische Länder. Unterstützt wird das Abkommen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)…“ Pressemitteilung der IG Bau vom 19. Januar 2024 externer Link
  • Auch in Niedersachsen sind auch in diesem Jahr ErntehelferInnen oft um den Mindestlohn betrogen worden  Erntehelfer in Niedersachsen sind auch in diesem Jahr oft um den Mindestlohn betrogen worden. Das bestätigen Arbeitgeber-Kontrollen durch den Zoll. Der Zoll hat im ersten Halbjahr dieses Jahres in Niedersachsen 41 landwirtschaftliche Betriebe kontrolliert – genauso viele Strafverfahren wurden auch eingeleitet. Das bedeutet allerdings nicht, dass es in jedem Betrieb Auffälligkeiten gab – gegen einen Arbeitgeber kann auch in mehreren Fällen ein Verfahren eingeleitet worden sein. Die Zahlen gehen aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Victor Perli aus Wolfenbüttel hervor, die dem NDR vorliegt. Für Perli zeigen die Zahlen, wie verbreitet der Mindestlohnbetrug in der Landwirtschaft ist und dass viel häufiger kontrolliert werden müsste. Das fordert auch die Initiative Faire Landarbeit. Die Initiative ist ein Bündnis unter anderem aus Gewerkschaften und kirchlichen Beratungsstellen. Sie kümmert sich um die Belange der Saisonarbeitskräfte. Ausländische Erntehelfer würden häufig um den gesetzlichen Mindestlohn betrogen, sagt Ben Luig von der Initiative. Zum Beispiel, indem sie völlig überhöhte Mieten für ihre Unterkünfte zahlen müssten, ihnen Geld für ihre Arbeitsgeräte abgezogen werde oder weil der Arbeitgeber beim Erfassen der Arbeitszeit betrüge…“ Beitrag von Katharina Seiler vom 02.10.2023 beim NDR externer Link („Landwirtschaft: Viel Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug“)
  • Rheinland-Pfalz: Anlaufstelle für WanderarbeiterInnen beklagt Missstände – DGB fordert Zugangs-Garantie zu osteuropäischen ErntehelferInnen
    • Ohne Sozialversicherung auf Feldern schufften. DGB Rheinland-Pfalz / Saarland rückt Missstände im Umgang mit Erntehelfer*innen aus dem Ausland in den Fokus
      Kurz vorm Erntedankfest am 1. Oktober lenkte der DGB Rheinland-Pfalz / Saarland in einer Pressekonferenz am (heutigen) Donnerstag, den 28. September 2023, im DGB-Haus den Blick auf einen besorgniserregenden Aspekt der Ernte: Unter den landwirtschaftlichen Betrieben, die Erntehelfer*innen einsetzen, gibt es leider schwarze Schafe – sehr zum Leidwesen der oft aus dem Ausland stammenden Beschäftigten. „Zirka 40.000 Saisonarbeitskräfte – die allermeisten aus dem Ausland – arbeiten jährlich allein in Rheinland-Pfalz in der Landwirtschaft. Das ist knapp die Hälfte derer, die insgesamt in der Branche tätig sind“, erklärte Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland. Zu oft wird laut Wingertszahn die Lage der ausländischen Arbeitskräfte, die in der Mehrzahl aus ost- und südeuropäischen Ländern stammen, kaum Deutsch sprechen und ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen in Deutschland nicht kennen, ausgenutzt. „Deshalb setzen sich die Gewerkschaften dafür ein, Zutrittsregelungen der IG BAU und der Beratungsstellen zu den Beschäftigten zu erleichtern, damit die Beschäftigten über ihre Rechte in ihrer jeweiligen Muttersprache aufgeklärt werden“, so Wingertszahn. „Das Mittel der kurzfristigen Beschäftigung führt dazu, dass die Erntehelfer*innen ohne Sozialversicherungsschutz bis zu 70 Tage im Jahr oder drei Monate lang bei 5-Tage-Woche arbeiten. Das gilt aber nur dann, wenn die Arbeitnehmer*innen in ihrem Heimatland einer weiteren Arbeit nachgehen – was erfahrungsgemäß aber oft gar nicht der Fall ist“, unterstrich Thomas Kreten, stellvertretender Vorsitzender der IG BAU Rheinland-Pfalz-Saarland. Die Gewerkschaften forderten deshalb für alle Arbeitnehmer*innen in Deutschland eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten verdienten Euro…“ Pressemeldung des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland vom 28.09.2023 externer Link
    • Agrar – Mainz: Anlaufstelle für Wanderarbeiter beklagt Missstände
      Erntehelfer in Rheinland-Pfalz werden nach Einschätzung des Europäischen Vereins für Wanderarbeiterfragen oft zu wenig über ihre Rechte als Arbeitskraft aufgeklärt. Es gebe zwar Arbeitsverträge, in den seltensten Fällen bekämen die in der überwiegenden Zahl aus Rumänien stammenden Erntehelfer aber eine Kopie der Dokumente ausgehändigt, sagte Krisztina Nemeth von dem gewerkschaftsnahen Verein der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Die meisten Missstände seien in den größeren Betrieben zu beobachten. Die Mitarbeiter des Vereins fahren nach Angaben von Nemeth in der Erntezeit auf die Felder vor allem im südlichen Rheinland-Pfalz, verteilen Flyer in der Herkunftssprache der Menschen und bieten den Erntehelfern Gespräche über ihre Rechte als Arbeitnehmer in Deutschland an. Dabei gehe es vor allem um die Themen Mindestlohn, Arbeitszeit, die Regelungen in Krankheitsfällen und welche Anteile vom Lohn für Unterkunft und Ausstattung abgezogen werden können. „Zutritt zu den landwirtschaftlichen Betrieben haben wir nicht“, berichtete Nemeth. Deshalb würden die Mitarbeiter des Vereins in der Erntezeit zwischen Mitte April bis Ende Juni etwa zwei Mal pro Woche zu den Feldern fahren, wo vor allem Spargel, Erdbeeren und Salat angebaut wird. Tausende Erntehelferinnen und Erntehelfer seien dort in Rheinland-Pfalz im Einsatz. Es gebe zwar eine gewisse Skepsis gegenüber Gewerkschaften, da diese etwa in Rumänien recht arbeitgebernah seien…“ dpa-Meldung vom 28. September 2023 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
    • Mainz: DGB fordert Zugangs-Garantie zu osteuropäischen Erntehelfern
      Gewerkschafter stoßen beim Einsatz für osteuropäische Erntehelfer in Rheinland-Pfalz noch immer auf zahlreiche Fälle ausbeuterischer Beschäftigung. Die DGB-Landesvorsitzende Susanne Wingertszahn forderte am Donnerstag einen garantierten Zugang zu den Saisonarbeitern für Berater. Zudem müsste ein „rotes Telefon“ zu Gewerbeaufsicht und Zoll eingerichtet werden, um Missstände schnell ahnden zu können. Noch immer würden Landwirtschaftsbetriebe Osteuropäer, zumeist Menschen aus Rumänien und Ungarn, rechtswidrig ohne Sozialversicherung anstellen, teilweise werde durch Einsatz verschiedener Tricks auch ein Teil des zugesicherten Lohns einbehalten. Krisztina Nemeth von der in Mainz angesiedelten Beratungsstelle für Wanderarbeiter schilderte Fälle aus der Praxis, bei denen osteuropäische Beschäftigte nach einem Arbeitsunfall keine angemessene medizinische Versorgung erhielten. Ein rheinland-pfälzischer Betrieb habe versucht, eine Rumänin nach einer Schulterfraktur einfach mit dem nächstbesten Bus in ihr Heimatland zurückzuschicken. Den Arbeiterinnen und Arbeitern werde vorgeworfen, sie hätten Unfälle selbst mutwillig verschuldet, um nicht arbeiten zu müssen. Teilweise würden den Betroffenen Arztbesuche verwehrt…“ epd-Meldung vom 28.09.2023 in evangelische-zeitung.de externer Link
  • Saisonarbeiter ohne Schutz: Regierung verweist bei Rechten »kurzzeitig kontingentierter Beschäftigter« auf Beratungsangebot. Das schützt nicht vor verschärfter Ausbeutung 
    „Insbesondere mit Eigenlob glänzte die Ampel bei der Weiterentwicklung des sogenannten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes im Juni. Nicht weniger als eine »Weichenstellung für die wirtschaftliche Zukunft« habe die Regierung geschaffen, hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gefreut. Im Gesetz findet sich auch eine Regelung zu Saisonarbeit: Diese »kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung« von Personen aus sogenannten Drittländern, gemeint ist das Nicht-EU-Ausland, soll demnach ab März 2024 möglich sein. Doch wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linke-Bundestagsfraktion, die junge Welt am Montag vorlag, hervorgeht, ist in dieser neuen Regelung zu Saisonarbeit das Risiko verschärfter Ausbeutung keinesfalls ausgeräumt. Mit der Regelung werde für Arbeitskräfte »unabhängig von einer Qualifikation ein Arbeitsmarktzugang eingeführt«, heißt es im Ende März verabschiedeten Regierungsentwurf. Demnach sollen Personen aus sogenannten Drittstaaten in einem Zeitraum von zwölf Monaten »bei tarifgebundenen Arbeitgebern und in Branchen, in denen ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag gilt«, acht Monate beschäftigt werden dürfen. Voraussetzung ist, dass die Beschäftigung »regelmäßig mindestens 30 Stunden wöchentlich« beträgt und sozialversicherungspflichtig ist. Die Ampel verspricht sich jährlich bis zu 30.000 »kurzzeitig kontingentierte Beschäftigte«. Die Regierung erklärt in ihrer Antwort, die bisherige Regelung für Saisonarbeit gelte für »kurzzeitig kontingentierte Beschäftigte« nicht. Dennoch sieht die Regelung vor, dass Kosten für Verpflegung und Unterkunft für Saisonbeschäftigte mittels einer vertraglichen Ausnahmeregelung vom Mindestlohn abgezogen werden können. Wie das Büro der Linke-Abgeordneten Susanne Ferschl in einer Auswertung moniert, verweist die Bundesregierung mehr als einmal auf das Beratungsnetzwerk »Faire Integration«. Bei der Information zu oder Durchsetzung von Rechten der Beschäftigten auf das Beratungsangebot zu verweisen, werde dem Schutz vor illegalen Praktiken durch Unternehmen demnach »nicht gerecht«. Denn bei »Faire Integration« handele es sich um ein Beratungsangebot, »keine Kontrollbehörde oder Anwaltskanzlei«. Zudem würden Unternehmen ab 2026, also rund zwei Jahre nach Beginn der Regelung, überhaupt erst verpflichtet, auf die Beratung des Netzwerks zu verweisen…“ Artikel von David Maiwald in der jungen Welt vom 22. August 2023 externer Link
  • Sozialversicherungsschutz ausländischer Saisonbeschäftigter: Arbeitgeber haben eine Meldepflicht 
    „Seit dem 1. Januar 2022 haben Arbeitgeber eine Meldepflicht über die Art der krankenversicherungsrechtlichen Absicherung von Saisonbeschäftigten, die kurzfristig beschäftigt sind. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (20/7659) auf eine Kleine Anfrage (20/7322) der Fraktion Die Linke zum „Sozialversicherungsschutz von ausländischen Saisonbeschäftigten“ hervor. Demnach ist aus dem Meldedatensatz des Arbeitgebers erkennbar, ob die kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitskraft als gesetzlich oder privat krankenversichert beziehungsweise als anderweitig im Krankheitsfall abgesichert gekennzeichnet ist. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes zu den Entgeltunterlagen zu nehmen. Weiter führt die Regierung aus, dass eine Person grundsätzlich dem System der sozialen Sicherheit des Staates unterliege, in dem sie beschäftigt sei. Eine in Deutschland bei einem deutschen Arbeitgeber als Saisonarbeitskraft beschäftigte Person unterliege deshalb in der Regel dem deutschen System der sozialen Sicherheit einschließlich den Regelungen zur Krankenversicherung.“ Pressemeldung des Deutschen Bundestags vom 4. August 2023 externer Link

    • Zu Details der Sozialversicherungsschutz von ausländischen Saisonbeschäftigten siehe die ausführliche Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Linksfraktion Bundesdrucksache 20/7659 vom 4. August 2023 externer Link
    • Siehe auch: Rahmenbedingungen und Reformoptionen sozialer Sicherung bei Entsendung: Grenzüberschreitender Austausch von Sozialversicherungsdaten
      „Der grenzüberschreitende Austausch von Sozialversicherungsdaten bei Entsendungen erfordert Reformen sowohl im Europäischen sozialversicherungsrechtlichen Koordinierungsrecht wie auch auf nationaler Ebene. Digitalisierte und vereinfachte Verfahren unter Nutzung moderner Technologien, Verbesserungen rund um die A1-Bescheinigung, eine Identifizierbarkeit der Beteiligten und weitere Reformvorschläge können nicht nur die Unternehmen entlasten und den Europäischen Binnenmarkt stärken, sondern auch den sozialen Schutz der Beschäftigten deutlich erhöhen.“ Hinweis der Hans-Böckler-Stiftung auf das 115-seitige Working Paper von Anneliese Kärcher und Manfred Walser vom August 2023 externer Link
  • Alles gut jetzt? Erntehelfer in Deutschland als Nicht-Thema im Jahr 2023. In der Antwort-Warteschleife: Die Frage nach dem Krankenversicherungsschutz 
    Und jedes Jahr grüßt das Erntehelfer-Murmeltier. So könnte man den Tatbestand umschreiben, dass in der Vergangenheit – meist zu Beginn der Erntesaison – immer eine zwar kurze, aber heftige Welle der Berichterstattung über problematische bis skandalös schlechte Arbeitsbedingungen durch die Medien schwappt, um dann spätestens im Sommerloch zu verschwinden. (…) Eichenauer und Apel haben vor diesem Hintergrund mal nachgefragt. Auf die Frage, »welche Fortschritte nach über zwei Jahren gemacht oder welche Vorschläge ausgearbeitet wurden, antwortete das zustände Bundesgesundheitsministerium knapp: „Wie ein solcher Versicherungsschutz konkret gestaltet werden könnte, wird regierungsintern noch abgestimmt.“« Nicht überraschend: »Der Deutsche Bauernverband (DBV) hält die bestehenden Gruppenkrankenversicherungen für ausreichend. „Aus unserer Sicht ist eine neue Regelung nicht erforderlich“, sagte DBVGeneral­sekretär Bernhard Krüsken.« Auf der anderen Seite: „Gerade Saisonbeschäftigte brauchen ausreichend Schutz“, wird die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke zitiert. Die Gruppen-Kranken­versicherungen der Landwirte reiche dafür nicht aus. „Deshalb wollen wir den Anspruch auf vollen Krankenversicherungsschutz durchsetzen.“ Aber Wollen und Können bzw. Dürfen fallen gerade bei der Ampel-Koalition bekanntlich durchaus öfter erheblich auseinander. Wir werden also den Vorgang für das kommende Jahr auf Wiedervorlage legen müssen…“ Beitrag vom 18. Juni 2023 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Mehr Schutz bei Saisonarbeit und Saisonbeschäftigung – DGB und IG BAU fordern: „Miserable Arbeitsbedingungen bei der Ernte verbessern“ 
    „… Zur kurzfristigen Beschäftigung fordern Gewerkschaften für Saisonbeschäftigte: Es kann nicht hingenommen werden, dass staatliche Regelungen Einfallstore für Missbrauch oder Umgehung liefern und alle zuständigen Stellen die „Augen zudrücken“. Bei der Anmeldung der Beschäftigung muss grundsätzlich geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die kurzfristige Beschäftigung vorliegen. Wegen der schwierigen Abgrenzungsprobleme und der Gefahr des Missbrauchs sollte die Regelung auf ihren Zweck als Bagatellregelung zurückgeführt werden und lediglich die unbürokratische Anmeldung kleiner Gelegenheitsjobs von Schüler*innen, Student*innen und Rentner*innen ermöglichen, für die sie einmal gedacht war. Alle anderen Arbeitsverhältnisse sollten regulär sozialversicherungspflichtig sein. Das fordern Gewerkschaften zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Saisonarbeit: Verpflichtende Regelungen zur Gewährleistung eines präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes und menschenwürdiger Unterkünfte müssen eingeführt und kontrolliert werden. Insbesondere gehören dazu:
    – strenge Hygieneanforderungen, genügende Sanitäreinrichtungen in den Unterkünften und auf den Feldern in ausreichender Anzahl,
    – Unterbringung der Saisonarbeiter*innen in von den Arbeitgebern gestellten und bezahlten Einzelzimmern ohne Lohnabzug. Für die Stärkung der Arbeitsrechte von Saisonarbeiter*innen fordern Gewerkschaften:
    – eine transparente, monatlich ausgehändigte Entgeltabrechnung,
    – die Aushändigung von schriftlichen Arbeitsverträgen (oder im Fall mündlicher Arbeitsverträge der wichtigsten Arbeitsbedingungen nach § 2 Nachweisgesetz) vor der Abreise im Heimatland, in einer für sie verständlichen Sprache in doppelter Ausführung,
    – Schutz vor einer Unterschreitung des Mindestlohnes aufgrund von Akkordvereinbarungen durch Verpflichtung aller Betriebe zur Einrichtung eines verlässlichen, objektiven und manipulationssicheren Zeiterfassungssystems, wie es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts ohnehin geboten ist,
    – ausreichende, flächendeckende und konzertierte Kontrollen durch die unterschiedlichen zuständigen Behörden, die zumindest in der anstehenden Erntesaison durch eine „Task-Force Faire Arbeit in der Landwirtschaft“ zusammengeführt werden sollten, wobei aber nicht die Beschäftigten (z. B. aus Drittstaaten) kriminalisiert, sondern die Arbeitsbedingungen in den Fokus genommen werden sollten,
    – Erleichterung der Zutrittsregelungen der IG BAU und der Beratungsstellen der Initiative Faire Landarbeit zu den Beschäftigten, um diese über ihre Rechte am Arbeitsplatz in Deutschland in ihrer jeweiligen Muttersprache aufzuklären und über die Angebote der Beratungsstellen und Gewerkschaft zu informieren…“ Forderungen von DGB und IG BAU vom 25. Mai 2023 externer Link beim DGB mit ausführlicher Begründung und Einzelbeispielen
  • Rumänische Erntehelfer:innen in Oberschwaben: Ohne sie läuft nichts – ihre Rechte kennen sie nur rudimentär 
    „Seit drei Wochen ist der Rumäne in der Bodenseeregion und pflückt Erdbeeren. Auch bei Regen bleiben er und rund ein Dutzend Mitpflücker:innen trocken, denn hier bei Ailingen erstrecken sich riesige, mannshohe Plastiktunnel über den Boden. Darin: fünf bis sieben schnurgerade, 300 bis 500 Meter lange und mit Stroh geschützte Erdreihen, aus denen Erdbeeren sprießen. Die Gänge dazwischen sind groß genug für kleine Handwagen, auf denen vollgepflückte Kisten zur Waage und anschließend zu einem Anhänger gefahren werden können. Auf jeder Kiste liegt ein Zettel mit einer Nummer, die Nummer ist eine:r Arbeiter:in zugeordnet. Wichtig, denn hier werden die Erntehelfer:innen nach Akkord bezahlt. Mindestens drei Kisten braucht es, um auf den Mindestlohn von zwölf Euro zu kommen, eine Kiste fasst zehn Pappschalen Früchte à 500 Gramm. „Kein Problem“, sagt der 41-Jährige, der seinen Namen nicht sagen möchte. Fünf Kisten pro Stunde seien gut zu schaffen. Er pflückt in einem Tunnel, nebenan seine Frau und die drei erwachsenen Kinder. Suzana Maurer kommt von der Fairen Mobilität aus Freiburg und klappert an diesem Tag gemeinsam mit ihrer Stuttgarter Kollegin Aleksandra Grobelna, Frank Kappenberger vom DGB Ravensburg sowie Philipp Groll von der Betriebsseelsorge Ravensburg und Heike Gotzmann von der Betriebsseelsorge Singen Felder rund um Meckenbeuren ab. Faire Mobilität ist eine Initiative des DGB und kümmert sich gemeinsam mit Partnerorganisationen wie der Betriebsseelsorge bundesweit um Wanderarbeiter aus der EU. Das Besondere: Die Mobilitätsleute sprechen neben deutsch mindestens eine weitere Sprache, vor allem eine osteuropäische. Sie beraten und klären Wanderarbeiter:innen über ihre Rechte auf, gehen auf Baustellen, auf Lkw-Rastplätze, zu Paketzentren und wie an diesem Tag – auf Erdbeerfelder. (…) Auf der Fahrt zur Mittagspause erzählt Suzana Maurer, dass sie an Ostern bei Verwandten in Rumänien, in Bukarest, gewesen ist. „Dort ist alles sehr teuer, ein Päckchen Butter kostet vier Euro! Teurer als in Deutschland.“ In Bukarest hat sie lange für die Konrad-Adenauer-Stiftung gearbeitet, vor einem guten halben Jahr kam sie zurück nach Deutschland und arbeitet seitdem bei der Fairen Mobilität in Freiburg. „Ich habe gelernt, wie viele Rumänen und andere Osteuropäer in Deutschland arbeiten: in der Fleischindustrie, in der Logistik, in der Landwirtschaft. Ohne die würde hier nichts mehr funktionieren.“ Übrigens, sagt sie, auch in Rumänien gebe es Saisonarbeiter. Auf den Baustellen in Bukarest habe sie sehr viele Pakistaner, Inder, Bangladescher, Vietnamesen und Philippiner gesehen. „Das ist Globalisierung.“ Und weil dabei die Rechte von Arbeiter:innen nur zu gerne missachtet werden, sei ihre Arbeit wichtig, ergänzt Aleksandra Grobelna. „Wir müssen aufklären und den Menschen zeigen, dass sie nicht alleine hier in Deutschland sind, dass es Leute gibt, die sie unterstützen.“ Bericht von Gesa von Leesen in Kontext: Wochenzeitschrift Ausgabe 634 vom 24. Mai 2023 externer Link mit Fotos von Joachim E. Röttgers
  • [Oxfam-Studie] „‚Das hier ist nicht Europa. Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschland“: Lohndumping, Wuchermieten und keine ausreichende Krankenversicherung… 
    „Lohndumping, Wuchermieten und keine ausreichende Krankenversicherung: Wer Spargel, Erdbeeren und Gemüse auf deutschen Feldern erntet, wird oft ausgebeutet. Mitverantwortlich sind die großen deutschen Supermärkte, die die Bäuer*innen unter Druck setzen, um die Ware möglichst billig beziehen zu können. (…) Wie sich der Preisdruck der Supermärkte für die Saisonarbeiter*innen auf dem Feld anfühlt, zeigt die neue Oxfam-Studie „‚Das hier ist nicht Europa.‘ Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschland“. (…) Die Ergebnisse der Recherche sind erschreckend. Mit allerlei Tricks versuchen die Höfe, die tatsächlichen Löhne der Saisonarbeiter*innen zu drücken – zum Beispiel durch horrende Lohnabzüge für die Unterkunft. (…) Viele Arbeiter*innen sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert und berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben. (…) Die Studie belegt auch die unzureichende Versicherung der Arbeiter*innen. Die meisten haben keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz oder geben an, gar nicht versichert zu sein. (…) Die Verantwortung für diese unhaltbaren Arbeitsbedingungen liegt nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den deutschen Supermärkten, die für Spargel, Erdbeeren und Gemüse ruinös niedrige Preise zahlen. „Die Supermärkte üben einen brutalen Preisdruck aus“, sagt Tim Zahn, Referent für globale Lieferketten, Menschenrechte und Migration bei Oxfam. „Den Preisdruck geben die Betriebe nach unten weiter: an die Arbeiter*innen auf den Feldern. Und er hat weitere Folgen: Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe geben auf. Die Supermärkte stehlen sich hier seit Jahren aus der Verantwortung, sie müssen endlich dazu gebracht werden, angemessene Preise zu zahlen.“ (…) Oxfam Deutschland und die Initiative Faire Landarbeit fordern deshalb, dass der Einkauf unter Produktionskosten verboten wird. Die Bundesregierung muss zudem dafür sorgen, dass Saisonarbeiter*innen grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, unter anderem, damit sie vollen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz vom ersten Tag an erhalten…“ Oxfam-Mitteilung vom 22. Mai 2023 externer Link („Spargel und Erdbeeren aus Deutschland: Miese Arbeitsbedingungen bei der Ernte“) zur neuen Oxfam-Studie „‚Das hier ist nicht Europa.‘ Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschlandexterner Link, siehe auch:

  • Deutschland muss nachbessern: EU sieht Saisonarbeiter unzureichend geschützt 
    Wie geht es Saisonarbeitern hierzulande? Nicht gut genug – sagt die EU-Kommission. In einem Vertragsverletzungsverfahren prangert Brüssel die Situation der Arbeitskräfte auch in Deutschland an. (…) Wie die Kommission in Brüssel mitteilte, seien Saisonarbeiter in der Bundesrepublik unzureichend geschützt. Deutschland und neun weitere EU-Staaten kämen einigen Verpflichtungen der Richtlinie über Saisonarbeitskräfte nicht ordnungsgemäß nach, heißt es. Man habe gegen diese Länder ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, an dessen Ende eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof stehen kann. Neben Deutschland richten sich die Bedenken unter anderem gegen Belgien, Italien und Luxemburg. Die Länder haben nun zwei Monate Zeit, die Kritik der EU-Kommission auszuräumen…“ Agenturmeldung vom 19.04.2023 im Spiegel online externer Link
  • Gewerkschaften und Saisonarbeit 
    Vor drei Jahren wurden zur Spargelsaison 2020 die prekären Arbeitsbedingungen der an der Spargelernte beteiligten Saisonarbeiter:innen bekannt. Zur diesjährigen Spargelsaison werden die Verhältnisse der Saisonarbeiter:innen erneut medial behandelt. Konkret geht es dabei um die Frage nach der Art und Weise, wie Saisonarbeitskräfte versichert sind, da die Ampel-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag versprochen hat, Saisonarbeiter:innen ab dem ersten Tag einen Versicherungsschutz zu garantieren. Die Realität sieht allerdings häufig so aus, dass es sich beim Versicherungsschutz um sogenannte „privaten Gruppenversicherungen“ handelt, die nicht immer den vollen Versicherungsschutz garantieren. Wir sprachen mit Kathrin Birner, Gewerkschafterin und Co-Autorin des Buches „Die modernen Wanderarbeiter*innen, Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte“, erschienen im Unrast Verlag. Im Interview geht es um Ihre Perspektive auf die aktuelle Situation von Saisonarbeiter:innen.“ Interview mit Kathrin Birner am 18. April 2023 im Radio Corax externer Link Audio Datei
  • Spargelsaison 2023 hat begonnen, alte Probleme sind geblieben, v.a. der ungenügende Krankenversicherungsschutz von Saisonkräften 
    • Feldaktion, um aufzuklären, findet wiederkehrende Probleme der Saisonkräfte: Unklare Krankenversicherungssituation und keine schriftlichen Arbeitsverträge 
      Das Saisongeschäft in der Landwirtschaft läuft wieder auf Hochtouren. Aus diesem Grund besuchten Maria Aniol und Aura Plesca (Faire Mobilität), Bruno Walle (Vorsitzender IG BAU-Bezirksverband Rhein-Main) und Azad Deniz (Fachreferent bei der IG BAU) mehrere landwirtschaftliche Flächen im Raum zwischen Frankfurt und Darmstadt. Bei dieser Feldaktion kamen sie mit vielen Saisonbeschäftigten ins Gespräch. Dabei stellten sich folgende, wiederkehrende Probleme der Saisonkräfte heraus: Unklare Krankenversicherungssituation: Meist handelt es sich hierbei um private Gruppenkrankenversicherungen, die vom Arbeitgeber (AG) abgeschlossen wurden. Die Beschäftigten wissen oft nicht genau, wie der Leistungsumfang ist. So wurde unter anderem von den Saisonbeschäftigten gesagt, dass sie zwar zum Arzt gehen könnten, allerdings in Begleitung des AG bzw. in Begleitung von AG-Vertreter*innen. Weil vielfach erst nach der Saison der Lohn gezahlt wird, ist oft unklar, ob die Frauen und Männer auch wirklich den seit dieser Saison geltenden gesetzlichen Stunden-Mindestlohn in Höhe von 12 Euro erhalten. Ein weiteres Problem, dass die Befragten häufig erwähnten: Sie haben keine schriftlichen Arbeitsverträge. Die Realität ist häufig, dass die Kolleg*innen einen Vertrag unterschreiben und der Arbeitgeber diesen dann einbehält…“ Bericht vom 18.4.2023 bei der IG BAU externer Link – siehe die Sonderseite bei Faire Mobilität externer Link
    • IG BAU drängt auf besseren Versicherungsschutz für Erntehelfer
      Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt will, dass ausländische Erntehelfer besser krankenversichert werden. Sie stünden oft schlechter da als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen. (…) Viele kommen aus dem Ausland und werden durch ihren Arbeitgeber für die Zeit ihrer Beschäftigung krankenversichert – meist in privaten Gruppenversicherungsverträgen, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG-BAU) in Niedersachsen und Bremen bemängelt. Denn die Leistungen dieser Versicherungen reichten nicht an die der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland heran. Damit hätten Saisonarbeitskräfte faktisch einen schlechteren Versicherungsschutz, teilte die IG Bau mit. Im Krankheitsfall könne das zum Problem werden. Laut der Gewerkschaft kann der schlechtere Versicherungsschutz dazu führen, dass die Beschäftigten auf einem Teil ihrer Behandlungskosten sitzen bleiben. Auch wer nur für einen Kurzzeit-Job aus dem Ausland komme, brauche ab dem ersten Tag einen Krankenversicherungsschutz in vollem Umfang, sagte die Bezirksvorsitzende der Agrar-Gewerkschaft BAU Nordwest-Niedersachsen, Gabriele Knue, in Oldenburg. Sie appelliert an die Bundestagsabgeordneten der Ampelparteien, sich dafür starkzumachen und die prekäre Situation der Saisonkräfte schnell zu verbessern – so wie es SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag bereits verabredet hätten…“ Meldung und Video vom 14.04.2023 im NDR externer Link
    • Brandenburger Spargelsaison: Lohndumping hinter der Spargelspinne
      „Bücken, graben, stechen, Loch schließen. Und eine weitere Spargelstange landet im Korb. Seit dieser Woche laufen auf Brandenburgs Feldern wieder Erntehelfer*innen der Spargelspinne hinterher, die die Plane über den Erdhügeln anhebt und das Stechtempo vorgibt. Sie leisten Knochenarbeit – und sind nach wie vor häufig von Ausbeutung betroffen. Am Dienstag hat offiziell die Erntesaison für den Brandenburger Spargel begonnen. Zwischen 4000 und 4500 Saisonarbeiter*innen vorwiegend aus Polen und Rumänien werden wie jedes Jahr erwartet, um bis Mitte Juni die jungen Triebe des Gemüsespargels auszubuddeln. Ein Riesengeschäft, gerade in Ostdeutschlands größtem Spargelanbaugebiet. Doch unter dem Maßstab der Wirtschaftlichkeit und des Profits leiden die Arbeitsbedingungen der meist ausländischen Erntehelfer*innen. Der niedrige Ertrag im vergangenen Jahr bietet eine gefährlich gute Grundlage dafür, Absatzprobleme auf die Arbeiter*innen umzulegen. (…) Der aktuelle Saisonbericht der Initiative Faire Landarbeit zählt beliebte Arten auf, den Mindestlohn zu umgehen. So schließen zum Beispiel manche Betriebe separat zum Arbeitsvertrag mit den Beschäftigen einen Werkmietvertrag ab, der die Kosten für Unterkunft und Verpflegung regelt. Der Betrag für Kost und Logis wird vom Lohn abgezogen und kann mehr oder weniger frei bestimmt werden. Selbst wenn die Miete damit über der gesetzlichen Grenze liegt, ist das laut Bericht für Betroffene schwer nachzuweisen. Als Beispiel für diese Praxis nennt der Bericht einen »großen Produzenten von Gurken, Spargel und weiteren Produkten in einer abgelegenen Region in Brandenburg«. Für ein Zweibettzimmer zahlten Beschäftigte dort 360 Euro Monatsmiete pro Person, in den Unterkünften fänden sich weder Küche noch Sanitäranlagen. »Aus Mangel an alternativen Unterbringungsmöglichkeiten sehen sich die Beschäftigten allerdings gezwungen, die Unterkünfte zu diesen Preisen zu akzeptieren.« Auch über die vorgegebenen Erntemengen drücken landwirtschaftliche Betriebe den Mindestlohn. Im Zuge der Absatzkrise erhöhten zahlreiche Unternehmen die Anzahl der täglich geforderten Kilogramm Spargel, heißt es in dem Bericht. Außerdem umfasst die Saisonarbeit häufig Verträge über Akkordlöhne, die von der geleisteten Arbeit abhängen. Zulässig sind diese Verträge zwar nur, wenn der Stundenlohn nicht den Mindestlohn unterschreitet. Doch wenn Saisonarbeiter*innen kein Deutsch sprechen und nicht über ihre Rechte informiert werden, nutzen Betriebe das laut der »Initiative Faire Landarbeit« aus. (…) Laut dem Saisonbericht der Initiative Faire Landarbeit fehlt es in ganz Deutschland an Aufsichtsbeamten, um betriebliche Arbeitsschutzvorschriften tatsächlich zu kontrollieren: Auf einen Kontrolleur kämen demnach über 25 000 Beschäftigte. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls kontrollierte 2021 nur 1,1 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe. In Brandenburg fanden in dem Jahr 74 Kontrollen statt, dreimal entdeckte die FKS Verstöße gegen den Mindestlohn.“ Artikel von Nora Noll vom 12. April 2023 in Neues Deutschland online externer Link
  • Arbeitsbedingungen beim Spargelstechen ausbaufähig. Lohndumping und ungeregelte Arbeitzeit bei Saisonkräften, die bei der Spargelernte helfen
    „Die Spargelsaison in Hessen ist seit Mittwoch offiziell eröffnet, doch wer erntet eigentlich den deutschen Spargel? Nach einer Schätzung kommen zwei Drittel der Erntehelfer:innen aus Rumänien, 30 Prozent aus Polen und der Rest aus anderen Ländern. Deutsche sind kaum vertreten. Die Lohnabhängigen werden oft durch Agenturen angeworben. Benjamin Luig, Koordinator der „Initiative Faire Landarbeit“, merkt allerdings an: „‚Agentur‘ klingt formeller, als es ist. In vielen Fällen werben einzelne Vermittler aus dem Herkunftsland die Beschäftigten an.“ Diese Informalität führe häufig dazu, dass die Rekrutierenden den potenziellen Arbeitskräften falsche Versprechungen machten. (…) In der Regel wird die harte körperliche Arbeit nur mit dem Mindestlohn bezahlt, was für Menschen aus Osteuropa lukrativer ist. Dort sind die Lebenshaltungskosten insgesamt niedriger, genauso wie das Lohnniveau. Nur: In vielen Fällen erhalten die Hilfsarbeiter:innen ihren Lohn nicht zur Gänze. (…) Vor allem Arbeiter:innen aus Drittstaaten haben hier ein hohes Risiko. Ihr Aufenthalt ist in der Regel an die Arbeit gebunden. „Das kann von Arbeitgebern unter Umständen genutzt werden, um Druck aufzubauen“, sagt Benjamin Luig. Zum Lohndumping nutzen manche Landwirtinnen und Landwirte zudem laut Bericht kreative Wege, indem sie etwa hohe Mieten für gestellte Unterkünfte nehmen, Überstunden nicht anerkennen, Arbeitszeiten nicht erfassen oder Arbeitsgerät in Rechnung stellen. Ein hessischer Betrieb hat demnach 2021 beispielsweise zusätzlich zur Miete eine sogenannte Abnutzungsgebühr erhoben. Teils gelten diese Methoden als illegal. (…) Mehr als ein Jahr seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine spielen auf dem Arbeitsmarkt ukrainische Flüchtlinge eine zunehmende Rolle. Durch eine EU-Richtlinie haben diese bereits mit dem vorläufigen Dokument über das Aufenthaltsrecht eine Arbeitserlaubnis. Seit März 2022 konnten in Hessen rund 5200 ukrainische Staatsbürger:innen einen sozialversicherungspflichtigen Job aufnehmen. So konnte die Initiative Faire Landarbeit in der Erntesaison im letzten Jahr einen leichten Anstieg an ukrainischen Saisonarbeiter:innen feststellen. Ob es dieses Jahr mehr werden, lasse sich noch nicht sagen. „Wahrscheinlich wird die Zahl von Saisonarbeitenden aus Drittstaaten mittelfristig zunehmen“, so Luig.“ Artikel von Baha Kirlidokme vom 7. April 2023 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Mehr Schutz bei Saisonbeschäftigung. Der DGB fordert: Miserable Arbeitsbedingungen jetzt ändern! Saisonarbeit ohne Sozialversicherung ist Teil des Ausbeutungssystems 
    Damit Obst und Gemüse auf unserem Teller landen, arbeiten zahlreiche Saisonarbeitnehmer*innen aus dem Ausland bei der Ernte mit. Ihre Arbeitsbedingungen und Unterkünfte sind miserabel. Sie arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und stehen am Schluss ohne Rentenansprüche da. Der DGB und die IG BAU fordern ein Ende der Sonderregelungen für die Saisonarbeit und eine soziale Absicherung der Beschäftigten. Zur anstehenden Erntesaison 2023 sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Saisonarbeit ohne Sozialversicherung ist kein Naturgesetz, sondern Teil des Ausbeutungssystems mancher Arbeitgeber. Die Koalitionsparteien haben vereinbart, dass Saisonbeschäftigte künftig vom ersten Tag an krankenversichert sein sollen. Doch das Vorhaben wurde nicht so rechtzeitig umgesetzt, um in der aktuellen Erntesaison zu greifen. Die Umsetzung muss jetzt schnell funktionieren. Umfassender Krankenversicherungsschutz wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem nicht aus. Saisonbeschäftigte brauchen insgesamt einen lückenlosen Sozialversicherungsschutz.“ (…) Der DGB und die IG BAU kritisieren bei der Saisonarbeit: 1. Kaum soziale Absicherung für Saisonbeschäftigte; 2. Teure und menschenunwürdige Unterkünfte bei der Saisonarbeit; 3. Schlechte Arbeitsbedingungen und wenig Lohn für Saisonarbeiter*innen…“ Meldung vom 15.02.2023 beim DGB externer Link
  • Jahresbericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ 2022: Keine ausreichende Krankenversicherung und undurchsichtige Lohnzahlungen 
    „Als sie nach zwei Monaten das Arbeitsverhältnis beendeten, zog die Landwirtin Ana, Vassily und Andrej von dem ohnehin sehr niedrigen Lohn zusätzlich jeweils 300 Euro ab. Die Begründung: Sie hätten illegal gearbeitet (was nicht der Fall war), und sie müsse dieses Geld zurückhalten, falls bei ihr als Arbeitgeberin eine Strafgebühr fällig würde.“ Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den zahlreichen Fallbeispielen, die in dem neuen „Bericht 2022 – Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ der Initiative Faire Landarbeit zu finden sind. Intransparente Arbeitszeiten, fehlende Kontrollen, schlechte Krankenversicherungen, Arbeiten bei starker Hitze ohne Schutz, das sind oftmals die Bedingungen, unter denen die Saisonbeschäftigten aus dem Ausland bei uns arbeiten müssen. Dabei pflücken sie für uns die Erdbeeren, stechen den Spargel, lesen den Wein und verpacken Obst und Gemüse. In Beratungsgesprächen mit der Initiative zeigten sich deutlich die Probleme der Beschäftigten. In vielen Betrieben stellt nicht die Arbeitszeit, sondern die Dokumentation der geernteten Menge die Grundlage für die Lohnabrechnung dar. Arbeitsstunden werden oftmals von Hand von der Betriebsleitung aufgeschrieben. So lässt sich nur schwer nachvollziehen, wie sich das Entgelt zusammensetzt und ob der gesetzliche Mindestlohn eingehalten wird. Hinzu kommt, dass Überstunden nicht bezahlt werden und hohe Mieten sowie „Arbeitsmaterialien“ vom Lohn abgezogen werden. Da die Löhne meistens erst kurz vor der Abreise ausbezahlt werden, ist eine erfolgreiche Reklamation schwierig. Nötig wäre eine transparente digitale Zeiterfassung. Nötig wären auch deutlich mehr und umfassende Kontrollen. (…) In den vergangenen Jahren hatten die kurzfristig Beschäftigten oftmals ohne jegliche Krankenversicherung auf den Feldern gearbeitet. Seit dem Jahr 2022 gibt es jedoch eine gesetzliche Pflicht für die Betriebe, die Helfer*innen bei einer Krankenversicherung anzumelden. Dies geschah dann meistens bei einer sogenannten privaten Gruppen-Krankenversicherung (PGK). In den Beratungsgesprächen stellte sich jedoch schnell heraus, dass dieses Verfahren Lücken hat. So sind den Arbeitnehmer*innen oftmals gar keine Versicherungsnachweise ausgehändigt worden. Manche PGK übernahmen nicht alle Behandlungskosten, so dass die Betroffenen große Summen selbst bezahlen mussten. Kurzfristig Beschäftigte haben in den ersten vier Wochen keinen Anspruch auf Krankengeld. In mehreren Fällen wurden sie umgehend nach Hause geschickt und blieben auf ihren Kosten sitzen. Hier kann die Forderung nur lauten: voller Krankenversicherungsschutz für den gesamten Aufenthalt hier in Deutschland. Der Sommer 2022 war – bedingt durch den Klimawandel – wieder einmal besonders heiß. Davon sind Erntehelfer*innen besonders betroffen, arbeiten sie doch den ganzen Tag unter der gleißenden Sonne. Viele Schutzvorkehrungen fehlten: Schattenplätze zum Abkühlen, ausreichend Trinkwasser, Sonnencreme bis hin zur einfachen Kopfbedeckung. Die Initiative vermutet zudem, dass die Akkordarbeit die Beschäftigten so unter Druck setzte, so dass sie auf Pausen verzichteten. Auch hier müssen die Arbeits- und Gesundheitsschutzkontrollen deutlich intensiviert werden, damit die geltenden Regelungen auch in der Landwirtschaft eingehalten werden…“ Pressemitteilung der IG BAU vom 3. Februar 2023 externer Link („Jahresbericht „Saisonarbeit in der Landwirtschaft“ 2022 listet erneut viele Arbeitsrechtsverletzungen auf“) zum 40-seitigen ‚Bericht 2022 – Saisonarbeit in der Landwirtschaft‘ externer Link , siehe auch die Initiative Faire Landarbeit externer Link bei der IG BAU
  • Nach langem Streit um Lohnzahlungen: Georgische ErntehelferInnen und Landwirt aus Friedrichshafen auf einen Vergleich geeinigt 
    „Mehr als ein Jahr wurde vor Gericht gestritten. (…) Ein Rechtsstreit, der auch über die Bodensee-Region hinaus für Aufsehen sorgte, ist offiziell beendet: Georgische Erntehelfer, die einen Landwirt aus Friedrichshafen verklagt hatten, haben sich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber auf einen Vergleich geeinigt. Das teilt das zuständige Landesarbeitsgericht mit Sitz in Stuttgart auf Anfrage mit. Rückblick: Anfang Juni 2021 werden erstmals Probleme auf dem Obsthof in Friedrichshafen bekannt, nachdem sich Erntehelfer über die Zustände dort beklagt hatten. Sie kritisieren unter anderem ihre Unterbringung. Vor Ort findet das Landratsamt Bodenseekreis damals 30 Mängel, darunter kaputte WC-Anlagen und verschlissenes Mobiliar. Der Fall schlägt hohe Welle, sogar der deutsche Botschafter in Tiflis in Georgien wurde eingeschaltet. (…) Ein weiterer Streitpunkt: die Entlohnung der Erntehelfer. Sie werfen dem Landwirt vor, weniger Lohn bekommen zu haben, als abgemacht war – und deutlich unter dem Mindestlohn bezahlt worden zu sein. Mit der Unterstützung verschiedener Organisationen – unter anderem der Betriebsseelsorge Ravensburg und der Gewerkschaft IG BAU – ziehen sie deshalb vor Gericht. Bei einem ersten Güteverfahren im August 2021 kommt es zu keiner Einigung, weshalb der Fall im Mai 2022 vor dem Arbeitsgericht Ravensburg verhandelt wird. Ihr Chef habe für sie gar nicht genug Arbeit gehabt, so die Erntehelfer, sei es nun mangels Warenbestellungen oder weil aufgrund des schlechten Wetters nicht genug Obst zu ernten war. Aus Sicht des Landwirts sei genau das Gegenteil der Fall gewesen: Die Saisonarbeiter erschienen teils spät oder gar nicht zu Arbeit, sagt er bei der Verhandlung. Letztlich erzielen die 18 Georgierinnen und Georgier einen Erfolg. Das Gericht gibt ihren Klagen weitgehend statt, der Obstbauer wird dazu verurteilt, Lohn nachzuzahlen. Aber schon im Gerichtssaal kündigt er an, Berufung einlegen zu wollen. (…) Der Termin für die nächste Instanz, dieses Mal vor dem Landesarbeitsgericht, wird für Anfang Dezember 2022 angesetzt. Aber kurzfristig sagt das Gericht den Termin ab. Der Grund: Beide Parteien wollen nach Vorschlag der Richterin über einen Vergleich verhandeln. Und jetzt? „Seit vergangenen Freitag steht fest, dass alle Verfahren durch Vergleich beendet worden sind“, teilt ein Sprecher des Landesarbeitsgerichts auf Anfrage mit. Der betroffene Landwirt wollte dazu auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“ kein Kommentar abgehen. (…) „Ich habe dann mit den Klägerinnen und Klägern den Vergleichsvorschlag besprochen. Es waren alle einverstanden – auch im Hinblick darauf, dass sie das Geld dringend brauchen“, sagt die Anwältin. Die Höhe der Zahlung sei bei jedem der 18 Fälle individuell. „Es handelt sich um Beträge zwischen 400 und 600 Euro.“ Eigentlich hätten die Erntehelfer für den Zeitraum ihrer Tätigkeit – vom 10. Mai bis 17. Juni 2021 – den Mindestlohn von jeweils 2584 Euro brutto bekommen müssen. Tatsächlich ausgezahlt hat ihnen ihr Ex-Chef zwischen 350 Euro und 1149 Euro netto. Statt der kompletten Differenz zwischen diesen beiden Beträgen bekommen die Erntehelfer mit der Vergleichszahlung nun also einen Anteil. Auch wenn der Landwirt also nicht den kompletten Lohn nachzahlen muss, ist der Ausgang für Sabine-Agathe Häußler ein Erfolg. „Wir haben eine solche Problematik mit Erntehelfern im ganzen Bundesgebiet immer wieder. Aber das ist das erste Verfahren, bei dem Urteile gefallen sind – auch wenn am Ende verglichen wurde.“ Man sende damit ein Signal, dass Erntehelfer – auch wenn sie nicht aus der EU kommen – Rechte haben, die es zu wahren gilt. (…) Werner Langenbacher, bis Ende 2022 Betriebsseelsorger und inzwischen im Ruhestand, war mit den 18 Erntehelfern viel in Kontakt und hat sie bei dem Rechtsstreit immer wieder unterstützt. „Dass sie jetzt überhaupt Geld kriegen, ist ein kleiner Trost“, sagt er. (…) Allerdings hätte er sich gewünscht, dass auch das Landesarbeitsgericht die Sichtweise der ersten Instanz übernimmt und den Landwirt zur Nachzahlung des kompletten Lohns verurteilt. „Das wäre ein klares Signal an all jene gewesen, die in diesem Bereich Missbrauch betreiben“, sagt er…“ Artikel von Florian Peking vom 18. Januar 2023 in der Schwäbischen online externer Link („Streit um Lohnzahlungen: Erntehelfer und Landwirt einigen sich“) – siehe bisherige die Berichterstattung hier weiter unten
  • Kontinuitäten der Ausbeutung: Saisonarbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft während der COVID-19-Pandemie 
    Saisonale Wanderarbeitskräfte in der Landwirtschaft wurden in Deutschland gleich zu Beginn der COVID-19-Pandemie als „unverzichtbar“ eingestuft. Zwei Erntesaisons später zeigen die anhaltend schlechten Arbeitsbedingungen, Infektionsausbrüche in den landwirtschaftlichen Betrieben und der generelle Ausschluss von den Sozialversicherungssystemen, dass die Anerkennung des „unverzichtbaren“ Charakters der Arbeit nicht zu Verbesserungen für die Arbeitnehmer geführt hat. Auf der Grundlage von Interviews mit gewerkschaftlich organisierten Beratern für Wanderarbeiter in ganz Deutschland und einer Analyse der politischen und rechtlichen Maßnahmen, die während der Pandemie eingeführt wurden, zeigt dieser Artikel, wie bereits bestehende institutionelle Strukturen der Ausbeutung in Bezug auf die landwirtschaftliche Saisonarbeit nicht nur aufrechterhalten, sondern auch verstärkt wurden.“ Übersetzung des Abstracts zum engl. Artikel von Vladimir Bogoeski im Journal of Law and Society am 28. Oktober 2022 externer Link
  • [Erntehelfer aus Georgien] Trotz Sieg vor Ravensburger Gericht: Nach mehr als einem Jahr: Immer noch kein Geld für Erntehelfer – Landwirt hat Berufung eingelegt 
    Nach einem Jahr und vier Monaten warten 18 Erntehelfer aus Georgien immer noch auf ihren Lohn. Vor Gericht haben sie gewonnen. Doch der Landwirt setzt auf einen weiteren Prozess. Der Landwirt hat Berufung vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht eingelegt. Wann das Gericht sich mit dem Fall beschäftigen wird, steht noch nicht fest. Für die Erntehelfer aus Georgien heißt das, dass sie weiter auf ihr Geld warten müssen. SWR-Reporter Thomas Wagner hat sich ein Bild darüber gemacht, wie es in dem Prozess weitergeht und wie die Bedingungen für Erntehelfer rund um den Bodensee aussehen…“ Text und Video der Reportage von Thomas Wagner am 12.10.2022 im SWR externer Link , siehe die Vorgeschichte hier weiter unten
  • Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft: Brütende Hitze bei 36 bis 40 Grad. Wie schützen wir da die Erntehelfer auf den Feldern? 
    „Morgens um 5 Uhr zeigt das Thermometer in Weingarten in der Pfalz (Kreis Germersheim) bereits 22 Grad an. Auf dem Gemüsebaubetrieb Steegmüller ist jetzt Arbeitsbeginn, denn der Salat ist erntereif und muss runter vom Acker und das möglichst am frühen Morgen, solange es noch nicht ganz so heiß ist. (…) Josef Koltowski ist im Betrieb Steegmüller Teamleiter des Kopfsalattrupps, der gerade zur Salaternte auf einen Acker zwischen Weingarten und Lustadt fährt. Der gebürtige Pole kontrolliert an heißen Tagen, ob die Verpflegungstaschen der Erntehelfer, die seinem Team angehören, auch vollständig sind. Wichtig sei, bei den heißen Temperaturen neben ausreichend Getränken auch eine Kopfbedeckung, Sonnenmilch und etwas Süßes dabei zu haben. (…) Koltowski, der bereits seit 2004 für Steegmüller arbeitet, hat seine Gruppe im Blick und achtet darauf, ob jemand Probleme mit der Hitze hat. Ist das der Fall, dann würde er den Erntehelfer zurück auf den Hof bringen. „Meine Leute wissen alle, wie es ist, im Heißen zu arbeiten“, erzählt Koltowksi, „aber wir arbeiten früh morgens oder spät abends, da ist es mit der Hitze nicht so schlimm.“ Um der Hitze zu entgehen, beginnen die Arbeitskräfte des südpfälzischen Gemüsebaubetriebs an heißen Tagen bereits eine Stunde früher mit ihrer Ernte. Am Abend wird die Ernte dann von anderen Ernteteams weitergeführt. Denn es müsse in Schichten gearbeitet werden, um die im Arbeitszeitengesetz vorgeschriebene Nachtruhe einhalten zu können, so Steegmüller. (…) Auch wenn die Erntehelfer bewusst in den frühen Tagesstunden im Einsatz sind, ist die Temperatur auf dem Salatacker um 9 Uhr bereits auf 30 Grad angestiegen. Die Erntehelfer schneiden dabei der brennenden Sonne ausgesetzt kniend oder tief gebeugt Salatkopf für Salatkopf ab. Ist da auch nur ansatzweise an eine Abkühlung zu denken? Um sich zu helfen, greifen die fleißigen Salat-Schneider rund um Teamleiter Koltowski jetzt häufiger zur Trinkflasche und freuen sich vor allen Dingen über die Pausen, sobald der Hänger zum Abtransport des Kopfsalats getauscht wird. „Alle eineinhalb bis zwei Stunden können wir für 15 bis 20 Minuten eine Pause machen“, erzählt der Teamchef. In diesen Pausen halten sich alle im Schatten von Bäumen, Sträuchern oder Hängern und Fahrzeugen auf und nutzen gleichzeitig das Wasserfass zur Abkühlung. „Direkt morgens nehmen wir ein Wasserfass mit nach draußen, beim Tauschen des Hängers bringen wir dann auch immer ein neues mit“, erklärt Steegmüller. (…) Bei der Hitze und der stärksten UV-Strahlung in der Mittagszeit könne keinesfalls auf dem Feld gearbeitet werden, so Steegmüller weiter. Sowohl die Arbeitskräfte als auch das Gemüse müssten dann schnellstmöglich ins Kühle. In der Produktionshalle des Landwirtschaftsbetriebs ist es sowohl kühl als auch schattig. Dort wird die Ware weiterverarbeitet und in Folien eingeschweißt. Zurzeit werden bei Steegmüllers unter anderem verschiedene Salate wie Kopfsalat und Lollo Bionda, Radieschen, aber auch weißer und roter Rettich geerntet…“ Reportage von Linda Engel vom 4. August 2022 beim SWR Aktuell externer Link
  • Nach Erfolg von georgischen Saisonarbeiter*innen vor Gericht: Arbeitgeber legt Berufung ein 
    18 Erntehelfer*innen aus Georgien haben ihren Arbeitgeber verklagt, weil dieser ihnen zu wenig Lohn ausgezahlt hatte. Im Juni hat ihnen das Arbeitsgericht Ravensburg Recht gegeben. Jetzt hat der Arbeitgeber Berufung eingelegt.
    Levan Idadze, einer der Saisonarbeitenden, meint: „Wir haben damit gerechnet, dass der Arbeitgeber weitermacht. Er hat beim mündlichen Verhandlungstermin zu mir gesagt, dass er uns den Lohn auf keinen Fall zahlen wird. Aber: Wir glauben an das deutsche Gericht!“ „Das Arbeitsgericht hat meinen Mandant*innen auf ganzer Linie Recht gegeben. Dass der Arbeitgeber nun versucht, die rechtmäßigen Lohnzahlungen weiter aufzuschieben, ist ärgerlich. Ich bin aber zuversichtlich, dass meine Mandant*innen auch in der nächsten Instanz Recht bekommen,“ sagt Sabine Häußler, DGB Rechtsschutz GmbH, die die Georgier*innen im Namen der IG BAU vertritt. (…) Dieses Urteil hat weit über die Bodenseeregion hinaus eine grundlegende Bedeutung und setzt der Willkür von Arbeitgebenden in der Bezahlung von Saisonarbeitenden Grenzen. Nicht die Saisonarbeitenden müssen im Streitfall nachweisen, dass sie ihre Arbeitskraft angeboten haben, sondern die Arbeitgebenden müssen glaubhaft darlegen, dass dies nicht der Fall war. Der beklagte Hofbesitzer hat Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie weiter auf den vorenthaltenen Lohn warten müssen. Viele von ihnen haben bis heute nicht mehr als 300 Euro Lohn für Feldarbeit von sechs Wochen erhalten. Keine*r hat den vollständigen Lohn bekommen.“ IG BAU-Meldung vom 04.08.2022 externer Link – siehe alles zum Fall hier weiter unten
  • [Saisonarbeitskräfte] Systemrelevant, aber prekär 
    „… Insbesondere das Fehlen einer Krankenversicherung, die den Leistungen einer gesetzlichen Versicherung entspricht, stellt ein großes Problem für die Saisonarbeitskräfte dar. Sobald ein Krankheitsfall auftritt und die/der Beschäftigte in das Krankenhaus muss, dauert es nicht lange bis die privat zu begleichende Rechnung eintrifft. Die Annahme, dass wer einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, auch eine eigene Krankenversicherung haben muss, stimmt indes nicht mit der Lebensrealität von migrantischen Saisonarbeitskräften überein. Um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, ist die Kurzfristige Beschäftigung nur möglich unter zwei Kriterien: Erstens dürfen maximal 70 Arbeitstage bzw. 3 Monate in einem Kalenderjahr gearbeitet werden, zweitens muss bei einem Einkommen von mehr als 450 Euro im Monat eine „nicht berufsmäßige“ Tätigkeit ausgeübt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise für eine rumänische Saisonarbeiterin, die Beschäftigung in Deutschland nicht von übergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist und nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes dient. Der Gedanke dieser Regelung, welche ursprünglich für einen sehr kleinen Personenkreis gedacht war – vor allem Schüler_innen und Studierende – ist, dass die Betreffenden in ihren Herkunftsländern bereits eine Sozialversicherung haben. Jedoch werden die Kriterien, insbesondere die Nicht-Berufsmäßigkeitsregel, lediglich durch einen selbstauszufüllenden Fragebogen kontrolliert. Es bleibt bei dieser Beschäftigungsform die dringende Frage: Warum sollten Menschen Jahr für Jahr für eine Saison nach Deutschland kommen und härtester körperlicher Arbeit nachgehen, wenn nicht aus einem übergeordneten wirtschaftlichen Interesse heraus oder zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes? Die Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist seit nunmehr über sechs Monaten im Amt. Der Koalitionsvertrag für die Zeit bis 2025 zwischen den Koalitionär_innen versteht sich als Weichenstellung. Die Bundesregierung gibt sich darin auch folgendes Ziel: „Für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag.“ Leider ist davon auf den deutschen landwirtschaftlichen Flächen bei den migrantischen Saisonarbeitskräften bisher nichts zu sehen.
    Ein voller Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag der Beschäftigung, der mindestens dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, wäre ein guter erster Schritt, um dem strukturellen Nachteil von Saisonarbeitskräften zu begegnen. Die Bundesregierung bleibt hier deutlich hinter ihren eigenen Ansprüchen für Saisonbeschäftigte zurück, was außerordentlich kritisch zu sehen ist.
    Aber auch mit einer vollen Krankenversicherung ab dem ersten Tag der Beschäftigung, gäbe es weitere Weichenstellungen, wie etwa die Möglichkeit des Ansparens von Rentenanwartschaften. Menschen, die seit Jahrzehnten jedes Jahr in Deutschland auf Spargelfeldern arbeiten, sollten für diese Zeit eine Rente aus Deutschland erhalten können. Die Arbeit von migrantischen Saisonarbeitskräften ist ein wesentlicher Beitrag für die Lebensmittelversorgung aller. Sie verdienen einen Krankenversicherungsschutz, der den Namen verdient, sie verdienen eine Pflegeversicherung und sie verdienen auch die Absicherung im Falle der Arbeitslosigkeit.“ Kommentar von Deniz Azad, IG BAU, beim DGB-Bildungswerk externer Link aus Forum Migration Juli 2022 externer Link
  • Ravensburger Obstbauer muss nun endlich den georgischen Saisonarbeiter:innen den vorenthaltenen Lohn nachzahlen 
    Ein Obstbauer vom Bodensee muss nach einem Gerichtsurteil 18 Erntehelfern Lohn nachzahlen. Der Landwirt habe den Arbeitern aus Georgien nach Auffassung des Gerichts von Mitte Mai bis Mitte Juni 2021 nicht den Mindestlohn gezahlt, obwohl diese rechtzeitig an der vereinbarten Sammelstelle waren, teilte das Arbeitsgericht in Ravensburg am Freitag mit. Dass die Saisonarbeiter zum Beispiel wegen schlechten Wetters teils nicht eingesetzt wurden, spiele dabei keine Rolle. Schließlich hätten sie wie vereinbart ihre Arbeit angeboten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Erntehelfer hatten gegen den Obstbauer geklagt, weil er ihnen keine Arbeit zugeteilt und dann einen Teil des Lohns einbehalten habe. (…) Die Erntehelfer, die nun vor dem Gericht klagten, waren Teil einer Gruppe von 24 Arbeitern aus Georgien, die in Folge eines neuen Abkommens nach Deutschland gekommen war. Kurz nach ihrer Ankunft hatten sie sich über unhaltbare Zustände bei ihrer Unterkunft auf dem Hof in der Bodenseeregion beschwert…“ dpa-Meldung vom 10. Juni 2022 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link („Ravensburg:Obstbauer vom Bodensee muss Erntehelfern Lohn nachzahlen“), siehe dazu frühere Meldungen weiter unten
  • Arbeit in der Erntehilfe: „Nach wie vor Probleme“
    Menschen, die saisonal in Deutschland bei der Erdbeerernte arbeiten, berichteten oft von schlechten oder rechtswidrigen Arbeitsbedingungen, sagt Szabolcs Sepsi, Beratungsstelle Faire Mobilität Dortmund. Es brauche Gesetze, um sie zu schützen.“ Audio des Interviews externer Link Audio Datei im WDR 5 Morgenecho am 27.05.2022 (07:15 Min)
  • Erdbeer-Erntehelfer:innen klagen über schlechte Arbeitsbedingungen
    Audio des Beitrags in Lokalzeit aus Aachen am 03.06.2022 externer Link Audio Datei
  • Ausländische Saisonarbeitskräfte: „Politik muss Rahmen für faire Arbeitsbedingungen schaffen“ 
    Im Interview von Dieter Sell vom 2. Juni 2022 bei Migazin externer Link erklärt die Politologin Franziska Laudenbach (Universität Bremen) das Ergebnis ihrer Untersuchungen und „warum sie den Gesetzgeber und die Verbraucher in der Pflicht sieht. (…) Das sind kurze und begrenzte Beschäftigungsverhältnisse, die in der Regel sozialversicherungsfrei sind. So sind die Leute oft schlecht abgesichert, was die Krankenversicherung angeht. Und es gibt während der Saisonarbeit keine Zahlungen für die Rente, was zu Lücken im Versicherungsverlauf führt und das Armutsrisiko der Betroffenen verstärkt. Dazu wird oft mit Tricks der Mindestlohn umgangen, der eigentlich gezahlt werden muss. (…) Beispielsweise dadurch, dass weniger Arbeitsstunden aufgeschrieben werden als tatsächlich geleistet wurden. (…) Auch die Unterkunft kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, weil nicht selten eine viel zu hohe Miete vom Lohn abgezogen wird. (…) [Wie könnte da gegengesteuert werden? Franziska Laudenbach:] Natürlich mit Gesetzen – aber auch wir als Verbraucher sind gefragt. So wäre es gut, wenn es hier in Deutschland eine Krankenversicherung für alle Saisonarbeitskräfte gäbe. Und wichtig ist eben auch, dass der Mindestlohn eingehalten wird, dass die Leute gut und finanziell angemessen untergebracht sind. Insgesamt gibt es schon eine ganze Reihe von Gesetzen. Aber es muss auch Menschen geben, die dann hingehen und die Einhaltung dieser Regeln überprüfen, um ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu verhindern. Kontrollen sind das A und O.Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist die Situation schwer zu durchschauen. Ich habe mich persönlich dafür entschieden, möglichst auf Höfen in der Nähe oder in der Region einzukaufen, auch wenn die Erdbeeren da etwas teurer sind. Da kann ich selber noch am besten abschätzen, wie die Arbeitsbedingungen der Erntehelferinnen und Erntehelfer sind. Doch am Ende muss die Politik den Rahmen für faire Arbeitsbedingungen schaffen. Schließlich ist doch klar: Ohne die Saisonarbeitskräfte könnten die Bauern vielerorts ihre Spargel-, Erdbeer-, Obst- und Gemüseernte gar nicht einfahren.“
  • Die Ausbeutung hat immer Saison: Erntehelfer*innen in Deutschland 
    „Die deutsche Landwirtschaft basiert auf der systematischen Entrechtung und Ausbeutung migrantischer Beschäftigter. Die gewerkschaftliche Organisierung der Betroffenen ist der Schlüssel zur Verbesserung der prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse. (…) Die hektischen Maßnahmen der Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie, zeigen wie stark die deutsche Landwirtschaft auf den Import billiger Arbeitskraft aus Osteuropa angewiesen ist. Rund 1,1 Millionen Menschen arbeiten haupt- und nebenberuflich in der deutschen Landwirtschaft – fast 300.000 von ihnen sind Saisonarbeitskräfte aus Osteuropa. Ohne diese modernen Wanderarbeiter*innen wäre die Erntezeit nicht zu bewältigen – vom Spargelstechen im April, über die Erdbeerernte im Juni, bis zur Weinlese, die Mitte Oktober endet. Durch die von der Bundesregierung initiierte »Spargel-Luftbrücke«, gerieten auch die Arbeitsbedingungen der »für einen kurzen Moment sichtbar gewordenen unsichtbaren Erntehelfer«, wie der Sozialwissenschaftler Stefan Sell schrieb, in den Fokus der Öffentlichkeit. Katastrophal waren die Bedingungen, unter denen Saisonarbeitskräfte in Deutschland zu leben und zu arbeiten gezwungen sind, jedoch bereits vor der Pandemie. Dies zeigt ein Blick in die Veröffentlichungen der Initiative Faire Landarbeit. (…) Die Verbesserung ihrer Situation müssen die Wanderarbeiter*innen also selbst in die Hand nehmen – mit einer starken Gewerkschaftsbewegung an ihrer Seite. Mit ihrer Jahresmitgliedschaft hat die IG BAU als erste Gewerkschaft des DGB ein Modell geschaffen das speziell auf migrantische Saisonarbeitskräfte zugeschnitten ist. Tatsächlich wuchs in den vergangenen Jahren – alle Widrigkeiten zum Trotz – auch der Widerstand der Betroffenen. (…) Immer wieder kam es zu Arbeitsniederlegungen und Protesten in landwirtschaftlichen Betrieben. Auch juristisch wehren sich immer mehr Erntehelfer*innen. Das Beratungsaufkommen gewerkschaftlicher Beratungsstellen wie Faire Mobilität steigt kontinuierlich. Viele von der Initiative Faire Landarbeit oder der IG BAU genannten Beispiele zeigen: Erfolg, Ihre Ansprüche durchzusetzen hatten die Beschäftigten immer dann, wenn es ihnen gelang, sich zu organisieren und in Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und anderen Unterstützer*innen für ihre Rechte einzutreten.“ Beitrag von Stefan Dietl vom 11. April 2022 bei der DGB-Gegenblende externer Link
  • Corona? Doch nicht auf unseren Spargelfeldern! 
    Die Bundesregierung wollte eigentlich die Lage der Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft verbessern. Bisher ist davon nichts zu spüren. Viele Beschäftigte haben nicht einmal Zugang zu einer Krankenversicherung (…) Aus unerfindlichen Gründen hat sich für sie die Bezeichnung „Erntehelfer“ eingebürgert, obwohl sie eine durchaus qualifizierte und durchaus anstrengende Arbeit leisten. Ohne sie passiert auf deutschen Äckern ziemlich wenig. (…) Die Voraussetzungen für eine solche „nicht berufsmäßige Saisonarbeit“ sind eine weitere hauptsächliche Einkommensquelle und eine Dauer von höchstens 70 Tagen. Allerdings verlängerte die Bundesregierung im Jahr 2021 diese Obergrenze auf 115 Tage. Die Initiative dazu kam von den Agrarverbänden und vom Bundeslandwirtschaftsministerium, das die „kurzfristige Beschäftigung“ ursprünglich sogar auf 180 Tage ausdehnen wollte. Mit der Klassifizierung als Saisonarbeit sparen sich Landwirte und Beschäftigte die Sozialversicherungsbeiträge, obwohl der Lohn meist deutlich über den üblichen 450 Euro im Monat bei Minijobs liegt. Im Oktober wird diese Grenze auf 520 Euro steigen. Weitere Schlupflöcher sind „Praktika“ für Studierende aus dem Ausland – in diesen Fällen gilt nicht einmal der Mindestlohn – oder einfach Schwarzarbeit, ganz ohne Papiere. Die Gewerkschaft IG Bau Agrar Umwelt geht ohnehin davon aus, dass die Arbeitszeiten vieler Beschäftigter nicht oder nicht richtig erfasst werden. Lohn auf die Hand und ohne Abzüge – viele der Beschäftigten haben dagegen nichts einzuwenden, jedenfalls so lange es nicht zu einem Konflikt mit dem Arbeitgeber kommt. So erwerben sie allerdings auch keine Rentenansprüche und erhalten keine Unterstützung, wenn sie arbeitslos werden. Aber das größte Problem sind dann medizinische Behandlungen. (…) Feldarbeit ist hart. In der Erntezeit schuften die Beschäftigten teilweise zwölf Stunden oder länger, auch im Regen oder bei großer Hitze. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland fünf Hitzetode von Feldarbeiter:innen als Arbeitsunfälle anerkannt. Es besteht zudem ein hohes Verletzungsrisiko durch scharfkantige und spitze Arbeitsgeräte und die Landmaschinen. (…) Die Mitarbeiterinnen von „Open Med“ berichten, die häufigsten Symptome der Besucherinnen und Besucher seien Bluthochdruck und Erkrankungen des Bewegungsapparats. Oft entstehen die gesundheitlichen Probleme durch die Doppelbelastung durch harte körperliche Arbeit und mangelhafte Versorgung andererseits. Viele gehen lange nicht zu einem Arzt, was die Probleme verschlimmert und Krankheiten chronisch werden lässt. (…) Schuld an den Zuständen in der Landarbeit sind nicht (nur) gierige deutsche Unternehmer. Die Betriebe stehen in einem scharfen Wettbewerb mit dem (europäischen) Ausland, die vollen Zugang zum einheimischen Markt haben, obwohl sich die Regeln für Arbeitsschutz und Mindestlöhne extrem unterscheiden. Beispielsweise beträgt der Mindestlohn in Polen umgerechnet knapp vier Euro, damit etwa ein Drittel des deutschen. Einheitliche Regelungen innerhalb der Europäischen Union zu Löhnen und Arbeitsschutz sind nicht in Sicht. Die Überausbeutung in der Erntearbeit entsteht aus dem Kostendruck der Erzeuger, die selbst unter dem Dach der großen Lebensmittelkonzerne und Handelsketten stehen…“ Artikel von Matthias Becker vom 01. April 2022 in Telepolis externer Link
  • Ernten ohne Versicherung. Landwirtschaft Landwirte stellen wieder Saisonkräfte aus Südosteuropa ein – als Minijobber 
    Hat die Pandemie etwas an den Arbeitsbedingungen verändert? Dieser Tage kommen die ersten „Erntehelfer“ nach Deutschland. Schon die Bezeichnung ist eigentlich eine Frechheit: Sie klingt nach außerplanmäßigem Extra-Einsatz. Dabei geht es um systemrelevante Arbeiter*innen, die unter harten Bedingungen und für sehr wenig Lohn einen großen Teil der Ernte etwa von Spargel, Erdbeeren oder Wein erledigen. Circa 275.000 Menschen kommen laut Bundeslandwirtschaftsministerium Jahr für Jahr, vor allem aus EU-Staaten wie Polen und Rumänien. Seit 2021 gibt es zudem ein Vermittlungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Georgien, seit diesem Jahr ein weiteres mit der Republik Moldau.
    Auch aus der Ukraine kommen regelmäßig Arbeiter*innen auf deutsche Höfe – wie sich diesbezüglich der neue Krieg auswirkt, ist noch nicht absehbar. Einerseits dürften einige ausfallen, andererseits werben Bauern bereits um ukrainische Kriegsflüchtlinge, da diese sofort eine Arbeitserlaubnis erhalten. (…) Die Arbeiter*innen werden für die Ernte mehrheitlich als Minijobber im Rahmen einer kurzfristigen Beschäftigung angestellt. Sie sind unfallversichert, doch darüber hinaus weder kranken- noch anderweitig sozialversichert. Die kurzfristige Beschäftigung darf normalerweise 70 Tage nicht übersteigen, aller Voraussicht nach bleibt es dieses Jahr dabei. So erklärt das Landwirtschaftsministerium auf Nachfrage, es gebe „keine Überlegungen, die kurzfristige Beschäftigung erneut auszuweiten“. (…) In Sachen Krankenversicherungsschutz sah sie indes trotz Pandemie lange keinen Handlungsbedarf. Das System der kurzfristigen Beschäftigung bedeutet: Wer nicht anderweitig, privat oder im Heimatland, krankenversichert ist, bleibt völlig ohne Schutz. Solche Fälle gab es immer wieder, auch wenn keine Zahlen darüber vorliegen. (…) Die jetzt beginnende Saison ist die erste, in der die Neuregelung, die die Lage der Saisonarbeiter*innen verbessern soll, greift. Aber tut sie das? „Wir begrüßen die Einführung der Meldepflicht als ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung“, sagt Katharina Varelmann. Aber es handle sich eben nur um eine Meldepflicht; so könne es zwar aufgedeckt werden, wenn Menschen nicht versichert sind, mehr aber nicht. Auf die Frage, wie die Einhaltung kontrolliert werde, erklärt eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums: Die Minijob-Zentrale prüfe bei Anmeldung eines Beschäftigten „elektronisch und damit automatisiert, ob der Arbeitgeber angegeben hat, ob ein gesetzlicher oder privater Krankenversicherungsschutz besteht. Fehlt die Angabe, so wird die Meldung als fehlerhaft abgewiesen.“ Kontrolliert werde die Richtigkeit der Angaben nicht von der Minijob-Zentrale, dafür seien Zoll und Rentenversicherung verantwortlich. Um die neue Meldepflicht zu erfüllen, genügt der Nachweis einer privaten Gruppenkrankenversicherung. Das bestätigten auf Nachfrage sowohl das Arbeits- als auch das Gesundheitsministerium. (…) In der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Unionsfraktionen im Bundestag, veröffentlicht am 1. März, heißt es plötzlich: „Die Formulierung des Koalitionsvertrages zielt darauf ab, dass für alle in Deutschland beschäftigten Saisonarbeitskräfte für die Dauer ihres Aufenthalts die notwendige Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet ist“ – eine deutliche Abschwächung des Ziels, vollen Krankenversicherungsschutz vom ersten Tag an zu garantieren. Der Passus im Koalitionsvertrag würde im Grunde überflüssig, da ihn schon die von der Vorgängerregierung beschlossene Meldepflicht formell gewährleistet...“ Artikel von Nelli Tügel am 28.03.2022 im Freitag online externer Link (Ausgabe 12/2022)
  • Normalisierung der Saisonarbeit. Konferenz »Faire Mobilität« in Berlin: Von Erntehelfern und deren Krankenversicherung 
    „… Allein auf deutschen Äckern und Plantagen schuften jährlich etwa 275.000. Viele sind zum Schein als Studenten oder Praktikanten registriert. Sie machen auf Erdbeer- und Gurkenfeldern den Rücken krumm, oft genug hausen sie in Elendsquartieren und kassieren nach Abzügen um die fünf Euro pro Stunde (im Zweifel sticht Akkord den Mindestlohn, werden Arbeitszeiten falsch erfasst). Knochenarbeit, die in der Pandemie als »systemrelevant« bewertet wurde. So lautete die Begründung der Ausweitung kurzfristiger Beschäftigung von 70 auf 115 Tage im Jahr. Und so geht es dem Bundesarbeitsministerium auch bei der Finanzierung des Bündnisses »Faire Mobilität« – seit anderthalb Jahren ist die gesetzlich verankert – keineswegs um die Überwindung dieser Verhältnisse, sondern um deren Normalisierung.
    Lilian Tschan (SPD), Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, sagte auf der Konferenz, die simultan ins Rumänische übersetzt wurde: »Herzlichen Dank an alle, die zu uns kommen. Wir brauchen sie.« Und ihre Kollegin Staatssekretärin aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender (Bündnis 90/Die Grünen), ging mit dem Wunsch nach »mehr Obst und Gemüse aus der Region« noch einen Schritt weiter: »Da müssen wir ganz ehrlich sagen, wir brauchen mehr Saisonarbeitskräfte.«
    Allgemein für wichtig befunden wurden in diesem Zusammenhang »Arbeitsschutzkontrollen vor Ort«. Diese seien »jahrzehntelang total vernachlässigt«, da sei »viel eingespart« worden, räumte Tschan ein. Derzeit ist ein Kontrolleur für etwa 1.500 Betriebe zuständig. Neue »Mindestbesichtigungsquoten« seien »gering, aber aufwachsend«, so Tschan. Man müsse sich das vorstellen wie das Umsteuern eines »Riesentankers«. »Das wird so schnell nicht gehen.«
    Dieses Lamento wiederholte die Staatssekretärin später in bezug auf einen Satz aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung: »Für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag.« Für Bender ein unsinniges, längst eingelöstes Versprechen. Schließlich müssen Landwirte, die Saisonarbeiter beschäftigen, seit 2018 deren Versicherung nachweisen. Dem wird allerdings vorzugsweise mit kostengünstigen Gruppenversicherungen durch private Kassen genüge getan. Das böte einen mit einer gesetzlichen Versicherung »vergleichbaren Schutz«, meinte Bender. Dem widersprach Harald Schaum von der IG BAU: Die Unterschiede seien »riesig«. Und Tschan schlug sich auf seine Seite. Mit der Nachweispflicht sei das Versprechen eines »vollen Schutzes« nicht eingelöst: »Das muss noch kommen.« – »Zum 1. Mai«, schlug Gewerkschafter Schaum vor. »Gesetzgebungsverfahren dauern normalerweise länger«, wiegelte Tschan lächelnd ab – im Rahmen der Legislatur, also bis 2025. Ein »voller Schutz« ist dabei schnell auch Muster ohne Wert…“ Artikel von Alexander Reich in der jungen Welt vom 17.03.2022 externer Link, siehe zum Hintergrund:

    • Internationale Konferenz „Arbeitsbedingungen in der saisonalen Landwirtschaft fair gestalten“ am 15.3.
      Saisonarbeiter_innen aus dem Ausland sind für die Landwirtschaft in Deutschland unverzichtbar. Jährlich kommen etwa 275.000 Menschen, viele aus Südost- und Osteuropa, um vorübergehend auf Feldern und in Gewächshäusern in Deutschland Spargel zu stechen oder Erdbeeren, Äpfel und Gemüse zu setzen bzw. zu ernten. Die zum Teil skandalösen Arbeits- und Unterkunftsbedingungen waren in den letzten Jahren immer wieder Thema der Berichterstattung. Die COVID19-Pandemie hat die Situation der Saisonarbeiter_innen nicht zuletzt durch zahlreiche Corona-Ausbrüche weiter verschärft. Zugleich wurde die Landwirtschaft als systemrelevant eingestuft und eine Reihe von Sonderregelungen für Saisonarbeiter_innen eingeführt. Zu Beginn der Erntesaison 2022 beschäftigt sich die Fachkonferenz „Arbeitsbedingungen in der saisonalen Landwirtschaft fair gestalten“ mit den in Deutschland vorherrschenden Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter_innen in der Landwirtschaft und nimmt dabei auch die Perspektive der Herkunftsländer in den Blick. Durch wissenschaftliche Expertise und Berichte aus der Praxis werden Probleme und Regelungsdefizite aufgezeigt. Mit Vertreter_innen aus Politik und Verwaltung werden im Anschluss Handlungs- und Regelungsoptionen diskutiert.“ Infos zur online-Konferenz am 15.03.2022 bei Faire Mobilität externer Link
  • Prekäre Feldarbeit: Die Arbeitsbedingungen für Saisonkräfte haben sich nur wenig verbessert 
    „… Bei der damit verbundenen Krankenversicherung gab es zuletzt Verbesserungen. Seit dem 1. Januar gilt für Arbeitgeber eine Meldepflicht, ob Saisonkräfte privat oder gesetzlich versichert sind. Oftmals passiert das über Gruppenversicherungen. Hier gibt es immer wieder Lücken, kritisiert Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der IG BAU. Das Bundesgesundheitsministerium dagegen bescheinigt den privaten Versicherungen bisher einen gleichwertigen Versicherungsschutz. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte volle gesetzliche Krankenversicherungsschutz ist das noch nicht. Umstritten in der Branche ist der gesetzliche Mindestlohn, der im Oktober 2022 auf 12 Euro steigt. Ausnahmen für die Landwirtschaft soll es nicht geben, wie sowohl Bundesarbeitsministerium als auch Bundeslandwirtschaftsministerium betonen. Allerdings mahnt die Initiative Faire Mobilität, dass der Mindestlohn immer wieder unterlaufen werde, etwa über Akkordlöhne, nicht gezahlte Überstunden oder überhöhte Kosten für Essen und Unterbringung. (…) Einen weiteren Schritt will die Bundesregierung gehen: Die Ratifizierung der ILO-Konvention 184 über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft, die 2003 verabschiedet wurde, soll endlich umsetzt werden.“ Artikel von Haidy Damm vom 15.03.2022 im ND online externer Link
  • Gegen Sozialdumping bei der Ernte: Der Bauernverband will, dass der Mindestlohn später steigt und Erntehelfer länger ohne Sozialversicherung arbeiten. Das Agrarministerium ist dagegen 
    „… „Wir wollen keine Sonderregelungen beim Mindestlohn für die Landwirtschaft und halten eine nochmalige Verlängerung der 70-Tage-Regelung für kurzfristige Beschäftigung ohne Sozialversicherung nicht für notwendig“, sagte Staatssekretärin Silvia Bender (Grüne) der taz. „Das Problem von zu niedrigen Erzeugerpreisen für Agrarprodukte darf nicht gelöst werden, indem man Sozialstandards in der Landwirtschaft senkt.“ Die Branche tue sich keinen Gefallen, wenn sie sich im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte durch schlechte Löhne schwäche. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will, dass so gut wie alle Beschäftigten ab Oktober mindestens 12 Euro pro Stunde erhalten. (…) „Eine nochmalige Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung in 2022 ließe sich aktuell nicht begründen“, so das Ministerium. Inzwischen gebe es mehr Möglichkeiten zum Schutz vor Corona. „Es stehen ausreichend medizinische Schutzmasken und Impfstoff zur Verfügung. Alle, die dies wünschen, konnten und können sich impfen lassen.“ (…) Die für Oktober geplante Erhöhung des Mindestlohns werde in der diesjährigen Erntesaison für die meisten Betriebe, insbesondere bei Obst und Gemüse, keine größere Rolle mehr spielen, erklärte das Ministerium. Diese Unternehmen hätten „bis zur nächsten Saison eine gewisse Vorlaufzeit, um sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen“. Bender ging auch auf die Befürchtung von Landwirten ein, dass sie auf den höheren Lohnkosten sitzen bleiben könnten. „Wir prüfen aktuell, wie die Stellung der Landwirtschaft in der Lebensmittelkette weiter gestärkt und der Einkauf unter Produktionskosten unterbunden werden kann“, so die Grüne. „Zudem wollen wir regionale Wertschöpfungsketten ausbauen und dazu gehört, dass wir erklären, warum möglicherweise Preise höher sind als für Produkte aus dem Ausland – und warum das richtig ist.“ Die IG BAU begrüßte Benders Äußerungen. „Das ist eine Ankündigung, die umgesetzt werden muss“, sagte Harald Schaum, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft, der taz.“ Artikel von Jost Maurin vom 10. März 2022 in der taz online externer Link
  • Ukrainer, die schon da waren. Viele neue werden kommen (müssen). Und Georgier waren auch schon da und wollen nicht wiederkommen. Hier geht es um Erntehelfer 
    „… Auch in einem anderen, hier mal wieder (hoffentlich rechtzeitig) in das Scheinwerferlicht zu rückenden Bereich des Arbeitsmarktes, wo es schon vor der aktuellen Fluchtwelle (zunehmend mehr) Ukrainer gab, wird sich der eine oder andere Arbeitgeber die Hände reiben angesichts des Zustroms an potenziellen Arbeitskräften, denn die vergangenen Jahre waren hier dadurch gekennzeichnet, dass es immer schwieriger wurde, ausreichend und dann auch noch geeignetes Personal für harte, schwere Arbeit zu finden. Gemeint sind die landwirtschaftlichen Betriebe, in denen zigtausende Erntehelfer für die Saisonarbeit benötigt werden – angefangen mit der Spargelernte im Frühjahr bis in den Herbst eines Jahres hinein. An dieser Stelle interessant und hilfreich ein Blick zurück in das vergangene zweite Corona-Jahr, als sich keiner auch nur in schemenhaften Umrissen vorstellen konnte, was diese Tage über die Menschen in der Ukraine gekommen ist. (…)
    Herkunftsländer außerhalb der EU, sogenannte Drittstaaten, gewinnen als Rekrutierungsräume mehr und mehr an Bedeutung. Hier kommt die Ukraine ins Spiel. Ein erheblicher Teil der Arbeitskräfte aus der Ukraine kommt offiziell entweder im Rahmen eines Ferienjobs oder im Rahmen eines studienfachbezogenen Praktikums zur Arbeit nach Deutschland. Allerdings dient das in der Realität wohl in den meisten Fällen nur dazu, um ein Geschäftsmodell zu realisieren, mit dem man die soziale Absicherung der Beschäftigten für teilweise erhebliche Einkommen und Zeitabschnitte umgehen kann. Das Vehikel hierfür ist die sogenannte „kurzfristige Beschäftigung“. Die Saisonarbeiter können die Arbeit in Deutschland kurzfristig „nicht berufsmäßig“ ausüben und müssen in diesem Fall nicht in Deutschland sozialversichert sein. Sie gelten als sog. kurzfristig Beschäftigte. Die kurzfristige Beschäftigung stellt eine Form der geringfügigen Beschäftigung dar. Anders als bei den ebenfalls sozialversicherungsfreien Minijobs auf 450-Euro-Basis, gibt es bei der kurzfristigen Beschäftigung keine monatlichen Einkommensgrenzen. Durch die Ausweitung des Rekrutierungsraums auf Drittstaaten wird auf eine potenzielle Gruppe von Beschäftigten zugegriffen, die in Deutschland weniger Rechte als EU-Bürger haben und deren Aufenthaltsrecht direkt an das Arbeitsverhältnis geknüpft ist. Dies verschärft Abhängigkeiten von Arbeitgebern und erschwert es den Menschen aus Drittstaaten, sich gegen Arbeitsrechtsverletzungen zu wehren. (…)
    Aber möglicherweise „entspannt“ sich die Situation eines zunehmenden Arbeitskräftemangels für die Saisonbetriebe durch den russischen Krieg gegen die Ukraine. Denn wie beschrieben externer Link bekommen die in die EU geflüchteten Ukrainer durch die Anwendung der Massenzustromrichtlinie in Deutschland die nicht eingeschränkte Möglichkeit, einer Erwerbsarbeit auszuüben. Wir müssen damit rechnen, dass diese gut gemeinte und an sich auch richtige Maßnahme von den schwarzen Schafen unter den Arbeitgebern ausgenutzt werden, um ausbeuterisch auf diese Arbeitskräfte zugreifen zu können in der Annahme, dass sich die Betroffenen nicht wehren können und werden. Allein diese Möglichkeit (und ihre leider erwartbare Ausprägung) verpflichtet den Staat und seine Organe, besonders genau hinzuschauen und einen umfassenden Arbeitsschutz zu garantieren. Leider sehen die Voraussetzungen dafür schlecht aus, denn schon vor dem, was wir diese Tage erleben, musste an vielen Beispielen illustriert werden, dass wir bereits unter „Normalbedingungen“ an vielen Stellen mit einem massiven Staatsversagen konfrontiert sind. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich das unter erheblich verschärften Bedingungen einer millionenfachen Zuwanderung von Vertriebenen nun ändern wird. Eher im Gegenteil. Dennoch soll keiner sagen, dass auf das Problem nicht frühzeitig hingewiesen wurde.“ Beitrag vom 8. März 2022 von und bei Stefan Sell externer Link

    • Und darin zum untenstehenden Fall der Ukrainerin: „… Halten wir fest: Die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten übernimmt nun doch die Rechnung – aber der Arbeitgeber geht schadlos aus der ganzen Angelegenheit heraus. An solche Fälle sollte man in Berlin auch dann denken, wenn sie jetzt als Verbesserung für das bevorstehende Ernetjahr behauptet, dass doch die Landwirte anders als früher melden müssen, dass sie irgendeinen Krankenversicherungsschutz abgeschlossen haben. Was aber eben auch bedeuten kann, dass es sich um eine der mehr oder weniger halbseidenen privaten Versicherungen mit zahlreichen Leistungsausschlüssen handeln kann (und in vielen Fällen handelnwird, um Kosten zu sparen). Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte bereits im vergangenen Jahr zu der seit diesem Jahr geltenden Mitteilungspflicht der Arbeitgeber ausgeführt: »Als privat krankenversichert soll ein kurzfristig Beschäftigter auch gelten, wenn er über seinen Arbeitgeber für die Zeit der Beschäftigung über eine private Gruppenversicherung abgesichert ist und dadurch die notwendige Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet ist.« Man muss sicher nicht lange auf neue Probleme in diesem Bereich warten.
      Die eigentlich erforderliche Lösung wurde von der Initiative Faire Landarbeit bereits im vergangenen Jahr unmissverständlich auf den Punkt gebracht: »Kurzfristig Beschäftigte in der Landwirtschaft müssen in Deutschland vollumfänglich sozialversichert sein. Im Gegensatz zu anderen Branchen stellt die kurzfristige Beschäftigung in der Landwirtschaft keine Ausnahme dar, sondern wird von den Arbeitgebern systematisch im Bereich der Sonderkulturen genutzt. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck der als Ausnahme gedachten Regelung und kann in vielen Fällen nur als missbräuchlich bezeichnet werden.«…“
  • Sie muss nicht zahlen. 78.000 Euro sollte eine ukrainische Erntehelferin ohne Versicherung für ihre Coronabehandlung zahlen. Nun erlässt ihr die Krankenkasse die Rechnung 
    Die Techniker Krankenkasse (TK) hat ihre Forderung an eine ukrainische Erntehelferin über fast 80.000 Euro für eine Coronabehandlung fallengelassen. „Die von uns wegen eines fehlenden Versicherungsschutzes zurück geforderten Behandlungskosten in Höhe von rund 78.000 Euro sind damit hinfällig“, teilte TK-Sprecher Michael Ihly der taz mit. Viktoria Szolomka war im Sommer 2020 lebensgefährlich erkrankt, als sie an der Gurkenernte in Bayern teilnahm. Während sie in einem Krankenhaus in der Region lag, meldete ihr damaliger Arbeitgeber sie von der Versicherung ab, weshalb die TK die Behandlungskosten von ihr verlangte. Als die taz zu dem Fall recherchierte, bemühte sich die Kasse aktiv um eine einvernehmliche Lösung. Nun sei es der TK gelungen, mit Szolomka zu telefonieren, ergänzte Ihly. Mit Hilfe einer ukrainisch-sprachigen Mitarbeiterin hätten alle offenen Versicherungsfragen geklärt werden können. „Wir konnten unsere Kundin informieren, dass sie aufgrund der im Telefonat geklärten Punkte nach dem Ende ihrer Beschäftigung Anspruch auf Krankengeld hatte.“ Sobald Szolomka der TK eine Bankverbindung mitteilt, werde sie diese Zahlung erhalten. Entscheidend ist aber vor allem: „Durch den Bezug von Krankengeld verlängert sich auch die TK-Mitgliedschaft.“ Damit war die Behandlung im Krankenhaus und einer Reha-Einrichtung von August bis Oktober 2020 abgedeckt. Szolomka schrieb der taz nun, sie freue sich sehr…“ Artikel von Jost Maurin vom 6.3.2022 in der taz online externer Link – siehe Hintergründe hier weiter unten
  • DGB und IG BAU fordern mehr Schutz für Saisonarbeiter*innen 
    „… Zur anstehenden Erntesaison 2022 sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Saisonarbeit ohne Sozialversicherung ist kein Naturgesetz, sondern Teil des Ausbeutungssystems der Arbeitgeber. Die Koalitionsparteien haben vereinbart, dass Saisonbeschäftigte künftig vom ersten Tag an krankenversichert sein sollen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem nicht aus. Saisonbeschäftigte brauchen einen lückenlosen Sozialversicherungsschutz. Von unseren Beraterinnen und Beratern vor Ort wissen wir, dass Saisonarbeiter*innen oft keiner weiteren Arbeit in ihrem Heimatland nachgehen, was Bedingung für die kurzfristige Beschäftigung wäre. Das heißt in der Folge: Keine Kranken- und Arbeitslosenversicherung, keine Rente. Was eigentlich als Ausnahmeregel für Ferien- und Studierendenjobs vorgesehen war, wird von den Arbeitgebern gezielt ausgenutzt, um Menschen aus anderen EU-Staaten zu miesen Bedingungen, ohne sozialen Schutz und für wenig Geld zu beschäftigen. Die neue Bundesregierung darf nicht vor Lobbyisten und Landwirtschaftsverbänden einknicken.“ (…) „Wenn wir in der Saisonarbeit nicht ebenso dramatische Zustände wie in der Fleischindustrie wollen, müssen Saisonarbeiter*innen besser geschützt werden. Auch wenn Saisonbeschäftigte nicht in kalten, feuchten Räumen wie Beschäftigte in der Fleischwirtschaft arbeiten, so sind sie doch denselben Infektionsrisiken ausgesetzt: Durch den Transport in vollen Bussen zum Arbeitsort und durch die schlechten Unterkünfte, teils in Containern, in denen viele Menschen Zimmer, Toiletten und Duschen teilen müssen. Es ist ein Unding, dass Menschen unter solchen Bedingungen bislang oft nicht einmal krankenversichert sind. Wir erwarten von der neuen Regierung an dieser Stelle eine schnelle Umsetzung der Versprechen aus dem Koalitionsvertrag.“ (…) „Die Gewerkschaften fordern, dass die kurzfristige Beschäftigung nur für Schülerinnen und Schüler und für Studierende zulässig sein darf. Sie muss außerdem wieder auf die ursprüngliche Zeitspanne von 50 Tagen im Kalenderjahr begrenzt sein. Diesen möglichen Zeitraum auszuweiten verbietet sich. Dass bei der Ernte in Deutschland das Lohngefälle in Europa so schamlos ausgenutzt wird, muss ein Ende haben. Genau wie in der Fleischwirtschaft gilt: Mobile Beschäftigte verdienen sozialen Schutz. Dazu gehören allem voran Krankenversicherung und Altersvorsorge.“…“ DGB-Stellungnahme vom 1. März 2022 bei der IG BAU externer Link mit Einladung zur Fachkonferenz am 15. März 2022
  • [„Ukraine-Solidarität“] Bauer in Mamming meldet ukrainische, schwer Corona-kranke Erntehelferin bei der Krankenkasse ab, diese verlangt nun 80.000 Euro von ihr 
    „Die Ukrainerin Viktoria Szolomka ist eine arme Frau: Die 40-Jährige lebt von den Gelegenheitsjobs ihres Mannes. Deshalb arbeitete sie im Sommer 2020 auf einem Gurkenhof im niederbayerischen Mamming als Erntehelferin. Dafür sollte Szolomka den Mindestlohn von damals 9,35 Euro pro Stunde bekommen. Doch 250 MitarbeiterInnen vor allem aus Osteuropa steckten sich mit Corona an, auch bei der Ukrainerin wurde Covid-19 festgestellt. Die Lunge und die Nieren versagten, das Herz pumpte kein Blut mehr. Monatelang musst sie im Krankenhaus in Bayern behandelt werden. Fast wäre sie gestorben. „Ich kann nach der Krankheit nicht arbeiten“, schreibt Szolomka der taz. Und nun soll sie rund 80.000 Euro für ihre Coronabehandlung an die Techniker Krankenkasse (TK) zahlen. „Das kann ich nicht bezahlen“, klagt die Frau, die im Westen der Ukraine lebt. (…) „Die Politik muss Regelungen treffen, um solche Fälle zu verhindern“, forderte Harald Schaum, Vizechef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). (…) Die meisten ErntehelferInnen werden als „kurzfristig Beschäftigte“ angestellt, sodass sie nicht Mitglied der Sozialversicherung sind. Solche Arbeiter müssen laut IG BAU beispielsweise im Fall einer Corona-Erkrankung die Behandlungskosten mitunter selbst zahlen. Vermutlich sollte auch die Ukrainerin so angestellt werden, damit der Hof Sozialbeiträge spare. Als sie jedoch schwer erkrankte und damit hohe Kosten entstanden, meldete der Landwirt sie plötzlich doch bei der TK an. „Bis der Antrag auf die Versicherung bei uns einging, war sie schon im Krankenhaus“, sagte Ihly. Das ist sogar legal: Einer Verordnung zufolge hat der Arbeitgeber bis zu sechs Wochen Zeit, um den Beginn einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu melden. Anders als zum Beispiel die Baubranche muss die Landwirtschaft das nicht am ersten Arbeitstag erledigen…“ Artikel von Jost Maurin vom 28. Februar 2022 in der taz online externer Link („80.000 Euro von armer Erntehelferin“)
  • Schwere Kost: Den Versprechungen der Ampelkoalition zum Trotz bleibt die Lage migrantischer Wanderarbeiter unverändert schlecht
    „… Während in Teilen Deutschlands noch regelmäßig Schnee geschippt wird, ­bereiten sich landwirtschaftliche Betrieben bereits auf die Erntesaison vor. Im März beginnt die Spargelernte und damit auch der Einsatz der über 300 000 migrantischen Wanderarbeiter, die alljährlich als sogenannte Erntehelfer nach Deutschland kommen. Sie stellen etwa ein Drittel der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Sektor. Auch wenn in der Öffentlichkeit vor allem das Spargelstechen die Wahrnehmung der Saisonarbeitskräfte prägt, greift diese Vorstellung bei weitem zu kurz. Der größte Teil der deutschen Landwirtschaft basiert auf dem Import billiger Arbeitskraft aus Osteuropa. Egal ob es um Hopfen, Erdbeeren, Äpfel oder Weintrauben geht – ohne die temporären Helfer wäre die Ernte schlicht nicht zu bewältigen. Die Bedingungen, unter denen sie in Deutschland leben und arbeiten, sind oft katastrophal: fehlender Arbeitsschutz, überlange Arbeitszeiten, kaum Pausen, menschenunwürdige Unterbringung in überfüllten Mehrbettzimmern, teils auch in Containern und halb verfallenen Ställen. Bezahlt wird die harte körperliche Arbeit auf den Feldern mit einem Hungerlohn. Nicht selten werden die Arbeitsmigranten selbst um diesen geprellt. Verschiedenste Formen des Arbeitszeitbetrugs ge­hören ebenso zu den gängigen Methoden wie die Bezahlung unterhalb des Mindestlohns und überhöhte Abzüge für Kost und Unterkunft. Häufig werden widerrechtlich auch Kosten für Arbeitsmittel und Schutzausrüstung vom Lohn abgezogen. (…) Die landwirtschaftlichen Betriebe konnten die Covid-19-Pandemie nutzen, um die ohnehin schon prekären Verhältnisse, unter denen Saisonkräfte hierzulande arbeiten, weiter zu verschlechtern und die Mechanismen zur Ausbeutung migrantischer Arbeitskraft auszubauen. (…) An den ausbeuterischen Verhältnissen in der deutschen Landwirtschaft dürfte sich also auch in der dritten Erntesaison unter Pandemiebedingungen wenig verändern. Vielmehr setzt sich die widersprüchliche Entwicklung der vergangenen beiden Jahre fort. Die zeitweiligen Einreisebeschränkungen im Zuge der Pandemie zeigten, wie sehr die deutsche Landwirtschaft auf migrantische Erntehelfer angewiesen ist; auch die öffentliche Aufmerksamkeit für deren Arbeitskonditionen ist wegen Massenausbrüchen von Covid-19 auf zahlreichen Höfen deutlich gestiegen. Doch hat dieses öffentliche und mediale Interesse zu keiner Verbesserung der Situation von migrantischen Arbeitskräften in Deutschland geführt.“ Artikel von Stefan Dietl vom 17. Februar 2022 in der Jungleworld 2022/07 externer Link
  • Rebellion der Saisonarbeiter:innen: Seit letztem Jahr kämpfen georgische Erntehelfer:innen für den ihnen vorenthaltenen Lohn, hier und in Georgien
    „Niemand hatte damit gerechnet, dass gerade Saisonarbeiter:innen aus der Südkaukasusrepublik Georgien in Deutschland rebellieren würden. Doch seit Juni 2021 kämpfen georgische Saisonarbeiter:innen für den ihnen vorenthaltenen Lohn für ihre Arbeit auf einem Erdbeerhof am Bodensee. Die Beschwerden über die schlechten ­Arbeitsbedingungen stoßen in der georgischen Heimat und in Deutschland zunehmend auf Resonanz. Inzwischen gehen die Erntehelfer:innen in beiden Ländern juristisch gegen georgische Arbeitsagenturen und deutsche Arbeitgeber:innen vor. (…) Achtzehn Saisonarbeiter:innen haben das Arbeitsgericht Friedrichshafen ersucht, für sie eine Lohnklage einzureichen. Das Arbeitsgericht Ulm und die Kammer in Ravensburg haben die Lohnklage angenommen. Die mündliche Verhandlung ist auf den 4. März festgesetzt. (…) „Deutsche Hofbesitzer verstoßen gegen Gesetze und sie gehen unwürdig mit den georgischen Arbeitnehmer:innen um“, erzählt Tamila Gabaidze im Gespräch mit der taz. Sie ist Rechtsanwältin des Gewerkschaftsbunds Georgiens (GTUC) in der Hauptstadt Tiflis und möchte auch die georgische Regierung vor Gericht bringen. Denn die Arbeitsverträge hat die georgische Staatsagentur für Arbeitsförderung abgeschlossen. Was bedeutet, dass sich diese Behörde um korrekte und rechtskonforme Arbeitsverträge kümmern muss. Das Ziel der Klage ist, dass ihre Mandant:innen den Lohn erhalten, der ihnen gesetzmäßig zusteht. In jedem einzelnen Fall geht es immerhin um über 1.000 Euro. Diese Differenz müsse dann gegebenenfalls der georgische Staat bezahlen, findet Gabaidze. (…) Ein Artikel in der taz vom 25. Mai 2021 deckte erstmals die schlechten Zustände auf einem Erdbeerhof in Baden-Württemberg auf. (…) Daraufhin besuchten lokale Hilfsorganisationen das Erdbeerfeld. Margarete Brugger, Beraterin der Organisation „mira – Mit Recht bei der Arbeit“ begleitet Erntehelfer:innen vor Gericht. „Es ist wichtig, dass es Beratungsstellen und weitere Hilfsmöglichkeiten gibt, welche Arbeitnehmende dabei unterstützen, ihre Rechte wahrzunehmen und Missstände aufzuzeigen. Nur so kann die menschenwürdige Umsetzung bestehender und geplanter Arbeitsabkommen mitgestaltet werden“, sagt sie. Sollte die eingereichte Klage erfolgreich sein, wäre das zumindest ein erster Sieg, der auch Arbeitskräfte aus Polen und den Balkanstaaten dazu ermutigen könnte, sich endlich zur Wehr zu setzen.“ Artikel von Tigran Petrosyan vom 19. Februar 2022 in der taz online externer Link, siehe dazu frühere Meldungen weiter unten
  • Bald beginnt die Erntesaison: Werden Erntearbeiter*innen in diesem Jahr vollständig krankversichert sein? 
    Bald beginnt die Erntesaison: Werden Erntearbeiter*innen, sog. Erntehelfer, die auf deutschen Feldern ausgebeutet werden, in diesem Jahr vollständig krankversichert sein? Das habe ich versucht, herauszufinden.
    Grundproblem: Die meisten Saisonarbeiter*innen in der Ernte sind Minijobber, d.h. sie sind hier nur unfallversichert, sonst nichts. Einige sind im Herkunftsland versichert, oft bedeutet das aber nicht das volle Leistungsspektrum der dt. gesetzlichen Krankenversicherungen.
    Hinzu kommt, dass seit einigen Jahren z.B. aus Rumänien & Bulgarien vermehrt Arbeiter*innen kommen, die auch im Herkunftsland diskriminiert werden & oft gar keine Krankenversicherung besitzen. Die Gesundheitsversorgung unterliegt dann dem Gutdünken der Bauern und es ist im Zweifel nicht klar, wer entstehende Kosten tragen muss. (…)
    Seit dem 1.1.2022 aber gilt nun eine Meldepflicht für den Krankenversicherungsstatus aller Saisonarbeiter*innen, die schon im Frühjahr 2021 beschlossen, doch den Bauern offenbar erst ab diesem Jahr „zugemutet“ werden sollte.  Was bedeutet diese Meldepflicht? Das Bundeslandwirtschaftsministerium teilt dazu auf Nachfrage mit, dass seit dem 1.1.2022, „bei der Anmeldung wegen Aufnahme einer kurzfristigen Beschäftigung und bei der gleichzeitigen An- und Abmeldung einer kurzfristigen Beschäftigung die Angabe des Krankenversicherungsschutzes an die Minijob-Zentrale zu melden“ sei. Auf die Frage, wie genau das erfolge teilt wiederum das Bundesarbeitsministerium mit, die Meldung „erfolge elektronisch an die Minijobzentrale“. Dort werde „automatisiert geprüft, ob der Arbeitgeber angegeben hat, ob ein gesetzlicher o. privater Krankenversicherungsschutz besteht. Fehlt die Angabe, so wird die Meldung als fehlerhaft abgewiesen.“ Kontrolliert werde nicht, dafür seien Zoll und Rentenversicherung zuständig. Die Frage der Prüfung bleibt also von der Meldepflicht unberührt bestehen: Das ist aber nicht das eigentliche Problem, SONDERN: die privaten Erntehelferversicherungen sind es.
    Für Arbeitgeber ist es kein Problem, einen Nachweis über eine private Gruppenkrankenversicherung zu kriegen. Anbieter werben damit, wie hier: „Diese Bestätigung bekommen Sie bei jeder Online-Anmeldung der Saisonarbeitskräfte sofort von uns per Mail.“
    Diese privaten Gruppenkrankenversicherungen für Erntearbeiter*innen gibt es schon lange, sie sind sehr günstig für die Bauern und sie werden auch im Rahmen der neu geltenden Meldepflicht anerkannt werden – das haben mir das BMAS und das Bundesgesundheitsministerium bestätigt.
    Das Problem dabei ist, dass in diesen Policen das Leistungsspektrum stark eingeschränkt wird. Ich habe mir mehrere Anbieter angeschaut. Im folgenden ein paar Beispiele, was NICHT übernommen wird im Rahmen dieser Versicherungen: Die Behandlung chronischer Krankheiten und deren Folgen. Krankheiten oder Unfälle, die im Zusammenhang mit Alkoholgenuss stehen. Behandlung und Untersuchung von Schwangerschaften, Abbrüchen, Fehlgeburten oder Entbindungen. Behandlungen der Folgen von HIV/Aids. Ebenfalls ausgenommen ist so gut wie alles was mit Vorsorge zu tun hat: Krebsvorsorge etwa, genauso wie „vorbeugende Impfungen“. Kurzgefasst: Die privaten Gruppenkrankenversicherungen für Erntearbeiter*innen sind überhaupt nicht vergleichbar mit dem Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland. Trotzdem werden sie im Rahmen der neu geltenden Meldepflicht anerkannt werden.
    Allerdings hat die Ampel in ihren Koalitionsvertrag folgendes geschrieben: „Für Saisonbeschäftigte sorgen wir für den vollen Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag.“ Hm. Voller Krankenversicherungsschutz? Ich habe zunächst beim Bundesarbeitsministerium nachgefragt, wie dieses Versprechen denn umgesetzt werden soll und wie sich „voller Schutz“ und die privaten Gruppenversicherungen miteinander vertragen. Eine Sprecherin verwies mich mit dieser Frage an das Gesundheitsministerium. Denn: Das BGM sei verantwortlich. Dieses wiederum schrieb: „Die von Ihnen angesprochene Passage zum Krankenversicherungsschutz von Saisonarbeitnehmern wurde im Koalitionsvertrag in das Kapitel Arbeit eingeordnet und dürfte daher federführend vom BMAS zu beantworten sein.“ Nun gut, ich stellte dann Kontakt zwischen beiden her & bat darum, mir doch meine Frage bitte noch zu beantworten. Daraufhin bekam ich die Antwort, man prüfe das „derzeit auf Fachebene gemeinsam“ und „weitere Einordnungen“ könne man dazu nicht übermitteln. Das ist schade, denn: Bald beginnt die Ernte und es sieht ganz danach aus, als drohte einmal mehr etlichen Arbeiter*innen eine Saison OHNE vollständigen Krankenversicherungsschutz. Denn: Die privaten Gruppenversicherungen, auf die d. Arbeitgeber zurückgreifen werden, sind keiner!
    Und in den Ministerien, die damit zu tun haben – BMEL, BMAS und BMG – scheint bisher nicht mal Klarheit darüber zu existieren, wer überhaupt verantwortlich für das Thema ist; geschweige denn gibt es bislang konkrete Pläne, wie das im Ampel-Koalitionsvertrag gemachte Versprechen des „vollen Krankenversicherungsschutzes“ vom ersten Tag an für Saisonarbeiter*innen eingelöst werden könnte.“ Thread von Nelli Tügel vom 6.2.2022 externer Link
  • Saisonkräfte schützen! Die Erntezeit beginnt bald, die Koalition muss handeln. Die Rechte der Erntehelferinnen und -helfer dürfen nicht erneut ausgehöhlt werden 
    „… Während die diesjährige Messe der Agrarindustrie ‚Grüne Woche‘ abgesagt wurde, fällt die Erntesaison nicht aus. Je nach Wetterlage startet die Spargelsaison im März – das dritte Jahr in Folge unter Corona-Bedingungen. Es bleibt also nicht viel Zeit für die Ampel, Versprechen für bessere Bedingungen in der Landwirtschaft einzulösen. In den vorangegangenen Jahren hatte CDU-Ministerin Klöckner die sozialversicherungsfreie Zeit für Beschäftigte in der Erntehilfe von 70 auf über 100 Tage ausgeweitet. Was eigentlich Ausnahme für Ferienjobs sein sollte, bedeutete für hunderttausende Saisonarbeitskräfte: fünf Monate Schwerstarbeit ohne soziale Sicherheit, Rentenansprüche und bei vielen – trotz Pandemie – auch ohne Krankenversicherung. Ihre sozialpolitische Bankrotterklärung begründete Klöckner fadenscheinig mit Infektionsschutz (…) Berater und Gewerkschaften erreichten mitten in der Pandemie Berichte über volle Unterkünfte mit niedrigstem Standard, mangelhaften Hygieneschutz in Sammeltransporten und bei der Arbeit. Trauriger Tiefpunkt: die Arbeitsquarantäne – Arbeiten ging trotz Corona, das Betriebsgelände durften die Beschäftigten aber nicht mehr verlassen. Der Koalitionsvertrag der Ampel sichert Krankenversicherungsschutz ab dem ersten Tag zu. Dieses Versprechen muss auf eine umfassende soziale Sicherung ausgedehnt werden. Keinesfalls darf es erneut zu einer Ausweitung der sozialversicherungsfreien Zeit kommen. Schlechte Löhne, Mindestlohnbetrug, weniger Sozialschutz und niedrige Arbeitsstandards müssen gerade für kurzfristige Beschäftigung vermieden werden. Saisonarbeitskräfte sind besonders schutzbedürftig. Sie kommen oft ohne deutsche Sprachkenntnisse und sind stark von ihren Arbeitgebern abhängig – abgeschottet von der übrigen Gesellschaft. Der Schutz unseres Rechts- und Sozialstaates muss gerade für sie gelten.“ Beitrag von Anja Piel (DGB) vom 21. Januar 2022 in der Frankfurter Rundschau online externer Link, siehe auch:

    • Thread von Nelli Tügel vom 24. Januar 2022 externer Link: „Die nächste Erntesaison steht schon vor der Tür: Das Vermittlungsabkommen mit Georgien wird fortgesetzt; zudem werden erstmalig im Rahmen eines neuen Vermittlungsabkommen mit der Republik Moldau Kolleg*innen von dort kommen…“
  • Die perfekte Migration? Saisonarbeit in der deutschen Landwirtschaft vor und während der Corona-Pandemie
    „Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 standen landwirtschaftliche Saisonarbeiter*innen in Deutschland für kurze Zeit stark in der öffentlichen Aufmerksamkeit. Durch den zu Beginn der Pandemie verkündeten Einreisestopp wurde die Abhängigkeit der deutschen Landwirtschaft von saisonalen Arbeitsmigrant*innen zu einem zentralen Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Im Mittelpunkt stand dabei die anstehende Spargelernte. Nach der Aufhebung des Einreisestopps Mitte Juni 2020 verschwand landwirtschaftliche Saisonarbeit von der medialen Bildfläche. Erst im Frühjahr 2021 erschien sie wieder in den Medien, da landwirtschaftliche Betriebe erneut einen Mangel an Arbeiter*innen für die Erntesaison befürchteten. Im Gegensatz zu der kurzen Phase des öffentlichen Interesses während der Pandemie betrachte ich in diesem Artikel das Regime landwirtschaftlicher Saisonarbeit aus langfristiger Perspektive. Während eine von mir bereits veröffentlichte Untersuchung des politischen Diskurses um diese Form der Arbeitsmigration von 2018 bis 2020 von der Frage nach Verschiebungen im Rahmen der Pandemie geleitet war, nehme ich im vorliegenden Beitrag die Kontinuitäten des Regimes über den Moment der Krise hinaus und vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Entwicklung in den Blick. (…) Wie Daniel Costa und Phillip Martin in ihrem Bericht zu temporären Migrationsprogrammen für den U.N. Global Compact for Migration feststellen, sind temporäre Migrant*innen aufgrund ihrer prekären Aufenthaltssituation und der Kürze ihres Aufenthalts besonders von Ausbeutung und Rechtsverletzungen betroffen und haben weniger Zugang zu Rechtsbeistand oder Interessenvertretungen. Insofern ist eine Ausweitung temporärer Migrationsarrangements sowohl auf deutscher als auch internationaler Ebene kritisch zu beurteilen. Die Corona-Pandemie hat jedoch auch gezeigt, dass es in Industriestaaten zu „mounting concerns about the countries‘ ability to attract seasonal agricultural workers“ kommt. So stellt auch die Bundesagentur für Arbeit im Dezember 2020 fest, die Sicherstellung attraktiver Lohn- und Arbeitsbedingungen sei ein wichtiger Faktor, um auf dem europaweiten Arbeitsmarkt für Saisonarbeiter*innen konkurrenzfähig zu sein. Es wird sich zeigen, ob die internationale Konkurrenz um Saisonarbeiter*innen trotz der vermehrten Anwerbung aus Drittstaaten groß genug ist, um Druck für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen aufbauen zu können.“ Aus dem Artikel von Dorothea Biaback Anong in Sozial.Geschichte Online Nr. 30 2021, S. 115-160 bei DuEPublico 2 externer Link
  • Der kritische Agrarbericht 2022: Das System Saisonarbeit
    „Seit der Corona-Pandemie sind die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse von Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Dabei sind Lohnbetrug, überlange Arbeitszeiten und schlechte Unterkünfte keine neue Entwicklung. Schon seit Jahren beobachtet die Initiative Faire Landarbeit, der wir angehören, die Situation in der Branche. Zwei Koordinator*innen der Initiative haben für „Der kritische Agrarbericht 2022″ einen Beitrag verfasst, welcher jetzt online abgerufen werden kann…“ Hinweis der IG BAU vom Januar 2022 auf die verlinkten Artikel externer Link „Das System Saisonarbeit. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse durch fehlende soziale Absicherung“ von Katharina Varelmann und Benjamin Luig und zu allen 48 Beiträgen aus dem „kritischen Agrarbericht 2022“ (kostenlos abrufbar, aber Spenden sind erwünscht)
  • Georgische Saisonarbeiter*innen kämpfen [immer noch] für ihren Lohn 
    „Seit Juni 2021 kämpfen 24 georgische Saisonarbeiter*innen für den ihnen vorenthaltenen Lohn auf einem Obsthof am Bodensee. Im Mai waren sie über das neue Arbeitsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Georgien auf dem Hof angekommen und hatten dort unzumutbare Arbeits- und Lebensbedingungen vorgefunden. Sie begannen, sich zu wehren und machten ihre Situation öffentlich. Mit viel Entschlossenheit und der Unterstützung der Beratungsstelle mira (Mit Recht bei der Arbeit) und der Betriebsseelsorge Ravensburg konnten einige Arbeiter*innen auf einen anderen Betrieb nach Niedersachsen wechseln. Andere sind direkt nach Georgien zurückgekehrt. Niemand hat jedoch den Lohn erhalten, der ihnen für die geleisteten Arbeitsstunden zusteht. Deshalb haben die Arbeiter*innen sich entschieden, aus der Ferne rechtliche Schritte einzuleiten. Eine erste Güteverhandlung scheiterte jedoch. Nun haben 18 von ihnen entschieden, den Rechtsstreit mit der Unterstützung ihrer Gewerkschaft IG BAU vor Gericht fortzusetzen. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer ist auf den 4. März 2022 festgesetzt. Werner Langenbacher von der Betriebsseelsorge Ravensburg meint dazu: „Durch das Gerichtsverfahren soll auch ein Zeichen für die Verantwortlichen in der Landwirtschaft gesetzt werden, ausbeuterische und gesetzüberschreitende Verhältnisse nicht mehr zu zulassen. Ferner werden dadurch die Erntehelfer*innen ermutigt, sich zukünftig für ihre Rechte auch vor Gericht einzusetzen.“ (…) Parallel haben 11 der betroffenen Saisonarbeiter*innen mit Hilfe der georgischen Gewerkschaft die georgische Arbeitsvermittlungsstelle verklagt, die falsche Zusagen zu den Bedingungen der Saisonarbeit in Deutschland gemacht und sie nicht vor den vorgefundenen schlechten Zuständen und den Lohnzahlungen unter Mindestlohn geschützt habe. Hier ist der Verhandlungstermin auf den 21. Dezember festgelegt. Der Fall hat in den georgischen Medien eine Debatte über die Sinnhaftigkeit des Arbeitsabkommens mit Deutschland ausgelöst.“ Meldung der IG Bau vom 6. Dezember 2021 externer Link, siehe den Beginn des Konfliktes weiter unten im Dossier
  • Bericht 2021: Saisonarbeit in der Landwirtschaft: Zu wenig Lohn, schlechte Unterkünfte und kein Gesundheitsschutz 
    „“Während der gesamten Zeit, als wir dort arbeiteten, mussten wir unsere Pässe als Kaution abgeben. Wir mussten Dokumente unterzeichnen, die wir nicht kannten. Man sagte uns, das sei der Arbeitsvertrag, ein eigenes Exemplar bekamen wir aber nicht. Der nach Akkordarbeit ausbezahlte Lohn lag bei Berücksichtigung der von uns tatsächlich geleisteten Arbeit bei zirka vier Euro pro Stunde. Die Arbeitgeber haben uns gedroht, angeschrien und haben uns auch körperlich attackiert.“ Das berichten zehn Rumänen, die bei einer Baumschule in Nordrhein-Westfalen beschäftigt waren, in dem jetzt erschienen Heft „Saisonarbeit in der Landwirtschaft – Bericht 2021“, herausgegeben von der Initiative Faire Landarbeit. Und das ist nur ein Auszug aus einem von vielen Fallbeispielen. Nach Einschätzung der Initiative ist die Zahl der Männer und Frauen, die nach Deutschland kommen um in der Ernte von Spargel und Erdbeeren, aber auch von Feldgemüse, Gurken, Obst, Wein und anderem mehr zu arbeiten, weiterhin auf einem hohen Niveau. Im Jahr 2019 waren es zirka 274 000. Erstmalig sind in diesem Jahr über ein Drittstaatenabkommen etwa 180 Menschen aus Georgien für die Arbeit in der Landwirtschaft eingereist. Sehr hoch war in dieser Saison der Anteil an Saisonarbeiter*innen – vor allem aus der Ukraine – die mit dem Status von Praktikant*innen und Ferienjobber*innen bei uns arbeiteten…“ Pressemitteilung der IG BAU am 22.10.2021 externer Link (mit weiteren Zitaten) zum Bericht 2021 der Initiative Faire Landarbeit externer Link , ein Bündnis von den gewerkschaftsnahen Beratungsstellen Faire Mobilität, dem Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen und dem Beratungsnetzwerk „Gute Arbeit“ von Arbeit und Leben, der IG BAU sowie weiteren Organisationen. Ziel ist die Verbesserung der Situation von Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft.
  • Pünktlich zur Apfelernte: Neue mehrsprachige online-Informationsangebote für SaisonarbeiterInnen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft 
    „Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau bietet auf ihrer Homepage neue Infos in zehn Sprachen für Saisonarbeiter_innen an. In leicht verständlicher Form ist dort alles Wichtige zu Themen wie Notfällen, Corona oder Arbeitsschutz zusammengestellt. (…) Ein neues Erklärvideo des Landes Bayern geht auf Hygieneschutzmaßnahmen beim Einsatz von Saisonarbeitskräften ein…“ Hinweis – inkl. Links – des DGB-Bildungswerks vom September 2021 externer Link zu den entsprechenden, teilweise mehrsprachingen aktuellen Informationsquellen
  • Spargelhof Schäfer in Wiemersdorf: Schimmel, Ekelfleisch und Drohungen? 
    Rumänische Erntehelfer sprechen von einem menschenverachtenden Umgang mit ihnen auf dem Spargelhof in Wiemersdorf im Kreis Segeberg. Der Landwirt streitet die Vorwürfe ab. Juristen sehen die Staatsanwaltschaft in der Pflicht zu ermitteln. (…) Gestochen wird der Wiemersdorfer Spargel vor allem von osteuropäischen Arbeitern. Die meisten kommen aus Rumänien. 9,50 Euro zahlt ihnen der Landwirt pro Stunde, also den zu dem Zeitpunkt gültigen Mindestlohn. Abgeben müssen sie 7,50 Euro pro Tag, damit sie auf dem Hof in Unterkünften schlafen dürfen, 4 Euro für das Mittagessen kommen oben drauf. Das geht aus ihren Verträgen hervor. Mehr als die erste Stunde Mindestlohn pro Tag müssen sie also allein dafür einsetzen, um in Wiemersdorf arbeiten zu dürfen. Vollpension – Frühstück und Abendbrot – kostet 4,87 Euro pro Tag extra. Ein Internet-Zugang würde von Spargelbauer Schäfer mit 45 Euro im Monat berechnet werden. Pro Erntehelfer. Der Spargelbauer bringt seine Arbeiter in Wohncontainern und in einem vor 35 Jahren ausgebauten landwirtschaftlichen Gehöft in Wiemersdorf unter. Auf Facebook gibt er Einblicke, dieses Gebäude nutze er überwiegend als Corona-Quarantäne-Station. Kommen neue Arbeiter, würden sie dort für zehn Tage untergebracht und mehrfach auf Corona getestet. Doch in dem Gebäude gebe es Schimmel, unter anderem an der Eingangstür, dunkle Flecken auch an der Decke und an einigen Wänden, erzählen ehemalige, rumänische Erntehelfer von Schäfer. Einer von ihnen sagt, er sei Asthmatiker, die Sporen könne er nicht ab. Außerdem sei dort mehrmals über Tage das warme Wasser ausgefallen. (…) Die ehemaligen Erntehelfer aus Rumänien erheben weitere, schwere Vorwürfe. Ihnen soll gesagt worden sein, dass sie den Hof beziehungsweise die Spargelfelder nicht verlassen dürfen, zum Einkaufen zum Beispiel. Erst nach einer Betriebsversammlung zum Ende der Spargelsaison durften sie sich demnach auch in der Umgebung frei bewegen. Ein Rumäne versichert uns, dass er den Hof von Christian Schäfer rund einen Monat nicht verlassen durfte. Hätte er dagegen verstoßen, dann wäre er nach Hause geschickt worden. So sei es ihm angedroht worden. Eine andere, ehemalige Erntehelferin ergänzt, das sei mit allen Arbeitern so passiert. Die Rumänen hätten sich an die Hof-Regeln gehalten, weil sie in Wiemersdorf Geld verdienen wollten, in ihrer Heimat gebe es kaum Jobs. (…) Die rumänischen Erntehelfer mussten dort nach eigenen Angaben einkaufen, weil sie den Hof, wie sie sagen, bis zur Betriebsversammlung nicht verlassen durften. Anfang Juni gingen die Rumänen ein letztes Mal in den „Erntehelfer-Shop“, wie ihn Schäfers Rechtsanwältin nennt. Dort wurden ihnen nach eigenen Angaben abgelaufene Lebensmittel angeboten, teilweise waren die Verbrauchsdaten mehr als zwei Monate drüber. Außerdem wurden Haltbarkeitsdaten geschwärzt, sagen sie. (…) Die rumänischen Erntehelfer bleiben bei ihrer Darstellung. Sie sind Anfang Juni von Wiemersdorf mit dem Auto 2.000 Kilometer zurück in ihre Heimat gefahren. Eine Erntehelferin sagt, sie hätten sich auf dem Hof wie Sklaven gefühlt, auf die Situation konnten sie nicht reagieren, es sei zu schlimm gewesen. Als sie dann über die rumänische Grenze fuhr, sei sie sehr froh gewesen, endlich wieder zuhause zu sein – nach drei Monaten Arbeit auf dem Spargelhof in Wiemersdorf. Dorthin zurück wollen sie und ihre Kollegen nie wieder.“ Eine Recherche von Sven Brosda und Philipp Eggers vom 24.08.2021 beim NDR externer Link
  • [Gurkenerzeuger in Memmingen] Bauer hinterzieht Sozialbeiträge 
    Das Amtsgericht Landshut verurteilt einen großen Gurkenerzeuger. Er hatte den Krankenkassen hohe Zahlungen für ErntehelferInnen vorenthalten. Ein bayerischer Großbauer ist zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er Sozialbeiträge für ErntehelferInnen hinterzogen hat. Wie erst jetzt bekannt wurde, verhängte das Amtsgericht Landshut im Februar eine Strafe von 1 Jahr und 10 Monaten auf Bewährung gegen den Inhaber des Betriebs. Er habe Arbeitsentgelt vorenthalten und veruntreut. Der Mann habe 2016 in 34 Fällen versäumt, insgesamt rund 240.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, heißt es in dem bereits rechtskräftigen Urteil, das der taz vorliegt. Der Landwirt habe die Arbeiter als „kurzfristig Beschäftigte“ und damit als sozialversicherungsfrei angemeldet. „Tatsächlich übten Arbeitnehmer jedoch, wie vom Angeklagten von vornherein billigend in Kauf genommen, die Beschäftigung berufsmäßig aus, da sie in ihrem Heimatland keine weiteren Einkünfte erzielten“, so das Gericht. Deshalb seien Beiträge zur Sozialversicherung fällig gewesen. Das Urteil stützt sich auf ein Geständnis des Angeklagten sowie schriftliche Beweisstücke…“ Artikel von Jost Maurin vom 14.7.2021 in der taz online externer Link – siehe die Meldungen dazu weiter unten
  • [Georgische Saisonarbeiter*innen wehren sich] Revolution auf dem Erdbeerfeld – Feministischer Zwischenruf 
    Deutschland will Erntehelfer*innen, erteilt inzwischen sogar Arbeitsvisa. Doch wenn die Arbeiter*innen nur die Hälfte des vertraglich zugesicherten Lohns erhalten, passiert nichts. Fast.
    2003 stürzten die Georgier*innen mit der „Rosenrevolution“ ihre damalige Regierung. Jetzt findet eine kleine georgische Revolution auf deutschen Erdbeerfeldern statt. Solidarität und Empathie könnten den miserablen Bedingungen für Erntehelfer*innen ein Ende bereiten. Aber erst dann, wenn diese selbst aktiv werden. Keine*r hatte damit gerechnet, dass ausgerechnet Erntehelfer*innen aus der Südkaukasusrepublik Georgien in Deutschland rebellieren würden. Doch genau dieser Fall ist eingetreten. Seit Wochen ist der Aufstand ein Topthema in georgischen Medien. Aber auch in Deutschland stoßen Beschwerden über die schlechten Arbeitsbedingungen zunehmend auf Resonanz. Zumindest bis jetzt herrschte in Georgien in weiten Teilen der Bevölkerung ein durchweg positives Deutschlandbild vor. Doch dieses dürfte mittlerweile nachhaltig beschädigt sein. Saisonarbeiter*innen aus Georgien arbeiten zum ersten Mal auf deutschen Feldern. 2021 sollen sich nach Angaben des Verbandes Ostdeutscher Spargelbauern auf 5.000 Stellen rund 80.000 Interessent*innen aus Georgien beworben haben. (…) Damit ist Georgien das erste Land, mit dem Deutschland ein Drittstaaten-Abkommen geschlossen hat.
    Doch gegen die Arbeitsbedingungen regt sich Protest. Zu Recht – wenngleich die Ausbeutung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft kein neues Phänomen ist. Vor allem Frauen arbeiten unter unzumutbaren Bedingungen. Sexuell belästigt, beleidigt, vergewaltigt – das ist Alltag für tausende Erntehelferinnen in Europa. Sie pflücken Tomaten und Erdbeeren, die dann in deutschen Supermärkten als „sicher und nachhaltig“ verkauft werden. (…) Auch in Deutschland herrschen desolate Zustände. Als Reaktion auf einen Bericht der taz über den Umgang mit georgischen Erntehelfer*innen in Friedrichshafen, besuchten lokale Hilfsorganisationen das Erdbeerfeld. Margarete Brugger, Beraterin von der Organisation „mira – Mit Recht bei der Arbeit“ berichtet, dass es an den Feldern in Friedrichshafen keine getrennten Toiletten gebe. (…)  Das wollen georgische Frauen nicht länger hinnehmen – genauso wenig, wie die schlechten und unterbezahlten Knochenjobs. In Videos, die mittlerweile in Georgien kursieren, beschweren sie sich darüber, dass sie doppelt so viel arbeiten müssten, um den Lohn zu bekommen, der ihnen versprochen worden sei. Viele kehren vorfristig nach Georgien zurück und wehren sich von dort gegen „deutschen Menschenhandel und Sklavenarbeit“. Anders als die Arbeiter*innen aus Polen oder Rumänien, werden die Georgier*innen selbst aktiv. Sie greifen zu allen denkbaren Mitteln, um die Lage anzuprangern und dadurch vielleicht zu verbessern. (…) Dutzende georgische Erntehelfer*innen sind mittlerweile zurückgegangen. Sie erhalten Unterstützung vom Georgischen Gewerkschaftsbund (GTUC). Der GTUC will die georgische Regierung vor Gericht ziehen. Denn es war die georgische Staatsagentur für Arbeitsförderung, die die Verträge abgeschlossen hat. Darin ist ein Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde festgelegt. Allein das ist schon ein Verstoß gegen deutsches Recht, weil der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Juli 2021 auf 9,60 Euro erhöht wurde. Die Betroffen werden jedoch nach Gewicht der Ernte bezahlt: 3 Euro für 5 Kilogramm. Viele schaffen maximal 10 Kilogramm in einer Stunde. Irakli Petriashvili, Geschäftsführer des GTUC bringt den Unmut auf den Punkt. Sollte Georgien der EU beitreten, reiche es nicht, wenn die EU-Fahnen vor den Amtsgebäuden in Georgien flatterten. Es gehe um europäischen Standards. Doch auch in Deutschland selbst würden diese Standards missachtet und die Rechte der Arbeiter*innen verletzt. Doch auch in Deutschland selbst sind erste interessante emanzipatorische Entwicklungen zu beobachten. Eine georgischstämmige deutsche Staatsbürgerin in NRW nahm zehn Saisonarbeiter*innen bei sich zu Hause auf, bevor die Frauen in die Heimat zurückkehrten. Die Rechtsanwältin Tamila Gabaidze vertritt derzeit 21 Saisonarbeiter*innen in Tiflis vor Gericht. Das Ziel ist, dass ihre Mandant*innen den Lohn erhalten, der ihnen vertraglich zugesichert worden war. Dabei geht es in jedem einzelnen Fall immerhin um knapp über 1000 Euro. Diese Differenz müsse dann gegebenenfalls der georgische Staat bezahlen, findet Gabaidze...“ Beitrag von Dr. Tigran Petrosyan vom 9. Juli 2021 bei der Heinrich-Böll-Stiftung externer Link
  • Ausgenutzt, betrogen, weggeschickt – Saisonarbeit in der Ernte: Keine Krankenversicherung, kein Krankengeld, keine Lohnfortzahlung 
    „Samstag, der 27. März, in Bornheim, zwischen Köln und Bonn. (…) Doch am 20. März, einem Samstag, quetscht sich Marian bei der Arbeit den Daumen an einer Abfalltonne. Notdürftig versorgt ein Kollege die Verletzung. Erst am Montag, als sich die Wunde bereits entzündet hat, fährt ihn der Bauer zum Arzt. Der schickt ihn gleich weiter ins Krankenhaus, wo die Verletzung ambulant behandelt wird. Marian wird für einen Monat arbeitsunfähig geschrieben. Marian ist nicht krankenversichert. Weder in Rumänien, wo er sich mit Gelegenheitsjobs auf dem Bau durchschlägt, noch in Deutschland. (…) Lediglich in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht Versicherungspflicht. (…) Aber Marians Verletzung ist zweifellos ein Arbeitsunfall. So vermerkt es auch der untersuchende Arzt auf seinem Bericht. Damit ist klar: Die Berufsgenossenschaft ist zuständig. Doch nun passiert etwas Seltsames: Der Bauer will die Arztrechnung aus eigener Tasche zahlen. Und er hat es sehr eilig, den verletzten Marian so schnell wie möglich wieder nach Rumänien zu schicken. Der nächste Bus nach Rumänien fährt erst am Samstag. Bis dahin darf Marian in der Unterkunft bleiben. Von der Lohnfortzahlung, die ihm zusteht, solange sein Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist, sieht er keinen Cent. Im Gegenteil: Als er am Abreisetag seinen Lohn bekommt, fehlen 200 Euro. (…) Marian befürchtet, dass der Bauer ihm die Arztkosten so doch noch vom Lohn abgezogen hat und wendet sich an die Beratungsstelle von Faire Mobilität in Dortmund. Schnell ist ein Kontakt zur Gewerkschaft IG BAU hergestellt, der Marian beitritt, um seine Forderungen geltend machen zu können. Die zuständige Gewerkschaftssekretärin versucht zunächst herauszufinden, ob der Arbeitgeber Marian überhaupt bei der Berufsgenossenschaft angemeldet hatte. Dass der Landwirt die Arztrechnung sofort aus eigener Tasche zahlte, ist ungewöhnlich. Zufall? Der Anruf bei der Berufsgenossenschaft bringt keine Klarheit. Aus »Datenschutzgründen«, heißt es, könne man keinerlei Auskünfte geben. Die Gewerkschaft meldet den Fall der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, jener Einheit der Bundeszollverwaltung, deren Kernaufgabe es ist, Schwarzarbeit, Mindestlohnverstöße und illegale Beschäftigung zu verfolgen und zu verhindern. Ob die Behörde tätig wird, ist nicht zu erkennen, Nachfragen bleiben unbeantwortet…“ Aus dem Bericht der DGB-Initiative ‚Faire Mobilität‘ vom Juni 2021 externer Link
  • Friedrichshafen: Georgische Erntehelfer werden nach Missständen auf Erdbeerhof auf anderen Hof gebracht 
    Knapp drei Wochen, nachdem Missstände bei der Unterbringung von georgischen Erntehelfern auf einem Erdbeerhof in einem Ortsteil von Friedrichshafen bekannt wurden, sind die betroffenen Saisonarbeiter auf einen anderen Hof vermittelt worden. Das gaben Sprecher der katholischen Betriebsseelsorge Ravensburg und „mira“, einer Beratungsstelle für Arbeitsmigration, am Dienstag bekannt. Sie kümmerten sich nach eigenen Angaben um die Erntehelfer, nachdem diese bauliche und hygienische Mängel ihrer Container-Unterkünfte publik gemacht hatten. Hinzu kamen nach Angaben von „mira“ unter anderem Probleme bei der Entlohnung und bei der Krankenversicherung…“ Meldung vom 22.6.2021 beim SWR Aktuell externer Link, siehe zuvor und nun auch danach:

    • Am Bodensee haben sich Erntehelfer über unwürdige Wohn- und Arbeitsbedingungen beklagt. Nun durften sie den Hof wechseln. Doch ist das Grundproblem damit gelöst? 
      „… Der Landwirt, der die 24 Menschen beschäftigte, wies die Kritik an den Wohn- und Arbeitsbedingungen auf seinem Hof zurück. Inzwischen will er sich in den Medien nicht mehr zu der Sache äußern. Das Landratsamt hat die Unterkünfte kontrolliert und ihm eine Liste mit Mängeln vorgelegt, die er beseitigen muss. Ein Sprecher der Behörde äußert sich zuversichtlich, dass die Probleme beseitigt werden. „Es gibt eine ernsthafte Kooperationsbereitschaft“, sagt er. Etwa zwei Dutzend rumänische Saisonkräfte sind auf dem Erdbeerhof noch im Einsatz. Alles in Ordnung also? Nicht aus Sicht von Werner Langenbacher. Ihn hatte die Beratungsstelle Mira als Betriebsseelsorger zu dem Fall hinzugezogen. (…) „Wer sagt mir, dass der Hof die große Ausnahme ist?“, sagt Langenbacher. Er hat mehrere Betriebe in der Bodenseeregion besucht und gesehen, dass sich viele Landwirte große Mühe geben, ihren Saisonkräften auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie eine gute Unterkunft anzubieten – aber eben nicht alle. Margarete Brugger von der Beratungsstelle Mira hat die Erfahrung gemacht, dass Erntehelfer immer wieder vor ähnlichen Problemen stünden: Fehlende Krankenversicherungen und intransparente Abrechnungen, Unwissenheit, wie viel Lohn für Unterkunft und Verpflegung einbehalten werde. Oft seien sie nicht über ihre Rechte informiert. Es gebe keine zentrale Stelle, an die sie sich wenden könnten…“ Artikel „Erdbeeren und Elend“ von Claudia Henzler vom 27. Juni 2021 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
    • Vorwürfe von georgischen Saisonarbeitern: Behörde findet 30 Mängel auf Erdbeerhof bei Friedrichshafen
      Nach Vorwürfen von georgischen Saisonarbeitern über Missstände auf einem Hof bei Friedrichshafen hat das Landratsamt des Bodenseekreises insgesamt 30 Mängel festgestellt. Der Landwirt muss jetzt nachbessern. Verbessert werden müssten unter anderem die Sanitärräume, die Fußböden und Fluchtwege sowie der Brandschutz, so das Landratsamt. Ein entsprechendes Schreiben sei vergangene Woche an den Landwirt rausgegangen. Er habe nun bis Ende kommender Woche Zeit, nachzubessern und dies schriftlich zu belegen. Sollte er das nicht tun, drohten Konsequenzen – von einem Bußgeld bis hin zur Schließung des Hofes. Anfang des Monats waren die Missstände bei der Unterbringung auf dem Hof bekannt geworden. Auf einem Privatvideo von georgischen Saisonarbeitern waren beispielsweise Container-Unterkünfte mit wenig Platz zu sehen und zugemauerte Fenster. Auch georgische Medien hatten berichtet.“ Meldung und Video vom 16.6.2021 beim SWR Aktuell externer Link
  • Für faire Arbeitsbedingungen auf Feldern in Deutschland! Hintergrundinformation zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft 
    Broschüre „Für faire Arbeitsbedingungen auf Feldern in Deutschland!“ von DGB, IG BAU und Faire Mobilität steht unter https://www.faire-mobilitaet.de/landwirtschaft externer Link  zum Download bereit. Die Hintergrundinformation zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft beleuchtet die aktuellen Arbeits- und Lebensbedingungen von Erntearbeiter*innen in der Corona-Pandemie. U.a. mit einem Beitrag von Anja Piel, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB, einem Interview mit Harald Schaum, stellv. Bundesvorsitzender der IG BAU und Beispielen aus der Beratungsarbeit von Faire Mobilität.
  • [Rumänischer Arbeiter auf einem Hof nahe Bonn] Unversichert, verletzt, vor die Tür gesetzt
    Die Bundesregierung setzt auf „freiwillige Krankenversicherung” durch die Arbeitgeber für ausländische Saisonarbeitskräfte. Wie wenig Verlass darauf ist, zeigt der Fall eines rumänischen Arbeiters auf einem Hof nahe Bonn. Nach einem Arbeitsunfall wandte sich der Mann an die DGB Beratungsstelle Faire Mobilität. Er hatte ab Ende Februar 2021 auf einem Bauernhof in Bornheim Kartoffeln sortiert und später bei der Spargelernte geholfen. Dorthin geführt hatte ihn die Aussicht auf den deutschen Mindestlohn, von dem ihm dann allerdings 220 Euro monatlich für die Unterkunft und 180 Euro für den Transport aus Rumänien abgezogen wurden. Nach einem Monat hatte er einen Arbeitsunfall, ein Finger wurde schwer verletzt. Statt ihn sofort zum Arzt zu bringen, verband der Bauer den Finger. Nach drei Tagen war die Wunde entzündet, der Mann kam ins Krankenhaus, war 4 Wochen arbeitsunfähig. Der Bauer wollte ihn deshalb nicht mehr beschäftigen. Nur auf Intervention des Arztes durfte er noch ein paar Tage auf dem Bauernhof bleiben, so dass der Arzt die Verletzung weiter behandeln konnte. (…) Es stellte sich heraus, dass der Mitarbeiter nicht angemeldet und somit auch nicht unfallversichert war – ein klarer Gesetzesverstoß. In seinem Arbeitsvertrag hatte er wahrheitsgemäß angegeben, dass er auch in Rumänien nicht krankenversichert ist – schließlich verdient er dort als Tischler nur 300 Euro. „Der Landwirt sagte uns, er würde die Rechnung der Behandlung aus seiner Tasche bezahlen und Lohnfortzahlung leisten. Das tat er dann aber nicht”…“ Meldung von Faire Mobilität externer Link aus dem aus Forum Migration von Juni 2021 externer Link
  • Schwere Vorwürfe wegen Unterbringung: Missstände bei Erntehelfern auf dem Erdbeerhof in Friedrichshafen
    „Georgische Erntehelfer beklagen sich über schlechte Unterbringung und zu wenig Lohn. Sie arbeiten auf einem Erdbeerhof in Friedrichshafen. Georgische Medien berichten über entsprechende Videos. Auch das Landratsamt hat den Hof kontrolliert. Private Videoaufnahmen zeigen die Unterkunft, in der die Saisonarbeiter auf dem Hof in Friedrichshafen wohnen. Die alten, oliv-grünen Container, die auf den Aufnahmen zu sehen sind, wirken deutlich heruntergekommen. „Das sind hier keine normalen Bedingungen“, beschwert sich einer der Saisonarbeiter, der anonym bleiben will gegenüber dem SWR. (…) Wie in den Videos zu sehen, sind die Fenster zugemauert, Raumtüren lassen sich teils nicht schließen, weil das Schloss herausgebrochen ist. Quer durch den Gang liegen Kabel. Teilweise sieht es feucht und dreckig aus. In manchen der kleinen Räume stehen vier oder fünf schmale, sehr einfache Metallbetten mit dünnen Matratzen. Corona-Abstand lasse sich dort nicht einhalten, klagen die Saisonarbeiter. Die 24 georgischen Arbeitskräfte müssten sich zwei Duschen teilen, so ein Saisonarbeiter. (…) Ein weiterer Vorwurf: Die Arbeitsbedingungen auf dem Erdbeerhof. Die Erntehelfer hätten nur ihre eigenen Halbschuhe, müssten teils stundenlang im knöcheltiefen Wasser auf dem Feld stehen. Gummistiefel gebe es nicht, sagt ein Saisonarbeiter. Im Vertrag ist außerdem ein Lohn von 9,35 Euro pro Stunde vereinbart. „Wir bekommen aber viel weniger“, so der Erntehelfer. Er spricht von etwa der Hälfte an Lohn…“ Beitrag von Philipp Raillon vom 2. Juni 2021 beim SWR externer Link
  • Corona und Saisonarbeitende: Arbeit, die krank macht
    Mitten im Infektionsherd – und völlig ungeschützt: Das ist auch in der laufenden Erntesaison die Realität vieler ausländischer Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Ein extremer Fall im Landkreis Diepholz zeigt nun, wie sehr Behörden und Agrarindustrie für billigen Spargel auf Entrechtung der Beschäftigten setzen. Die Bevölkerung sollten sie nicht anstecken, bei den eigenen Kolleg_innen war es augenscheinlich egal…“ Einleitung zur Sonderausgabe im Forum Migration vom Juni 2021 externer Link, siehe daraus auch:

    • Unversichert, verletzt, vor die Tür gesetzt
      Die Bundesregierung setzt auf „freiwillige Krankenversicherung” durch die Arbeitgeber für ausländische Saisonarbeitskräfte. Wie wenig Verlass darauf ist, zeigt der Fall eines rumänischen Arbeiters auf einem Hof nahe Bonn…“ Beitrag aus aus Forum Migration vom Juni 2021 externer Link
  • Schlupfloch für Lohndumping: Viele Erntehelfer aus Osteuropa sind nicht sozialversichert. Juristen sehen darin einen Rechtsbruch. Dennoch lässt es die Deutsche Rentenversicherung zu 
    „Viele ErntehelferInnen aus Osteuropa etwa auf Spargelhöfen sind illegalerweise nicht sozialversichert. Doch die deutschen Sozialversicherungsträger tolerieren diesen Gesetzesverstoß. Dazu schlossen die gesetzlichen Rentenversicherer, die Krankenkassen und die Bundesagentur für Arbeit bereits 1998 eine bisher in der Öffentlichkeit kaum bekannte Vereinbarung. Mit ihr entbanden sie sich von der Pflicht, beispielsweise bei als Hausfrauen registrierten Saisonkräften zu überprüfen, ob die Tätigkeit in Deutschland nur nebenbei oder doch berufsmäßig ausgeübt wird. In letzterem Fall müssten die Beschäftigten laut Sozialgesetzbuch versichert werden. Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Sozialrecht an der Universität Hannover, sagte dazu der taz: „Es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob nicht doch eine berufsmäßige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt. Das wird in der Praxis oft nicht gemacht. Das ist ein Rechtsbruch.“ Harald Schaum, Vizechef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), spricht von „Betrug und Missbrauch, der dazu führt, dass etwa bei einer Corona-Erkrankung die Arbeitnehmer mitunter die Behandlung selbst bezahlen müssen“. Die ArbeitnehmerInnen erwerben auch keine Rentenansprüche. Dabei bekommen sie meist nur den gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro die Stunde – oft minus Abzüge für Unterkunft und Verpflegung. Zudem gehen der deutschen Sozialversicherung Beiträge verloren. (…) Doch die Betriebsprüfer der zuständigen Rentenversicherer kontrollieren oft noch nicht einmal, wie viel die Betroffenen in ihrer Heimat verdienen. Denn die Sozialversicherungsträger entschieden in ihrer Vereinbarung pauschal: „Keine Berufsmäßigkeit liegt insbesondere bei Beschäftigungen von Schülern, Studenten, Hausfrauen, Selbstständigen oder während eines bezahlten Erholungsurlaubs vor. Dies gilt unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Heimatland“. (…) Der Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hat dem vor Kurzem in der Neuen Zeitschrift für Sozialrecht widersprochen: Die Frage nach der Berufsmäßigkeit, schrieb der Richter dort, lasse sich nur beantworten, indem man den Einzelfall und die „gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Person“ beurteile. Die Rentenversicherung räumte auf Nachfrage der taz ein, dass die Sozialversicherer die Regel zu den Hausfrauen ohne ein konkretes Gesetz oder Urteil festgelegt hätten. Die Vereinbarung erwähnt ausdrücklich, der Deutsche Bauernverband habe sich dafür eingesetzt, dass die Betriebsprüfer in der Regel einfach der Angabe „Hausfrau“ oder „Hausmann“ auf den Fragebögen glauben, die die Arbeiter auf den Höfen ausfüllen müssen. Das Formular verlangt noch nicht einmal einen Nachweis dafür, dass diese Behauptung stimmt. Die Betroffenen werden automatisch als Erntehelfer ohne Versicherungspflicht eingestuft…“ Artikel von Jost Maurin vom 28. Mai 2021 in der taz online externer Link
  • Georgischer Erntehelfer flieht: Pflücken wie die Weltmeister
    Zum ersten Mal arbeiten Saisonarbeiter*innen aus Georgien auf deutschen Feldern. Doch es gibt Protest gegen die Arbeitsbedingungen. Es ist eine Premiere: Zum ersten Mal arbeiten auch aus der Südkaukasusrepublik Georgien Saisonarbeiter*innen auf ­deutschen Feldern. Denn offenbar ist diese Tätigkeit für immer weniger Erntehelfer*innen aus Polen und Rumänien attraktiv. Dafür ist der Knochenjob jedoch für Zehntausende in der ehemaligen Sowjetrepublik verführerisch. Zumindest bis vor einer Woche war das noch so. Doch dann ergriff ein Georgier, der auf einem Erdbeerfeld in Friedrichshafen geschuftet hatte, kurzerhand die Flucht. Jemal Chachanize ist mutig. Der 30-Jährige berichtete in einem Video über die schwierigen Arbeitsbedingungen, filmte andere Arbeiter*innen, vor allem auch seine Landsleute, in Containern und auf dem Feld. Dann schickte er die Filme georgischen Medien. In dem Video beschweren sich die Arbeiter*innen, vor allem Frauen, dass sie doppelt so viel arbeiten müssten, um zu dem Geld zu kommen, das ihnen versprochen worden sei. Sie zeigen regennasse Wände, von Schlägen durchlöcherte Türen und zerstörte Decken ihrer Wohncontainer. Die Berichte von Chachanize haben in seiner Heimat große Empörung in den sozialen Medien ausgelöst. Tausende georgische User*innen schrieben Kommentare, wie: „Was die Deutschen machen, ist Menschenhandel.“ „Georgien ist eine stolze Nation, doch die Deutschen haben uns zur Sklaverei gezwungen.“ (…) Etwa eine Woche hat es Chachanize auf dem Erdbeerfeld ausgehalten. „Ich bin in einer Notsituation. Ich habe keinen Job, kein Geld und pendle von einer Stadt zur nächsten“, sagt er im Gespräch mit der taz. Er versuche, Hilfe von der Georgischen Vertretung in Deutschland zu bekommen, doch die habe ihn unter Druck gesetzt, weil er vertragsbrüchig geworden sei…“ Artikel von Tigran Petrosyan vom 25.5.2021 in der taz online externer Link
  • Nach Corona-Ausbruch auf Spargelhof: DGB fordert Schutz für Erntehelfer
    „… Nach dem massiven Corona-Ausbruch auf einem niedersächsischen Spargelhof fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mehr Schutz für Erntehelfer. „Die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen nach der Infektionswelle in Niedersachsen Lösungen entwickeln, um die Beschäftigten noch in dieser Saison besser zu schützen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der taz. Arbeitgeber und Behörden dürften das Problem nicht durch die sogenannte „Arbeitsquarantäne“ lösen. Auf dem großen Spargel- und Beerenbetrieb Thiermann in Kirchdorf durften nach einem Corona-Ausbruch Anfang Mai etwa 1.000 Beschäftigte beispielsweise aus Polen ihre Unterkünfte nur verlassen, um zu arbeiten. „Wer unter Quarantäne gestellt wird, muss die Chance haben, sich zu isolieren, und darf nicht zur Arbeit verpflichtet werden“, verlangte Piel. „Es ist ein Unding, wenn Menschen unter behördlicher Quarantäne nicht nach dem Infektionsschutzgesetz entschädigt werden, stattdessen arbeiten müssen und dabei keine Möglichkeit haben, sich selbst zu versorgen.“ Arbeitsquarantäne sei auch keine akzeptable Maßnahme für den Infektionsschutz „und muss ein Ende haben“. Sie könne „angesichts der Zustände von Sammelunterkünften, der Enge bei Gemeinschaftstransporten und den fehlenden Abständen bei der Arbeit“ Infektionsketten kaum unterbrechen, ergänzte die Gewerkschafterin. „Die Behörden nehmen mit dieser Praxis zudem tiefe Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen vor, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gibt.“…“ Artikel von Jost Maurin vom 25. Mai 2021 in der taz online externer Link
  • Erntehelfer in Deutschland Kein Schutz, keine Versicherung?
    Derzeit arbeiten wieder Hunderttausende Saisonarbeiter auf deutschen Feldern. Die Corona-Schutzmaßnahmen werden teils nicht eingehalten. Und: Viele arbeiten ohne Krankenversicherung. Spargel ernten, Salat pflanzen oder Rhabarber schneiden: Hunderttausende Saisonkräfte sind dieses Frühjahr wieder in der deutschen Landwirtschaft unterwegs. Sie dürfen in diesem Jahr 102 Tage ohne Sozialversicherung arbeiten. Auf so viele Tage hat der Bundestag die Versicherungsbefreiung Mitte April mit Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD ausgeweitet. Vorher galt die Versicherungsfreiheit für 70 Arbeitstage. Die Verlängerung sei nötig, um die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln sicherzustellen, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. „Andererseits wird durch die geringere Personalfluktuation das Infektionsrisiko verringert“, so eine Ministeriumssprecherin. Grüne und Linke kritisieren das. Sie fordern statt verlängerter Ausnahme eine komplette Abschaffung der Sozialversicherungsbefreiung. Derzeit sind viele Saisonarbeiter nur verpflichtend unfallversichert. Kranken- und Rentenversicherungspflicht besteht nicht. Die Gewerkschaft IG BAU und das gewerkschaftsnahe Beratungsprojekt Faire Mobilität kritisieren die Bedingungen scharf. Sie fordern insbesondere eine Krankenversicherungspflicht. „Ich finde das inakzeptabel, gerade in Pandemiezeiten“, sagt Oskar Brabanski von der Fairen Mobilität in Nürnberg. Bemerkenswert: Zumindest einfache Krankenversicherungen gibt es schon für weniger als 50 Cent pro Tag und Arbeiter. „Diese Versicherungen reichen aber nicht aus. Da ist fast alles ausgeschlossen“, sagt Reinhard Steffen von der IG BAU NRW. Es ist ohnehin unklar, wie viele Landwirte diese Versicherungen überhaupt abschließen. Der Bauernverband geht von einer hohen Quote aus. Gewerkschaftsvertreter Steffen hat einen anderen Eindruck – und das legen auch Stichproben des WDR nahe…“ Beitrag von Philip Raillon, Dirk Bitzer und Traian Danciu vom 13.05.2021 bei tagesschau.de externer Link
  • Der Superlativ des Gemüses: Eine Polemik über helle Stangen und ihre finsteren Erntebedingungen
    „SPARGEL! Jedes Frühjahr aufs Neue schlagen sich abenteuerlustige Lokaljournalist*innen durch die Äcker in Baden, Franken, im Münsterland oder Beelitz, um eine*n echte*n Spargelbäuerin*bauern dabei zu fotografieren, wie sie*er bemüht in braunen Dämmen wühlt und den ersten Spargelstich prophezeit. Und prompt schlagen die Kartoffelherzen in der Republik höher. Ein Glück, soll der kahle Stängel laut „ältestem chinesischen Heilpflanzenbuch“ (wikipedia.org) doch gegen Herzklopfen helfen. Aber was sucht die preußische Superstange eigentlich in einem antiken, fernöstlichen Medizinbuch? Hat der Deutschen liebstes Gemüse etwa Migrationshintergrund? Diejenigen, die sich jedes Jahr auf „unseren“ Spargelfeldern abschuften, jedenfalls schon. Es wird Zeit an dem butterigen Glanzlack des deutschen Gemüseschlagers zu kratzen und die Arbeitsbedingungen von Saisonarbeiter*innen in Sachsen-Anhalt unter die Lupe zu nehmen. (…) Wie viel deutscher Edelschweiß dann wirklich im Edelweiß steckt, verrät uns ein Kostenrechner des Landwirtschaftsministeriums Sachsen: „Arbeitszeitbedarf eigen: 148,0 AKh/ha; Arbeitszeitbedarf Saisonarbeit: 1.144,0 AKh/ha“. Da ist es nicht überraschend, dass jedes Jahr ca. 300.000 Saisonarbeiter*innen in die Republik pilgern müssen, um „deutsches“ Gemüse und Obst zu produzieren. Leider erfahren die aber nicht so viel Wertschätzung, wie die Kaisersproßen selbst, geschweige denn, wie heimische Pickelhauben, die im Frühjahr 2020 in den hiesigen Spargelgräben stationiert wurden, nach dem sie aus ihren Mindestlohnjobs in Kurzarbeit geschickt wurden. (…)Die Bundesregierung tut also weiterhin ihr Bestes um deutsche Äcker arbeitsrechtsfrei zu halten. Die Auswirkungen dieser Politik zeigen sich auch dieses Jahr schon: Aktuell macht der Spargelbetrieb Thiermann im Niedersächsischen Kirchdorf mit einem massiven COVID19-Ausbruch Schlagzeilen. Die über 1000 betroffenen Arbeiter*innen wurden in Arbeitsquarantäne gesteckt und werden rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst bewacht. Außerdem dürfen Ehepaare sich nicht sehen (weil Geschlechtertrennung ja notwendig ist während der Pandemie), die Gesundheitsversorgung der Erkrankten ist unklar, und Leute, die widerständig trotzdem einkaufen gehen, werden von der Lokalbevölkerung denunziert. Lass schmecken Deutschland, du #MiesesStückSpargel!“ Glosse von Tobias Seitz vom 14. Mai 2021 beim Transit-Debattenmagazin externer Link
  • [DGB] Erntearbeit: Jetzt sind die Länder am Zug
    Heute befasste sich der Bundesrat mit der sogenannten „102-Tage-Regelung“, nach der Saisonarbeitskräfte vier Monate anstelle von 50 und zuletzt 70 Tagen ohne Sozialversicherung in Deutschland Erntearbeit leisten können. Dazu sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Mit dem Bundesrat heute ist es offiziell: Landwirtschaftsministerin Klöckner hat durchgesetzt, dass auch in diesem Jahr Menschen aus Osteuropa auf deutschen Feldern ohne Kranken- und Rentenversicherung und ohne ausreichenden Infektionsschutz für vier Monate ausgebeutet werden dürfen. In Niedersachsen ist Diepholz als erster Landkreis wegen galoppierender Corona-Infektionen unter den Saisonarbeitskräften wieder im Lockdown. Es ist zu befürchten, dass weitere Regionen folgen. Verantwortlich dafür sind nicht die Arbeiterinnen und Arbeiter, die den Knochenjob in der Landwirtschaft machen müssen, damit wir unseren Spargel und unsere Erdbeeren bekommen. Verantwortlich ist die Ministerin Klöckner: Ihr Kniefall vor der Agrarwirtschaft gefährdet die Gesundheit der Saisonarbeitskräfte. Als Notmaßnahme muss jetzt die Arbeitsschutzverordnung von der Bundesregierung so angepasst werden, dass die Beschäftigten in der Erntehilfe verpflichtend einzeln untergebracht werden müssen. Die derzeit geltenden butterweichen Regelungen reichen offenbar nicht aus. Die Länder, die der Gesetzesänderung nicht entgegengetreten sind, müssen nun zumindest mit ihren Arbeitsschutzbehörden aktiv werden. Hygiene- und Arbeitsschutzmaßnahmen in Betrieben und vor allem in den Unterkünften müssen ausreichend kontrolliert werden. Außerdem sollten sie prüfen, ob sie den Saisonarbeitskräften ein zügiges Impfangebot machen können – Beschäftigte in der Ernährungswirtschaft haben erhöhte Priorität…“ DGB-Pressemitteilung vom 07.05.2021 externer Link
  • Spargelernte: Infektionsherde erster Güte
    Im Schnitt arbeiten rund 280.000 Erntehelfer_innen im Jahr in Deutschland. Unter anderem stechen sie Spargel, ernten Erdbeeren und Gurken und übernehmen die Weinlese. Auch in diesem Jahr werden viele von ihnen aus dem Ausland anreisen – und ein Teil sich mit Covid-19 infizieren. Auf Druck der Landwirtschaftsverbände und des Landwirtschaftsministeriums hat sich die Bundesregierung auch dieses Jahr auf eine Ausweitung der 70 Tage-Regelung für Erntehelfer_innen eingelassen. Im Omnibusverfahren mit dem Seefischereigesetz hat der Bundestags der Ausweitung der sozialversicherungsfreien Zeit für Beschäftigte in der Saisonarbeit von 70 auf 102 Tage zugestimmt. Saisonbeschäftigte arbeiten nun mitten in der Corona-Pandemie für Monate ohne Kranken- und Sozialversicherung. (…) „8 Stunden Schlaf ohne Maske im Mehrbettzimmer und ein Gemeinschaftsraum für Viele – wenns Einer hat, bekommen es fast alle. Und dann andere Menschen”, heißt es dazu in einer Petition an den Bundestag. Die kritisiert, dass Landwirte nicht verpflichtet wurden, die Saisonbeschäftigten in Einzelzimmern unterzubringen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft empfehle lediglich, dies „anzustreben”. Bundesländer schreiben von „soll möglichst“ – beides sei für örtliche Behörden nicht durchsetzbar. Die IG BAU kritisiert derweil, dass Erntehelfer_innen – etwa aus Georgien – die Reisekosten nach Deutschland selber tragen müssen. Vielfach bekämen sie lediglich den Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro die Stunde, von dem noch Abzüge gemacht werden…“ Beitrag beim DGB-Bildungswerk externer Link aus Forum Migration Mai 2021 externer Link mit weiterführenden Informationen
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  • Mangelhafte Schutzmaßnahmen für Erntehelfer
    „Wie läuft die Feldarbeit im zweiten Coronajahr? Dieser Frage wollen wir nachgehen und begleiten den rumänischen Journalisten Traian Danciu bei Bonn. In einem Rharbarberbetrieb. Wir sind überrascht, denn hier trägt niemand eine Maske. Selbst, wenn alle frisch negativ getestet wären, wäre das nur mit Mindestabstand erlaubt. Aber das klappt hier nicht immer. (…) Ob die Testpflicht auf den Höfen kontrolliert wird, können wir nicht überprüfen. Und bei der Einreise? Wir wagen ein Experiment. Reporter Traian gibt sich als Erntehelfer aus und ruft verschiedene rumänischen Transportunternehmen an. Insgesamt kontaktiert er zehn Firmen. Alle würden ihn mitnehmen und keine verlangt einen negativen Corona-Test. Wir wären also ohne Coronatest nach Deutschland gekommen. Darüberhinaus verrät uns ein Informant, dass es nur selten Kontrollen an der deutschen Grenze gebe. (…) Der gebürtige Rumäne Eduard Harnisch ist beim Verein Integro in Nürnberg engagiert. Eigentlich ein Integrationsverein. Doch mittlerweile kümmern er und andere Vereine in ganz Deutschland sich vor allem um Saisonarbeiter – so drängend sei deren Not. (…) Ein Leben unter unwürdigen Bedingungen und ohne Rechte – dem hat Gewerkschafter Oskar Brabanski auf politischer Ebene den Kampf angesagt. Für das Projekt „Faire Mobilität“ berät er in Nürnberg Saisonarbeiter. Probleme entstünden oft, weil die meisten nicht versichert seien. Für ihn ist inakzeptabel, dass in Deutschland Menschen eine sehr lange Zeit arbeiten, ohne krankenversichert zu sein. (…) Denn für Saisonarbeit gilt nur die Unfall-, sonst aber keine Sozialversicherungspflicht. Das erlaubt eine seit Jahren ausgeweitete Sonderregelung. Bis 2014 galt diese Sonderregel für 50 Tage, wurde dann auf 70 Tage erweitert und wegen Corona 2020 erneut verlängert auf 115 Tage. In diesem Jahr sind es 102 Tage. (…) Als Brabanski noch für die Petition wirbt, beschließt der Bundestag vergangenen Donnerstag (21.04.2021) spät abends diese 102-Tage-Regelung. Aber immer noch keine Versicherungspflicht. Im Klartext: Mehr Arbeit – Ja. Mehr Rechte – Nein…“ Bericht von Dirk Bitzer und Philip Raillon vom 28. April 2021 externer Link bei plusminus (Videolänge: 9:36 Min., in der ARD-Mediathek verfügbar bis zum 28. April 2022)
  • Soll der deutsche Spargel jetzt zu Fischstäbchen verarbeitet werden? Was die Änderung des Seefischereigesetzes damit zu tun hat, günstige Erntehelfer noch günstiger importieren zu können 
    „… Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung konnte unter der Überschrift Bundeslandwirtschaftsministerin erreicht Ausweitung der kurzfristigen Beschäftigung externer Link den Landwirten die Erfolgsmeldung kabeln: »Von März bis Ende Oktober 2021 können landwirtschaftliche Betriebe ihre ausländischen Saisonarbeitskräfte 102 statt 70 Tage (bzw. vier statt drei Monate) sozialversicherungsfrei beschäftigen.« (…) Dass die Betriebe für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz der versicherungsfrei beschäftigten Saisonkräfte durch private Erntehelferversicherungen sorgen, wie die Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen Arbeitgeberverbände argumentiert, ist aber nur – aufgepasst – eine Empfehlung, der nicht alle folgen und oft deckt die private Versicherung auch nicht alles ab. So werden gerade die Kosten durch eine mögliche Corona-Infektion und eine damit verbundene Behandlung von vornherein in vielen Verträgen ausgeschlossen. (…) Man stand nun wie bereits erwähnt vor der Aufgabe, die Erweiterung der Frist möglichst schnell durch das Parlament zu schleusen. Wenn man eine gesetzliche Regelung schnell umsetzen will bzw. muss, dann bedient man sich einer dafür vorgesehenen Gesetzgebungstechnik: Man baut die Änderung in ein ganz anderes Gesetz ein, das gerade vor der Verabschiedung steht. Das wird dann als „Omnibusverfahren“ bezeichnet. Das spart Zeit und im Idealfall auch die öffentliche Debatte. Meist werden Gesetze mit dem Omnibusverfahren durchgedrückt, wenn die Zeit knapp wird und man größere Gesetzesänderungspakete nicht mehr in Einzelgesetze aufschnüren will. Auf diese Art und Weise können auch Gesetzesänderungen durchgeführt werden, welche in einer Einzelentscheidung durchfallen würden, im Paket aber angenommen werden, damit das Paket an Entscheidungen „durchkommt“. Also hat man gesucht und das „Seefischereigesetz“ gefunden – die dort geplanten und schon weit vorangeschrittenen Änderungen fungieren als Omnibus für die Erntehelfer-Regelung. (…) Das ursprünglich nur auf das Seefischereigesetz bezogenen Gesetz wurde zwischenzeitlich um einen weiteren Artikel ergänzt – und der ist so überschrieben: „Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch“. Das SGB IV hat nun wirklich nichts auf hoher See zu suchen. Genau hier findet man die 102-Tage-Erweiterung die Erntehelfer betreffend „versteckt“: »Vom 1. März 2021 bis einschließlich 31. Oktober 2021 gilt § 8 Absatz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens vier Monate oder 102 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt.« Auch die Regelung, dass die Meldepflicht irgendeinen Krankenversicherungsschutz betreffend erst ab dem kommenden Jahr gelten wird, was seitens der Ministerin Klöckner vertuscht werden sollte, findet man nun in dem, was mittlerweile auch beschlossen wurde, dokumentiert. (…) Man muss aber abschließend darauf hinweisen, dass das alles nicht nur die Saisonarbeiter auf den deutschen Feldern betrifft. Dazu ein Blick in diese Mitteilung des DGB Nordrhein-Westfalen vom 22.04.2021: Saisonstart im Corona Jahr: DGB fordert Schutz für Erntehelferinnen und Erntehelfer externer Link. Dort finden wir diese Hinweise: »Die Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung auf 102 Tage für das Jahr 2021 betrifft aber nicht nur die Landwirtschaft. Im Juni 2020 gab es in NRW insgesamt fast 40.000 Saisonbeschäftigte; neben der Landwirtschaft meist im Bereich der Lagerwirtschaft, Post und Zustellung und in der Gastronomie, die nach dieser Regelung monatelang sozialversicherungsfrei gearbeitet haben – und das zusätzlich zu der Vielzahl an 450-Euro Jobs in diesen Bereichen. Auch hier kommt der Großteil der Beschäftigten aus osteuropäischen EU-Ländern.«...“ Beitrag vom 24. April 2021 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Versteckspiel aufgeflogen: Saisonarbeitskräfte: Kabinett drückt abgabenfreie Billiglöhnerei durch
    Der Passus liegt versteckt: im Gesetzentwurf zur Novelle des Seefischereigesetzes. Demnach wird die sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigung für dieses Jahr ausgeweitet, sie soll von 70 auf 102 Arbeitstage aufgestockt werden oder längstens vier Monate gelten dürfen. Es ist ein typisches »Omnibusgesetz«. Das heißt? In einem Entwurf (dem »Omnibus«) mit Änderungsanträgen werden unterschiedliche Sachverhalte (»Passagiere«) miteinander verflochten. So können Gesetzesänderungen bisweilen ohne Parlamentsdebatte durchgedrückt werden, welche bei einer Einzelabstimmung durchfallen könnten. Debattiert wurde, weil die Fraktion Die Linke im Bundestag es beantragte. Die Plenarsitzung fand am Donnerstag statt, spät abends, wenn Werktätige längst in der Koje liegen – und nach jW-Redaktionsschluss. Zweifel gab es im Vorfeld nicht, dass die Abgeordneten der »schwarz-roten« Koalition die Novellierung beschließen werden. (…) Es gibt einen Verdacht. Hinter der Zustimmung der SPD-Minister im Bundeskabinett zur Novelle des Seefischereigesetzes könnte ein »Koppelgeschäft« stehen. Das mutmaßen Autoren in einem Beitrag vom 18. April auf dem landwirtschaftspolitischen Onlineportal Proplanta – und spielen es durch: Die Unionsfraktion blockiert nicht mehr das »Betriebsrätemodernisierungsgesetz« von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die SPD im Gegenzug nicht mehr das Vorhaben der prekären Billiglöhnerei von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU). Das Indiz: Beides wurde am 31. März am Kabinettstisch beschlossen…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 23.04.2021 externer Link – siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 19/26840 – Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes externer Link
  • Bundesagentur für Arbeit wirbt Erntehelfer aus Georgien an: Staatlich subventioniertes Lohndumping auf Kosten der Beitragszahler
    Anlässlich unserer Berichterstattung zum Einsatz von Erntehelfer:innen, die in Deutschland ohne Krankenversicherung arbeiten, ließ uns am 26.03.2021 eine Tagesschau-Meldung externer Link aufhorchen . Darin heißt es, dass Polen jetzt als Vorarbeiter eingesetzt werden und sich unter Rumäninnen und Rumänen die lausigen Arbeitsbedingungen in Deutschland herumgesprochen haben. Immer weniger von ihnen möchten diesen Knochenjob für einen Stundenlohn von 9,50 Euro machen. Die Lösung: Der „Fachkräftemangel“ wird von der Bundesagentur für Arbeit behoben. Sie beschafft für die deutschen Landwirte billigen Nachschub aus Georgien (…) Wir fragten bei der Bundesagentur für Arbeit nach: kann es sein, dass die in Deutschland sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Beschaffung von Erntehelfer:innen für die Landwirte bezahlen? Obwohl Arbeitsrechts-Aktivisten erzürnt kritisieren, dass eben jene Erntehelfer:innen bis zu 102 Arbeitstag ohne Sozialversicherungsschutz arbeiten sollen und das Landwirtschaftsministerium und die Landwirtschaftsverbände das auch noch schamlos bejubeln? Die Kurzantwort lautet: ja. Dies sind die, nur geringfügig gekürzten, Antworten der Bundesagentur für Arbeit. (…) Heute soll die Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung auf 102 Tage durch den Bundestag gebracht werden. Dabei bedient sich die Regierung eines Tricks. Vielleicht um weitere Aufmerksamkeit zu vermeiden aber vermutlich auch, weil es schnell gehen soll, wird das neue Gesetz in einem Omnibusverfahren bei der Novelle des Seefischereigesetzes durchgeschmuggelt. Der Punkt steht am Donnerstag, dem 22.04.2021, um 21.50 Uhr auf der Tagesordnung des Bundestags…“ Meldung vom 22. April 2021 von und bei Arbeitsunrecht externer Link
  • Saisonarbeit bei Ernte: Beispiellose Aushöhlung des Sozialstaates. Unhaltbare Zustände, schlechte Unterkünfte, hohes Infektonsrisiko für ErntehelferInnen
    Saisonbeschäftigte arbeiten mitten in der Corona-Pandemie für Monate ohne Kranken- und Sozialversicherung. Ein weiteres Jahr mit unhaltbaren Zuständen, schlechten Unterkünften und hohem Corona-Infektionsrisiko für ErntehelferInnen steht uns bevor. Es ist ein sozialpolitisches Desaster, dass wir diese Debatte jedes Jahr neu führen und die Bundesregierung jedes Jahr wieder vor der Landwirtschaftslobby einknickt, meint Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied…“ DGB-Meldung vom 22.04.2021 externer Link
  • Online-Petition: Einzelzimmer und Sozialversicherungspflicht für Saisonkräfte
    Das Bundeskabinett hat beschlossen, dass Saisonbeschäftigte dieses Jahr nicht sozialversichert werden, wenn sie bis zu 102 Tage arbeiten. Damit sind sie im Coronajahr 2021 nicht krankenversichert. Einige Landwirte versichern sie gar nicht und streichen 20 Prozent Lohnkostenvorteile ein, andere versichern sie oft so, dass fast nichts abdeckt ist. Eine Meldepflicht über das Bestehen einer Krankenversicherung soll erst 2022 kommen…“ Petition der IG BAU vom 21.4.21 externer Link
  • Hauptsache, dem Spargel geht es gut. Für Erntehelfer*innen gibt es nur Mindestlohn und kaum Arbeitsschutz
    Die Spargelernte beginnt – und mit ihr kommt eine der übelsten Ausbeutungsmaschinerien der Republik ins Rollen: die saisonale Landwirtschaft. Rund eine Viertelmillion Menschen, überwiegend aus Osteuropa, arbeiten von März bis Oktober auf deutschen Feldern, um die »Ernährungssicherheit« der Republik zu gewährleisten. Vom Spargelstechen übers Erbeerenpflücken bis zur Weinlese – die Arbeit in der Ernte ist ein Knochenjob. Dennoch wird dafür praktisch überall nur der gesetzliche Mindestlohn gezahlt – in diesem Jahr 9,50 Euro. Leute, die das als skandalös niedrig empfinden, hört man in der öffentlichen Diskussion eher selten. (…) Überhaupt wird viel politischer Aufwand betrieben, das Sozial- und Arbeitsrecht für Agrarier weitgehend außer Kraft zu setzen. Sozialversicherungspflicht? Fehlanzeige! Die meisten Saisonkräfte gelten als »kurzfristig Beschäftigte« und müssen deshalb nicht versichert werden. Jedenfalls sofern sie das in ihren Heimatländern sind, was aber hierzulande niemand ernsthaft kontrolliert und wovon in der Praxis recht großzügig »ausgegangen« wird. In der Theorie ist die »kurzfristige Beschäftigung« nämlich keine berufliche Tätigkeit, sondern ein Neben- oder Ferienjob…“ Artikel von Jörn Boewe im ak 670 vom 20. April 2021 externer Link
  • Klöckner führt Medien in die Irre: Die CDU-Politikerin suggeriert, dass in der Coronawelle eine Krankenversicherung für die Arbeiter garantiert sei. Mehrere Medien fallen darauf herein.
    Bundesagrarministerin Julia Klöckner hat über die geplante Ausweitung der Beschäftigung osteuropäischer Ern­te­hel­fe­r*in­nen ohne Sozialversicherung irreführende Angaben verbreitet: Die CDU-Politikerin erweckte fälschlicherweise den Eindruck, dass eine Regel, die künftig einen Krankenversicherungsschutz der Ar­bei­te­r*in­nen sicherstellen soll, schon während der derzeitigen Coronawelle in Kraft treten solle. So wollte sie offenbar einen Beschluss der Bundesregierung rechtfertigen, wonach die Ost­eu­ro­päe­r*in­nen in diesem Jahr 102 statt wie normalerweise 70 Tage arbeiten dürfen sollen, ohne in Deutschland krankenversichert zu sein.Klöckners Ministerium schrieb in einer Pressemitteilung über den Kabinettsbeschluss zur Ausweitung der „kurz­fris­tigen Beschäftigung“ ohne Sozialversicherung am 31. März externer Link, es solle „eine Meldepflicht des Arbeitgebers zur Art der krankenversicherungsrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers eingeführt werden“. Da an dieser Stelle kein Datum für das Inkrafttreten genannt wurde, aber in den Absätzen davor stand, die 102-Tage-Regelung solle ab März gelten, konnte man die Pressemitteilung leicht so verstehen, dass dann ebenfalls die Meldepflicht in Kraft tritt. So taten es auch mehrere Medien. Ähnlich irreführend stellte Klöckner auf ihrem persönlichen Twitter-Feed die Kabinettsentscheidung dar, die demnächst vom Bundestag übernommen werden soll. Das SPD-geführte Arbeitsministerium teilte der taz auf Anfrage jedoch mit, dass die Meldepflicht erst ab Januar 2022 gelten solle. Klöckner verschwieg also, dass der Krankenversicherungsstatus der Erntehelfer*innen während der derzeitigen Coronawelle genauso unklar sein wird wie in den Vorjahren…“ Artikel von Jost Maurin vom 19.4.2021 in der taz online externer Link
  • Wie geht Erntehilfe in der Pandemie? 
    In Deutschland freut man sich im Frühling über frischen Spargel. Die Arbeitsbedingungen für die Erntehelferinnen und -helfer lösen allerdings massive Kritik aus – gerade jetzt, während der Corona-Pandemie. (…) Doch nicht erst seit Beginn der Pandemie wird die Freude über den Genuss immer öfter getrübt, denn bei den Erntebedingungen sieht es weniger gut aus, als im Supermarktregal oder dem heimischen Esstisch. Vor allem unzureichende Hygienekonzepte auf den Höfen und die häufig beengten Unterbringungen werden scharf kritisiert. Dazu kommen die anstrengenden, teilweise sehr langen Arbeitstage während der Ernte. (…) Wie lassen sich die Arbeitsbedingungen der Erntehelferinnen und -helfer verbessern? Darüber spricht detektor.fm-Moderatorin Tina Küchenmeister mit Benjamin Luig. Er koordiniert den Bereich Landwirtschaft für den Europäischen Verein für Wanderarbeiterfragen im Projekt „Faire Mobilität“. Außerdem bespricht sie mit Elena Strato vom Projekt „Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten“ die direkten Auswirkungen der Pandemie und die  gesetzlichen Neuregelungen für Saisonarbeitskräfte. Der Vorstandssprecher des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e. V. Simon Schumacher erklärt, wie Landwirtschaftsbetriebe mit der aktuellen Situation umgehen…“ Podcast von Oliver Haupt, Eva Manegold und Sara-Marie Plekat vom 15.04.2021 bei detektor.fm externer Link Audio Datei
  • Sorge um Hygiene-Maßnahmen bei Erntehelfern und Saisonarbeitern
    „In Bayern sind bereits Erntehelfer für die Spargelernte im Einsatz. (…) Die Beratungsstelle „Faire Mobilität“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Nürnberg ist besorgt, dass die Hygiene-Maßnahmen für Erntehelfer und Saisonarbeiter auf bayerischen Höfen nicht konsequent eingehalten werden. Die DGB-Beratungsstelle unterstützt Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus mittel- und osteuropäischen EU-Staaten dabei, gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt durchzusetzen. (…) „Im letzten Jahr saßen Helfer teilweise dicht an dicht gedrängt im Bus und waren auf dem Weg zum Feld, ohne Maske“, so Oskar Brabanski von „Faire Mobilität“. Dabei könne und werde die Einhaltung der Regeln oft nicht kontrolliert. „Wir unterstellen dabei keine Böswilligkeit, aber es müsste dringend mehr gemacht werden“, betonte Brabanski. (…)Die Saisonarbeiter kommen vorwiegend aus dem Corona-Risikogebiet Rumänien und den Hochinzidenzgebieten Polen und Bulgarien. Nach der Ankunft auf den Höfen müssen die Helfer in Arbeitsquarantäne. Dort leben und arbeiten sie zunächst in bestimmten Teams, damit bei einem Infektionsfall nicht alle Mitarbeiter ausfallen. „Vor allem die gruppenbezogene Arbeitsquarantäne ist hoch problematisch, da die Abhängigkeit zum Landwirt verstärkt wird“, sagte Brabanski. Die Arbeiter sind in dieser Zeit auf eine Verpflegung durch den Betrieb angewiesen und können nicht, wie sonst üblich, in lokale Supermärkte gehen. „Wir hatten im vergangenen Jahr mehrere Fälle, bei denen die Versorgung mit Lebensmitteln unzureichend, auf niedrigstem Niveau oder zu überteuerten Preisen mit ordentlichen Aufschlägen geschehen ist.“ Oskar Brabanski von „Faire Mobilität“ des DGB (…) Vergangenen Mittwoch hatte das Bundeskabinett beschlossen, dass ausländische Saisonarbeiter in diesem Jahr vier statt drei Monate sozialversicherungsfrei beschäftigt werden können, um den Personalwechsel und die Mobilität während der Corona-Pandemie zu reduzieren. Um sicherzustellen, dass die kurzfristig Beschäftigten über eine Absicherung im Krankheitsfall verfügen, soll eine Meldepflicht des Arbeitgebers eingeführt werden.“ Beitrag vom 6. April 2021 von und bei BR24 externer Link
  • Go East – auch mit Hilfe einer Nicht-Sozialversicherung hier. Die Erntehelfer aus dem Osten und was das mit einer Modernisierung der Betriebsräte (nicht) zu tun hat
    „… Natürlich hat das eine – die „Modernisierung“ der Betriebsräte – nichts mit dem anderen – die Sonderregelungen die Erntehelfer betreffend – zu tun. Außer dass beide Huckepack durchs Kabinett gehievt wurden. Wenn man allerdings etwas über den Tellerrand hinausblickt, dann kann man schon einen Zusammenhang erkennen, denn ein strukturelles und großes Problem im Bereich der Erntehelfer ist natürlich darin zu sehen, dass hier die normalen Schutzfunktionen der Gewerkschaften und der betrieblichen Mitbestimmung nicht greifen, denn Betriebsräte gibt es hier nicht. Mit großen Anstrengungen bemühen sich die Gewerkschaften wie die IG BAU oder die Beratungsstelle Faire Mobilität, den Betroffenen vor Ort Hilfestellung anzubieten, aber das ist aus strukturellen Gründen einfacher geschrieben als getan. Und was bedeutet nun die beschlossene Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von 70 auf 102 Tage? Das Bundeskabinett hat sich wie dargestellt geeinigt und nach Ostern muss sich der Bundestag damit beschäftigen. Man kann und muss davon ausgehen, dass die Koalitionsfraktionen das Ansinnen durchwinken werden. Der Beschluss bedeutet faktisch, dass osteuropäischen Erntehelfer auch dieses Jahr länger als normalerweise ohne reguläre Krankenversicherung arbeiten dürfen. »Bei dieser sogenannten „kurzfristigen Beschäftigung“ müssen Arbeiter laut der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) beispielsweise im Fall einer Corona-Erkrankung die Behandlungskosten mitunter selbst zahlen. Dabei bekommen sie meist nur den gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro die Stunde – oft minus Abzügen für Unterkunft und Verpflegung. Zudem würden der deutschen Sozialversicherung hohe Summen an Beiträgen verloren gehen«, so Jost Maurin in seinem Artikel Erntehelfer schlecht versichert externer Link. Nun wird der eine oder andere einwenden, dass doch die Arbeitgeberseite eine „Kompensation“ durch private Krankenversicherungen in Aussicht gestellt haben. Der Bauernverband dagegen begrüßte den Kabinettsbeschluss, dem der Bundestag noch zustimmen muss: „Es ist in der Praxis üblich, dass für versicherungsfrei beschäftigte ausländische Saisonkräfte ein private Krankenversicherung abgeschlossen wird.“  Dass die Betriebe für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz der versicherungsfrei beschäftigten Saisonkräfte durch private Erntehelferversicherungen sorgen, wie die Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen Arbeitgeberverbände argumentiert, ist aber nur – aufgepasst – eine Empfehlung, der nicht alle folgen und oft deckt die private Versicherung auch nicht alles ab. So werden gerade die Kosten durch eine mögliche Corona-Infektion und eine damit verbundene Behandlung von vornherein in vielen Verträgen ausgeschlossen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 31. März 2021 auf seinem Blog „Aktuelle Sozialpolitik“ externer Link
  • Kein Sozialdumping für Erntehelfer*innen. IG BAU kritisiert neue Regelung für Georgier / Flug muss selbst bezahlt werden
    Als „staatlich verordnetes Sozialdumping“ bezeichnet der Vizechef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Harald Schaum die Absicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie der Bundesagentur für Arbeit, rund 5000 Georgier*innen für die Spargelernte in diesem Jahr einzusetzen. „Da man für die Knochenarbeit wohl in der EU nicht mehr fündig wird, holt man sich jetzt im Verbund mit den landwirtschaftlichen Arbeitgebern Kräfte aus einem Drittstaat. Und das ‚Beste‘ ist, sie müssen für ihre Hin- und Rückflüge auch noch selbst aufkommen“, sagt Schaum, der für den Bereich Agrar bei der Gewerkschaft zuständig ist. Nach einer Richtlinie der EU kann die Bundesregierung den bäuerlichen Betrieben vorschreiben, die Reisekosten für die Erntehelfer*innen zu übernehmen. Schon seit langer Zeit wehrt sich die IG BAU dagegen, dass sogenannte Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland 70 Tage, im vergangenen Jahr waren es sogar 115 Tage, in Deutschland arbeiten, ohne sozialversichert zu sein. Zudem bekommen sie lediglich den Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro die Stunde, von dem noch Abzüge möglich sind. „Es ist immer wieder dasselbe: Die Erntebetriebe versuchen an den Lohnkosten zu sparen, wie es irgendwie nur geht, um noch höhere Gewinne zu erzielen. Und der Staat hilft auch noch dabei“, sagt Schaum…“ Pressemitteilung vom 31.03.2021 externer Link
  • [Petition] Einzelzimmer und Sozialversicherungspflicht für Saisonkräfte!
    Unter dem Lobbydruck des Deutschen Bauernverbandes und verschiedener Profiteure hat das Bundeskabinett beschlossen, dass Saisonbeschäftigte dieses Jahr nicht sozialversichert werden, wenn sie bis zu 102 Tage arbeiten. Damit sind sie im Coronajahr 2021 nicht krankenversichert. Skrupellose Landwirte versichern sie gar nicht und streichen 20% Lohnkostenvorteile ein, andere versichern sie oft in KV, die fast nichts abdecken. Eine Meldepflicht über das Bestehen einer KV soll erst 2022 kommen. Die von vielen Landwirten gestellten Sammelunterkünfte sind Corona-Infektionsherde erster Güte. 8 Stunden Schlaf ohne Maske im Mehrbettzimmer und ein Gemeinschaftsraum für Viele – wenn’s Einer hat, bekommen es fast alle. Und dann andere Menschen. Die Landwirte werden dennoch nicht verpflichtet, ihre Saisonbeschäftigten in Einzelzimmern unterzubringen. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) empfiehlt lediglich, dies anzustreben und Bundesländer schreiben von „soll möglichst“ – beides für örtliche Behörden nicht durchsetzbar. Auch hier geht es um Profit und Billigstpreise. Die Empfänger dieser Petition, z.B. Bundestag und Landesregierungen werden mit dieser Petition aufgerufen, diese unmenschliche Behandlung der Saisonkräfte und die daraus entstehende Gefährdung der Allgemeinheit sofort zu beenden.“ Petition von Frank Schmidt-Hullmann an Bundestag und Ministerien bei change.org externer Link
  • Erntehelfer:innen ohne Krankenversicherung? Landwirtschaftsministerium bejubelt Ausweitung der Beschäftigung ohne Sozialversicherung – Agentur für Arbeit beschafft billige Arbeitskräfte aus Georgien
    Gibt es in Deutschland eigentlich eine erfolgreichere Lobbyistin als Julia Klöckner? Als Sprechpuppe des Deutschen Bauernverbandes leistet sie für ihr Klientel enormes und pfeift dabei auf Klimaschutz, Tierwohl und Menschenrechte. Darüber täuschen auch rosa Dolores-Umbridge-Kostüme und Bibelsprüche zu Gründonnerstag nicht hinweg. (…) Und das Beste: Landwirte, um Georgier:innen für sich arbeiten lassen wollen brauchen nicht einmal selbst aktiv werden. Die Bundesagentur für Arbeit wirbt statt dessen für sie 5.000 Menschen aus Georgien an und kümmert sich laut tagesschau nicht nur um deren Arbeitsverträge, sondern auch ihre Anreise. Die Bundesagentur für Arbeit finanziert sich aus den Betirägen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten für die Arbeitslosenversicherung. Ob der Service für die Landwirte auch direkt von den Beitragszahlern in Deutschland finanziert wird? Das wäre unter dem Gesichtspunkt, dass Landwirte darüber jubeln für die Erntehelfer*innen keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen schon etwas pervers. Die Bauern würden von einem System profitieren, dass sie selbst unterhöhlen. (…) Die rund 300.000 Erntehelfer, die in Deutschland jährlich auf deutschen Feldern schuften, machen dies  also während ihrer Freizeit und während sie in ihrem Heimatland eine Arbeit haben, über die sie ihren Lebensunterhalt sichern und sozialversichert sind? Das kann niemand glauben, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt. Insbesondere, da die Dauer von 102 Tage sich nicht auf die Dauer des Aufenthaltes bezieht, sondern reine Arbeitstage meint. Selbst bei einer 6-Tage-Woche kommt man so auf eine verischerungsfreie Zeit von rund 17 Wochen, also gute vier Monate. Eine sozialverischerungsfreie Beschäftigung heißt für die Erntehelfer*innen, dass sie keine Rentenansprüche aufbauen. Es heißt im schlimmsten Fall aber auch, dass sie für medizinische Behandlung oder Krankenhausaufenthalte selbst zahlen müssen. Dazu kommt: ohne gelben Schein gibt keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – und damit also eine ganz Reihe Gründe, auch bei großen Beschwerden keinen Arzt aufzusuchen. Das bringt, insbesondere während der Pandemie, die Wanderarbeiter:innen selbst in Gefahr. Ist aber auch unappetitlich und möglicherweise auch für Kunden gesundheitsgefährdend…“ Beitrag von Jessica Reisner vom 2. April 2021 bei Arbeitsunrecht externer Link
  • 115 Tage, unversichert
    Trotz Corona wird die deutsche Agrarindustrie in den kommenden Monaten weit über 100.000 Erntehelfer_innen aus dem Ausland, vor allem Osteuropa, beschäftigen – und zwar am liebsten ohne Sozialversicherung. Für die Saisonarbeiter_innen heißt das: Keine Kranken- und Arbeitslosenversicherung, keine Rente. In corona-freien Jahren helfen in den deutschen Landwirtschaftsbetrieben im Durchschnitt rund 300.000 Saisonkräfte aus. Sie pflücken Erdbeeren, stechen Spargel oder ernten Kartoffeln. Für die ausländischen Helfer_innen machen die Betriebe sich meist eine Regelung zu Nutze, die eigentlich als Ausnahme für Schüler_innen und Studierende vorgesehen war. Diese können bis zu 70 Tagen als ‚kurzfristig Beschäftigte’ auf den Feldern eingesetzt werden, ohne dass Sozialabgaben anfallen. Zuletzt war dies aber fast flächendeckend auch auf die migrantischen Beschäftigten angewandt worden, obwohl die Ernte in Deutschland ihren Lebensunterhalt sichert. Lediglich eine private Krankenversicherung wurde für sie abgeschlossen. 2020 setzte die Agrarindustrie durch, dass die Frist sogar auf 115 Tage ausgeweitet wurde – angeblich, damit das Personal seltener ausgetauscht werden muss, was das Corona-Infektionsrisiko senke. Das wollen die Landwirte auch 2021 so halten dürfen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lehnt dies bislang ab. „Es ist zynisch zu behaupten, eine längere Beschäftigung ohne sozialen Schutz würde zu weniger Infektionen beitragen, weil die Helfer dann seltener getauscht werden müssen: Selbstverständlich können Menschen auch dann länger als 70 Tage bleiben und arbeiten, wenn sie von vornherein sozialversichert sind”, sagt dazu DGB Vorstand Anja Piel. „Erntearbeit ohne Sozialversicherung ist kein Naturgesetz, sondern Teil des Ausbeutungssystems der Arbeitgeber.” Die Bundesregierung dürfe keinesfalls vor Lobbyisten und Landwirtschaftsverbänden einknicken. Die Helfer_innen würden oft keiner weiteren Arbeit in ihrem Heimatland nachgehen, was Bedingung für die kurzfristige Beschäftigung wäre.“ Beitrag aus Forum Migration vom April 2021 externer Link
  • [Kooperationsprojekt in NRW] Hilfe für Erntehelfer
    In der deutschen Landwirtschaft arbeiten viele Osteuropäer als Saisonkräfte. Seit Anfang des Jahres versucht ein Kooperationsprojekt in Nordrhein-Westfalen, Betroffene aufzuspüren und zu unterstützten. (…) Fast 300.000 Saisonarbeitskräfte kommen jährlich nach Deutschland, um Spargel zu stechen, Wein und Obst zu ernten oder in einer Baumschule zu helfen, so eine Studie des Bundeslandwirtschaftsministeriums. „Es ist sehr schwierig, an die Menschen ranzukommen“, berichtet Pagonis Pagonakis, Koordinator des Projekts Arbeitnehmerfreizügigkeit fair gestalten von DGB und VHS NRW. Die Einsatzorte liegen verstreut, die Beschäftigten werden abgeschottet. Weil kaum jemand hier gewerkschaftlich organisiert ist, bleibt oft nur die Möglichkeit, Flyer in den Muttersprachen am Feldrand loszuwerden. Als im vergangenen Jahr wegen Corona Sonderflüge für Saisonarbeitskräfte stattfanden, nutzten Gewerkschafter die Chance, den Ankommenden an den Flughäfen Informationen in die Hand zu drücken. „Die Vorarbeiter versuchen so etwas aber oft zu unterbinden“, so Pagonakis. Seit Anfang des Jahres kooperiert sein dreiköpfiges Team mit den über 70 Beratungsstellen Arbeit in NRW. Deren Zielgruppe sind seither nicht mehr allein Erwerbslose, sondern auch Menschen, die unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen schuften. Sprachkenntnisse und Fachexpertise auf der einen Seite und dezentrale Netzwerkstrukturen auf der anderen Seite wirken nun zusammen…“ Artikel von Annette Jensen im Magazin Mitbestimmung der HBS 02/2021 externer Link
  • [Keine Ausnahmen beim Sozialversicherungsschutz!] Erntehelfer besser schützen! 
    Auf Betreiben des Landwirtschaftsministeriums hat die Bundesregierung erneut die sozialversicherungsfreie Zeit für Erntehelfer*innen ausgeweitet. Bereits im vergangenen Jahr wurde die Regelung von März bis Oktober von 70 auf 115 Tage ausgedehnt; nunmehr sollen es 102 Tage werden. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel warnt vor unverantwortbaren Zuständen bei der Ernte: „Eine ursprüngliche Ausnahmeregelung für Ferienjobs soll nun offenbar Standard für die Einstellung von Erntehelfer*innen werden, wenn es nach Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner geht. Die Erweiterung der sozialversicherungsfreien Zeit von 50 auf über hundert Tage geht voll zu Lasten der Erntehelfer. Wieder einmal wird deutlich, was für Julia Klöckner Vorrang hat: eben nicht das Wohl derer, die für uns die Erntearbeit erledigen, sondern vor allem die Interessen der Agrarlobby. Wenn wir hier nicht nachbessern, bekommen wir in der Landwirtschaft die gleichen katastrophalen Zustände wie in der Fleischbranche. Wir fordern, dass der Bundestag diese Regelung noch abwendet. Es darf keinen Freifahrtschein geben, der die Rechte der vielfach prekär Beschäftigten Erntehelfer*innen weiter aushöhlt. Arbeitsbedingungen mit Mindestlohnbetrug, miesen Unterkünften und schlechtem Hygieneschutz sind menschenunwürdig und in der Pandemie brandgefährlich. Die Versicherung in einer Krankenkasse darf nicht nur ein Feigenblatt der Arbeitgeber werden. Es darf keine weiteren Ausnahmen geben: Wer hier arbeitet, muss auch sozialversichert werden. Dass in Deutschland das Lohngefälle in Europa auch in dieser Erntesaison wieder ausgenutzt werden kann, ist eine sozialpolitische Bankrotterklärung der Ministerin.““ DGB-Pressemitteilung vom 31.03.2021 externer Link zu Bundeskabinett beschließt Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung von 70 auf 102 Tage externer Link
  • Spargelsaison in Deutschland: Erntehilfe kommt diesmal aus Georgien [weil Polen und Rumäner nicht mehr wollen]
    „Die Spargelernte war jahrelang eine Co-Produktion polnischer und rumänischer Helfer. Doch viele von ihnen wollen nicht mehr auf deutschen Feldern schuften. Arbeitskräfte aus Georgien sollen einspringen. (…) „Wir sind für Rumänen keine attraktiven Arbeitgeber mehr“, sagt der Verbandsvorsitzende der ostdeutschen Spargelanbauer. Denn mehr als den Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde könnten er und seine Kollegen nicht zahlen. Deshalb will er es in dieser Saison mit 25 Erntehelfern aus Georgien probieren. (…) Zunächst sei geplant gewesen, dass 500 Arbeitskräfte aus Georgien nach Deutschland kommen. Daraus seien mehr als 5000 geworden, berichtet Jakobs. Sie sollen Anfang April das weiße Stangengemüse stechen. Mehr als 80.000 Georgier hätten sich beworben, so der Landwirt. Dabei handele es sich um ein Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit. Die Behörde kümmert sich um die Arbeitsverträge und auch die Anreise. (…) „Wir haben mit der Übernahme der Flugkosten unsere finanziellen Reserven angeknabbert“, sagt Jakobs. Wenn er den Rumänen die Flüge nicht gezahlt hätte, wären sie zu Hause geblieben, vermutet er. Das Risiko wollte er nicht eingehen. Die Georgier dagegen, die in den kommenden Tagen ins Flugzeug nach Deutschland steigen, sind da anspruchsloser: Sie bezahlen ihre Flüge selber.“ Beitrag von Ulrich Crüwell vom 26. März 2021 bei tagesschau.de externer Link – dann ist ja der (heilige) Billig-Spargel ja gesichert…
  • Bittere Ernte: Osteuropäer*innen ernten bald wieder deutschen Spargel – teils unter miserablen Bedingungen. Arbeiter werfen einer Baumschule Ausbeutung vor 
    „„Ich habe mich wie ein Sklave gefühlt“, sagt ein rumänischer Landarbeiter. Mitten in Deutschland. Sein Arbeitgeber, eine Baumschule in Nordrhein-Westfalen, habe sich während seiner Anstellung Mitte Januar bis Anfang Februar wochenlang geweigert, ihm seinen Pass zurückzugeben. Ohne Ausweis konnte er nicht in seine Heimat zurückkehren oder zu einem anderen Betrieb wechseln. „Wir wurden respektlos behandelt, beschimpft, an der Kleidung gezogen und geschüttelt, wenn wir die Arbeit angeblich nicht gut gemacht haben“, erzählt der 20-Jährige in einem Videotelefonat mit der taz. Der stämmige Mann mit kurz geschorenen schwarzen Haaren will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen – zu groß ist die Angst, sonst keine Jobs mehr zu bekommen. (…) Für zwei Wochen Arbeit habe der Landarbeiter 635 Euro ausgezahlt bekommen, sagt Catalina Guia, die für „Arbeit und Leben“, einer unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund getragenen Weiterbildungseinrichtung, Wanderarbeiter berät. Guia, die selbst aus Rumänien stammt, übersetzt das Gespräch mit der taz. Sie hat dem Mann und 9 weiteren Rumänen geholfen, die Baumschule zu verlassen. Wenn der Landarbeiter – wie er sagt – 108 Stunden gearbeitet hat und zu dem Auszahlungsbetrag noch 130 Euro für die von der Baumschule übernommene Anfahrt aus Rumänien und 71 Euro für die laut Sozialrecht geltende Unterkunftspauschale hinzukommen, betrug der Stundenlohn nur knapp 8 Euro. Das liegt weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro. Abrechnungen habe ihm die Baumschule nicht gegeben, erzählt der Mann. Das ist typisch: So können Arbeiter*innen schwer nachweisen, dass sie ausgebeutet wurden. (…) Beraterin Guia erzählt, dass auch mehrere andere Rumänen die Vorwürfe bestätigt hätten. Als sie sich beschwerten, sei ihnen fristlos gekündigt worden. Sie hätten den Betrieb und die Wohncontainer sofort verlassen müssen. „Sie saßen stundenlang vor dem Werkstor, ohne Pässe und ohne Geld und in der Kälte“, so Guia. Erst als die Polizei anrückte, habe die Baumschule die Pässe herausgegeben, und nur nach Intervention der Beratungsstelle hätten sie ihren Lohn bekommen…“ Artikel von Jost Maurin vom 21. März 2021 in der taz online externer Link
  • Erntehelfer: Spargelstechen unter Corona-Bedingungen 
    „Bald beginnt in Deutschland die Spargelsaison. (…) „Wir sind im Moment erst 15 Leute hier“, sagt Landwirt Chris Hensgens, der den Familienbetrieb zusammen mit seinem Bruder Arne und ihrem Vater führt, „aber in Spitzenzeiten haben wir 150 Arbeitskräfte gleichzeitig auf dem Hof.“ Je nach Wetterlage beginnt die Spargelernte Ende März oder Anfang April. Es folgen Erdbeeren, Heidelbeeren, Zwiebeln, Kartoffeln, Zuckerrüben, Weizen und Mais. (…) Der Spargelhof ist der zweitgrößte in der Region. Ohne Saisonarbeitskräfte könnten die 250 Hektar Land nicht bewirtschaftet werden. Die meisten Helfer reisen aus Rumänien an, von Juli bis September kommen ukrainische Studenten dazu. Sie sind zwischen 18 und 25 Jahre alt und werden in der Ukraine mit dem Versprechen angeworben, in Deutschland in ihrer Freizeit auch etwas erleben zu können. (…) Die strengen Hygieneauflagen einzuhalten ist für alle auf dem Hof eine logistische Herausforderung. In den langgestreckten Wohngebäuden, die mit Vierbettzimmern, großen Gemeinschaftsküchen, Aufenthalts- und Sanitärbereichen ausgestattet sind, kann nur noch ein Teil der Erntehelfer untergebracht werden. (…) Die Brüder gehen fest davon aus, dass sie ihre Helfer in diesem Jahr regelmäßig testen lassen müssen. Möglicherweise auch auf eigene Kosten. (…) Was wäre passiert, wenn die Erntehelferin ernsthaft erkrankt wäre? „Dann wäre sie ins Krankenhaus gekommen, denn wir haben für alle unsere Arbeitskräfte eine private Krankenversicherung abgeschlossen“, sagt Arne Hensgens. Selbstverständlich ist das nicht. In Deutschland sind Erntehelfer, die nicht länger als 70 Tage pro Jahr im Einsatz sind, von der Sozialversicherungspflicht befreit. (…) Auf dem Spargelhof Hensgens dauert ein Arbeitstag acht bis neun Stunden, bezahlt wird der gesetzliche Mindestlohn von 9,50 pro Stunde plus eine Prämie, abhängig von der persönlichen Erntemenge. Davon müssen 200 Euro für die An- und Abreise bezahlt werden und neun Euro täglich für die Unterkunft. „Je nach Leistung können unsere Leute bis zu 2500 pro Monat verdienen“, rechnet Arne Hensgens vor. „Man sagt immer, Erdbeeren pflücken, das kann jeder. Aber das ist nicht so. Für uns sind das Fachkräfte und wir tun einiges dafür, sie zu bekommen und dann auch zu halten.“ Reportage von Sabine Kinkartz vom 17. März 2021 bei der Deutschen Welle externer Link
  • Schlechte Ausbeute: Ungenügend versichert, schlecht bezahlt, mies untergebracht: In der Pandemie geht es vielen Saisonarbeitskräften noch schlechter als sowieso schon. Hier erzählen sie von ihrem Corona-Jahr 
    „Wenn Marco Richard um kurz nach sechs Uhr morgens in der Dämmerung aus dem grauen Blechcontainer kommt, leuchten auf dem Hof schon die ersten Scheinwerfer der Traktoren. Es ist Apfelsaison, Mitte September, und Marco Richard ist aus Rumänien als Erntehelfer in ein sächsisches Dorf rund 50 Kilometer nordöstlich von Leipzig entfernt gekommen. Insgesamt acht Wochen wird er auf dem Feld stehen und Äpfel ernten. Bis zu neun Stunden am Tag, bei jedem Wetter. Richard und seine Freundin Henrietta Tanko – er ist 20, sie 21 – sind zum ersten Mal in Deutschland, um auf dem Feld zu arbeiten. Die Saisonarbeiter:innen kommen überwiegend aus Rumänien, Polen oder Bulgarien zu den Betrieben in Deutschland, oft über Vermittlungsfirmen oder private Kontakte. Nur wenige sprechen Deutsch oder Englisch, die Papierarbeit übernehmen meist die Vermittler:innen. (…) Michael Baumgarten vom Verein Peco-Institut für nachhaltige Entwicklung kritisiert diese Zustände. Das Institut hat gemeinsam mit Gewerkschaften, Vereinen und Einzelpersonen als „Initiative Faire Landarbeit“ einen Bericht zur Saisonarbeit in der Landwirtschaft für das Jahr 2020 herausgebracht. Darin heißt es, zu den sowieso schon bekannten oftmals schlechten Bedingungen für Erntehelfer:innen seien 2020 noch die Nichteinhaltung von Hygieneauflagen, extrem lange Arbeitszeiten und ein enorm hoher Arbeitsdruck wegen der geringen Zahl an Arbeitenden hinzugekommen. Baumgarten sagt, dass viele Menschen aus Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19 nicht in Deutschland arbeiten wollten. In Rumänien beispielsweise, dem Herkunftsland von Marco Richard und seiner Familie, habe sich über die sozialen Medien schnell verbreitet, dass die Hygienemaßnahmen oftmals mangelhaft und die Flugreise riskant sei. Nur etwas mehr als die Hälfte der erwarteten Arbeitskräfte sind 2020 nach Deutschland gereist, häufig Arbeitende mit einfacher formaler Bildung oder aus armen Verhältnissen, meist aus ländlichen Gebieten. In Dürrweitzschen sind die Hände von Marco Richard von den Ästen der Apfelbäume zerkratzt. Er habe viele Jobs, zum Beispiel als Fahrer, sagt Marco. „Aber das Geld hier ist besser.“ Er sei froh über die Möglichkeit, in Deutschland bei der Ernte helfen zu können. Die Arbeit sei nicht schwer, und in seiner Heimatstadt Sfântu Gheorghe gebe es nur wenige Jobs; tatsächlich wurden allein in Rumänien seit Beginn der Corona-Pandemie bis Ende Juni rund 430.000 Arbeitsverträge gekündigt… „ Beitrag von Sarah Ulrich mit Fotos von Felix Adler vom 15. März 2021 bei fluter.de externer Link
  • Unsoziale Ernte: Die Agrarverbände wollen Saisonkräfte auf deutschen Feldern auch in diesem Jahr wieder länger beschäftigen dürfen. Die Ausbeutung dieser Arbeitskräfte muss ein Ende haben 
    „Essen macht glücklich, sagen viele Menschen. Die Frage ist jedoch: Wen? Geht es nach den Agrarverbänden, soll sich das Glück der Erntehelfer aus Osteuropa auch in diesem Jahr in engen Grenzen halten. Die Agrarlobby fordert von der Bundesregierung, dass ausländische Saisonkräfte auch 2021 wieder für fünf Monate oder 115 Arbeitstage auf deutschen Feldern arbeiten dürfen, ohne dass die Arbeitgeber sie krankenversichern müssen. Zwar zahlen manche Landwirte in eine Erntehelfer-Versicherung ein. Doch längst nicht alle. (…) Dabei zeigte sich schon 2020, wie hoch das Gesundheitsrisiko der Saisonarbeitskräfte sein kann. Hunderte infizierten sich mit dem Corona-Virus. Gleichzeitig wurde den Erntehelfern klar gemacht, dass sie einen Krankenwagen selbst bezahlen müssen. Da sie zumeist nur den gesetzlichen Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde erhalten und davon noch Unterkunft und Verpflegung bezahlen müssen, kommt die mögliche Bezahlung von Krankenkosten einer Drohung gleich. (…) Die zuständige Gewerkschaft IG Bau hat errechnet, dass ein um drei Euro höherer Stundenlohn den Preis von zehn Kilo Spargel gerade mal um 30 Cent verteuern würde. Das wäre kein allzu hoher Preis, um auch die Erntehelfer ein wenig an unserem Essensglück teilhaben zu lassen.“ Artikel von Wolfgang Kessler 5. März 2021 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Bald werden sie wieder kommen sollen. Die Saisonarbeiter. Und erneut will man sie möglichst billig haben 
    “… Aber nun stehen wir vor einer neuen Saison und erneut stellt sich die Aufgabe, Hunderttausende Erntehelfer zu besorgen. Und da könnte man sich an die Ereignisse aus dem vergangenen Frühjahr erinnern, über die durchaus an vielen Stellen kritisch berichtet worden ist. Man kann das aber auch ausblenden und sich lieber an das erinnern, was damals tatsächlich gelaufen ist. (…) Daran sollten wir uns heute, im Februar 2021, wieder erinnern. Denn das gleiche Spiel beginnt derzeit und rechtzeitig vor der neuen Saison, erneut. (…) »Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) (hatten sich) auf ein Konzept geeinigt, dass unter anderem längere Aufenthaltsdauer und – wie in anderen systemrelevanten Bereichen auch – längere Arbeitszeiten beinhaltete. Damit durfte bis zu 60 Stunden pro Woche und ohne Sondergenehmigung bis zu 12 Stunden täglich gearbeitet werden. In dringenden, nicht näher definierten Ausnahmen konnten es sogar sechs Tage à 12 Stunden sein. Und Saisonkräfte durften nun bis zu 115 Tagen statt wie zuvor 70 Tage sozialversicherungsfrei beschäftigt werden.« Das hatte für die Erntehelfer handfeste Folgen: Der Arbeitsdruck stieg noch weiter an. Zu den aus den vergangenen Jahren bekannten Verstößen kam hinzu, dass Hygieneauflagen nicht eingehalten wurden und es wurde extrem lange gearbeitet. Durch Quarantäneregelungen und Reisebeschränkungen wurden die osteuropäischen Erntehelfer in eine noch stärkere Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern als sowieso schon gedrängt. (…) Kurz vor der diesjährigen Erntezeit fordert nun ein Bündnis von Agrarverbänden, die im vergangenen Jahr beschlossenen Ausnahmen auch in diesem Jahr gelten zu lassen. Und sicherheitshalber wird sogleich (wieder) mit Versorgungsengpässen gedroht, wenn man den Arbeitgebern nicht entgegenkommt. (…) Man muss in diesem Zusammenhang wissen: Ursprünglich galt die Ausnahme von der Sozialversicherungspflicht nur für einen Monat. Saisonkräfte, die in ihren Heimatländern sozialversichert sind, sollten nicht hierzulande noch mal versichert werden müssen. Mit den neuen Ausnahmen sind es aber bereits fünf Monate, bei Arbeiten, die eigentlich unter die Sozialversicherung fallen. (…) Man kann es tatsächlich so ausdrücken externer Link: „Wer 14 Stunden am Tag in Schwerstarbeit auf unseren Feldern schuftet, muss fair bezahlt werden und in Deutschland krankenversichert sein.“ Beitrag von Stefan Sell vom 23.02.2021 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link
  • Ausbeutung auf Gemüsehöfen: Erntehelfer sollen selber zahlen 
    “Deutsche Landwirte wollen in diesem Jahr ausländische Saisonkräfte wieder fünf Monate oder 115 Arbeitstage ohne gesetzliche Krankenversicherung etwa zur Spargelernte beschäftigen. Der Bauernverband und andere Branchenorganisationen forderten vor Kurzem die Bundesregierung auf, „auch 2021 eine versicherungsfreie Beschäftigung für bis zu 115 Tage zuzulassen“. Auf diesem Weg angestellte Ost­eu­ro­päe­r*in­nen etwa müssen beispielsweise bei einer Corona-Erkrankung laut der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) die Behandlungskosten mitunter selbst zahlen. Zudem würden der deutschen Sozialversicherung hohe Summen an Beiträgen verloren gehen. 62 Prozent der Ende Juni 2019 registrierten rund 100.000 ausländischen Aushilfskräfte hatten nur eine Beschäftigung ohne reguläre Sozialversicherung, wie eine statistische Auswertung zeigt, die die Bundesagentur für Arbeit auf taz-Anfrage erstellt hat. (…) „Für einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz der versicherungsfrei beschäftigten Saisonkräfte sorgen die Betriebe durch private Erntehelferversicherungen“, teilte Thomas Becker, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der gärtnerischen Arbeitgeberverbände, mit. „Das ist aber nur eine Empfehlung, der nicht alle folgen, und oft deckt die private Versicherung nicht alles ab“, sagte Harald Schaum, Vize-Chef der IG BAU. Auch wenn die Beschäftigten in einem anderen EU-Land versichert sind, müssten sie in der Praxis zuweilen selbst zahlen. (…) „Selbst im letzten Jahr war die Versorgung gesichert“, als bedeutend weniger als die sonst üblichen 300.000 Saisonarbeitskräfte gekommen seien, sagte der Gewerkschafter. Viele Betriebe hätten zum Beispiel Studenten aus dem Inland eingestellt. Die Gewerkschaft sieht auch keine Gefahr, dass Deutschland mehr Gemüse importieren muss, falls die hiesigen Bauern etwas mehr für ihre Aushilfen zahlen müssten. Wenn ein Erntehelfer stündlich etwa 10 Kilogramm Spargel sticht und den Betrieb 3 Euro je Stunde mehr kostet, würde das den Preis nur um 30 Cent verteuern…“ Artikel von Jost Maurin vom 21.02.2021 in der taz online externer Link
  • Streit um Saisonarbeit: Gewerkschaften warnen vor schlechten Arbeitsbedingungen auf den Feldern 
    “Saisonarbeit auf den Feldern ist unsicher und prekär. Im vergangenen Jahr hat die Coronakrise die Bedingungen noch verschärft. Zunächst waren die Grenzen zu, dann gab es Ausnahmen für systemrelevante Erntejobs, per Flugzeug wurde ein Großteil der Saisonkräfte nach Deutschland gebracht. Grenzschließungen sollen in diesem Jahr kein Hindernis darstellen, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. So gelte für Saisonarbeitskräfte etwa die Unterkunft beim Arbeitgeber als Wohnsitz, damit seien sie von den aktuellen Einreisebeschränkungen ausgenommen. Auch Grenzpendler*innen könnten weiter einreisen. (…) Kurz vor der Erntezeit fordert nun ein Bündnis von Agrarverbänden, die im vergangenen Jahr beschlossenen Ausnahmen auch in diesem Jahr gelten zu lassen. Gedroht wird mit Versorgungsengpässen: »Wir sind auf unsere ausländischen Mitarbeiter angewiesen«, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied und lobte den Gesundheitsschutz in den Betrieben. Die zuständige Gewerkschaft IG Bau warnt dagegen vor einem möglichen »Fiasko«. Das Risiko einer Corona-Infektion sei unter den Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in der Landwirtschaft nicht geringer geworden. »Im Gegenteil. Die Situation ist gerade durch die deutlich ansteckenderen Corona-Mutationen heute gefährlicher als noch vor einem Jahr«, so der stellvertretende Vorsitzende Harald Schaum. Er plädiert dafür, den »kompletten Ernteeinsatz auf solide Füße zu stellen – mit vollem Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Tag auf dem Feld«. (…) Untergebracht werden sollen Erntehelfer*innen wegen Corona nach den neuen Regeln wenn möglich in Einzelzimmern, höchstens jedoch zu Viert. Auch muss der Betrieb kostenlose FFP2-Masken, Desinfektionsspender und kostenlose Corona-Tests zu Verfügung stellen. Die IG BAU fordert zudem die Aufsichtsbehörden auf, in den kommenden Monaten »verstärkt und systematisch die Arbeits- und Unterkunftsbedingungen von Saisonkräften zu kontrollieren«.“ Artikel von Haidy Damm vom 17.02.2021 in Neues Deutschland online externer Link, siehe dazu beim DGB:
  • Saisonarbeit in der Landwirtschaft: Mehr Schutz für Erntehelfer/innen
    Frisches Obst und knackiges Gemüse – damit diese auf unseren Tellern landen gibt es viele Erntehelfer/innen. Oft arbeiten sie unter miserablen Bedingungen. Damit in der Saisonarbeit nicht ebenso dramatische Zustände wie in der Fleischindustrie entstehen, müssen sie jetzt besser geschützt werden. Eine Ausdehnung ihrer versicherungsfreien Beschäftigung muss verhindert werden. Zur aktuellen Diskussion über eine erneute Verlängerung der Fristen für die kurzfristige Beschäftigung für Erntehelfer/innen in der Bundesregierung und entsprechenden Forderungen der Landwirtschaftsverbände sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied: „Wenn wir in der Saisonarbeit nicht ebenso dramatische Zustände wie in der Fleischindustrie wollen, müssen Erntehelfer besser geschützt werden. Es ist zynisch zu behaupten, eine längere Beschäftigung ohne sozialen Schutz würde zu weniger Infektionen beitragen, weil die Helfer dann seltener getauscht werden müssen: Selbstverständlich können Menschen auch dann länger als 70 Tage bleiben und arbeiten, wenn sie von vornherein sozialversichert sind. Erntearbeit ohne Sozialversicherung ist kein Naturgesetz, sondern Teil des Ausbeutungssystems der Arbeitgeber. Die Bundesregierung darf keinesfalls vor Lobbyisten und Landwirtschaftsverbänden einknicken.“ „Eine weitere Verlängerung der Frist für sogenannte ‚kurzfristige Beschäftigung‘ erleichtert Missbrauch. Von unseren Beraterinnen und Beratern vor Ort wissen wir, dass Erntehelferinnen und -helfer oft keiner weiteren Arbeit in ihrem Heimatland nachgehen, was Bedingung für die kurzfristige Beschäftigung wäre. Das heißt in der Folge: Keine Kranken- und Arbeitslosenversicherung, keine Rente. Was eigentlich als Ausnahmeregel für Schüler und Studenten vorgesehen war, wird von den Arbeitgebern gezielt ausgenutzt, um Menschen aus anderen EU-Staaten zu miesen Bedingungen, ohne sozialen Schutz und für wenig Geld zu beschäftigen.“ „Auch wenn Erntehelfer nicht in kalten, feuchten Räumen wie Beschäftigte in der Fleischwirtschaft arbeiten, so sind sie doch denselben Infektionsrisiken ausgesetzt: durch die Bedingungen bei der Anreise – dokumentiert sind chaotische Zustände an rumänischen Flughäfen im April 2020  – durch den Transport in vollen Bussen zum Arbeitsort und durch die schlechten Unterkünfte, teils in Containern mit gemeinschaftlich genutzten Toiletten und Duschen. Es ist ein Unding, dass Menschen unter solchen  Bedingungen oft nicht einmal krankenversichert sind. Keinesfalls  darf die Bundesregierung das noch erleichtern, indem sie Fristen für kurzfristige Beschäftigung verlängert.“...“ Beitrag des DGB vom 18.02.2021 externer Link
  • Bauernregeln statt Hygienekonzepte: Die Rechte osteuropäischer Erntearbeiter sollen weiter beschnitten werden 
    “… Auch wenn die frostigen Temperaturen es nicht vermuten lassen: Die Erntesaison steht vor der Tür. Schon im März soll die Spargelernte beginnen. Diese wird, wie im vergangenen Jahr, unter den Bedingungen der Pandemie stattfinden und wieder fürchten deutsche Landwirte, nicht über genügend billige Arbeitskräfte aus Osteuropa verfügen zu können. (..) In diesem Jahr hat die Lobbyarbeit der Gemüse- und Obstbauern bereits frühzeitig eingesetzt. Die landwirtschaftlichen Interessenverbände befinden sich bereits in Abstimmung mit der Bundesregierung. Sie fordern unter anderem, Sonderregelungen für Ernte­helfer zu schaffen, sollte es erneut zu Grenzschließungen kommen. Des Weiteren sollen die Infektionstests für einreisende Erntehelfer nicht von den Arbeitgebern, sondern aus Steuermitteln gezahlt werden. Unterstützung erhalten die Bauernverbände dabei vom Landwirtschaftsministerium, das sich seit jeher nicht als Vertretung der Beschäftigten in der Landwirtschaft, sondern der landwirtschaftlichen Betriebe versteht. Das ­Ministerium unterstützt daher auch Forderungen der Verbände, deren Verwirklichung die Rechte der Ernte­helfer weiter schmälern würden. So sollen für die Erntezeit Regelungen des Arbeitszeitgesetzes außer Kraft gesetzt werden. Die Dauer der Arbeitszeit dürfte dann bis zu 60 Stunden in der Woche und ohne Sondergenehmigung bis zu zwölf Stunden täglich betragen. Die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen soll auf neun Stunden verkürzt werden. Daneben sollen Saisonarbeiter künftig nicht mehr 70 Tage sozialversicherungsfrei, also ohne Einzahlung in die Renten-, Erwerbslosen und Krankenversicherung, beschäftigt werden können, sondern 115 Tage. (…) Bei der Arbeit selbst spielten Hygieneauflagen und Infektionsschutzmaßnahmen meist keine Rolle. Desinfektionsmittel und Schutzmasken wurden in vielen Fällen nicht zur Verfügung gestellt und die Anreise auf die Felder erfolgte weiterhin Morgen für Morgen in überfüllten Bussen. Wenig erstaunlich ist es daher, dass manche Höfe zu regelrechten Corona-Hotspots wurden. So infizierten sich im Juli 174 Saisonarbeiter auf einem Hof im bayerischen Mamming mit Sars-CoV-2. Sie waren aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine zur Gurkenernte gekommen. Der Betrieb hatte das Hygienekonzept nicht eingehalten. Im selben ­Monat infizierten sich 96 Saisonarbeiter im bayerischen Inchenhofen mit dem Virus. Im nordrhein-westfälischen Jülich infizierten sich im August 16 Ernte­helfer. Ähnliches dürfte sich sich in diesem Jahr wiederholen. Im vergangenen Jahr erhielten die Arbeits- und Lebensbedingungen der Erntehelfer zwar für kurze Zeit öffent­liche Aufmerksamkeit. An der ausbeu­terischen Praxis in den Betrieben ­änderte dies jedoch wenig. Allerdings kam es auf mehreren Höfen im vergangenen Jahr zu Streiks und Protesten von Saisonarbeitern, so beispielsweise im Mai auf einem Spargelhof im nordrhein-westfälischen Bornheim. Auch die Zahl der Versuche gewerkschaftlicher Organisierung nimmt zu. In den vergangenen Jahren wurde das gewerkschaftliche Beratungsnetzwerk für zeitlich befristete Arbeitsmigranten »Faire Mobilität« sukzessive ausgebaut. Mit ihrer 2020 eingeführten Jahresmitgliedschaft schuf die IG BAU als erste Gewerkschaft im DGB ein Mitgliedschaftsmodell, das sich eigens an Wanderarbeiter richtet. Sie können seither eine Jahres­mitgliedschaft abschließen, die nach zwölf Monaten automatisch endet und so sehr gut auf das zeitlich befristete Arbeitsverhältnis zugeschnitten ist. Wie die herkömmliche Mitgliedschaft beinhaltet sie den Anspruch auf Beratung und Information ebenso wie die Zahlung von Streikgeldern und den vollen Arbeits- und Sozialrechtsschutz. Die Zahl der Erntehelfer, die sich sowohl juristisch als auch mit Arbeitskämpfen zur Wehr setzen, könnte dieses Jahr also erneut steigen.“ Artikel von Stefan Dietl in der Jungleworld vom 11.02.2021 externer Link
  • Streit um Saisonarbeit: Keine „Discount-Ernte“ mit großen Risiken bei Corona-Infektionen für die Erntehelfer*innen 
    Die IG BAU schlägt „Ernte-Alarm“ – mitten im Winter: Der Landwirtschaft droht in diesem Jahr ein erneuter Engpass bei den Erntehelfer*innen, warnt die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Die Situation werde sich gegenüber dem Vorjahr allerdings nochmals verschlimmern. Grund hierfür sei die Weigerung der Branchenverbände, den überwiegend aus Osteuropa kommenden Saisonarbeitskräften „faire und auf die neuen Corona-Gefahren ausgerichtete Arbeitsbedingungen“ zuzugestehen. Über die Beschäftigung der Erntehelfer*innen sei hinter den Kulissen ein handfester politischer Streit entbrannt, so der stellvertretende IG BAU-Chef, Harald Schaum. Dabei drehe sich alles um einen Konfliktpunkt: Sollen Saisonkräfte über fünf Monate sozialversicherungsfrei arbeiten dürfen oder nicht? Die Helfer*innen wären dann – wie schon im letzten Jahr – maximal 115 Tage statt der geltenden 70 Tage auf den Feldern im Einsatz – ohne dafür in Deutschland Sozialabgaben leisten zu müssen, aber auch ohne Sozialversicherungsschutz und damit ohne Kranken- und Rentenversicherung. Das CDU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium ist dafür, die Sonderregelung auch in diesem Jahr laufen zu lassen. Die Agrar-Gewerkschaft IG BAU dagegen warnt: „Das Risiko einer Corona-Infektion ist unter den Arbeits- und Unterkunftsbedingungen in der Landwirtschaft nicht geringer geworden. Im Gegenteil. Die Situation ist gerade durch die deutlich ansteckenderen Corona-Mutationen heute gefährlicher als noch vor einem Jahr. Ohne ordentliche Krankenversicherung könnte der Arbeitseinsatz in Deutschland für etliche Saisonkräfte am Ende fatale Folgen haben und in einem persönlichen Fiasko enden“, sagt Harald Schaum. Er plädiert deshalb dafür, den „kompletten Ernteeinsatz auf solide Füße zu stellen – mit vollem Sozialversicherungsschutz ab dem ersten Tag auf dem Feld“. Der IG BAU-Vize: „Auch im zweiten Corona-Jahr wieder Menschen ohne Sozialversicherungsschutz zu uns in die Betriebe und auf die Felder zu holen, das wäre unverantwortlich.“ Die Gewerkschaft setzt deshalb jetzt auf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD): „Es kann nicht im Interesse des Staates sein, hier eine ’soziale Discount-Ernte‘ mit unkalkulierbaren Risiken für die Saisonkräfte einzufahren. Und das nur, weil Betriebe im Obst- und Gemüseanbau Nebenkosten beim Lohn scheuen“, sagt Agrar-Experte Harald Schaum. Die IG BAU fordert deshalb „die volle Sozialversicherungspflicht für alle Saisonarbeitskräfte – unabhängig davon, wie lange sie im Einsatz sind“. In der Spitze erwartet die IG BAU für die Sommermonate Juni und Juli erneut knapp 60 000 Saisonkräfte im Dauereinsatz. „Aber die Arbeitsbedingungen dabei müssen stimmen“, so Schaum. Die Zeit, das zu regeln, dränge: „Schon in den nächsten beiden Wochen müssen die Betriebe ihre Pläne für die Erntehelfereinsätze stehen haben. Anfang März starten dann die Vorbereitungen für die Spargelernte, danach kommen die Erdbeeren. Doch vorher muss der Bund klar regeln, was ihm die Erntehelfer und deren Gesundheitsschutz wert sind“, so Schaum. Wer als Saisonkraft etwa aus Rumänien, Polen, Bulgarien oder der Ukraine von der ersten Spargelernte im Frühjahr bis zur Weinlese im Herbst nach Deutschland komme, müsse die Gewissheit haben, dass sie*er voll sozialversichert ist und dass deutsche Betriebe in den Gesundheitsschutz investieren…“ IG BAU-Pressemitteilung vom 9.2.2021 externer Link
  • „Rahmenbedingungen für Saisonbeschäftigte in der Landwirtschaft“: 2021 nicht besser als 2020 
    Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat am 1.2.21 ein Papier zu Rahmenbedingungen für den Gesundheitsschutz von Saisonarbeitskräften 2021 externer Link veröffentlicht. Zentrale Punkte in dem Papier: Das BMEL geht davon aus, dass auf EU-Ebene derzeit keine Pläne bestünden, Einreisebeschränkungen für Saisonarbeitskräfte durchzusetzen. Kosten für den verpflichtenden Corona-Test bei der Einreise seien von den Saisonkräften zu tragen. Bei Schichtarbeit sind Gruppen mit möglichst immer gleichen Personen zu bilden. Vor Tätigkeitsbeginn sind feste Gruppen von maximal 4 Personen zu bilden. Bei der Unterbringung in Unterkünften sind verbindliche Zimmer- und/oder Wohneinteilungen für die gesamte Aufenthaltsdauer vorzunehmen, möglichst Einzelbelegung von Zimmern. Es gilt aber wie 2020 auch das Grundprinzip „Zusammen Wohnen – Zusammen Arbeiten“.

    • Siehe dazu die FAQ des BMEL externer Link: Welche Maßnahmen gelten für die Saisonarbeitskräfte?
    • Siehe auch den Thread von Arbeitsunrecht am 2.1.2021 externer Link : „#Spargelzeit Ihr denkt das  Landwirtschaftsministeriun hat strenge Maßnahmen zum Schutz von Erntehelfer*innen und Verhinderung von Hotspots erarbeitet?  Sagen wir mal so: das BMLE hat sichergestellt, dass es für die Bauern läuft. #Pandemie hin oder her: der Spargel ist sicher… #Reisebeschränkungen bestehen nicht. Kosten für Pflicht-Test sollen die Erntehelfer:innen selbst tragen!…“
  • Nach Tod einer Erntehelferin in Mamming/Bayern: Ermittler*innen fragten nur Chefs – ein SPD-Politiker fordert, unterlassene Hilfeleistung zu prüfen 
    “… „Im Rahmen der Ermittlungen wurden der Vorarbeiter, der Sohn des Betriebsinhabers und der Rettungsassistent, welcher mit der Reanimation der Erntehelferin auf dem Parkplatz des Klinikums befasst war, als Zeugen vernommen. Weitere Vernehmungen wurden nicht durchgeführt“, teilte das Justizministerium in München nun auf Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian von Brunn mit. Sowohl der Vorarbeiter als auch der Sohn des Landwirts könnten ein Interesse daran haben, eine eventuell unterlassene Hilfeleistung für die Frau nach ihrem Herzinfarkt zu kaschieren. Der Vorarbeiter zum Beispiel wäre möglicherweise selbst verantwortlich, wenn er die Erntehelferin zu spät ins Krankenhaus gefahren hätte. Von Brunn nannte es „schockierend“, dass die Behörden dennoch nicht weiter ermitteln. Zwei Insider*innen des Hofs in Niederbayern hatten dem Landwirt Ende August 2020 in der taz vorgeworfen, der ukrainisch-ungarischen Frau zu spät geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der Brust habe. Dennoch habe sie auf einem Feld Gurken ernten müssen. Die Staatsanwaltschaft erklärte erst nach Erscheinen des Artikels, es hätten sich bei einer Überprüfung des Todesfalls 2018 keine Anhaltspunkte für Fremdverschulden, insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, ergeben. (…) Bereits kurz nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft kamen Zweifel auf, ob die Polizei gründlich genug ermittelt hat. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich externer Link, der taz mitzuteilen, ob die Ermittler*innen neben dem Vorarbeiter und der Landwirtsfamilie – also potenziell Mitverantwortlichen an dem Tod der Frau – auch einfache Erntehelfer*innen vernommen haben. Die Behörde begründete dies damit, dass „die Grundsätze des Datenschutzes und der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ zu beachten seien. Nun hat das Justizministerium die Frage doch beantwortet. Dass die Ermittler*innen keine einfachen Erntehelfer*innen vernahmen, begründet das Ministerium folgendermaßen: „Aus den Todesfallermittlungen ergaben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat. Insbesondere bestätigte die durchgeführte Obduktion, dass die Erntehelferin eines natürlichen Todes verstorben war.“ Das stand allerdings nie in Frage. Es ging immer nur darum, ob der natürliche Tod der Frau zu diesem Zeitpunkt hätte vermieden werden können. „Ungeklärte Fragen zum Ablauf des Tages bis zum Versterben der Erntehelferin ergaben sich ebenfalls nicht“, schreibt das Ministerium weiter. Die Behörde räumt allerdings gleich in ihrer nächsten Antwort ein, dass die Staatsanwaltschaft nicht weiß, wann der Vorarbeiter die Frau auf dem Feld abgeholt hat, um sie ins Krankenhaus zu fahren – und wie lange die Fahrt dann tatsächlich dauerte. (…) In der Antwort heißt es dazu nur, dass sich „aus den Todesfallermittlungen“ keine Hinweise darauf ergeben hätten. „Der Vorarbeiter gab in seiner Zeugenvernehmung an, dass die Erntehelferin während ihrer Arbeitstätigkeit immer gearbeitet und nie Schwierigkeiten mit ihrer Gesundheit gehabt habe. Auch ihre Kolleginnen hätten nichts darüber erzählt, dass die Erntehelferin Beschwerden gehabt hätte.“ Dafür hat die Staatsanwaltschaft also nur den möglicherweise voreingenommenen Vorarbeiter als Zeugen. Nebulös bleiben die Behörden bei der Angabe der genauen Todesursache. Der Leichenpass, der der taz vorliegt, ist da eindeutig: „Herzinfarkt“ steht in dem Dokument, den das Standesamt Landau an der Isar zur Überführung der Leiche in die Ukraine ausgestellt hat. Bei einem Herzinfarkt wäre sofortige Hilfe nötig gewesen… (…) Auf dem Großbetrieb, der primär Gurken produziert, infizierten sich Ende Juli 250 Erntehelfer*innen mit dem Coronavirus. „Faire Mobilität“, die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) für osteuropäische Arbeitnehmer*innen, hatte dem Unternehmen „Ausbeutung“ vorgeworfen, weil weniger als der gesetzliche Mindestlohn gezahlt würde und Arbeiter*innen ihre Personalausweise vorenthalten worden seien. Diese Kritik wies der Landwirt zurück. Trotz mehrerer Versuche der taz war er nicht für eine Stellungnahme zu den anderen Vorwürfen zu erreichen. Ein Ermittlungsverfahren zu den Ausbeutungsvorwürfen stellte die Staatsanwaltschaft Landshut im Dezember ein, wie sie nun der taz mitteilte…“ Artikel von Jost Maurin vom 15.01.2021 in der taz online externer Link – siehe weiter unten unsere Meldungen zum Vorfall
  • IG BAU fordert besseren Schutz von Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft 
    “Unterbringung in Sammelunterkünften, extreme Arbeitszeiten, fehlende Krankenversicherung: Im Zusammenhang mehrerer Corona-Ausbrüche im vergangenen Jahr stehen die Arbeitsbedingungen von Saisonbeschäftigten in der Kritik. Erhebliche Missstände gibt es nach Beobachtung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) aber nicht nur in der Fleischbranche. „Auch ein großer Teil der rund 350.000 Saisonbeschäftigten in der Landwirtschaft arbeitet zu prekären Bedingungen“, sagt der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. (…) Die IG BAU ruft die Bundesregierung dazu auf, im neuen Jahr bessere Regeln zum Schutz ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den Weg zu bringen. „Hierbei muss es insbesondere um Standards bei den Unterkünften und einen vollen Krankversicherungsschutz gehen“, unterstreicht Gewerkschaftsvize Schaum. Zudem dürften die Beschäftigten nicht auf den teils horrenden Kosten für die Anreise nach Deutschland sitzen bleiben. Es sei richtig, dass die Politik auf öffentlichen Druck die Zustände in der Schlachtung und Fleischverarbeitung in den Blick genommen und das sogenannte Arbeitsschutzkontrollgesetz zum 1. Januar verabschiedet habe. Nun müssten weitere Branchen folgen, in denen die Ausbeutung saisonaler Arbeitskräfte noch immer an der Tagesordnung sei. „Arbeitsschutz darf kein Privileg sein. Alle Menschen, die in Deutschland arbeiten, haben ein Recht auf menschenwürdige Schlafgelegenheiten und auf Schutz bei Krankheit oder Unfall“, so die IG BAU weiter…“ IG BAU-Pressemitteilung vom 04.01.2021 externer Link
  • [Mamming] Tod einer Erntehelferin in Bayern: Bauer ist für Ermittler unschuldig 
    Die Staatsanwaltschaft erklärt nun überraschend, sie habe den Fall auf einem Gemüsehof in Mamming untersucht. Wie genau sie ermittelt hat, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Landshut sieht nach einem taz-Bericht über den Tod einer Ernte­helferin auf einem bayerischen Gemüsehof keinen Grund, Ermittlungen einzuleiten. Die Behörde teilte am Mittwoch mit, dass sie den Fall, der sich im Juli 2018 ereignet hatte, bereits damals untersucht habe. „Anhaltspunkte für Fremdverschulden, insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, haben sich nicht ergeben“, schrieb ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. „Mangels Anfangsverdachts wurde daher kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Zwei Insider des Hofs im niederbayerischen Mamming hatten dem Landwirt in der taz vom Dienstag vorgeworfen, der Ukrainerin zu spät geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der Brust habe. Beide bekräftigten diese Darstellung nun. Die taz hatte vergangene Woche die Staatsanwaltschaft gefragt, ob sie wegen des Falls ermittelt habe. „Wegen dieser Person ist kein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen“, sagte Pressesprecher Thomas Steinkraus-Koch damals. Warum er die jetzt veröffentlichten Ermittlungen nicht erwähnte, konnte sein Stellvertreter Sebastian Stitzinger am Mittwoch, 26. August, nicht sagen. Unbeantwortet ließ Stitzinger auch die Frage, auf wessen Angaben sich die Ermittler berufen. (…) Die Berater der Gewerkschaft erstatteten Mitte August Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Diese hat aber noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Es wird weiterhin geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht“, teilte Sprecher Stitzinger am heutigen Mittwoch mit.“ Artikel von Jost Maurin vom 26.8.2020 in der taz online externer Link
  • [Mamming] Arbeitsbedingungen für Erntehelfer: Tod einer Saisonarbeiterin 
    Ein Landwirt beutete in Bayern Arbeiter aus. 2018 starb eine Ukrainerin, nachdem sie über Schmerzen geklagt hatte und nicht behandelt wurde. Nein, es war kein faires Arbeitsverhältnis zwischen Marianna J. und Alois Wagner, dem Chef des bayerischen Gemüsehofs, auf dem sich Ende Juli 250 ErntehelferInnen mit dem Coronavirus angesteckt haben: Die Arbeiterin aus der Ukraine sprach kein Wort Deutsch und schon gar nicht das breite niederbayerische Idiom Wagners, sie kannte ihre Rechte nicht, nach wenigen Monaten wollte sie wieder zurück in ihre Heimat. Das sind beste Bedingungen für Gurkenbauer Wagner, um osteuropäische Beschäftige auf seinem Großbetrieb in Mamming auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. J. kostete Wagners Rücksichtslosigkeit aber nicht nur Geld und Respekt: Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten kostete die Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise sogar ihr Leben. (…) Auch dem Gemüsebau Wagner mit in der Regel etwa 500 Aushilfen hat die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer vorgeworfen, er habe weniger als den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, den Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten und die Menschen ohne Coronasicherheitsabstand untergebracht externer Link. Was sich aber Anfang Juli 2018 auf Wagners Hof ereignet hat, dürfte alle bisherigen Beschuldigungen übertreffen. „J. meldete Wagner über den Vorarbeiter mehrmals, dass es ihr schlecht ging, sie Schmerzen in der Brust und am Herzen hatte“, sagte der taz ein Insider, der aus Angst vor Repressalien hier nicht genannt werden möchte. „Um sechs Uhr morgens musste sie trotz massiver Beschwerden auf das Feld zum Arbeiten.“ Die KollegInnen hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen. „Herr und Frau Wagner sagten immer, dass ein Krankenwagen 1.500 Euro kostet und die Saisonarbeiter das aus der eigenen Tasche zahlen müssen.“ Erst nach ein paar Stunden Arbeit habe Alois Wagner die erkrankte Ukrainerin von einem Mitarbeiter in die Unterkunft fahren lassen. „Sie starb auf der Fahrt, die nur wenige Minuten dauerte.“ Auf der Sterbeurkunde, die der taz vorliegt, ist 8.30 Uhr als Zeitpunkt des Todes angegeben. Marianna J. wurde nur 34 Jahre alt. (…) Der Coronausbruch auf dem Hof ist derzeit laut Robert Koch-Institut einer der größten in Deutschland. Das zuständige Landrats­amt Dingolfing-Landau geht nach eigenen Angaben ­davon aus, dass der Betrieb gegen das Hygienekonzept verstoßen hat, das Ansteckungen verhindern sollte. Zwischenzeitlich mussten drei infizierte Erntehelfer des Gemüsehofs stationär im Krankenhaus behandelt werden. Am Montag war es noch eine Person, teilte das Amt der taz mit…“ Artikel von Jost Maurin vom 24.08.2020 in der taz online externer Link
  • [Mamming] Vorwürfe gegen Gemüsehof in Bayern: 250-mal Corona, 6 Euro Stundenlohn 
    „… Berater des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer erheben schwere Vorwürfe gegen den bayerischen Gemüsehof, bei dem sich 250 Erntehelfer mit Corona infiziert haben. Der Großbetrieb Gemüsebau Wagner in Mamming mit etwa 500 Saisonarbeitskräften vor allem aus Rumänien habe weniger als den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, den Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten und die Menschen ohne Corona-Sicherheitsabstand untergebracht, teilte das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ der taz mit. Es beruft sich auf zwei Besuche vor Ort, Aussagen und selbst geschriebene Stundenzettel von etwa 30 Arbeitern sowie Abrechnungen des Betriebs. Ein Teil liegt der taz vor. Der Hof ist derzeit einer der größten Coronainfektionsherde in Deutschland. „Ich habe gravierende Verstöße gegen das Mindestlohngesetz festgestellt“, sagte Beraterin Sevghin Mayr der taz. „Die Arbeiter haben mitunter nur 6 Euro pro Stunde statt der vorgeschriebenen 9,35 Euro erhalten.“ Einer bekam laut Lohnzettel 772 Euro, habe aber nach eigenen Angaben 133 Stunden gearbeitet. Das entspricht einem Stundenlohn von 5,80 Euro, von dem der Arbeitgeber noch einen Teil für die Unterkunft und „Sonstiges (Zigaretten …)“ sowie die Endreinigung abzog. So reduzierten sich die Einnahmen des Beschäftigten dem Dokument zufolge auf 472 Euro. Zudem mussten Arbeiter laut Mayr 200 bis 300 Euro an einen Vermittler zahlen. „Die Menschen waren auch besonders aufgebracht, weil ihnen der Betrieb bei der Ankunft oft die Personalausweise abgenommen und trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zurückgegeben hat, bis sie abgereist sind“, ergänzte die Beraterin. „Da sind sie natürlich gezwungen, alles zu akzeptieren, damit sie den Ausweis wiederbekommen, ohne den sie nicht in ihre Heimat zurückkehren können.“ Der Ausweis sei von einer Vermittlungsperson nur zurückgegeben worden, wenn die Vermittlungsgebühr in bar bezahlt wurde. „Es wurden kein Arbeitsvertrag oder andere Unterlagen ausgehändigt, die das Arbeitsverhältnis dokumentieren sollen“, kritisierte Mayr. „Die Arbeiter mussten jedoch Unterlagen unterschreiben, die sie nicht verstanden und auch nicht behalten oder fotografieren durften. Das ist pure Ausbeutung.“…“ Artikel von Jost Maurin vom 13. August 2020 in der taz online externer Link
  • 240 Corona-Neuinfektionen: Weiterer Bauernhof in Mamming von massivem Corona-Ausbruch betroffen 
    Nach den knapp 230 Neuinfektionen an einem bayerischen Bauernhof hat sich der massive Ausbruch unter Erntehelfern auf einen Nachbarhof ausgeweitet. Bewohner des Landkreises dürfen jetzt nur noch mit negativem Corona-Test in manche Urlaubsgebiete reisen. 43 Saisonarbeitskräfte haben sich in einem zweiten Betrieb im niederbayerischen Mamming mit dem Coronavirus angesteckt. „Diese und auch deren Kontaktpersonen befinden sich in Quarantäne“, sagte Landrat Werner Bumeder (CSU). Am Samstag hatten die Behörden noch von 27 Fällen gesprochen. Nach vollständiger Auswertung der Tests liege die Zahl nun bei 43, sagte Bumeder. (…) Der jetzt betroffene Betrieb im 3340-Einwohner-Ort Mamming stellt Gemüsekonserven und Sauerkraut her. Die Behörden gehen davon aus, dass sich die Corona-Infizierten bei Mitarbeitern des Gemüsehofs angesteckt haben, in dem es zuerst zu einem Ausbruch gekommen war. Dort wurde bei rund 230 Erntehelfern eine Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 nachgewiesen. Drei der Erkrankten befanden sich zwischenzeitlich nach Angaben des Landrats im Krankenhaus – am Sonntagnachmittag war einer von ihnen bereits wieder entlassen worden…“ Agenturmeldung vom 02.08.2020 in der Welt online externer Link (siehe Mamming auch weiter unten)
  • Die osteuropäischen Erntehelfer im Spannungsdreieck von aktueller Corona-Aufmerksamkeit, Zahnlosigkeit der EU und immer wieder das massive Kontrolldefizit des Staates
    Die Corona-Krise hat so einige Tatbestände aus dem Schattenreich ans Tageslicht gefördert und einen Blick auf das eröffnet, was ansonsten im Unsichtbaren bleibt. Das gilt – gerade in der Anfangszeit der Pandemie – für die unzähligen Arbeitskräfte aus dem Osten Europas, die in Deutschland arbeiten und Wert schöpfen. (…) Und dann gab es eine kurze Zeit lang einige kritische Bericht über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Erntehelfer in Deutschland, weniger wegen den Bedingungen an sich, sondern vor allem (wie später dann bei den Tönnies-Arbeitern auch) wegen der „Infektionsgefahr“, die von ihnen ausgehen könnte bzw. auch tatsächlich ausgeht (weitaus seltener wurde darauf hingewiesen, welcher Gefahr sich die betroffenen Arbeiter durch den Arbeitseinsatz hier bei uns aussetzen). (…) Natürlich könnte der eine oder andere, der an dieser Stelle pausiert und nachdenkt, auf die an sich naheliegende Frage kommen, ob das nicht auch auf ein Aufsichtsversagen hindeuten könnte, also wurde die Einhaltung der Auflagen denn überhaupt kontrolliert? Bekanntlich bedeutet eine theoretische Vorschrift nun keineswegs, dass die auch praktisch eingehalten wird. Oder haben wir auch im vorliegenden Fall den Tatbestand, dass die Betriebe, in denen Erntehelfer eingesetzt werden, so gut wie überhaupt nicht kontrolliert wurden/werden? Und man jetzt Aktivismus simuliert, um davon abzulenken? Zumindest solche Fragen müssen gestellt werden. (…) Zum einen haben wir es mit strukturellen Problemen zu tun beim Einsatz von Saisonarbeitern aus anderen Ländern, zum anderen ist das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Staaten ein Thema. Die EU-Kommission sagt dazu: »Mehr als 17,6 Millionen Europäerinnen und Europäer leben bzw. arbeiten in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Bestimmte Sektoren der europäischen Wirtschaft, insbesondere die Agrar- und Ernährungswirtschaft und der Fremdenverkehr, sind für bestimmte Zeiträume des Jahres auf die Unterstützung von Saisonarbeitskräften aus anderen EU- und aus Nicht-EU-Ländern angewiesen. Die Kommission schätzt, dass der Durchschnitt der aktiven Saisonarbeitskräfte in der EU pro Jahr zwischen mehreren Hunderttausend und einer Million liegt.« Das findet man in dieser Mitteilung der Kommission vom 16. Juli 2020: Coronakrise: Europäische Kommission fordert Maßnahmen zum Schutz von Saisonarbeitskräften externer Link. Dort heißt es: »Die Europäische Kommission legt heute Leitlinien vor, um den Schutz von Saisonarbeitkräften in der EU vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie zu gewährleisten. Sie bietet den nationalen Behörden, den Arbeitsaufsichtsbehörden und den Sozialpartnern Orientierungshilfen, um die Rechte, die Gesundheit und die Sicherheit von Saisonarbeitskräften zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Saisonarbeitskräften ihre Rechte bekannt sind.« Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend, wenn da nicht Begriffe wären wie „Orientierungshilfen“. »In den Leitlinien werden die nationalen Behörden und die Sozialpartner aufgefordert, neue Anstrengungen zu unternehmen, um ihrer Aufgabe, die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften sicherzustellen, gerecht zu werden. Die Leitlinien enthalten konkrete Empfehlungen und Vorschläge für Maßnahmen, die auf nationaler oder EU-Ebene durchgeführt werden sollen.« Im Kern bleibt ein Appell an die einzelnen Mitgliedsstaaten, denn die Handlungsmöglichkeiten der Kommission selbst sind mehr als begrenzt…“ Beitrag von Stefan Sell vom 27. Juli 2020 auf seinem Blog „Aktuelle Sozialpolitik“ externer Link
  • Hotspots: Kein Abstand, nirgends. Warum die Saisonarbeiter in Deutschland weiterhin gefährdet sind
    „… „Es ist seit Jahren bekannt, dass Saisonarbeiter auf den Feldern und an den Erntemaschinen dicht beieinander arbeiten müssen“, sagt Guia. Sie arbeitet für die DGB-Beratungsstelle „Arbeit und Leben“ in Düsseldorf, die europäische Arbeitskräfte in deren Muttersprache berät. Auch in Corona-Zeiten, sagt sie, seien die Unterkünfte weiterhin beengt; viele Arbeiter wohnten gedrängt in Containern und müssten sich Duschen und Toiletten teilen. Fünf Obsthöfe hätten sie als Beratungsstelle zusammen mit der Gewerkschaft IG BAU kürzlich besucht. Nur zwei davon hätten mehr Toiletten und Container nachweisen können als vor Corona. „Es gab Fälle, in denen fünf Menschen auf sechs Quadratmetern untergebracht waren.“ Zwei Meter Abstand könne da niemand halten. Vom Bundesarbeitsministerium, das für den Arbeitsschutz zuständig ist, hieß es am Montag, es gebe noch keine abschließenden Erkenntnisse zu den Hintergründen der Coronainfektionen in landwirtschaftlichen Großbetrieben oder der Fleischindustrie. Man gehe von „multifaktoriellen Infektionsgefährdungen“ aus. Übersetzt heißt das: Es gibt viele Gründe. Als Beispiele nannte ein Sprecher Belüftung, Schutzabstände, Arbeitspausengestaltung, aber auch die Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften oder den Transport zum Betrieb. (…)Es wäre gut, sagt Catalina Guia von der DGB-Beratungsstelle, wenn es mehr Kontrollen gäbe. „Und wenn sie uns und andere Beratungsstellen mit einbeziehen würden, denn die Arbeiter werden teilweise gezwungen zu lügen über ihre Bezahlung und die Einhaltung des Abstandsgebots – und wir kennen manche der Tricks.“ Zudem müsse es ordentliche Arbeitsverträge geben, und zwar bevor die Saisonkräfte aus dem Ausland ihre Arbeit beginnen. Manche arbeiteten wochenlang ohne Vertrag. „Ohne Kontrolle und Beobachtung wird es nicht gehen.“Artikel von Henrike Roßbach vom 27. Juli 2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Corona-Ausbruch bei Erntehelfern im niederbayerischen Mamming: Scharfe Kritik an Großbetrieb 
    Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat den landwirtschaftlichen Betrieb im niederbayerischen Mamming, in dem sich 174 Erntehelferinnen und Erntehelfer mit dem Coronavirus infiziert haben externer Link, kritisiert. Das Hygienekonzept scheine nicht adäquat umgesetzt worden zu sein, sagte die Ministerin bei einer Pressekonferenz in Dingolfing. Die Staatsregierung will nun in einer „Corona-Testoffensive“ auf großen Höfen die Erntehelfer untersuchen lassen. „Wir nehmen die Situation sehr ernst“, sagte Huml. „Bisher scheint es lokal eingrenzbar zu sein.“ Schwerpunkte der Tests sind zunächst die Höfe der Umgebung und im Landkreis. Wie der Landrat des Landkreises Dingolfing-Landau, Werner Bumeder (CSU), ausführte, war die vorgeschriebene Trennungen der Erntehelfer-Gruppen von 25 Personen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein. Da sich die Infektionsketten innerhalb des Betriebs nicht mehr nachvollziehen ließen, sei es zu einer kompletten Quarantäne des Hofs gekommen. Die Erntehelfer stammen aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine. Mittlerweile sei eine Separierung der infizierten und nicht-infizierten Menschen auf dem Hof in drei Wohnanlagen möglich. Eine Person befinde sich in stationärer Krankenhaus-Versorgung. Bei dem Betrieb handelt es sich um einen großen Gemüsehof, der Erdbeeren, Gurken, Kohl und Rote Bete anbaut…“ Meldung vom 26.07.2020 bei BR24 externer Link
  • Kreis Borken: Corona-Ausbruch in NRW-Gemüsehof
    Kreis Borken Im Kreis Borken steht ein Gemüsehof nach einem Corona-Ausbruch im Fokus der örtlichen Behörden. Dort arbeiten den Angaben zufolge vorwiegend rumänische Beschäftigte, die auch auf dem Betriebsgelände wohnen. Die Mitarbeiter dürften das Betriebsgelände vorerst nicht verlassen, teilte der Kreis mit. Derzeit seien aber erst 88 von 148 Abstrichproben ausgewertet – mit zunächst 8 positiven Ergebnissen. Zu Wochenbeginn würden weitere Befunde erwartet; eine erneute Testung der gesamten Belegschaft sei geplant…“ Meldung vom 19. Juli 2020 bei rp-online externer Link
  • Abgezockt? Rumänische Erntehelfer auf deutschen Feldern
    Sie gehen körperlich an ihre Grenzen und verdienen dennoch oft weniger als den Mindestlohn. Dank osteuropäischer Erntehelfer sind Obst und Gemüse in Deutschland billig. Dabei geht es auch anders, wie ein Landwirt aus Nürnberg zeigt…“ Beitrag aus der „Europa-Reportage am 19.07.2020 im BR Fernsehen externer Link
  • Beraterin über Erntehelfer: “Bei Hitze und Regen zwölf Stunden zu arbeiten, macht keiner lange mit“ 
    “Aura Silvia Plesca berät Erntehelfer aus Osteuropa. Dabei hört sie vieles über Wuchermieten, Arbeit ohne Pause und nicht gezahlte Löhne. Ein Interview. [Wie viele osteuropäische Leiharbeiter, Werkvertragler oder ähnlich Beschäftigte gibt es in Hessen tatsächlich oder geschätzt?] Aktuelle Zahlen haben wir nicht. 2016 waren es unseren Informationen zufolge 16.000. In diesem Jahr waren nach unseren Schätzungen etwa 40 Prozent weniger auf den Feldern. [Sie arbeiten im Projekt „Faire Mobilität“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes und beraten Menschen aus Mittel- und Osteuropa, was ist Ihre Aufgabe?] Da ich ursprünglich aus Rumänien komme, berate ich rumänischsprachige Arbeitnehmer. Jeder, der Fragen oder Probleme im Beschäftigungsverhältnis hat, kann sich an mich wenden. Ich berate etwa 400 bis 500 Menschen im Jahr…“ Interview von Patricia Andreae vom 08.07.2020 in der FAZ online externer Link mit Aura Silvia Plesca („Faire Mobilität“) (im Abo)
  • Ärger auf den Feldern: Proteste von Saisonarbeitskräften in Ladenburg 
    Saisonarbeitskräfte haben am Montag in Ladenburg ihrem Ärger über zu wenig Lohn Luft gemacht. Einige sagen, dass sie am Monatsende gerade Mal 150 Euro in der Tasche haben. Es sind harte Vorwürfe, die von einigen Erntehelfern an der Bergstraße kommen. Der Hegehof – einer der größten Obst und Gemüsehöfe an der Bergstraße, zahle zu wenig. Dieter Hege weist das entschlossen zurück. Er bezahle den Mindestlohn von 9,35 Euro – genau das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. (…) Üblicherweise würden Busfahrer die Erntehelfer bringen. Diese Fahrer würden als Vermittler eingesetzt, um den Arbeitern die Vorgehensweisen sowie die Bezahlungsmodalitäten zu erklären. In diesem Jahr kamen andere Erntehelfer per Flugzeug und auch die Vermittler waren andere. Diese fürchten nun den Zorn der Arbeiter. Eine Vermittlerin ist aus Angst mit ihrer Familie wieder unterwegs zurück nach Polen. Die Arbeiter, die jetzt protestiert haben, sollen den regulären Stundenlohn bekommen haben. Wenn sie aber ihre Steuer-Identifikationsnummer nicht angegeben hatten, wurden sie in Steuerklasse 6 eingestuft, heißt es von Seiten des Hofes. Dann blieben ihnen 600 Euro im Monat. Davon wurden noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen…“ Beitrag vom 7.7.2020 beim SWR externer Link
  • Coronavirus: 95 Erntehelfer auf Spargelhof infiziert
    Inchenhofen. Auf einem Spargelhof in Bayern sind inzwischen 95 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden. 525 Mitarbeiter seien untersucht worden, teilte das Landratsamt am Freitag in Aichach mit. »Aktuell werden alle Kontaktpersonen der Erkrankten ermittelt.« Die Getesteten hätten zum Zeitpunkt des Abstrichs jedoch keinerlei Symptome einer Covid-19-Erkrankung gezeigt, teilte die Behörde unter Berufung auf Gesundheitsamtsleiter Friedrich Pürner mit. Früheren Angaben zufolge hatte es unter Erntehelfern auf dem Betrieb in Inchenhofen eine Aufteilung in Kleingruppen gegeben, die vom Gesundheitsamt vorab ausdrücklich gelobt worden war. Nach Einschätzung der Behörde betrifft der Ausbruch nur den Spargelhof, weshalb auch eine Überschreitung der Grenzwerte für Neuinfektionen keine weiterreichenden Folgen hätte. Die Geschäftsführung der Lohner Agrar GmbH teilte am Freitag mit, angesichts der Vorkehrungen wie die Einrichtung eines eigenen Supermarktes, einer eigenen Kantine mit Abstandsvorkehrungen und der Unterbringung in Ein- bis Zwei-Personen-Zimmern keine Erklärung dafür zu haben, wie das Virus auf den Hof gekommen sei.“ Agenturmeldung vom 12.06.2020 in der jungen Welt Online Extra externer Link
  • Covid-19-Fälle auf Spargelhof: Aichach-Friedberg ist jetzt Deutschlands Corona-Hotspot
    “… Am Montag und Dienstag wurden nun laut Landratsamt mehr als 500 Beschäftigte des mit Abstand größten Spargelbauern in der Region getestet. Das sei „ohne jegliche Komplikationen“ verlaufen, keiner der Getesteten habe Covid-19-Symptome gezeigt, teilte die Behörde am Mittwochabend mit und will sich am kommenden Montag zu den Ergebnissen äußern. Eines nahm sie jedoch vorweg: Sollten am Ende der Auswertung die Grenzwerte 35 oder 50 überschritten werden, würde dies „in erster Konsequenz ausschließlich Maßnahmen für den Spargelhof nach sich ziehen und nicht den ganzen Landkreis betreffen“. Denn außerhalb des Spargelhofs seien „die Infiziertenzahlen im Landkreis weiterhin völlig unauffällig, lagen zuletzt bei Null“. Am Donnerstag bestätigte schließlich das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen, was das Robert-Koch-Institut in Berlin schon vermeldet hatte: Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen ist im Landkreis Aichach-Friedberg tatsächlich drastisch angestiegen. Am Mittwoch um 15 und am Donnerstag um weitere 41 auf nunmehr 75 Personen in den vergangenen sieben Tagen. …“ Beitrag von Michael Böhm vom 11.06.2020 in Augsburger Allgemeine online externer Link
  • Die für einen kurzen Moment sichtbar gewordenen unsichtbaren Erntehelfer sind erneut im medialen Schattenreich – und sollen wieder alle kommen dürfen
    “Es gibt definitiv Meldungen, die kommen einfach wirklich total unpassend. Beispielsweise so eine Schlagzeile am 11. Juni 2020: Corona-Ausbruch auf Spargelhof in Bayern externer Link. Mit diesem Inhalt: »Nachdem 21 Erntehelfer auf einem Spargelhof in Aichach-Friedberg positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sind nun 500 weitere Mitarbeiter des Betriebs getestet worden. Unter den Getesteten gebe es weitere Corona-Fälle, teilte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit. Bei 200 dieser Mitarbeiter stehe das Ergebnis noch aus, hieß es weiter. Symptome waren bei keinem der Getesteten aufgetreten. Die neuen Infektionszahlen sollen am Montag bekanntgegeben werden.« Für wen das „unpassend“ ist? Für die Landwirte, die auf die Heerscharen an „günstigen“ Arbeitskräften angewiesen sind und eine „schlechte Presse“ nicht gebrauchen können. Derzeit ist das aber vor allem unpassend für die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), denn die hatte, den allgemeinen Regeln der Berichterstattungslogik folgend, auf das Verschwinden des Themas Erntehelfer, das ein paar Tage lang einige auch kritische Berichte mit Stoff versorgte, gehofft, um dann zu versuchen, wieder in den Normalmodus zu wechseln. Den Normalmodus kann man in diesen Tagen vielleicht so zuspitzen: „Freie Fahrt für unfreie Erntehelfer“. Herausgekommen ist dann sowas: Corona-Beschränkungen enden: Freie Einreise für Saisonarbeiter  externer Link. Darüber wurde erst einen Tag vor den neuen Meldungen über Corona-Fälle unter den Erntehelfer, die schon da sind, berichtet. (…) Das sieht die zuständige Ministerin natürlich ganz anders: »Nach wie vor hat der bestmögliche Gesundheits- und Infektionsschutz aller Beteiligten für uns Priorität. Nur so ist verantwortungsvolles Wirtschaften in Zeiten der Pandemie möglich.« Mit diesen salbungsvollen Worten wird sie von ihrem Ministerium in einer Pressemitteilung vom 10. Juni 2020 zitiert, wobei man die Überschrift dieser Mitteilung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium genau lesen sollte, denn die bringt es auf den Punkt, um was es vor allem geht: Neuregelung für Saisonarbeitskräfte schafft Planungssicherheit für die Landwirte externer Link. Aber das es nicht wirklich um die (gesundheitliche) Sache geht, das könnte man ableiten aus den Zahlen vor dem Hintergrund der realen Bedarfe, die es in der Landwirtschaft an Saisonarbeitern gibt. Mithin also geht es nur darum, so schnell wie möglich alle Hürden zu schleifen, die den Nachschub an Arbeitskräften möglicherweise blockieren: »Die Bundesregierung hatte bisher festgelegt, dass insgesamt höchstens 80.000 Saisonkräfte einreisen dürfen. Diese Regelung läuft Mitte Juni aus. Das Kontingent wurde nur knapp zur Hälfte ausgeschöpft. Bis zum 3. Juni 2020 reisten 38.967 Saisonarbeitskräfte ein. In der Landwirtschaft hatten voriges Jahr nahezu 300.000 Saisonkräfte vor allem aus Rumänien und Polen gearbeitet.« (…) »Überfüllte Zimmer, Akkordlohn, wenig Pausen. Wie schlecht die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind, zeigt die Krise«, so der Anfang des Artikels Und wer rettet die Erntehelfer? externer Link von Luisa Jacobs, der am 4. Juni 2020 veröffentlicht wurde. Der fast nochmal viele Aspekte der kritischen Berichterstattung zusammen. Jacobs hat aber am Anfang ihres Artikels auch noch eine Frage in den Raum gestellt – ich zitiere den vollständigen Untertitel: »Überfüllte Zimmer, Akkordlohn, wenig Pausen. Wie schlecht die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind, zeigt die Krise. Warum ist es so schwer, daran etwas zu ändern?« Warum ist es so schwer, daran etwas zu ändern? Vielleicht, weil man dann die Systemfrage stellen müsste…“ Beitrag von Stefan Sell vom 11.06.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik externer Link
  • Bedingungen für die Einreise von Erntehelfern werden gelockert
    Ausländische Saisonarbeitskräfte sollen ab kommender Woche leichter einreisen dürfen. Bestimmte Schutzvorkehrungen gelten aber weiter. Das sieht ein Konzept vor, das Bundesagrarministerin Julia Klöckner heute im Kabinett vorgestellt hat. Das Modell soll die weitere Beschäftigung dringend benötigter Erntehelfer in den nächsten Monaten absichern. Denn am kommenden Montag läuft die Sonderregelung aus, die die Einreise von bis zu 80 000 Saisonkräften per Flugzeug ermöglichte. Die Bundesregierung hatte bereits signalisiert, dass es eine Folgeregelung dafür geben soll. Ab kommendem Dienstag (16. Juni) dürfen Saisonkräfte aus EU-Staaten auf dem Landweg und per Flugzeug „ohne die bisherigen Beschränkungen nach Deutschland einreisen“, heißt es in dem Konzeptpapier. Dies gilt auch für Kräfte aus den assoziierten Schengen-Staaten wie der Schweiz. Die Regelungen sollen bis zum Jahresende gelten…“ Beitrag von Norbert Lehmann vom 10.06.2020 bei agrarheute externer Link samt Eckpunkten der Saisonarbeiter-Regelung des Konzeptpapier des BMEL zur Saisonkräfte-Regelung externer Link
  • Lohn-Streit auf Spargelhof im Landkreis Nienburg
    “Nach der Kritik an einem Spargelhof in Hoyerhagen im Landkreis Nienburg wegen möglicher Verstöße gegen Corona-Regeln, gibt es dort Streit um Löhne. Das berichtet NDR 1 Niedersachsen. Ein rumänischer Erntehelfer habe nach eigenen Angaben seit Ende April 300 Stunden gearbeitet aber nur 200 bezahlt bekommen, sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft IG Bau. Er habe die Erntehelfer ordentlich bezahlt und es habe auch keine Probleme gegeben, entgegnet der Spargelbauer. Das Unternehmen hat inzwischen wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage durch die Corona Pandemie Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsbetrieb werde aber unverändert und vollumfänglich fortgeführt, teilte der Insolvenzverwalter mit. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Verden, ob es auf dem Hof Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz gegeben hat. Zudem wird der Bauer verdächtigt, Ausweisdokumente von Erntehelfern einbehalten und auch auf Nachfrage nicht herausgegeben zu haben. Der Hofbetreiber weist diese Vorwürfe zurück.“ Meldung vom 03.06.2020 bei NDR1 externer Link
  • Begrenzte Einreise von Saisonarbeitskräften unter strengen Auflagen bis 15. Juni verlängert 
    Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, und der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, haben sich auf die Fortführung der bestehenden Regelung für die Einreise ausländischer Saisonarbeitskräfte bis zum 15. Juni geeinigt. Anfang April hatten die beiden Bundesministerien unter Einbeziehung des Robert-Koch-Instituts einen verantwortungsvollen Korridor zur Einreise von jeweils 40.000 Saisonarbeitern in den Monaten April und Mai geschaffen – unter strengen Infektionsschutzauflagen. Diese umfassen unter anderem einen Gesundheitscheck am Flughafen nach Landung, die Übermittlung der Ergebnisse an das zuständige Gesundheitsamt, eine 14-tägige faktische Quarantäne nach Ankunft, strikte Abstands- und Hygienevorschriften in den Betrieben, eine geringere Belegung der Unterkünfte und das Arbeiten in möglichst kleinen, gleichbleibenden Gruppen. Das Konzept wäre Ende Mai ausgelaufen, weiterhin sind die Landwirte für die Ernte und Pflanzarbeiten aber auf die Unterstützung ausländischer Fachkräfte angewiesen. Daher haben sich die beiden Bundesminister auf die Verlängerung verständigt. Die Auflagen für den Gesundheits-, Arbeits- und Infektionsschutz bleiben bestehen, ebenso wie das Kontingent von insgesamt 80.000 Arbeitskräften. Dieses ist aktuell nicht ausgeschöpft: Eingereist sind bisher rund 33.000 Saisonarbeitskräfte. Zum Stichtag 15. Juni ist in der Bundesregierung verabredet, die Reisebestimmungen im Lichte des aktuellen Infektionsgeschehens grundsätzlich neu zu bewerten. Eine weitere Anschlusslösung für die Zeit nach Mitte Juni wird sich an diesem Grenzregime orientieren…“ Pressemitteilung des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 24. Mai 2020 externer Link
  • Rumänen opfern sich für deutschen Spargel 
    Das Herz des EU-Binnenmarktes ist eine grundlegend ungleiche Arbeitsteilung, die hunderttausende osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter für einen Hungerlohn vertreibt. (…) Trotz des Lockdowns müssen Millionen Menschen auf der Welt zur Arbeit gehen, nicht nur, um zu überleben, sondern auch weil gerade ihre Arbeit unverzichtbar ist, um die Lockdowns für alle anderen aufrechtzuerhalten. Nahrungsmittel müssen geerntet, verarbeitet und transportiert werden. Die Infrastruktur muss aufrechterhalten werden und die Grundversorgung muss weiterlaufen. All das wäre unmöglich ohne die Menschen, die bereit sind diese notwendige Arbeit zu leisten. Und Unternehmerinnen und Unternehmer werden alles tun, um sie ausfindig zu machen. Genau so war es bei den rumänischen Spargelstecherinnen und -stechern. Mit Verweis auf die verrottende Ernte auf den Feldern kam der deutsche Staat dem Landwirtschaftssektor zu Hilfe und überzeugte Rumänien davon, gecharterte Auslandsflüge für die Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter zu erlauben. Der rumänische Staat folgte ordnungsgemäß – allerdings nicht aus blindem Gehorsam dem europäischen Hegemon gegenüber, sondern weil die Versorgung reicher EU-Staaten mit billigen und flexiblen Arbeitskräften bereits seit drei Jahrzehnten gängige Praxis ist. (…) Die offizielle Antwort des rumänischen Botschafters, Emil Hurezeanu, war zwar wortreich, aber blieb oberflächlich. Er lobte die deutschen Unternehmen und Behörden überschwänglich in ihrem Bemühen, die Arbeit während der Pandemie zu organisieren. Aber er hatte wenig über das Schicksal seiner Landsleute zu sagen, die als Folge nun gegen die Krankheit kämpften. Statt die Rechte rumänischer Bürgerinnen und Bürger im Ausland zu vertreten, schien er eher damit beschäftigt, die Arbeitsmigration von Ost nach West aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle. Allerdings zeigt die Art und Weise, wie rumänische und andere osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter in völliger Missachtung ihrer Sicherheit und mit der Zustimmung ihrer Regierungen abtransportiert wurden, die Besonderheiten der Arbeitsmigration innerhalb der EU auf, wo ein Binnenmarkt und offene Binnengrenzen es Arbeiterinnen und Arbeitern ermöglichen, angeblich gleichwertige Mitgliedsstaaten frei zu durchqueren. Hinter dieser formellen Gleichheit verstecken sich jedoch die stummen Zwänge materieller Notwendigkeit, die Hunderttausende zur Abwanderung vom ärmeren Osten und Süden gen Westen treiben. Das Herzstück Europas ist eine hochprofitable Industrie, die darin spezialisiert ist, billige Arbeitskräfte aus dem Osten in verschiedene Staaten des Zentrums zu importieren. Das ist nichts Neues, aber es wird selten als grundlegende Eigenschaft des europäischen Projektes diskutiert. (…) Rumänische Arbeiterinnen und Arbeiter sind äußerst wichtige Wertanlagen im Westen, weil sie bereit sind, Knochenarbeit für deutlich weniger Geld als heimische Arbeiterinnen und Arbeiter zu leisten und weil sie seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2007 legal einreisen können. Dies versetzt sie in die nicht gerade beneidenswerte Lage, flexible Arbeitskräfte zu sein, die nichtsdestotrotz verhältnismäßig »privilegiert« sind gegenüber Nicht-EU-Migrantinnen, Flüchtlingen und undokumentierten Arbeitern. Dank ihres EU-Passes verringern sie die Umzugskosten für Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter und sind damit günstigere Neueinstellungen. Warum sollten Unternehmen undokumentierte Migrantinnen schmuggeln, wenn Osteuropäer bereitwillig kommen und sogar für ihr eigenes Ticket zahlen? Diese Regelungen erlauben es, mittleren und großen landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien stattliche Profite einzufahren, während sie vertriebenen Arbeiterinnen und Arbeitern harte Bedingungen aufzwingen, gegen die sie sich aufgrund von mangelnden Ressourcen nicht wehren können…“ Artikel von Florin Poenaru und Costi Rogozanu am 18.05.2020 im Jacobin.de externer Link, Übersetzung von Martin Neise – ein insgesamt sehr interessanter Artikel sowohl zur Lage in Rumänien, als auch zur EU-Politik der Arbeitsmigration
  • Niedriglohn, Schimmelessen und Gesundheitsgefährdung – Erntearbeiter*innen im deutschen Agrarkapitalismus 
    “… Am vergangenen Freitag war in Bornheim, Nordrhein-Westfalen, Schluss mit Arbeit. Über hundert Saisonarbeiter*innen – Pressemeldungen sprechen von bis zu 250 – legten die Arbeit nieder, worauf die Verwaltung des Betriebs die Polizei rief, um sie einzuschüchtern. Die Arbeiter*innen bemängeln externer Link nicht nur verschimmeltes Essen, unbeheizte Massenunterkünfte neben einer Kläranlage und völlig fehlenden Schutz gegen Corona – sondern auch ein Ausbleiben ihrer Bezahlung. Für ein Monat Knochenarbeit hatten sie nur 100 bis 250 Euro ausbezahlt bekommen. Der Betrieb gehört (oder gehörte bis vor einigen Monaten) dem Ehepaar Ritter, ist allerdings seit Anfang März in der Insolvenzverwaltung externer Link. Zuständig ist das Rechtsanwaltsbüro Andreas Schulte-Beckhausen, der Medienberichten zufolge bereits einen neuen Investor für den Großbetrieb an der Hand hat. In der Hauptsaison soll der Hof in den Jahren zuvor bis zu 500 Ernte-Arbeiter*innen beschäftigt haben. Dass wir so viel über die Bedingungen bei Spargel Ritter in Bornheim wissen, liegt daran, dass die Arbeiter*innen sich gewehrt haben. Wie die Bedingungen in anderen Betrieben sind, kann man sich ausmalen – auch weil bekannt ist, dass die Misshandlung von Saisonarbeiter*innen in der deutschen Landwirtschaft kein neues Problem ist. Die scharfe Konkurrenz auf dem Lebensmittelmarkt wird nach unten weitergegeben und ganz unten in der Kette stehen eben die Saison- und Wanderarbeiter*innen – ganz ähnlich wie in der Pflege oder der Fleisch-, Transport- oder Bau-Industrie dieses Landes. (…) Gängige Probleme sind miserable Unterbringung, überlange Schichten, Unterbezahlung – teilweise unter dem Mindestlohn -, mangelnde Hygiene- und Gesundheitsversorgung, schlechte Ernährung. Schichten von 14 Stunden, sieben Tage die Woche bei gesundheitsschädlicher Schwerstarbeit sind keine Seltenheit. Das Geschäftskonzept der Agrarunternehmen ist einfach: Die kommen nur für ein paar Monate, sie haben keine Lobby, niemanden interessiert, wie es ihnen geht – also können wir sie ausnehmen, wie wir wollen…“ Beitrag vom 17.05.2020 in Lower Class Magazine externer Link – siehe auch unser Dossier: [Ausstehende Löhne und Missstände in Verpflegung und Unterbringung im Spargelbetrieb Ritter] Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim
  • [Interview] »Bei 14 Stunden Arbeit an sieben Tagen die Woche werden die Arbeiter_innen doch ziemlich häufig wütend«
    „… Vor allem in den Bereichen der Sonderkulturen der Landwirtschaft – also Spargel, Erdbeeren aber auch Obst und Gemüse – wird auf Erntehelfer_innen zurückgegriffen. Seit ich dabei bin, treffen wir vor allem rumänische und polnische Staatsbürger_innen in den landwirtschaftlichen Betrieben. Desweiteren treffen wir auch Personen aus Kroatien, insbesondere in Hessen; Bulgaren treffen wir an – nummerisch dann nicht so viele, weil das Land im Vergleich dann doch sehr klein ist. In den letzten Jahren ist es auch manchmal vorgekommen, dass wir ukrainische Studierende getroffen haben. Diese Vielfalt fordert so eine Initiative wie die Initiative Faire Landarbeit auch heraus. Man muss sich immer neu überlegen: Welche Sprachkenntnisse brauche ich jetzt eigentlich. (…) Man muss dazu sagen, dass die Betriebe immer ein großes Interesse haben, die Arbeitszeit in der Erntezeit soweit wie möglich auszuweiten. Wir treffen häufig Leute, die uns berichten, dass sie mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten. Das kollidiert zwar teilweise mit dem Arbeitszeitgesetz, aber da gibt es für die Betriebe auch spezielle, durchaus legale, Möglichkeiten, die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden auszuweiten. Wegen der Herausforderungen durch Corona gibt es aktuell sogar die Möglichkeit, dass Betriebe ihre Arbeiter_innen bis zu zwölf Stunden am Tag bei maximal 60 Wochenarbeitsstunden arbeiten lassen. (…) Auch in den Medien wurde ja zur diesjährigen Spargelsaison unter dem Zeichen von Corona darüber berichtet, dass viele Betriebe Zweifel daran hatten, ob für diese Tätigkeiten kurzfristig Arbeitskräfte aus Deutschland gewonnen werden können, da die Tätigkeit komplex und körperlich sehr anstrengend ist. Dabei darf man nicht vergessen, dass es natürlich nicht so ist, dass Rumän_innen für die Tätigkeit des Spargelstechens körperlich besonders geeignet sind – es ist vielmehr so, dass die Arbeitskräfte aus Rumänien einen viel höheren wirtschaftlichen Druck haben, denn der durchschnittliche deutsche Student, zumindest bis jetzt, noch nicht so verspürt. (…) In Deutschland gelten die Beschäftigungsverhältnisse der Saisonarbeiter_innen als kurzfristige Beschäftigung – das ist eine Form des Minijobs. Mit dem Minijob ist es vor allem vergleichbar, weil es normalerweise sozialversicherungsfrei ist. Damit diese Konstruktion überhaupt möglich ist, müssen bestimmte Anspruchsvoraussetzungen bestehen, und die mussten erst geschaffen werden. Da gab es vom Arbeitsministerium (BMAS) immer unterschiedliche Regelungen mit den jeweiligen Staaten, aus denen die Saisonarbeiter_innen kommen. Das bestimmt dann teilweise auch den Hintergrund der Leute. So dürfen aus Rumänien eigentlich nur Leute als Saisonarbeiter_innen nach Deutschland kommen, die dort als Hausmann oder Hausfrau gemeldet sind. Jemand, der in Rumänien Sozialhilfe empfängt oder in einem regulären Arbeitsverhältnis ist, dürfte nach der geltenden Regelung also in Deutschland keine kurzfristige Beschäftigung annehmen und damit auch nicht als Saisonarbeitskraft in der Landwirtschaft arbeiten. Dieser Hausfrau/Hausmann-Status ist dabei eher willkürlich, der wird in Rumänien einfach in ein Dokument gestempelt. (…) Theoretisch müsste man natürlich sagen, dass die Arbeiter_innen als Verdienst den aktuellen Mindestlohnsatz von 9,39 Euro mal die Arbeitszeit, die sie gearbeitet haben, erwarten dürften. Da kämen sie, bei einem 8-Stunden Tag, für den Monat mit insgesamt circa 1700 Euro raus. Aber mit den Abzügen für Unterkunft und Verpflegung, die ja in einem gewissen Umfang auch erlaubt sind, kommen die meisten – wenn wirklich alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden – auf einen Stundenlohn von um die 7,50 Euro. Aber wir haben auch schon Arbeiter_innen erlebt, die bei vier Euro pro Stunde rausgekommen sind. Es gibt auch Betriebe, die sehr gut zahlen. Dort können erfahrene und bewährte Arbeitskräfte dann auch sehr gutes Geld verdienen. Ich habe auch schon Lohnabrechnungen gesehen, da haben einzelne Arbeiter_innen 2200 Euro netto verdient. Aber das ist natürlich eine absolute Ausnahme. (…) Wir haben zwei Tricks der Landwirte beobachtet, die versuchen, den Mindestlohn zu umgehen. Das eine sind zu hohe Abzüge vom Lohn für Unterkunft und Verpflegung. Und zum anderen der Trick, dass man für die Lohnberechnung den Akkord in Arbeitszeit umrechnet. So gehen dann Arbeitsstunden verloren, die nicht bezahlt werden. Obwohl der Gesetzgeber das eigentlich ganz klar verbietet: Man darf Akkord bezahlen – und man darf dabei natürlich auch mehr als den Mindestlohn zahlen –, aber man darf den Mindestlohn nicht unterschreiten. Mir sind aber schon mehrmals Papiere vorgelegt worden, wo die Arbeitgeber so getrickst haben, dass der effektive Lohn den Mindestlohn unterschreitet. (…) Auch ist der Mindestlohn für die Arbeiter_innen nicht die entscheidende Größe, an der sie ihr Einkommen messen. Die Saisonarbeiter_innen haben vielmehr häufig eine feste Kalkulation, einen Gesamtverdienst, den sie gerne erreichen möchten. Und wenn sie merken, dass sie den nicht erreichen – sei es, weil der Bauer zu viel Geld für Kost und Logis abzieht, oder die Bezahlung nicht der geleisteten Arbeit entspricht – kam es in der Vergangenheit relativ häufig zu Konflikten. Weitere Konfliktauslöser sind zu lange Arbeitszeiten, die dann teilweise bei 14, 15 Stunden liegen, keine Freizeit – also wirklich sieben Tage, 14 Stunden arbeiten. Häufig sagen uns die Bauern zwar »Die Leute wollen ja auch so viel arbeiten, die wollen ja was verdienen« – aber auch da gibt es natürlich ein Limit. (…) Wir haben dieses Jahr aber auch – und das ist neu – eine breite Mediendebatte in Rumänien über die Zustände in deutschen landwirtschaftlichen Betrieben, die auch nicht nur die Einhaltung der Hygiene-Regeln hinterfragen, sondern auch arbeitsrechtliche Probleme dokumentieren, erlebt. Es gibt damit zum ersten Mal auch ein rumänisches Echo zu Debatten über Arbeitsbedingungen in der deutschen Landwirtschaft. Sogar die rumänische Regierung hat sich nach den ersten Berichten eingeschaltet und verteilt jetzt an rumänischen Flughäfen Aufklärungsflyer an die Arbeiter_innen, um auf Hilfsangebote bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz hinzuweisen. Das zeigt ja schon, welchen Eindruck es in Rumänien von den Zuständen gibt, welche die Saisonarbeiter_innen in Deutschland erwarten. (…) Zudem muss man nicht denken, dass die Betriebe ihre Arbeitskräfte während Corona besser behandeln. Viele Betriebe versuchen, die in der Coronakrise entstandenen Mehrkosten auf die Arbeitnehmer umzulegen – wie die Anreisekosten, die aktuell deutlich höher ausfallen. Trotz der Zusage des Bauernverbandes, dass die Betriebe diese Mehrkosten übernehmen, gibt es bereits mehrere Presseberichte, dass es eine Tendenz gibt, diese Kosten auf die Saisonarbeiter_innen abzuwälzen. Gleichzeitig versuchen die Betriebe, trotz eines kleineren Zeitfensters und weniger Erntehelfer_innen, noch so viel Ernte einzuholen, wie es geht. Und dafür setzen sie ihre Arbeitskräfte noch mehr unter Druck, als es eh schon der Fall ist. Das steigert alles das Konfliktpotenzial. (…) Erst hat das Innenministerium gesagt »Nein, unter den Bedingungen können wir die Anreise von Erntehelfer_innen nicht verantworten, es wird ausgesetzt.« Und plötzlich wurde ein halbgarer Vorschlag angenommen, sodass die rumänischen Arbeitskräfte doch nach Deutschland kommen können. Insbesondere die Frage nach der Krankenversicherung ist dabei noch nicht geklärt. Dazu kommen die Fragen nach der Rückkehr nach Hause oder der Möglichkeit eines Wechsels des Betriebes, wenn es Probleme gibt. Oder die Fragen: Gibt es Kapazitäten zur Kontrolle der Einhaltung der Sonderregelungen? Und trotz all dieser ungeklärten Fragen und Ungereimtheiten hat plötzlich alles funktioniert. Daran kann man schon ablesen, dass der Bauernverband auf jeden Fall einen extrem starken politischen Einfluss hat. (…) Wichtig ist auf jeden Fall die Stärkung des Sozialschutzes. Insbesondere eine Klärung der Situation der Krankenversicherung – dass die Leute nicht auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie krank werden. Darüber hinaus ist es wichtig, so einfach es klingt, dass die Beratungsstellen Zugang zu den Leuten haben. Dass die Leute die Möglichkeit haben jederzeit zu sagen »Ich fliege zurück«. Solange die Situation der Rückkehr beziehungsweise des Betriebswechsels ungeklärt ist, haben die Saisonarbeiter_innen im Grunde genommen überhaupt kein Druckmittel. Ganz im Gegenteil. Sie sind diejenigen, die unter Druck stehen…“ Ein (lesenswertes!) Interview von und bei diskus mit Michael Baumgarten externer Link (ohne Datum, aber aktuell) zu Arbeitsbedingungen rumänischer Saisonarbeiter_innen in der Landwirtschaft – vor und während Corona. Michael Baumgarten arbeitet für das Peco-Institut, das sich auch mit Rechten von Saisonarbeiter_innen beschäftigt. Als Teil der Initiative Faire Landarbeit gibt das Peco-Institut jährlich einen zusammenfassenden Bericht über die Arbeitsbedingungen in den landwirtschaftlichen Betrieben heraus. Grundlage des Berichtes sind sogenannte »Feldaktionen«, wo Mitarbeiter_innen die landwirtschaftlichen Betriebe besuchen, um die Saisonarbeiter_innen aus verschiedenen Ländern in ihrer Muttersprache über ihre Rechte und Beratungsangebote zu informieren.
  • IG BAU: Bundesregierung muss Schutz für Erntehelfer ausbauen
    Die Agrargewerkschaft IG BAU fordert die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung für ausländische Erntehelfer nachzukommen und bestehende Regelungen nachzubessern. Der Schutz von Menschen muss darin unzweideutig geregelt sein und überprüft werden können. „Mit den Ausnahmen für Erntehelfer von Reisebeschränkungen wurde die Landwirtschaft gestützt. Das Ziel, diese systemrelevante Branche zu sichern war und ist richtig. Jedoch wurden die dafür notwendigen Regelungen unter Zeitdruck getroffen und enthalten schwerwiegende Mängel. Der Schutz der Saisonkräfte vor Covid-19-Infektionen ist nicht sichergestellt. Gleichzeitig führen die Regelungen zu einer bisher nicht gekannten Abhängigkeit der Beschäftigten vom Landwirt. So sind die Erntehelfer wegen der Quarantäne nicht ohne weiteres in der Lage, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn dieser gegen seine Pflichten verstößt. Auch eine vorzeitige Heimreise ist den Saisonkräften nicht möglich. Ihnen fehlen in der Regel die Mittel für die notwendigen Flüge. In der Praxis sind sie daher dem Good-will des Arbeitgebers ausgeliefert. Das widerspricht sämtlichen arbeitsrechtlichen Standards in Deutschland und in der EU. Hier muss die Bundesregierung dringend Abhilfe schaffen“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Wir fordern klare Regelungen, die weder beim Infektionsschutz noch bei Sozial- und Arbeitsbedingungen oder der Bezahlung Interpretationsspielräume lassen. Jeder Beschäftigte und jeder Arbeitgeber muss wissen, was seine Rechte und was seine Pflichten sind. Das allein reicht leider noch nicht aus. Viele aktuelle Medienberichte bestätigen unsere Erfahrungen, dass Missstände nicht nur in der Fleischindustrie bestehen. Auch in der Landwirtschaft gibt es gravierende Verstöße gegen Hygienevorschriften wie etwa die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Ausreichend häufige und unangekündigte Kontrollen vor Ort sind hier unerlässlich. Diese müssen auch in angeblichen Privatwohnungen möglich werden, in denen Saisonarbeiter allzuoft auf engstem Raum zusammengepfercht werden. Solche besseren Regeln und Kontrollen gewährleisten den Schutz der Menschen ebenso wie den der korrekt arbeitenden Betriebe vor Dumpingkonkurrenz. Außerdem muss der jederzeitige Zugang von Beratungsnetzwerken für Wanderarbeiter zu den Saisonbeschäftigten sichergestellt werden. Nur durch diese Änderungen können die stark gestiegenen Besorgnisse der Herkunftsländer, der Saisonarbeiter und der hiesigen Bevölkerung ausgeräumt werden.““ Pressemitteilung vom 16.05.2020 externer Link
  • [Ausstehende Löhne und Missstände in Verpflegung und Unterbringung im Spargelbetrieb Ritter] Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim
  • Erntehelfer – Helden oder „Verbrecher“? 
    Die Spargelernte ist gesichert! Mit großer Freude und vielen Versprechungen wurden vor einem Monat Tausende Erntehelfer aus Rumänien in Deutschland als Retter in der Not begrüßt. Die heutige Bilanz ist eher ernüchternd. Daniela Reim ist wegen der aktuellen Entwicklung besorgt. Die Rumänisch sprechende Beraterin für mobile Beschäftigte in Niedersachsen muss sogar mit einer Anzeige rechnen. Kurz vor dem letzten Wochenende wollte sie sich einen Überblick verschaffen über die Arbeits- und Lebensbedingungen einiger rumänischer Saisonarbeiter auf einem Spargelhof. Eigentlich sollten hier keine Quarantänemaßnahmen mehr gelten, die nach Einreise der Erntehelfer Anfang April für 14 Tage verordnet worden waren. Es sollte eine routinemäßig durchgeführte Aktion werden, die leider als Verfolgungsjagd endete, erzählte sie der DW. Der Betreiber des Bauernhofs verweigerte der Beraterin den Zutritt und drohte gar, sie anzuzeigen. Als sie das Areal verließ, so Daniela Reim weiter im DW-Gespräch, verfolgte er ihren Wagen, „um sicherzustellen, dass ich keinen Kontakt zu den rumänischen Erntehelfern aufnehmen kann.“ Eine ungewöhnliche Situation gab es auch auf einem Spargelhof mit fast 500 rumänischen Saisonkräften in Bayern. Dort musste sogar die Polizei einrücken, um für Ordnung zu sorgen, nachdem die Lage zu eskalieren drohte. Die Erntehelfer berichteten über inakzeptable Arbeitszustände, schlechte Bezahlung und eine Quarantäne, die praktisch gar keine war. Weil der Arbeitgeber keine adäquaten Schutzmaßnahmen treffen wollte, rebellierten einige Saisonarbeiter. In einem Gespräch mit der DW wehrte sich der betroffenen Arbeitgeber (dessen Name der Redaktion bekannt ist) gegen die Vorwürfe. Da „wir in einem Rechtsstaat leben“, so der Bauer, habe er Anzeige gegen einige Arbeiter erstattet, weil sie seiner Meinung nach als „Verbrecher“ einzustufen seien und gar nicht arbeitswillig waren. Eine Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Schwaben Nord bestätigte gegenüber der DW, dass tatsächlich gegen drei rumänische Bürger ermittelt werde. Es ginge dabei allerdings um Verleumdung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, auf keinen Fall um organisierte Kriminalität, wie der Arbeitgeber mitgeteilt hatte. (…) In seinem Brief an die Bundesländer weist Minister Heil darauf hin, dass sich bereits mehrere diplomatische Vertretungen der Herkunftsländer von Arbeitern bei der Bundesregierung beschwert hätten. Sie behielten sich demnach „ausdrücklich weitere Maßnahmen“ vor – etwa einen Ausreisestopp für Saisonbeschäftigte. Wenn die dringend benötigten Arbeitskräfte in Deutschland nicht sicher arbeiten könnten, sollten sie also in ihren Heimatstaaten bleiben, so die Botschaften der betroffenen Länder. Am Montag mussten in Bukarest die Ministerin für Arbeit, Violeta Alexandru, sowie Außenminister Bogdan Aurescu vor einem Sonderausschuss im rumänischen Senat Rede und Antwort stehen und über Maßnahmen in Bezug auf die Lage rumänischer Saisonarbeiter in Deutschland und der EU berichten. (…) Auf politischer Ebene scheint sich also endlich etwas zu bewegen. Auf den Feldern und in den Sammelunterkünften kommen aber kaum Informationen an. Daniela Reim, die schon seit Jahren mobile Beschäftigte berät, hat zurzeit große Schwierigkeiten, die Menschen zu erreichen. Im DW-Gespräch erzählt sie über eine oft totale Abhängigkeit der Saisonarbeiter von ihrem Arbeitgeber, über Fälle, in denen den Arbeitern die Ausweise abgenommen werden, über extrem lange Arbeitszeiten (bis 14 Stunden, 7 Tage die Woche), über fehlende Krankenversicherungen, über Bezahlung im Akkord, über viel zu hohe Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Sogar über einseitig zu bezahlende überteuerte Flugtickets weiß sie zu berichten. (…) Bund und Länder haben letzten Freitag zugesichert, den Gesundheits- und Arbeitsschutz von ausländischen Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft künftig besser zu kontrollieren.“ Beitrag von Alina Kühnel vom 11.05.2020 bei der Deutschen Welle externer Link
  • Spargelbauern und Corona: Wie viele rumänische Erntehelfer ausgebeutet werden 
    Zunächst war das Geschrei der Landwirte groß, als die Erntehelfer aus Osteuropa ausblieben. Inzwischen sind mehr als 10.000 von ihnen gekommen, helfen bei der Spargelernte. Doch nach drei Wochen hagelt es Beschwerden, beklagen sich viele massiv über die Arbeitsbedingungen. Nach Recherchen von REPORT MAINZ ist der Frust bei etlichen Erntehelfern groß. Sie seien, so erzählen sie, mit großen Versprechen nach Deutschland geködert worden. Der deutsche Mindestlohn sollte gezahlt werden. Hier angekommen erfahren viele, dass sie nach der Kilomenge Spargel bezahlt werden sollen, die sie aus dem Acker holen. Damit erreichen sie aber nicht den Mindestlohn. Andere Landwirte stellen anders als vereinbart die Flugkosten von Rumänien nach Deutschland in Rechnung. Wieder andere haben Erntehelfer, die sich weigerten diese Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, einfach auf die Straße gesetzt. Der Redaktion liegen Beispiele aus mehreren Bundesländern vor. REPORT hat den Arbeitsrechtler Prof. Peter Schüren von der Universität Münster zu den Vorgängen befragt. Er fordert Konsequenzen, insbesondere eine strikte Arbeitszeiterfassung…“ Text und Video des Beitrags von Alexander Bühler, Ulrich Neumann und Edgar Verheyen in der REPORT MAINZ-Sendung vom 5.5.2020 externer Link

    • Siehe auch: Spargel-Erntehelfer aus Rumänien
      Frühlingszeit ist Spargelzeit – auch in Zeiten von Corona. Damit das weiße Gold auch dieses Jahr auf unseren Tischen landet, werden tausende Erntehelfer mit Sonderflügen aus Rumänien nach Deutschland gebracht. Doch wie steht es um geltende Hygiene- und Quarantäneregeln in den Unterkünften und auf dem Spargelfeld?Video des Beitrags von Matthias Fuchs vom 06.05.2020 beim WDR externer Link
  • Erntehelfer beklagen Arbeitsbedingungen auf Spargelhof in Schwaben
    Unter Auflagen dürfen Erntehelfer wieder einreisen. Nach Recherchen des BR ist es auf einem Spargelhof in Schwaben nicht nur zu Verstößen gegen den Gesundheitsschutz gekommen. Der Betrieb hatte außerdem Ausweise einiger Arbeiter einbehalten. „Weder dort, wo die Unterkünfte waren, noch dort, wo die Essensausgabe war, konnten wir den Abstand halten. Wir standen Schlange, klebten praktisch aneinander“, sagt Valentin. Er, seine Freundin Anka und Kollege Dorin* haben bis vor Kurzem in Schwaben auf einem Spargel- und Erdbeerhof gearbeitet. Anka, Valentin und Dorin – das sind nicht ihre richtigen Namen. Sie wollen anonym über die Missstände berichten, die sie auf dem Spargelhof erlebt haben. Sie sind nur drei von fünf ehemaligen Arbeitern, mit denen der BR gesprochen hat. estärkt werden ihre Aussagen durch Fotos und Videos, die dem BR zugespielt wurden: Sie zeigen, wie dicht gedrängt Arbeiter etwa bei der Essensausgabe und vor dem betriebseigenen Kiosk stehen, der einzigen Möglichkeit für viele Arbeiter, Lebensmittel zu kaufen. (…) Ein weiterer Kritikpunkt der Erntehelfer, mit denen der BR gesprochen hat: Die Ausweise wurden mehrere Tage, teilweise sogar Wochen einbehalten. Dorin sagt dazu: „Ich bekam meinen Ausweis erst wieder, als ich gegangen bin.“ Der Betrieb weist den Vorwurf in seinem Schreiben grundsätzlich zurück, räumt aber ein, er habe die Ausweise für wenige Tage zum Datenabgleich mit den Sozialversicherungen einbehalten: „Wegen der Corona-Krise (…) kann sich der Prozess bei manchen Erntehelfern eventuell etwas verzögert haben.“ Sevghin Mayr vom gewerkschaftsnahen Projekt Faire Mobilität findet dieses Vorgehen bedenklich: „Der Arbeitgeber kann damit mehr Macht ausüben und dadurch die Arbeiter von ihm sehr abhängig machen.“ Erschwerend hinzu komme, dass nicht geklärt sei, wie diese Menschen zurückreisen könnten, wenn der Arbeitsvertrag vorzeitig aufgelöst werde, so Mayr…“ Beitrag vom 30.04.2020 bei BR24 externer Link
  • Was ist eigentlich aus den rumänischen Erntehelfern geworden, die zur Rettung des deutschen Spargels eingeflogen wurden? Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht
    „… Die Ermittlungen wegen des Todes eines mit dem Coronavirus infizierten Erntehelfers aus Rumänien sind eingestellt worden, die Staatsanwaltschaft Freiburg kann „keinerlei Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten, auch nicht für den Tatvorwurf der unterlassenen Hilfeleistung“ erkennen, so Jost Maurin in seinem Artikel Keine unterlassene Hilfeleistung. Eine besonders wichtige Rolle unter denjenigen, die überhaupt noch hinschauen und zugleich Hilfestellung anbieten, spielt die Beratungsstelle „Faire Mobilität“ des DGB. Die sind beispielsweise derzeit an den Flughäfen, wenn die Lieferungen mit rumänischen Saisonarbeitern ankommen. Sie verteilen dort dann Informationsmaterial und vor allem Hotline-Nummern, über die sich die Betroffenen Hilfe organisieren können. Auch am Tag der Arbeit 2020 landeten erneut osteuropäische Arbeitskräfte in Deutschland (…) Einerseits »sind viele Fragen offen: Etwa, wenn eine Seite das Arbeitsverhältnis auflösen will, kann der Hof dann verlassen oder der Arbeitgeber gewechselt werden? Wer bezahlt eigentlich die Rückreise?« Zum anderen: »So hat in einem Fall in Niedersachsen das zuständige Gesundheitsamt festgestellt, dass die Quarantänebedingungen nicht eingehalten wurden. Daraufhin forderte es den Bauern auf, diese kurzfristig zu verbessern, sonst würde man die Saisonkräfte woanders hin vermittelt. Hier war das Gesundheitsamt hinterher und wurde dadurch zum Arbeitsvermittler. Man merkt an solchen Punkten deutlich: Es gibt kein zu Ende gedachtes Konzept für die ganze Konstruktion. Der Druck der Landwirtschaftslobby war so groß, dass schnell eine Lösung gesucht werden musste. Jetzt kann man im Sinne der Beschäftigten, die hierherkommen, nur hoffen, dass es nicht ganz so schlimm kommt.« Und Schnellschuss-Konzepte führen in der Regel zu zahlreichen Folgeproblemen. John nennt ein weiteres Beispiel: »Die Landwirte sollen die Leute in den ersten 14 Tagen voll versorgen. Bei uns haben sich Beschäftigte darüber beschwert, dass sie während dieser Zeit in extra für sie eingerichteten Hofläden mit überhöhten Preisen einkaufen müssen. Was dann dazu geführt hat, dass die Leute die Höfe verlassen haben, um selbst einzukaufen. Das ruft wiederum Unruhe bei der Bevölkerung in der Umgebung hervor, hier geht die Angst vor den »infizierten Ausländern« um.«…“ Beitrag vom 1. Mai 2020 von und bei Stefan Sell externer Link
  • Covid-19 in Birkenfeld: Mehr als 200 rumänische Arbeiter in Schlachthof infiziert
    Hunderte Arbeiter eines Schlachthofes in Birkenfeld sind laut der Regierung in Bukarest positiv auf das Coronavirus getestet worden. Rund 500 der Beschäftigten dort sind Rumänen. Mehr als 200 rumänische Arbeiter eines Schlachthofs im baden-württembergischen Birkenfeld haben sich nach Angaben der Regierung in Bukarest mit dem Coronavirus infiziert. Bei ihnen handle es sich nicht um Saisonarbeiter, sondern um Beschäftigte von Subunternehmen des deutschen Fleischbetriebs, teilte das Außenministerium am Dienstag mit. Insgesamt seien in dem Schlachthof 500 Rumänen beschäftigt. Neben den Rumänen seien noch rund hundert weitere dortige Arbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden, teilte das Ministerium ferner unter Berufung auf Angaben deutscher Behörden mit. Alle Infizierten befänden sich in Quarantäne. Die meisten hätten keine oder nur leichte Symptome…“ Agenturmeldung vom 29.04.2020 bei t-online externer Link
  • Wittenberger Betrieb hält Quarantänevorschriften für Erntemitarbeiter nicht ein
    “… Wegen des Infektionsschutzes dürfen Saisonarbeiter nach geltenden Corona-Schutzauflagen nur angemeldet und mit dem Flugzeug ein- und ausreisen. Bauern klagen deswegen über enorme Mehrkosten. Doch bei der Wittenberg Gemüse GmbH kommen regelmäßig neue Mitarbeiter per Auto oder Bus aus Polen an. Verkaufsleiter Kevin van Ijperen begründet das so: „Die polnische Grenze nach Deutschland ist noch offen.“ Und er erklärt „exakt“ auch, dass jede Woche neue Leute hinzukommen würden. Möglich ist das, weil die Wittenberger Gemüse GmbH ihren Mitarbeitern unbefristete Verträge ausstellt. Somit gelten sie nicht als Saisonarbeitskräfte – und ihre Einreise muss nicht angemeldet werden. Allerdings müssten diese Mitarbeiter nach ihrer Ankunft 14 Tage in Quarantäne, um sich und andere vor Infektionen zu schützen. Im Betrieb nehmen sie jedoch sofort nach Ankunft ihre Tätigkeit auf. Das Unternehmen gibt das Versäumnis gegenüber „exakt“ auf Nachfrage zu. Die Existenz und Geltung der Quarantäneverordnung sei dem Unternehmen bis jetzt nicht bekannt gewesen. Man ordne für neu einreisende Mitarbeiter ab sofort eine entsprechende Quarantäne an. (…) In der Unterkunft des Gemüsebetriebs wohnen etwa 250 Personen. Damian, ein Erntemitarbeiter aus Polen, erklärt „exakt“, er habe nicht erlebt, dass Arbeiten und Wohnen in kleinen Teams passiert. Alle könnten sich frei auf dem Gelände und in der Stadt bewegen. In den Zimmern würden bis zu vier Personen leben. (…) Oskar Brabanski vom Gewerkschaftsprojekt „Faire Mobilität“ sieht die Verantwortung jedoch bei den Betrieben: „Sich in einer Gruppenunterkunft in häusliche Quarantäne zu begeben, ist für die Mitarbeiter unmöglich. Als Arbeitgeber die Augen davor zu verschließen und die Verantwortung auf den Arbeitnehmer zu schieben, ist weltfremd und verantwortungslos.“ Das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ setzt sich ein für die Rechte mobiler Arbeitnehmer in Europa. …“ Beitrag und Video vom 25.04.202 bei mdr aktuell externer Link
  •  Mangelnder Gesundheitsschutz, Isolation und kein Lohn: Rumänische Erntehelfer im Spreewald
    Aufgrund schlechter Arbeits- und Hygienebedingungen verließen 15 rumänische Erntehelfer*innen am gestrigen Donnerstag einen Spargelhof im Spreewald. Sie wurden vor Ort von Berater*innen der Fachstelle Migration und Gute Arbeit Brandenburg sowie des Berliner Beratungszentrums für Migration und Gute Arbeit BEMA unterstützt. Die Männer und Frauen durften den Hof in den vergangenen 14 Tage außer für die Arbeit auf den Feldern aufgrund der Quarantänevorgaben nicht verlassen. Sie hatten sich wegen hohen Akkordvorgaben und Lohnabzügen beim Arbeitgeber beschwert. Unter anderem beklagen sie, dass ihnen die Flugkosten in Höhe von 300 Euro vom Lohn abgezogen werden sollen. Sie berichteten zudem von unzureichendem Gesundheitsschutz für die Beschäftigten. So habe es auf dem Feld keine Möglichkeiten zum Händewaschen gegeben, auch nicht vor dem täglichen Mittagessen, welches ebenfalls auf dem Feld eingenommen wurde. Desinfektionsmittel standen lediglich in der Unterkunft zur Verfügung. Sie hatten keine Möglichkeit, selbst Lebensmittel zu kaufen, da sie das Betriebsgelände nicht verlassen durften. Ihren Lohn haben sie noch nicht ausbezahlt bekommen. Die Arbeiter*innen kontaktierten schließlich die rumänische Botschaft, welche ihrerseits den Zoll sowie das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit um Überprüfung des Arbeitgebers bat. „Der Fall macht deutlich, dass Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz aktuell auf der Strecke bleiben. Es ist problematisch, dass die Arbeiter*innen derart abhängig sind von ihrem Arbeitgeber sind, nämlich bei Unterkunft, Verpflegung, Gesundheit sowie Ein- und Ausreise. Wenn sie kündigen wollen – z.B. aufgrund von schlechten Arbeits- oder Unterkunftsbedingungen – haben sie kaum eine Möglichkeit vom Betriebsgelände wegzukommen und in ihre Heimatländer zu gelangen“, kritisiert der Leiter des Fachbereichs Migration und Gute Arbeit bei ARBEIT UND LEBEN DGB-VHS Berlin-Brandenburg, Dr. Philipp Schwertmann. (…)Insgesamt bestätigt sich der Eindruck, dass die im Konzept von BMI und BMEL zur Einreise von Saisonarbeitskräften festgelegten Maßnahmen zwar den Infektionsschutz der deutschen Bevölkerung im Blick haben, Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen aber deutlich zu kurz kommen…“  Pressemitteilung vom 24.04.2020 vom Fachbereich„Migration und Gute Arbeit“ bei ARBEIT UND LEBEN – DGB/VHS Berlin-Brandenburg externer Link, siehe dazu:

    • Krach mit Erntehelfern
      Im Spreewald gibts Stunk auf den Spargelfeldern. Ein Landwirt hat sich da mit einigen seiner Erntehelfer verkracht. Es steht Aussage gegen Aussage. Und jetzt wollen die Erntehelfer einfach nur noch weg. Was aber nicht geht…“ Beitrag von Konstanze Schirmer 23.04.2020 in Brandenburg aktuell bei rbb externer Link – die Berichterstattung des RBB ist leider sehr tendenziös und spiegelt v.a. die Sicht des AG wider. Die angeblichen Streitigkeiten unter den Erntekräften sind dadurch bedingt, dass der Bauer eine verlängerte Quarantäne für alle Erntehelfer mit der Aufsässigkeit der Gruppe begründet hat.
  • Spargelhof Paul erfüllt Vorschriften nicht – Gesundheitsamt kontrolliert Betriebe: Erntehelfer nicht ausreichend geschützt
    Trotz der Corona-Schutzregelungen für Erntehelfer kommt es Presseberichten zufolge bundesweit zu Verstößen gegen allgemein geltende Regeln des Gesundheitsschutzes. So auch in Hoyerhagen auf dem Spargelhof Paul. Der Landkreis Nienburg hat gestern eine Stellungnahme zur Kontrolle dieses Spargelhofs veröffentlicht und nimmt darin Bezug auf die erhobenen Vorwürfe gegen Betreiber Dietrich Paul, der beinahe drei Jahrzehnte Vorsitzender der niedersächsischen Vereinigung der Spargelbauern war. (…) Auf dem Hof Paul gab es laut Aussage des Landkreises am 22. April Unstimmigkeiten zu den Punkten Entlohnung und Verpflegung zwischen dem Landwirt und 20 Erntehelfern aus Rumänien. Auch die Polizei sei im Einsatz gewesen. „In einem diesbezüglichen Telefonat wurde der Landwirt erneut ausführlich über die Quarantäne-Vorschriften und seine Pflichten hinsichtlich der Verpflegung und Unterbringung der Erntehelfer aufgeklärt und darauf hingewiesen, dass diese einzuhalten seien“, klärt die Pressestelle des Landkreises Nienburg auf. Bereits einen Tag später, am 23. April, seien weitere Beschwerden bezüglich der Unterbringung und der mangelnden Verpflegung eingegangen. „Die Kontrolle durch zwei Hygieneaufseher des Landkreises Nienburg im Beisein der Polizei am gleichen Tag ergab, dass die Quarantäne-Vorschriften nicht erfüllt waren“, heißt es in dem Schreiben des Landkreises. Dazu zählten unter anderem die Unterbringung und Verpflegung auf dem Hof, die Beachtung und Umsetzung der im Rahmen der Corona-Krise notwendigen Hygienemaßnahmen und die Zurverfügungstellung der umfassenden Information für die Erntehelfer in den jeweiligen Landessprachen. Der Landkreis habe für diese Informationen die notwendigen fremdsprachigen Informationsblätter zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich des Bustransfers sei der Landwirt im Vorfeld über die zu treffenden Maßnahmen – Abstandsregel, Masken et cetera – informiert und instruiert worden. …“ Beitrag bei blickpunkt Landkreis Nienburg vom 24.4.2020 externer Link
  • Lückenhafter Infektionsschutz bei Erntehelfern – IG BAU: Bundesministerin Klöckner setzt falsche Prioritäten
    “Die Agrargewerkschaft IG BAU fordert für Saisonkräfte jederzeit die Möglichkeit, Verstöße gegen Hygienevorschriften auch in ihrer Muttersprache zu melden und sich über ihre Rechte zu informieren. Hierfür besteht bereits ein Hotline-Angebot der Gewerkschaften. Es ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen, dass die Betroffenen bereits bei ihrer Anreise diese Info-Möglichkeit kennen. „Es müssen viel mehr Kontrollen der Hygienevorschriften als bisher stattfinden – im Interesse aller Beschäftigten in der Landwirtschaft wie auch im Interesse der Allgemeinheit. Die aktuelle Praxis, erst einmal Tausende Saisonkräfte einzufliegen und es fast ausschließlich den Betrieben zu überlassen, ob und wie der Infektionsschutz eingehalten wird, ist verantwortungslos“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. Er ergänzte: „Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Gesundheitsämter und Gewerbeaufsicht müssen in einem durchgehenden Kontrollnetz jeden Verstoß und Missbrauch feststellen und ahnden. Bereits im Vorfeld der Anreise müssen Fragen zur Bezahlung der Heimreisen, der Lohnzahlung bei Erkrankung sowie der Zugang der IG BAU oder anderer Arbeitnehmerorganisationen zu Unterkünften und Feldern geklärt sein. Eine Info-Hotline für Erntehelfer in ihrer Muttersprache des Projekts Faire Mobilität, muss durch staatliche Stellen schon bei der Anreise bekannt gemacht werden. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wie auch der Deutsche Bauernverband setzen falsche Prioritäten, wenn sie zum Schutz der Betriebe den Schutz der Erntehelfer schleifen lassen. Sie nehmen zudem für die Betriebe, die sich an die verschärften Hygienebestimmungen halten, gravierende Wettbewerbsnachteile gegenüber den unsauber arbeitenden Betrieben in Kauf. Es ist auch zu hinterfragen, ob die Aufgabe der Vermittlung beim Bauernverband richtig angesiedelt ist oder nicht besser über die Bundesagentur für Arbeit organisiert werden sollte. Denn die Arbeitsvermittlung ist ihre ureigene Aufgabe. Die Bundesagentur ist erfahren im Umgang mit Regelverstößen und hat schon in früheren Fällen Betriebe auf die Vermittlungssperrliste gesetzt, die gegen Bestimmungen verstoßen haben. Beim Bauernverband sehen wir für solche Sanktionsmaßnahmen keine Anzeichen.“ Auf die bestehenden Gefahren weist die IG BAU das Bundeslandwirtschaftsministerium seit Wochen hin. Bisher ohne eine angemessene Reaktion. Bundesministerin Julia Klöckner zieht vielmehr alle Register, um Bauern zu Lasten der Erntehelfer großzügige Geschenke zu machen. So wirbt sie inzwischen unter falscher Flagge für eine noch größere Ausweitung des Sozialversicherungsprivilegs der Bauern. Die ursprünglich nur für 70 Tage geltende Befreiung von Sozialabgaben für Erntehelfer wurde wegen der Corona-Krise bereits auf 115 Tage verlängert. Laut Klöckner reicht das nicht und soll deshalb bald 180 Tage betragen. Die Ministerin verbreitet dabei irreführend, es gehe um eine maximale Aufenthaltsdauer. Das ist falsch, weil für hier arbeitende EU-Bürger ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht gilt. Für betroffene Beschäftigte hat der fehlende Sozialversicherungsschutz aber größte Nachteile wie etwa bei einer Erkrankung oder bei Invalidität.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 24.04.2020 externer Link
  • „Renitente“ Erntehelfer entlassen und „vom Hof gejagt“ – „frische“ auf dem Weg aus Rumänien nach Deutschland – Die Ernte ist sicher – nur die Erntehelfer nicht 
    • Erntehelfer auf dem Weg nach Deutschland
      Trotz des Risikos sich auf der Reise, oder in Deutschland mit Corona zu infizieren, machen sich Rumänen derzeit auf den Weg nach Deutschland. Sie wollen hier als Erntehelfer arbeiten, denn sie brauchen dringend das Geld.“ Video-Beitrag vom 23.04.2020 beim ZDF externer Link – zum Hintergrund Szabolcs Sepsi (DGB-Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“, Beratungsstelle Dortmund), der darin Interviewt wurde: „an dem Fall sind wir seit mehreren Tagen dran. Nachdem einige Menschen aus Protest gegen die Unterkunftsbedingungen, gegen die Akkordlöhne und weil der Bauer ihnen die Flugkosten vom Lohn abziehen wollte, die Arbeit eingestellt haben, hat ihnen der Arbeitgeber das Essen vorenthalten mit dem Argument, dass nur diejenigen essen dürften, die arbeiten. Die haben daraufhin mehrere Protestvideos auf Facebook veröffentlicht, die auch die rumänischen Medien erreicht haben ( https://www.mediafax.ro/economic/romanii-plecati-la-cules-de-sparanghel-in-germania-s-au-revoltat-acuza-ferma-de-teapa-si-cer-ajutor-video-19091565 externer Link ) Heute wurde ein Teil der Erntehelfer entlassen und „vom Hof gejagt“, die sind dann zu Fuß, hungrig und ohne Geld losgelaufen. Eigentlich hätten die noch in Quarantäne bleiben müssen, da sie erst seit 5 Tagen in Deutschland sind. Nachdem unsere Oldenburger Beratungsstelle und die IG BAU die Behörden alarmiert haben, kontrollierte das Gesundheitsamt und die Polizei den Betrieb. Nun wurden auch die gekündigten Menschen wieder aufgefunden. Die sollten nun ihre Quarantäne woanders verbringen und danach zurück nach Rumänien geflogen werden.“
    • Die Ernte ist sicher – nur die Erntehelfer nicht
      Trotz der Corona-Schutzregelungen für Erntehelfer („Saison-Arbeitskräfte“) kommt es zu Verstößen gegen allgemein geltende Regeln des Gesundheitsschutzes. Nach Panorama-Recherchen werden Erntehelfer in großen Betrieben, etwa in Rheinland-Pfalz, weiterhin in Gruppen von 40 bis 70 Personen in einem Anhänger vom Hof zu den Feldern transportiert. Dabei tragen sie offenbar keine Masken. Arbeitsgruppen haben eine Größe von bis zu 45 Personen. Viele Erntehelfer schlafen auch auf zu engem Raum. Eigentlich sollen laut Hygieneschutzbestimmungen Zimmer nur halb belegt werden. Erntehelfer schildern aber, dass sie wie in den Jahren zuvor in voll besetzten Mehrbettzimmern in Wohn- Container schlafen – Bett an Bett. Szabolcs Sepsi ist beim Deutschen Gewerkschaftsbund zuständig für Saisonarbeiter und kritisiert, es sei absehbar gewesen, dass einige Landwirte die Vorgaben nicht umsetzen werden: „Die Bedingungen auf den Feldern, so wie wir sie aus unserer jahrelangen Arbeit vor Ort kennen, eignen sich schlicht nicht dafür, solche Regelung einzuhalten. Hier wird die Gesundheit der Erntehelfer gefährdet.“ Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sieht niemanden in Gefahr: „Es kommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die frei entscheiden können, wo sie arbeiten wollen in Europa, weil sie Geld verdienen möchten.“ (…) Viele Bauern interpretieren die Regelungen so, dass die Arbeitsgruppenbeschränkung und die halbe Zimmerbelegung nicht für die 20.000 Erntehelfer gelten, die bereits vor dem 2. April nach Deutschland eingereist sind – und auch nicht mehr nach Ablauf der14 tägigen faktischen Quarantäne. So hat sich ein Regel-Chaos gebildet, das sich teilweise von Landkreis zu Landkreis unterscheidet. Das Gesundheitsamt im Rhein-Pfalz-Kreis, wo sehr viele Erntehelfer eingesetzt werden, empfiehlt den dortigen Betrieben die Hygienemaßnahmen auch länger und für alle Erntehelfer umzusetzen. Rechtlich bindend sind die Vorgaben nach 14 Tagen offenbar nicht mehr…“ Beitrag von Johannes Edelhoff, Armin Ghassim, Fabienne Hurst vom 23.04.20 beim NDR externer Link, siehe auch diess. bei tagesschau.de: Erntehelfer in Deutschland: Lücken beim Corona-Schutz externer Link und die Reaktion:

      • DGB fordert bessere Arbeitsbedingungen für Erntehelfer
        Angesichts aktueller Medienberichte über katastrophale Arbeitsbedingungen bei Erntehelfer*innen in der Landwirtschaft sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag in Berlin: „Arbeitsgruppen mit bis zu 45 Personen, Unterbringung in voll ausgelasteten Mehrbettzimmern, Mund-Nasen-Masken meist Fehlanzeige – einen Toten gibt es schon. Jetzt muss Schluss sein mit dem verantwortungslosen Umgang mit ausländischen Erntehelfer*innen. Arbeits- und Landwirtschaftsministerium stehen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Erntehelfer*innen unter sicheren Bedingungen nach Deutschland einreisen, hier eingesetzt und untergebracht werden. Diese Verantwortung kann nicht alleine den Landwirten überlassen sein. Es braucht dringend konkrete und verbindliche Vorgaben zum Infektionsschutz, die auch flächendeckend kontrolliert werden.   Das Landwirtschaftsministerium hatte versprochen, den Erntehelfer*innen Informationen zu unseren muttersprachlichen Hotlines des Projektes Faire Mobilität zu verteilen. Das muss durch die öffentliche Verwaltung jetzt auch geschehen. Unter den jetzigen Bedingungen sind die Kolleg*innen in Sachen Lohn, Unterkunft, Verpflegung, Ein- und Ausreise sowie Gesundheitsschutz vollkommen abhängig von ihrem Arbeitgeber. Von einer Verhandlungsposition auf Augenhöhe kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Auch mit Blick auf das hohe Erkrankungsrisiko in der Corona-Krise war die Ausweitung der prekären, kurzfristigen Beschäftigung von 70 auf 115 Tage unverantwortlich. Ausländische Saisonarbeiter*innen sind in der Regel nicht in Deutschland krankenversichert. Erkranken sie während des ersten Arbeitsmonats, haben sie nicht einmal ein Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Krankengeld.“ PM vom 23.04.2020 externer Link
    • Verstorbener Erntehelfer mit Corona: Ein Leben für den Spargel. Inzwischen sind laut Landratsamt vier Personen des Bad Krozinger Betriebs positiv getestet worden. Geerntet wird weiter.
      Die Bundesregierung hat mit Arbeitskräften aus Osteuropa die Spargelernte gesichert. Nun ist ein rumänischer Erntehelfer nach einer Corona-Infektion gestorben. Ein Besuch beim Betrieb. (…) Dann wurden die Wohncontainer aufgestellt, außerhalb des Ortes, auf dem Betriebsgelände zwischen den Feldern. Das Gelände in Bad Krozingen ist mit Zäunen, Sichtschutzplanen und meterhohen Buchenhecken umgeben, die Eingänge sind bewacht. Hinter einer Lagerhalle und abgetakelten Transportern sind Wohncontainer in Reihen aufgestellt, zwischen Wäscheleinen stapeln sich Mülltüten. Der Betriebsleiter referiert aus den Sicherheitsbestimmungen des Innenministeriums. Er spricht von der obligatorischen Quarantänezeit nach der Ankunft, von der Arbeit in Kleingruppen. Sogar in den altersschwachen Bussen, die die Arbeiter auf die Felder bringen, flattern Trennfolien zwischen den Sitzreihen. Lange Zeit hat man sechs, sieben Leute in den größeren Zimmern untergebracht, sogar acht seien ja laut Arbeitsstättenverordnung erlaubt, so der Verbandssprecher. Inzwischen habe der Betrieb das natürlich entzerrt und mehr Container aufgestellt. Zeigen möchte der Betriebsleiter die Unterkunft der Rumänen nicht. Und die Fotos von klapprigen Stockbetten und speckigen Gaskochern, die in rumänischen Zeitungen und im Internet über seine Unterkunft kursieren? Da habe wohl irgendwer irgendwo was gesehen. Er könne nicht erkennen, „dass die Fotos aus unseren Wohneinrichtungen stammen“…“ Reportage von Nils Klawitter und Keno Verseck vom 22.04.2020 beim Spiegel online externer Link
    • [Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft] Einsatz von Drittstaatsangehörigen und Asylbewerbern als Erntehelfer
      “… Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat eine sogenannte Globalzustimmung für den Einsatz von Drittstaatsangehörigen, Asylbewerbern und Geduldeten als Helfer in der Landwirtschaft erteilt. Die Regelung gilt für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Oktober 2020. Mit der Globalzustimmung können unbürokratisch weitere Arbeitskräfte für die Saisontätigkeit in der Landwirtschaft gewonnen werden. Konkret geht es um eine befristete deutliche Verfahrenserleichterung bei der Beschäftigungsaufnahme. Die BA muss ihre Zustimmung zur Arbeitsaufnahme nun nicht mehr in jedem Einzelfall erteilen. Die Arbeitskräfte können so schneller ihre Beschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmen. (…) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat damit auch eine deutliche Verbesserung für Drittstaatsangehörige erreicht, die bisher im Hotel- und Gaststättenbereich tätig waren. Personen aus Drittstaaten, die derzeit wegen der Schließung von Hotels und Restaurants beschäftigungslos sind, können ohne erneute Zustimmung der Arbeitsagentur bis Ende Oktober 2020 eine Beschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmen.“ Presseinformation vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 22.04.2020 externer Link
    • Erntearbeit: Hohes Gesundheitsrisiko für eine Hand voll Euro
      Frühlingszeit ist Spargelzeit. Doch viele Erntehelfer – meist aus Osteuropa – können kaum von ihrer Früchte Arbeit leben. Lohndumping auf dem Feld ist ein beliebtes Spiel unter Arbeitgebern. Nicht lustig für die mobilen Beschäftigten! Zudem sind sie einem erhöhten Corona-Risiko ausgesetzt, denn sie leben und arbeiten unter katastrophalen hygienischen Zuständen – und das nicht erst seit der Krise. Gesundheitsschutz verbessern und raus aus dem Lohndumping, ist die Devise des #schlaglicht 16/2020 aus Niedersachsen. (…) In Zeiten des Corona-Shutdowns zeigt sich einmal mehr, wer wirklich unverzichtbar für die Gesellschaft ist. Im Fall der Feldarbeit sind es nämlich die mobilen Beschäftigten. Das sind jene Arbeitskräfte, die aus dem Ausland – meistens Osteuropa – nur für eine begrenzte Zeit nach Deutschland und auch nach Niedersachsen kommen, um jedes Jahr die Hauptlast bei der Ernte zu tragen. Vielen fehlt es allerdings an den grundlegenden Rechts- und Sprachkenntnissen für den deutschen Arbeitsmarkt. Hierdurch sind sie im besonderen Maße von Ausbeutung bedroht. Und die Arbeitgeber nutzen diese Situation immer wieder leidlich aus, indem sie den Beschäftigten miese Arbeitsbedingungen aufzwingen. Doch damit nicht genug: Die Pandemie setzt gerade die mobilen Erntehelfer einem hohen gesundheitlichen Risiko aus. Denn die hygienischen Umstände, unter denen die Beschäftigten arbeiten und leben müssen, waren schon vor dem Corona-Virus oft unterirdisch. (…) Obendrein werden viele mobile Beschäftigte für ihren Einsatz nicht fair entlohnt und nur mit einer Hand voll Euro abgespeist. Zwar gilt der gesetzliche Mindestlohn, aber häufig finden die Arbeitgeber in der Landwirtschaft kreative Lösungen, um ihn zu umgehen. Bei der an vier Standorten in Niedersachsen tätigen Beratungsstelle für mobile Beschäftigte der Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN können sich die Betroffenen Hilfe suchen. Bei jeder fünften Beratung spielt das Thema Lohn eine Rolle (siehe Grafik). Oft geht es hier nämlich nicht mit rechten Dingen zu, weil sich viele Arbeitgeber bestens auf üble Tricksereien verstehen!...“ schlaglicht 16/2020 vom 23.04.2020 beim DGB Niedersachsen externer Link
    • Spargelstechen in der Pandemie. Zofia Nierodzinska hat auf einem Spargelhof gearbeitet – und revidierte ihr Bild von Deutschland
      Vor neun Jahren, nachdem ich mein Kunststudium in Polen abgeschlossen hatte, welches mich zwar mit symbolischen Ressourcen ausgestattet hat, die sich jedoch nicht in wirtschaftliche Mittel umsetzen ließen, beschloss ich, nach Berlin zu ziehen. Ich wollte mein Erwachsenenleben in einer Stadt beginnen, die ich mit der Achtung der Minderheitenrechte, einer funktionierenden Zivilgesellschaft, einer vibrierenden Club- und Kunstszene und einer der besten Street-Food-Kulturen verband. Ich glaubte, dass die Europäische Union und offene Grenzen das Beste waren, was die Generation meiner Eltern – die in der Solidaritätsbewegung der 1980er Jahre engagiert war – erreicht hatte. Für mich bedeutete die von ihnen gewonnene Freiheit die Möglichkeit, das nunmehr freie Polen so schnell wie möglich zu verlassen, weil die dort herrschende katholisch-patriarchale Mentalität mit meinen Lebensansichten unvereinbar war. Zumindest sah ich es damals so. Nach zwei Jahren begann ich das Postgraduiertenstudium an der Universität der Künste. Nebenbei verdiente ich meinen Lebensunterhalt als Kellnerin in einem deutschen Catering-Unternehmen, das mir den Mindestlohn von damals 8,50 Euro zahlte. Von Ende März bis Ende Juni arbeitete ich zusammen mit anderen Studenten aus der ganzen Welt im Spargelhof in Beelitz bei Berlin. Dort lernte ich Wanda, Renata und Ewa kennen, die seit Jahren als Saisonarbeiterinnen während der Spargelzeit in dem Dorf beschäftigt waren. Sie verdienten 3,50 Euro pro Stunde nach Abzug der Kosten für die Unterkunft in Mehrpersonen-Containern und für die Verpflegung. Ein Kilogramm Spargel kostete damals etwa 9 Euro. Wanda, Renata und Ewa stammen alle aus demselben Dorf in den Bergen im Süden Polens. Sie sagten, dass sie während der Saison so viel verdienen können, dass sie fast ein halbes Jahr lang in Polen leben konnten und dass die Arbeit hart sei, jedoch sei die Zeit abseits ihrer Familien und Ehemänner auch wertvoll. Die Frauen arbeiteten in den Produktionshallen und in der Küche. Auf dem Spargelhof fühlte ich mich, als wäre ich in die Realitäten des frühen 20. Jahrhunderts zurückversetzt worden…“ Artikel von Zofia Nierodzinska vom 21. April 2020 im ak online externer Link
  • [Bundesagrarministerin leugnet Corona-Tot] Beleg für Angabe zu Erntehelfertod fehlt: Falsche Infos von Klöckner? 
    “… Bundesagrarministerin Julia Klöckner behauptet ohne Angaben von Quellen, dass der in Baden-Württemberg gestorbene Erntehelfer externer Link nicht an Covid-19 gestorben sei. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die CDU-Politikerin über den verschiedenen Rumänen am Donnerstagabend: „Was wir erfahren haben, ist, dass er nicht an Corona gestorben ist, sondern nach einer Corona-Infektion. Er ist an einem Herzinfarkt verstorben.“ Lanz fragte Klöckner nicht, woher sie das weiß. Ihr Ministerium ließ mehrere Fragen der taz nach der Quelle und einem Beleg für die Behauptung unbeantwortet. Das zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald dagegen widersprach Klöckner und teilte der taz am Montag mit, „dass Covid-19 vermutlich dazu beigetragen haben könnte, dass der Mann verstorben ist“. Auch die Staatsanwaltschaft Freiburg, die sich mit dem Fall befasst, kennt die Ursache nicht. (…) Es wäre nicht das erste Mal, dass Klöckner durch falsche Behauptungen auffällt. Im Februar dementierte die Ministerin, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der EU verbotenen Pestiziden zu ermöglichen. Ihre angeblichen Belege wurden durch eine taz-Recherche externer Link widerlegt.“ Artikel von Jost Maurin vom 20.04.2020 in der taz online externer Link
  • IG Bau fordert besseren Infektionsschutz für Erntehelfer*innen
    “Weil aufgrund der Reiseverbote viele Saisonkräfte fehlten, hatte die Regierung Anfang dieses Monats die Einreise von 80 000 Menschen per Flugzeug genehmigt. „Mit ihrer Entscheidung, Erntehelfer*innen einreisen zu lassen, trifft die Regierung die volle Verantwortung für die Gesundheit der hier ankommenden Menschen. Sie hat zu Recht Mindestauflagen zum Infektionsschutz erlassen. Diese Schutzmaßnahmen muss sie auch durchsetzen. Dazu passt es aber nicht, wenn eine Corona-Infektion erst festgestellt wird, nachdem ein Mensch bereits verstorben ist. Mit gründlichen Untersuchungen hätte das nicht passieren dürfen“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Wir fordern einen lückenlosen Schutz von der ersten Minute der Reise an. Bereits Anfang dieser Woche haben wir die Bundesregierung schriftlich darauf hingewiesen, dass Abstands- und Hygieneregeln während der Sonderflüge nicht eingehalten wurden. Um Gesundheitsrisiken auszuschließen, fordern wir verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen bereits an den Ausgangsflughäfen. Zudem müssen anreisende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverzüglich die Telefonnummer der Info-Hotline des DGB-Projekts Faire Mobilität erhalten. Dies stellt sicher, dass Erntehelfer*innen in ihrer jeweiligen Sprache beraten werden können.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 17.04.2020 externer Link
  • Weiterer Corona-Fall auf Spargelhof – Hygieneregeln werden eingehalten
    Nach dem Tod eines Erntehelfers wird in Bad Krozingen ein zweiter positiv getestet; alle Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Klar wurde nun: Der Verstorbene ist schon länger in Deutschland. Nach dem Tod eines mit dem Coronavirus infizierten Erntehelfers auf einem Spargelhof in einem Bad Krozinger Ortsteil wurde ein Saisonarbeiter aus dem direkten Umfeld des Verstorbenen ebenfalls positiv auf das Virus getestet. Er befinde sich genauso in Quarantäne wie alle anderen Kontaktpersonen, heißt es in einer Mitteilung des Landratsamtes. Kontrollen des Ordnungsamtes hätten ergeben, dass sich der Betrieb an die Hygienemaßnahmen halte, sagte eine Sprecherin der Stadt…“ Artikel von Joshua Kocher und Hans-Peter Müller (Mitarbeit: Jens Schmitz) vom 16.04.2020 in der Badischen Zeitung online externer Link (im Abo)
  • Baden-Württemberg: Rumänischer Erntehelfer nach Corona-Infektion gestorben
    Im baden-württembergischen Bad Krozingen südwestlich von Freiburg ist nach SPIEGEL-Informationen ein rumänischer Erntehelfer nach einer Corona-Infektion gestorben. Der 57-Jährige wurde am 11. April tot in seiner Unterkunft aufgefunden. Zunächst war die Todesursache unklar. Ein Test auf Covid-19 fiel dann positiv aus. Das Stuttgarter Innenministerium bestätigte den Fall. Der Verstorbene hat nach SPIEGEL-Informationen in einem Krozinger Betrieb bei der Spargelernte geholfen. Er hat sich wohl in Deutschland mit dem Virus infiziert. Vor seinem Tod soll er über Husten und Schnupfen geklagt haben. Nach seinem Ableben hat das Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald laut SPIEGEL-Informationen Maßnahmen ergriffen, um einen weiteren Ausbruch der Seuche unter den Erntehelfern zu verhindern. Das Umfeld des Mannes wird durchleuchtet, Kontaktpersonen werden auf mögliche weitere Ansteckungsfälle hin untersucht. Der Verstorbene war einer von Hunderten Erntehelfern, die sich derzeit in Baden-Württemberg aufhalten. (…) Zwischen dem 9. und 14. April sind nach Auskunft der Baden-Airpark GmbH am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden rund 3000 Erntehelfer aus Rumänien eingetroffen. Der in Bad Krozingen verstorbene Erntehelfer befand sich nach SPIEGEL-Informationen indes schon länger in Deutschland. Er soll bereits am 20. März in die Bundesrepublik eingereist sein.“ Artikel von Felix Bohr und Andreas Ulrich vom 15.04.2020 beim Spiegel online externer Link, siehe dazu:

    • Das ist der Spargel nicht wert
      80.000 Rumänen kommen zur Ernte nach Deutschland. Trotz Corona. Einer von ihnen ist gestorben, er war an Covid-19 erkrankt. Das hätte nicht passieren dürfen. (…) Das haben sie natürlich nicht gewollt. Aber in Kauf genommen. Sie haben in Kauf genommen, dass eine große Menge an Menschen zusammenkommt, zu einem Zeitpunkt, wo das aus gutem Grund überall verboten ist. Sie haben in Kauf genommen, dass sich das Virus verbreitet unter Menschen, von denen zwar nicht alle, aber doch viele zur Risikogruppe gehören. Der verstorbene Erntehelfer aus Rumänien war 57 Jahre alt. (…) Strenge Auflagen sind eine gute Idee. Weniger gut ist, wenn niemand vorher überprüft, ob diese strengen Auflagen auch eingehalten werden können. Ob es zum Beispiel realistisch ist, dass die Spargelhöfe sicherstellen, dass ihre Saisonkräfte Abstand voneinander halten, sich regelmäßig die Hände waschen, ihre Gruppe nicht verlassen. (…) Klar ist, und war es auch schon vor der Corona-Krise, dass viele Betriebe ihre Helferinnen in unmöglichen Zuständen unterbringen. Die Helfer schlafen oft in Massenunterbringungen auf viel zu engem Raum, müssen sich in heruntergekommenen sanitären Einrichtungen waschen. Auf den Feldern gibt es oft weder Toiletten noch Waschbecken. Das war schon vor Corona eine Zumutung. Höchste Zeit, das zu ändern…“ Kommentar von Luisa Jacobs vom 16. April 2020 bei der Zeit online externer Link
  • Gewerkschaft fordert Schutz für Erntehelfer. Die IG BAU betont: Neben fairer Bezahlung sollte es auch mobile Toiletten mit Wasseranschluss an den Feldern geben
    “Nach ersten Lockerungen beim Coronavirus-bedingten Einreisestopp für ausländische Saisonarbeitskräfte müssen auch insbesondere für diese Gruppe Arbeits- und Sicherheitsstandards unbedingt eingehalten werden, mahnt die Gewerkschaft IG Bau-Agrar und Umwelt (BAU). Sie fordert neben fairer Bezahlung, die höher als der Mindestlohn liegen sollte, etwa auch mobile Toiletten mit Wasseranschluss an den Feldern. (…) Laut Gewerkschaft sind es trotz der osteuropäischen Saisonkräfte jedoch zu wenige Erntehelfer, um eine reibungslose Ernte zu garantieren. „Wer aus dem Kreis Mettmann zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren. Spargel, Spinat, Porree – das April-Gemüse wartet nicht“, sagt Uwe Orlob von der IG BAU Düsseldorf. Zusätzlich fordert die IG BAU für alle Saisonarbeiter genauso wie für die Stammbelegschaften in Agrarbetrieben eine Erschwerniszulage. „Immerhin setzen sich die Beschäftigten in der Phase der Coronavirus-Pandemie bei ihrer Arbeit auch einem gewissen gesundheitlichen Risiko aus“, erklärt Orlob. Landwirte in der Region sollten eingearbeitete Saisonkräfte daher „mit einem Lohn nicht unter 11 Euro pro Stunde vom Feld gehen lassen“. Neben der Bezahlung sei aber auch die Hygiene bei der Feldarbeit das A und O: Es komme darauf an, auch draußen das regelmäßige Händewaschen und Desinfizieren sicherzustellen. „Das bedeutet, dass die Toilette am Feldrand einen Wasseranschluss braucht. Das sonst übliche Mobil-WC reicht hier nicht. Denn ohne Wasser  kein Händewaschen“, erklärt Orlob. Wenn Pflanz- und Erntehelfer in Unterkünften untergebracht werden, dann seien dabei Einzelzimmer notwendig. „Die Pandemie bedeutet das Aus der sonst üblichen Sammelunterkünfte. Denn dort gilt das gleiche wie auf den Feldern: Der Abstand von mindestens 1,5 Metern ist Pflicht. Besser ist eine ganze Zollstocklänge: also zwei Meter Abstand vom Nebenmann“, erklärt der stellvertretende IG BAU-Bezirksvorsitzende. Zudem müssten Sozial- und Sanitärräume alle zwei Tage fachmännisch gereinigt werden. Erntehelfer sollten möglichst alleine und mit dem eigenen Pkw, Motorroller oder Fahrrad zur Feldarbeit fahren. Dafür müsse ihnen der Landwirt eine Entschädigung bezahlen. Es ist laut Uwe Orlob die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitsplätze und Unterkünfte so einzurichten, dass die Hygiene- und Sicherheitsstandards problemlos eingehalten werden können.“ Artikel von David Bieber vom 15.04.2020 bei RP online externer Link
  • Erste Erntehelfer aus Rumänien werden eingeflogen – in Quarantäne nur gegenüber der Bevölkerung in Deutschland  
    • Erntehelfer-Flüge aus Rumänien: Für eine Handvoll Spargel
      Um Luxusgemüse verkaufen zu können, werden tausende Erntehelfer gefährdet. Das ist menschenverachtend…“ Kommentar von Jost Maurin vom 14.4.2020 in der taz online externer Link
    • Erste Flüge für Erntehelfer aus Rumänien: Regeln gegen Corona verletzt
      Gedränge beim Einchecken in Rumänien, enge Flugzeuge und Busse. Grüne fordern, dass Agrarministerin Klöckner die „Spargelstecher-Luftbrücke“ stoppt…“ Artikel von Jost Maurin vom 13.4.2020 in der taz online externer Link
    • Empörung über Reisebedingungen: Erntehelfer warten dicht an dicht
      Tausende Erntehelfer werden in diesen Tagen nach Deutschland geflogen. Bei der Organisation ihrer Reise scheint Seuchenschutz allerdings keine Rolle zu spielen. Hunderte Männer und Frauen warteten dicht gedrängt am Flughafen. Trotz scharfer Kritik an den mangelhaften Corona-Schutzmaßnahmen während der Reise sollen weiterhin tausende rumänische Erntehelfer nach Deutschland eingeflogen werden. Am Freitag warteten tausende Menschen an rumänischen Flughäfen auf ihren Abflug. „Drei Charterflüge mit fast 600 Passagieren warten auf grünes Licht vom Verkehrsministerium, bevor sie nach Deutschland abheben können“, sagte der Sprecher des internationalen Flughafens Bukarest. Weitere sechs Flugzeuge sollten demnach von den Städten Cluj sowie zwei von Iasi im Osten des Landes in Richtung Deutschland starten. Am Donnerstag hatten Bilder von rund 1800 Saisonarbeitern, die Schulter an Schulter auf einem überfüllten Parkplatz am Flughafen in Cluj warteten, in sozialen Netzwerken Empörung ausgelöst. Auch der rumänische Regierungschef Ludovic Orban kritisierte die Situation scharf. Es sei „unzulässig“, dass die Menschen in großen Menschenmengen ohne die erforderlichen Abstandsregeln auf ihre Flüge gewartet hätten…“ Beitrag vom 11. April 2020 bei n-tv externer Link
    • Erntehelfer-Flüge vorübergehend gestoppt
      Dicht gedrängt warteten die Menschen am rumänischen Flughafen Cluj. Die Regierung Orban stoppte daraufhin zunächst die Erntehelfer-Flüge nach Deutschland. Aber nun darf wieder geflogen werden…“ Beitrag von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Südosteuropa, vom 10.04.2020 bei tagesschau.de externer Link
    • Deutschland lässt Erntehelfer einfliegen: Rumänische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Gedränge am Flughafen
      Mitten in der Coronakrise lässt Deutschland Erntehelfer einfliegen. An einem rumänischen Flughafen drängelten sich deshalb Hunderte Menschen. Der Ministerpräsident fordert Konsequenzen…“ Meldung vom 10.04.2020 beim Spiegel online externer Link
    • Erntehelfer aus Rumänien: „Deutschland kann auf mich zählen!“
      Gute Nachrichten für deutsche Bauern: An diesem Donnerstag landeten die ersten Saisonarbeiter unter anderem aus Rumänien in Deutschland. Aber sind das auch gute Nachrichten für die Erntehelfer? (…) Ioan T. hatte vor einem Jahr zum ersten Mal in Deutschland, in der Nähe von Münster, auf einer Spargelfarm gearbeitet. Nach fast drei Monaten intensiver Arbeit, 10 Stunden am Tag, meistens 7 Tage die Woche, kehrte er mit weniger als 1.850 Euro nach Rumänien zurück. Von seinem Lohn waren ihm über 1.000 Euro für Miete, Verpflegung und andere Nebenkosten abgezogen worden. „Es war keine schöne Erfahrung“, erzählt Ioan der DW. Und er war nicht alleine: auf dem Bauernhof hatten fast 120 Arbeitskräfte, die überwiegende Mehrheit Rumänen und ein paar Bulgaren, Spargel geerntet. Es war Hochsaison auf den Feldern, die meisten konnten kaum Deutsch und alle hatten einem Mittelsmann vertraut. Genau dem Mittelsmann, der jetzt anrief und mit besseren Konditionen warb: „Die brauchen uns dringend, werden sogar Flüge nur für uns organisieren“. (…) Jetzt soll es an die Umsetzung gehen: „Unsere Betriebe werden die Leitlinien und Vorgaben des Robert Koch-Instituts strikt einhalten, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Diese Regelung hilft uns, arbeitsfähig zu bleiben“, so Rukwied. Nun hat auch die Fluggesellschaft Eurowings angekündigt, gemeinsam mit deutschen Bauernverbänden Zehntausende Erntehelfer nach Deutschland zu holen. Die Lufthansa-Tochter hat dazu bereits eine „Erntehelfer-Website“ eingerichtet, um die Saisonarbeitskräfte an ihre Einsatzorte zu bringen. Die ersten Sonderflüge, zum Beispiel von Düsseldorf ins rumänische Cluj (Klausenburg) und zurück oder auch von Cluj nach Berlin haben bereits an diesem Donnerstag stattgefunden…“ Artikel von Alina Kühnel vom 08.04.2020 bei der Deutschen Welle externer Link – siehe dazu den
    • Kommentar von Szabolcs Sepsi am 10.04.2020 (DGB-Projekt „Faire Mobilität –  Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“, Beratungsstelle Dortmund)(per e-mail, wir danken!):
      Die Bundesregierung bezeichnet ihre Auflagen (die Erntehelfer werde in ihren  Baracken eingesperrt und dürfen kein Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen) eine „faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit“. Na ja. Eine Quarantäne gibt es nur gegenüber der Bevölkerung in Deutschland. Dass tausende Menschen während der Reise und hunderte Menschen während der Arbeit  eng beieinander sitzen, arbeiten, essen, schlafen, sich waschen werden, scheint keine Rolle zu spielen bei dieser sog. „Quarantäne“. Hauptsache, die werden von der Bevölkerung in Deutschland fern gehalten.
      Dabei zeigt sich schon jetzt, dass die ganze Aktion kopflos organisiert wurde und die Sicherheitsmaßnahmen nicht garantiert werden können. Gestern starteten die ersten Flüge Richtung Deutschland, am Flughafen Klausenburg (Cluj-Nappoca) tummelten sich 2.000 Erntehelfer im Wartebereich auf engstem Raum. (Bilder hier: https://www.realitatea.net/stiri/actual/imbulzeala-pe-aeroport-la-clujnapoca-in-plina-epidemie-de-coronavirus-aproape-2000-de-romani-pleaca-la-munca-in-germania_5e8f100bc1d1ac64b0172fd2 externer Link)
      Die Bilder machten gestern in der rumänischen Presse die Runde und lösten Empörung aus. Die rumänische Wirtschaft wurde wegen den Quarantänemaßnahmen de facto lahmgelegt, nun sollten 80.000 Menschen nach Deutschland fahren, um den dortigen Spargel zu retten. Dabei gibt es bereits mehrere Berichte von Rückkehrern, die das Virus höchstwahrscheinlich aus dem Ausland nach Rumänien gebracht haben. (Beispiele: https://www.dw.com/de/rum%C3%A4nien-das-importierte-virus-im-roma-viertel-strachina/a-53063818 externer Link; https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/sie-sind-zuhause-nicht-willkommen externer Link; https://www.moment.at/story/24-Stunden-Betreuung-viel-Aerger-bei-Fluegen-aus-Rumaenien externer Link; https://www.arbeit-wirtschaft.at/ischgl/ externer Link)
  • Erntehelfer*innen: Bloß keine Lohnerhöhung!
    Letzte Woche machte Deutschland noch Witze: Wer soll den Spargel stechen, wenn vor allem osteuropäische Erntehelfer*innen nicht mehr einreisen dürfen? Schnell wurde klar: das Problem ist ernst. Rund 300.000 landwirtschaftliche Hilfskräfte arbeiteten vor der Corona-Krise regelmäßig in Deutschland. Kartoffeln müssen gesetzt, Erdbeeren gepflückt und Drähte für den Hopfen gezogen werden. Schnell organisierte das Landwirtschaftsministerium die Webseite Das Land hilft. Irritierend: Obwohl es einen großen Bedarf der Konsumenten an Obst und Gemüse gibt und die Nachfrage der Bauern nach Arbeitskräften händeringend groß ist, scheint der Lohn nicht zu steigen – was der klassischen Wirtschaftstheorie (bzw. neoliberalen Irrlehre) widerspricht. Ein Stundenlohn über dem gesetzlich garantierten Mindestohn ist für Ernethelfer*innen weiterhin nicht in Sicht. Die Vergütung sei individuell auszuhandeln, heißt es. Ein Twitter-User, der seinen Account wegen zahlreicher Anfeindungen mittlerweile nicht mehr öffentlich einsehen lässt, berichtete, was er bei Bewerbungen in der Landwirtschaft erlebte: „Ich hab mich interessehalber mal bei 3 Betrieben erkundigt, die Erntehelfer suchen und bin entsetzt!  Betrieb1 (relativ kleiner Hof): Erntehelfer werden auf 450-Euro Basis beschäftigt. Was darüber hinaus geht würde Bar bezahlt. Einen Stundenlohn könne man noch nicht nennen es wird aber in einer 6 Tage Woche gearbeitet. Betrieb2: Hier wird man nach vollen Kisten bezahlt, zwischen 50cent und 1,50 pro Kiste. Ein Landwirt meinte dazu, daraus ergäbe sich ein Stundenlohn unter 5 Euro. Betrieb3: Stundenlohn 5,50Euro, 6 Tage die Woche 10 Stunden pro Tag. Verpflichtend ist eine Unterbringung auf dem Hof. 4 Leute pro Zimmer, dafür soll man 250Euro im Monat bezahlen, versorgen muss man sich über den Hofladen selber.“ Seit 3. April 2020 ist klar, dass der Bauernverband sich durchgesetzt hat und noch einmal zu verhindern wusste, ortsansässige Mitarbeiter*innen gewinnen zu müssen, denen man für die schwere Arbeit womöglich angemessene Löhne hätte zahlen müssen. Die Lösung: Osteuropäische Erntehelfer in Quarantäne-Gulags eingeflogen…“ Beitrag vom 4.4.2020 in den Corona-News KW14 bei Arbeitsunrecht externer Link
  • [Spargel vor Flüchtlingen] Einreiseverbot für ausländische Erntehelfer wird gelockert 
    Bis zu 80.000 ausländische Erntehelfer sollen in der Corona-Krise nun doch einreisen dürfen. Für die Arbeiter ist allerdings eine faktische Quarantäne vorgesehen. Weitere 10.000 Helfer – darunter Asylbewerber – sollen aus dem Inland gewonnen werden. Grüne fordern faire Arbeitsbedingungen. Nach dem zunächst von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhängten Einreiseverbot für Erntehelfer in der Corona-Krise soll es nun doch Ausnahmen geben. Seehofer und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verständigten sich am Donnerstag darauf, dass im April und Mai jeweils bis zu 40.000 Saisonarbeiter einreisen dürfen, wie beide Ministerien im Anschluss in Berlin mitteilten. Ihre Vereinbarung sieht dafür eine Reihe von Vorsichts- und Hygienemaßnahmen vor…“ Meldung vom 03.04.2020 beim Migazin externer Link (im Abo), siehe dazu:

  • [Systemrelevant trotz Grenzschließung] EU fordert Zugang für Saisonarbeiter
    Im Kampf gegen Corona haben viele EU-Länder ihre Grenzen geschlossen. Für die Ernte dringend benötigte Helfer müssen auch in Deutschland draußen bleiben. Die EU-Kommission fordert, ihnen die Einreise zu erlauben. Trotz des sich weiterhin ausbreitenden Coronavirus hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offene Grenzen für Erntehelfer, Saisonarbeitskräfte und andere Grenzpendler in der Europäischen Union gefordert. Sie geht damit auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung. Diese hatte vergangenen Mittwoch ein vorübergehendes Einreiseverbot für Erntehelfer erlassen. Auch in vielen weiteren EU-Ländern gelten seit Beginn der Ausbreitung des Coronavirus in Europa Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen. In der Landwirtschaft führt das zu Personalmangel. „Wir brauchen Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen und ernten“, sagte von der Leyen in einer Videobotschaft. Deswegen müssten sich Saisonarbeiter im Agrarsektor „frei über Grenzen bewegen können“. Die EU-Kommission empfiehlt daher eine bevorzugte Abfertigung an den innereuropäischen Grenzen ähnlich wie für Ärzte oder Polizisten, wenn die Arbeiter eine „entscheidende“ Funktion beim Pflanzen, Ernten oder Tierehüten ausübten…“ Meldung vom 30.03.2020 bei tagesschau.de externer Link
  • Geflüchtete als Erntehelfer_innen: Absurde Beschäftigungsverbote müssen nun beseitigt werden!
    Der Flüchtlingsrat Niedersachsen mahnt, dass Asylsuchende nicht als frei verfügbare Arbeitsreserve betrachtet werden dürfen. Wer als Arbeitskraft gebraucht wird, muss auch ein Bleiberecht erhalten. Der Flüchtlingsrat begrüßt, dass in der Debatte um den Einsatz von Geflüchteten als Erntehelfer_innen bestehende Beschäftigungsverbote zunehmend in Frage gestellt werden. Etliche Geflüchtete würden die Gelegenheit gerne wahrnehmen und die Chance auf eine Beschäftigung in der Landwirtschaft nutzen. „Es darf aber nicht sein, dass Asylsuchende als frei verfügbare Arbeitsreserve betrachtet werden, denen man nach Bedarf, wenn es die Arbeitsmarktlage gerade verlangt, Rechte zugesteht und sie ihnen dann wieder nimmt, wenn man ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt“, mahnt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat. Der Flüchtlingsrat fordert daher: Erteilte Beschäftigungserlaubnisse dürfen nicht wieder zurückgenommen werden, wenn der Bedarf nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft wieder sinkt. Den Geflüchteten, die nun in der Ernte helfen, muss eine Bleibeperspektive eröffnet werden. Sie dürfen nicht lediglich als verwertbare Masse angesehen werden. (…) Schließlich weist der Flüchtlingsrat aufkommende Debatten über die Senkung des Mindestlohns entschieden zurück. Geflüchtete, die als Erntehelfer_innen arbeiten, haben wie alle anderen auch Anspruch auf eine anständige Entlohnung. Gerade in der jetzigen Krise wird deutlich, dass gute und gerechte Löhne vor der Verarmung bewahren und gleichzeitig sicherstellen, dass systemrelevante Arbeit weiter getan wird.“ Pressemitteilung vom 28. März 2020 beim Flüchtlingsrat Niedersachsen externer Link – ebenso 

  • Bayerns Innenminister macht Weg frei: Asylbewerber auf die Felder [und nach der Spargelernte abschieben?]
    „… Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) macht den Weg frei dafür, dass Asylbewerber den Bauern im Freistaat als Erntehelfer zur Verfügung stehen können. Das ist einer Pressemitteilung des Innenministeriums zu entnehmen. Ausländerbehörden seien angehalten, Asylbewerbern eine Erntehelfertätigkeit nach Möglichkeit ab sofort zu erlauben. Da die Gewinnung von Erntehelfern im öffentlichen Interesse stehe, sollten die Ausländerbehörden ihre gesetzlichen Spielräume nutzen und notwendige Beschäftigungserlaubnisse offensiv erteilen, heißt es in einem aktuellen Schreiben des Ministeriums an die Behörden. (…) Die Hinweise des Innenministeriums gelten für Asylbewerber im laufenden Verfahren ebenso wie für bereits abgelehnte Asylbewerber. Entsprechende Beschäftigungserlaubnisse werden allerdings – auch darauf wies Herrmann ausdrücklich hin – nur zeitlich beschränkt für die Zeit der Erntehilfe erteilt werden. Sein Ministerium habe die Ausländerbehörden außerdem gebeten, Aufenthaltstitel und Beschäftigungserlaubnisse für Ausländer, die im Bereich der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs tätig sind, zur Sicherstellung der Grundversorgung prioritär zu behandeln und zu verlängern. (…) Kritik kommt vom Bayerischen Flüchtlingsrat, er spricht von einer „ungeheuerlichen opportunistischen Ausbeutung“ der Asylbewerber. Viele geduldete Geflüchtete würden seit Jahren vergebens darum kämpfen, arbeiten zu dürfen oder eine Ausbildung anzufangen. „Jetzt, wo aufgrund der Coronakrise Erntehelfer nicht ins Land dürfen oder aus Selbstschutz fernbleiben, sollen Geflüchtete einspringen“, so Sprecherin Johanna Böhm. Sie kritisiert, dass aus dem Einsatz nicht einmal eine Bleibeperspektive entstehe. Man begrüße grundsätzlich, dass Geflüchteten der Zugang zur Arbeit erleichtert wird. „Jedoch nur unter fairer Bezahlung, umfassenden Schutzmaßnahmen und langfristig“, heißt es in einer Mitteilung.“ Beitrag von Gisela Rauch vom 29. März 2020 bei der Mainpost online externer Link
  • [Pro Asyl] Zum Spargel stechen gut genug, aber dann keine Perspektive? So nicht!
    „Wenn es um den deutschen Spargel geht, ist in der Politik einiges möglich. Aktuell wird diskutiert, Personen, die bisher einem Arbeitsverbot unterliegen, das Arbeiten zur Krisenzeit zu erlauben. PRO ASYL unterstützt eine Aufhebung von Arbeitsverboten, diese müssen auch nach Corona fortbestehen. Das kann auch für den Gesundheitsbereich wichtig sein. Während der Corona-Pandemie zeigt sich gerade, an wie vielen Stellen mehr Personal nötig wäre. Jede Person, der die Ausbildungsduldung zur Pflegekraft verweigert wurde, fehlt. Jede Person, die trotz eines Jobangebotes im Supermarkt keine Arbeitserlaubnis bekommen hat, fehlt. Angesichts des Fachkräftemangels ist es schon lange absurd, dass es in Deutschland vielen Menschen verboten ist, zu arbeiten. Dies gilt während der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für in der Regel neun Monate, für Personen aus vermeintlich »sicheren Herkunftsstaaten« wie den Balkan-Staaten komplett vor und, im Falle einer Ablehnung, nach dem Asylverfahren und auch für viele geduldete Menschen. Durch Gesetzesänderungen, die solche Arbeitsverbote aufheben, und durch Weisungen auf Landesebene, bestehenden Spielraum positiv zu nutzen, könnten die »systemrelevanten« Branchen in Deutschland durch hier sich bereits aufhaltende Personen, denen die Möglichkeit zur Arbeit bislang verweigert wurde, unterstützt werden. Solche Regelungen sollten aber nicht zeitlich begrenzt werden, sondern müssen dauerhaft gelten. Alles andere wäre purer Eigennutz…“ Stellungnahme von Pro Asyl vom 27. März 2020 externer Link
  • Mehr Geld für Erntehelfer! Um den Spargel zu retten, müssten Agrarbetriebe Aushilfen mehr zahlen. Dann finden sie auch hierzulande welche
    „Das wegen der Corona-Pandemie verhängte Einreiseverbot für osteuropäische Erntehelfer rückt einen gravierenden Missstand in den Fokus: Die Arbeitsbedingungen für die Aushilfen auf deutschen Feldern sind meist miserabel. Die große Mehrheit dieser knapp 300.000 Beschäftigten bekommt nur den gesetzlichen Mindestlohn: 9,35 Euro brutto pro Stunde. Davon zieht der Arbeitgeber Geld etwa für die Unterkunft ab. Immer wieder wird durch betrügerische Berechnungen von Akkordlöhnen sogar das vorgeschriebene Minimum unterschritten. Viele Unterkünfte sind schlecht: enge Mehrbettzimmer in Containern, heruntergekommene Toiletten. Dafür müssen die Menschen harte Arbeit leisten: bei Wind und Wetter Spargel stechen oder Erdbeeren pflücken. Die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft sind einfach nicht konkurrenzfähig. Aldi Nord zum Beispiel sucht auch gerade Aushilfen. Der Discounter verspricht mindestens 12,50 Euro brutto pro Stunde für einen Job im Verkauf oder in der Logistik. Das ist körperlich meist weniger anspruchsvoll und sauberer, als ständig gebückt und in praller Sonne auf einem Feld zu arbeiten. Das sind Gründe, weshalb nur wenige Menschen aus dem Inland in der Agrarbranche aushelfen…“ Kommentar von Jost Maurin vom 27. März 2020 in der taz online externer Link
  • Einreiseverbot für Erntehelfer – Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen
    Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer dürfen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr nach Deutschland einreisen. Nun sollen Alternativen geprüft werden. Landwirtschaftsministerin Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen…“ Meldung vom 26.03.2020 beim Migazin externer Link (im Abo), siehe daher auch:

    • Regierung ordnet Verbot an: Erntehelfer dürfen nicht mehr einreisen
      „Die Spargelernte beginnt, anderes Gemüse muss jetzt ausgesät werden. Normalerweise machen das Saisonarbeitskräfte, die oft aus Rumänien oder Bulgarien kommen. Doch ab heute dürfen sie nicht mehr einreisen. Um die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland zu bremsen, hat das Bundesinnenministerium ein Einreiseverbot für Saisonarbeiter angeordnet. Erntehelfern und anderen Saisonarbeitskräften werde von heute 17 Uhr an im Rahmen der bestehenden Grenzkontrollen die Einreise verweigert, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Diese Regelung gelte für die Einreise aus Drittstaaten, aus Großbritannien, für EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln vollumfänglich anwenden, sowie für Staaten, „zu denen Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt worden sind“. Diese Beschränkungen seien „zwingend erforderlich, um Infektionsketten zu unterbrechen“, fügte der Sprecher hinzu. (…) Schon vor dem Einreiseverbot war klar, dass viele von ihnen in diesem Jahr nicht kommen würden. Verbände und das Bundeslandwirtschaftsministerium haben deshalb Internet-Plattformen aufgesetzt, um Betriebe und Freiwillige, die auf den Feldern arbeiten könnten, in Kontakt zu bringen. Schon jetzt gibt es Kritik an den Plänen. Markus Drexler, der Sprecher des Bayerischen Bauernverbands, ist skeptisch: Die Erfahrungen aus der Vergangenheit würden zeigen, dass auf dem Markt für Saisonarbeitskräfte das Interesse im Inland eher gering sei, meint er. 95 Prozent der Arbeitskräfte kämen aus dem Ausland. Es handele sich eben um schwere körperliche Arbeit, die außerdem nicht besonders gut bezahlt sei…“ Meldung vom 25.03.2020 bei Tagesschau.de externer Link
  • [DGB] „Wer in der Not einspringt, hat einen anständigen Lohn verdient“ – Auch für Saisonkräfte sind 9,35 Euro das Mindeste
    “… Kurz vor Beginn der Spargelsaison befürchten viele Landwirtschaftsbetriebe Engpässe bei der Ernte. Wegen der aktuellen Corona-Situation fehlen vor allem Erntehelfer aus Osteuropa; Saisonkräfte aus Polen oder Rumänien etwa wissen nicht, ob und wie sie in ihr Land zurückkehren können. Hinzu kommen Reisebeschränkungen in der EU. Deshalb versucht man nun, Beschäftigte aus anderen Branchen oder auch Studentinnen und Studenten als Erntehelfer zu gewinnen. Eine neue Online-Plattform externer Link, die vom Bundesministerium für Landwirtschaft unterstützt wird, soll bei der Vermittlung helfen – und fordert Interessierte auf, ihren Verdienst individuell zu verhandeln, einen pauschalen Stundenlohn gebe es nicht. Der DGB warnt davor, die Krisensituation auszunutzen, um Arbeitnehmerrechte wie den Mindestlohn zu schleifen: „Wer jetzt in der Not einspringt, hat dafür auch einen ordentlichen Lohn verdient“, sagt Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Der gesetzliche Mindestlohn ist dabei das Mindeste. In der Regel sollte mehr drin sein. Der Mindestlohn ist die unterste Haltelinie, die auch in der Krise ausnahmslos für alle Beschäftigten gilt, auch für Saisonarbeiterinnen und -arbeiter in der Landwirtschaft. Mindestens 9,35 Euro pro Stunde, weniger darf kein Arbeitgeber in Deutschland zahlen. Keinesfalls ist der Mindestlohn Verhandlungssache.“ Um Betrug zu vermeiden, sollen Beschäftigte ihre Arbeitszeiten dokumentieren und Verstöße bei der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) melden, so Stefan Körzell. Diese wiederum müsse auch in diesen Zeiten ihre Aufgabe wahrnehmen und unangekündigte Stichpunktkontrollen durchführen, gerade in dieser Branche: „Die Landwirtschaft ist in der Vergangenheit leider immer wieder durch kreative Versuche aufgefallen, geltende Arbeitsstandards wie Mindestlöhne oder Aufzeichnungspflichten bei der Arbeitszeit zu unterlaufen. Allein im Jahr 2018 wurde von der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei 617 geprüften Arbeitgebern 106 Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Beitrag vom 25.03.2020 bei DGB externer Link
  • Hauptsache Spargel: Erwerbslose und Geflüchtete sollen auf den Acker
    “In kaum einem Wirtschaftssektor sind Arbeitszeiten und Arbeitsschutz so »flexibel« geregelt wie in der Landwirtschaft, wenn die Ernte eingefahren wird. Dennoch nutzen die Lobbyisten vom Deutschen Bauernverband (DBV) die Coronapandemie und die damit einhergehende Angst vor Lebensmittelengpässen als Argument, den Grad der Ausbeutung auf den Äckern weiter zu erhöhen. Entsprechenden Forderungen erteilte die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) am Donnerstag eine Absage. Zuvor hatte sich der DBV gemeinsam mit anderen Agrarkapitalverbänden in einem Schreiben an Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gewandt und eine Reihe von Maßnahmen angeregt, die notwendig seien, um »dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können«. Gefordert wird in dem Brief, was immer gefordert wird, wenn Profite auf Kosten der Arbeiter stabilisiert werden sollen: laxere Regeln für geringfügige Beschäftigung und Leiharbeit, längere Arbeitszeiten, weniger Pausen. Zudem bestehen die Verbände darauf, den Zufluss an Billigarbeitskräften politisch abzusichern. Man habe Innen- und Außenministerium gebeten, »die Anreise der ausländischen Saisonarbeitskräfte sicherzustellen«, heißt es in einer Mitteilung des DBV vom vergangenen Mittwoch. Doch damit nicht genug: Auch Erwerbslose und Asylsuchende wollen die Vertreter des Agrarbusiness künftig zur Erntezeit als Billiglöhner auf die Felder schicken. (…) Die IG BAU teilte mit, selbstverständlich müsse die Lebensmittelversorgung auch in der Coronakrise sichergestellt werden. Dies dürfe aber »nicht auf Kosten der ohnehin schon sehr benachteiligten Saisonkräfte gehen«. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Harald Schaum, sagte, die Forderungen der Verbände hätten »nichts mit den Realitäten unserer Zeit zu tun«. Angesichts der schon bestehenden enormen Flexibilität in Landwirtschaft und Gartenbau zur Erntezeit erschienen sie als »absurd, zumindest unverständlich«…“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 23.03.2020 externer Link
  • Wegen Corona-Krise – Asylbewerber als Erntehelfer?
    “… Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schlägt den Einsatz von Asylbewerbern in der Landwirtschaft vor, um Engpässe bei Saisonkräften zu vermeiden. Dies könne eine weitere Option sein, schrieb sie in einem Brief an Arbeitsminister Hubertus Heil, über den das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ berichtet. Menschen, die Asyl beantragt haben, aber nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügen, könnten kurzfristig eine Arbeitserlaubnis in der Landwirtschaft bekommen, wenn sie dies wollten. Das Arbeitsverbot könnte auch nur zeitlich befristet aufgehoben werden, regt Klöckner in dem Schreiben an, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Manche Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie Albanien, Bosnien, dem Kosovo oder auch dem Senegal könnte daran Interesse haben…“ Beitrag vom 20.03.2020 bei Tagesschau.de externer Link
  • Corona-Krise: Gibt es dieses Jahr keinen deutschen Spargel?
    “Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen haben Schwierigkeiten bei der Einreise. Ministerin Klöckner erwägt jetzt sogar Sonderflüge. Einige Landwirte werden selbst kreativ. (…) Sie und alle anderen rund 23.000 Obst- und Gemüsebaubetriebe in Deutschland bangen um ihre diesjährige Ernte. Denn auch vor der Landwirtschaft hat das Coronavirus nicht Halt gemacht: Die rund 300.000 Saisonarbeitskräfte, die normalerweise ab April vor allem aus Rumänien und vereinzelt aus Polen nach Deutschland kommen, um Spargel und Erdbeeren zu ernten und neue Gemüsesetzlinge zu pflanzen, könnten in diesem Jahr ausbleiben. (…) Am Mittwoch teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit, Erntehelfer aus direkten Nachbarländern dürften mit einem entsprechenden Nachweis der Arbeitstätigkeit weiterhin einreisen. Für Saisonkräfte, die durch deutsche Nachbarländer hindurch reisen müssen – was für die größte Gruppe der Rumänen zutrifft –, will Ministerin Klöckner ebenfalls eine Lösung finden. Das Landwirtschaftsministerium sei in Gesprächen mit der Lufthansa, ob die Arbeitskräfte wegen der Beschränkungen an den Grenzen per Flugzeug nach Deutschland gebracht werden könnten, sofern sie weiter hier arbeiten wollen. Klöckner nannte die Landwirtschaft „systemrelevant“ für Deutschland. Verpasste Ernten könnten nicht nachgeholt werden und das, was nicht in die Erde komme, könne auch nicht geerntet werden. „Wir wissen hier um die Sorgen“, sagte die CDU-Politikerin. Zuletzt hatte Klöckner angeregt, derzeit nicht gebrauchte Mitarbeiter aus der Gastronomie und Hotellerie könnten über regionale Jobbörsen vermittelt werden und auf den Feldern aushelfen. Verbandssprecher Schumacher steht diesem Vorschlag kritisch gegenüber. „Die Servicekräfte haben zuletzt viel Kontakt gehabt mit potentiell infizierten Personen. Sie kommen dann in die Betriebe und werden zusammengesteckt mit einer Personengruppe, die bislang noch relativ unbetroffen ist. Das halte ich für kontraproduktiv.“ Auch die Arbeitsbelastung auf den Feldern sei eine andere. Andererseits müsse man in der aktuellen Lage für jede Idee offen sein. Inzwischen werden die Betriebe deshalb schon selbst aktiv. Das Bündnis „Bodensee-Bauern“ etwa schaltete am Wochenende einen Hilferuf auf Facebook und anderen Plattformen, um „ambitionierte Mitschaffer“ für die Ernte zu gewinnen. Eigenen Angaben zufolge hätten sich schon 500 Interessenten gemeldet, darunter Kurzarbeiter, Hausfrauen, Studierende und Schüler.“ Artikel von Jessica von Blazekovic vom 19.03.2020 in der FAZ online externer Link
  • Unverantwortliche Forderungen. IG BAU: Agrar-Arbeitgeber instrumentalisieren Coronakrise 
    Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) weist die jüngsten Forderungen der Agrar-Lobby nach Aushebelung der Arbeitsrechte in der Landwirtschaft als überzogen und unverantwortlich zurück. „Die Forderungen der Agrar-Verbände reihen sich nahtlos ein, in ihre schon weit vor der Coronakrise verbreiteten Arbeitsmarktvorstellungen und haben nichts mit den Realitäten unserer Zeit zu tun“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Grenzwertig sind Anlass und Zeitpunkt ihrer Forderungen. Die Verbandsvertreter nehmen den Eindruck in Kauf, die Notlage der Menschen während der Pandemie für ihre Interessen zu instrumentalisieren.“ In einer Erklärung von gestern (für die Red.: 18. März 2020) hatten Agrar-Verbände etwa die Ausweitung der Höchstarbeitszeiten und Absenkung von Mindestruhezeiten, die Aufweichung der Minijobgrenzen und der Arbeitnehmerüberlassung oder die Grenzöffnung für Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten propagiert. Nach eigenen Angaben forderten sie in einem Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ‚für eine Reihe von Regelungen kurzfristig Ausnahmen und Modifikationen zu schaffen, um dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können‘. Selbstverständlich steht auch die IG BAU dafür ein, die Lebensmittelversorgung trotz Coronakrise sicherzustellen, aber das darf nicht auf Kosten der ohnehin schon sehr benachteiligten Saisonkräfte gehen. Schaum sagte weiter: „Bereits jetzt sind die Regelungen zur Arbeitszeit in Landwirtschaft und Gartenbau gerade in den Erntezeiten so flexibel, wie in keiner anderen Branche. Die Forderungen der Agrarverbände erscheinen insoweit absurd, zumindest unverständlich.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 19.03.2020 externer Link, siehe auch:

    • Drohender Ernteausfall – IG BAU: Erntehelfer vor Infektion mit Covid-19 schützen
      “Die Agrargewerkschaft fordert die Arbeitgeber in der Landwirtschaft auf, ihrer Verantwortung für ihre Beschäftigten in der Coronakrise vollständig gerecht zu werden. Auch für Erntehelferinnen und Erntehelfer muss der Schutz vor Infektionen mit Covid-19 an erster Stelle stehen. „In der Landwirtschaft starten jetzt die wirtschaftlich wichtigen Pflanz- und Erntezeiten. Das sind Naturvorgaben, die sich nicht verschieben lassen. Diese Arbeiten sichern unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Es ist selbstverständlich, diese Arbeiten weiter aufrechtzuerhalten, wenn die Versorgung sichergestellt werden soll“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Mit dem Ausbleiben vieler Erntehelfer aus Osteuropa gerät dieses Ziel in Gefahr. Das Wegbleiben der Saisonkräfte hat zwei Ursachen. Zum einen kommen viele Arbeitskräfte wegen der Grenzschließungen der Transitländer nicht mehr nach Deutschland. Hier ist die Politik aufgefordert, auf oberster Ebene eine schnelle Lösung herbeizuführen. Zum anderen sorgen sich die Menschen aber auch vor Ansteckung. Das ist nicht verwunderlich. Schon vor der Coronakrise blieben in vielen Betrieben Helferinnen und Helfer fern, weil die Zustände dort unhaltbar waren. Massenunterbringung auf viel zu engem Raum und heruntergekommene sanitäre Einrichtungen machten Saisonkräften auch schon ohne Infektionsrisiko zu schaffen. Unter solchen Bedingungen ist die Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 sehr hoch. Da bleiben viele lieber zu Hause. Die Vorstellung, dass Menschen aus Deutschland, deren Betrieb derzeit geschlossen hat, diese Lücke füllen könnten und sich dem hohen Infektionsrisiko aussetzen ist nicht nur unverantwortlich, sondern geradezu weltfremd.“ Die Unterkünfte für Saisonarbeitskräfte sind häufig Mehrbettzimmer oder mit mehreren Personen geteilte Wohncontainer, die Verpflegung geschieht in der Regel in Gemeinschaftsküchen oder Kantinen. Auf den Feldern stehen Toiletten – wenn es überhaupt welche gibt – für eine hohe Zahl von Beschäftigte zur gemeinsamen Verfügung. Ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen ist Erntearbeit nicht mehr zumutbar, weder für übergangsweise freigestellte Beschäftigte aus dem Inland noch für osteuropäische Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter. Die IG BAU fordert, dass die hygienischen Bedingungen in der Unterbringung und auf den Feldern energisch verbessert werden und dies von Behörden umfassend kontrolliert wird. Niemand darf wegen reinen Gewinnstrebens einer Infektionsgefahr ausgesetzt werden. Beschäftigte, die die Erntearbeit in dieser Zeit auf sich nehmen, müssen zudem eine spürbare Erschwerniszulage erhalten.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 18.03.2020 externer Link
  • [Wenn aus Polen und Osteuropa niemand kommen kann…] Corona Auswirkungen auf die Landwirtschaft: Gastronomiebeschäftigte für die Landwirtschaft? 
    “Die Corona-Krise trifft mit den Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen in Europa in der Landwirtschaft Betriebe, die auf Saisonarbeiter angewiesen sind. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner überlegt laut einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) externer Link, ob Angestellte aus dem Gastronomie Bereich, die auf Grund von Corona ohne Beschäftigung sind, auf den Feldern aushelfen können. Vor allem die geschlossene Grenze nach Polen sorgt in der Landwirtschaft für Unruhe, da gerade aus Polen und Osteuropa viele Arbeitskräfte auf den Höfen in Deutschland im Einsatz sind. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagte der Branche bereits Unterstützung zu. Dabei schließt sich auch nicht aus „unkonventionelle Wege“ zu gehen. „Ob diejenigen Mitarbeiter, die in der Gastronomie leider immer weniger zu tun haben, in der Landwirtschaft einspringen können und möchten – auch so etwas müssen wir überlegen“, sagte sie der NOZ. Es müsse geprüft werden, welche bürokratischen Anforderungen während der Krise gegebenenfalls heruntergefahren werden können, heißt es weiter. Klöckner wies darauf hin, dass die Landwirte, vor allem aus dem Bereich Gemüse-, Obst- und Kräuteranbau, die anstehende Arbeit nicht einfach aufschieben könnten. Demensprechend dringend seien Lösungen. Noch am heutigen Montag will Klöckner dazu mit den Spitzen der Agrarverbände sprechen. Wie es weiter auf den Höfen geht, wenn ein Landwirt oder ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt, treibt das Bundeslandwirtschaftsministerium ebenfalls um…“ Beitrag von Stefanie Awater-Esper vom 16.03.2020 bei topagrar online externer Link und ein viel besserer Vorschlag:

    • Vorschlag zur Güte: Alle Politiker*innen, die in den letzten 10 Jahren Regierungsverantwortung hatten od. haben, verlassen ihre Posten & helfen bei d. Spargelernte. Im Gegenzug ziehen die jetzt arbeitslosen Barkeeper*innen & d. Club Personal, die wohl am allerbesten wissen was die Leute denken, fühlen & brauchen, in die Ministerien & übernehmen die RegierungsgeschäfteTom K aus N in B am 17. März 2020 bei Twitter externer Link
  • Saisonarbeit: Harter Job, geringer Lohn 
    „Auf neue Kartoffeln, Spargel oder Erdbeeren frisch vom Feld freuen sich die Verbraucher*innen jedes Jahr wieder. Obst, Gemüse, Salat und frische Kräuter werden meist von Saisonkräften geerntet, die für einige Monate aus dem europäischen Ausland kommen. Kolleg*innen von der IG BAU Region Hessen und Mitarbeiter*innen der Beratungsstelle Faire Mobilität Frankfurt bzw. des Europäischen Vereins für Wanderarbeiterfragen e.V. (EVW) haben Saisonarbeitkräfte auf den hessischen Feldern besucht. Die Saisonkräfte in Hessen kommen aus Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Polen, Serbien, Ungarn oder sogar aus der Ukraine; die meisten sind Frauen. Sie kommen hierher,  um bei der Ernte etwas Geld zu verdienen, denn in ihrer Heimat gibt es oft keine oder nur sehr gering bezahlte Arbeit für sie. Sie lassen sich zum Teil von Anwerber*innen an die landwirtschaftlichen Betriebe vermitteln. Diese Vermittlung ist nicht umsonst. Es werden Beträge von 100 bis 300 Euro pro Person verlangt, wie die Kolleg*innen der IG BAU, der Beratungsstelle Faire Mobilität Frankfurt und des Europäischen Vereins für Wanderarbeiterfragen e.V. bei ihren Besuchen auf den Feldern in Süd- und Nordhessen erfuhren. Die Aktionen finden in dieser Zusammensetzung bereits das dritte Jahr in Folge statt. Die Gewerkschaftssekretär*innen der IG BAU und die muttersprachlichen Berater*innen des EVW sprachen direkt mit rund 350 Saisonarbeitskräften; erreicht wurden über Mund-zu-Mund-Propaganda viele mehr. Die Kollge*innen verteilten zudem Informationsmaterialien über die Mindestarbeitsbedingen in der Landwirtschaft. An zwei Abenden bauten sie Informationsstände in unmittelbarer Nähe von Unterkünften von Saisonbeschäftigten auf, an denen sich diese ohne die Aufsicht des*der Vorarbeiter*in und ohne Zeitdruck ausführlicher informieren konnten…“ Reportage der IG BAU vom 9. September 2019 externer Link
  • Sechzehn polnische Erntehelferinnen und Erntehelfer: Betrogen bei der Ernte 
    „Sechzehn polnische Erntehelferinnen und Erntehelfer staunten nicht schlecht, als sie kurz vor Ablauf ihres Arbeitsvertrages ihre Stundenabrechnungen ausgehändigt bekamen. Zwei Monate lang hatten sie in der Erdbeerernte bei einem großen Beerenproduzenten in Niedersachsen gearbeitet – zwischen 250 und 300 Stunden. Bezahlen wollte der Arbeitgeber aber nur die Hälfte, teilweise weniger. Wer die Abrechnung beanstande, wurde ihnen signalisiert, brauche sich im nächsten Jahr nicht mehr um den Job zu bewerben. (…) Bei der Überprüfung der Arbeitsunterlagen durch »Faire Mobilität« zeigten sich schnell gravierende Unregelmäßigkeiten. Die Abrechnungen stimmten ganz und gar nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden überein: Lediglich 40 bis 50 Prozent der Leistung wollte die Firma vergüten. So wurden etwa bei einer Person, die über zwei Monate 301,5 Stunden gearbeitet hatte, vom Arbeitgeber lediglich 170 Stunden abgerechnet – eine Differenz von 131,5 Stunden sollte nicht bezahlt werden. In Geld ausgedrückt: Der Arbeitgeber wollte den Beschäftigten um Lohn in Höhe von 1162,46 Euro prellen. Auch bei anderen Kolleginnen und Kollegen ging es um Summen von deutlich über 1000 Euro. (…) Der Trick der Firma: Sie legte einen Stücklohn (Akkord) fest, der so hoch angesetzt war, dass ihn niemand erreichen konnte. Nachträglich wurde die erreichte Stückleistung wieder in Stunden zurückgerechnet. Der gesetzliche Mindestlohn sollte damit – so behauptete der Arbeitgeber – formal eingehalten sein. Dass diese Rechtsauffassung mehr als abenteuerlich war, muss ihm allerdings selbst schon klar gewesen sein. Nachdem ein Berater von »Faire Mobilität«, die Betroffenen über ihre Rechte aufgeklärt hatte und den Chef mit den überprüften Lohnabrechnungen konfrontierte, erklärte sich die Firma schnell bereit, die ausstehenden Löhne in voller Höhe auszuzahlen – einen Tag, bevor die Saisonkräfte wie geplant wieder in ihre Heimat zurückfuhren…“ Bericht des Projekts Faire Mobilität vom August 2019 externer Link
  • [Trost zum Saisonende] Praktikanten-Trick: Ukrainische Studenten als billige Spargel-Erntehelfer 
    Der ukrainische Student Maxim wollte als Erntehelfer auf einem Brandenburger Spargelhof gutes Geld zu verdienen. Doch er bekam offenbar einen Stundenlohn von weniger als sechs Euro. Der Spargelhof verweist auf ein fragwürdiges Praktikumszeugnis. (…) Der 20-jährige Student aus Charkow in der Ukraine wurde offiziell als Praktikant beschäftigt. Vermittelt wurde das Praktikum über die ukrainische Agentur „Profiteam“. Maxim absolviert ein Studium in einer technischen Fachrichtung. „Mit meinem Studium hat das Praktikum eigentlich nichts zu tun“, erzählt er. Er wollte einfach nur gutes Geld verdienen, denn in der Ukraine liege der durchschnittliche Monatsverdienst nur zwischen 200 und 300 Euro. Das Praktikum für die ukrainischen Studenten war ganz offiziell von der Bundesagentur für Arbeit genehmigt worden. In der Genehmigung heißt es: „Nach den mir vorgelegten Informationen handelt es sich um ein studienfachbezogenes Praktikum mit einem Entgelt in Höhe von 9,19 Euro pro Stunde bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.“ (…) Doch Maxim ist Student. Für ihn gilt das Mindestlohngesetz nicht, wenn er ein studienbegleitendes Praktikum absolviert, das nicht länger als drei Monate dauert. Und hier wird es kompliziert, wie auch die Bundesagentur für Arbeit einräumt. Denn auch wenn der Mindestlohn nicht unmittelbar gilt, so dürfen die Praktikanten nach Auffassung der Agentur auch nicht schlechter gestellt werden als die anderen Erntehelfer, sofern sie gleich eingesetzt werden. Maxim hat für das „Domstiftsgut Mötzow“ gearbeitet, das zur Thiermann-Gruppe gehört, einem der größten Spargelbetriebe Deutschlands. (…)Er habe in sechs Wochen Arbeit rund 2.000 Euro verdient und dafür durchschnittlich 60 Stunden gearbeitet. „Wir haben ausgerechnet, dass er einen Stundenlohn von 5,74 Euro bekommen hat.“ berichtet Magdalena Stawiana von der Brandenburger Fachstelle „Migration und Gute Arbeit“, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund und den Volkshochschulen getragen wird. „Und selbst wenn er nicht geerntet hat, sondern zum Beispiel die Folien auf dem Spargelfeld befestigt hat, hat er nur 6,40 Euro pro Stunde bekommen.“ Das wäre also deutlich weniger als die zugesagten 9,19 Euro pro Stunde…“ Beitrag von Ute Barthel und Jana Göbel vom 24.06.19 bei rbb externer Link
  • [Auch dieses Jahr – aus Gründen] Tschüss, Spargelfeld: Erntehelfer bleiben aus 
    „Die Spargelernte läuft und die Deutschen kaufen ihr liebstes Frühlingsgemüse fleißig ein. Eigentlich gut für Spargelbauern, doch die klagen über einen zunehmenden Mangel: Die Erntehelfer brechen ihnen weg. (…) Deutsche Kräfte anzuwerben war für die Bauern schon immer schwierig bis unmöglich. Deshalb beschäftigen sie vor allem Spargelstecher aus Polen und Rumänien. Doch auch dort nimmt das Interesse an dem Knochenjob auf dem Spargelfeld spürbar ab. (…) Was für die Bauern ein wachsendes Problem darstellt, ist aus Sicht der Erntehelfer eine gute Nachricht. Denn sie kehren dem Spargelstechen vor allem deshalb den Rücken, weil sich die Lebensbedingungen in ihren Heimatländern verbessert haben. Insbesondere die Zahl der polnischen Erntehelfer ist zurückgegangen. (…) Eine große Zahl der derzeitigen Erntehelfer kommt aus Rumänien. Doch für die Rumänen scheint die Arbeit ebenfalls zusehends weniger attraktiv zu sein. (…) Und nicht nur zu Hause finden die früheren Erntehelfer mittlerweile offenbar besser bezahlte Stellen. Viele zieht es in andere EU-Länder wie die Niederlande. Und in Deutschland öffnen sich ihnen andere Branchen: Saisonarbeiter, die inzwischen gut Deutsch gelernt haben, bekommen Jobs bei Paketdiensten, auf Baustellen oder in Logistikzentren. Spargelbauern müssen ihren Arbeitern mehr bieten als früher, um sie zu halten – neben dem Mindestlohn zum Beispiel kühle Getränke auf dem Feld und besser ausgestattete Unterkünfte. Die Bauern hoffen derweil auf eine andere Lösung: Die Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer fordert, den Arbeitsmarkt auch für Saisonkräfte aus Nicht-EU-Staaten wie der Ukraine und Weißrussland zu öffnen.“ Meldung von und bei NDR 1 Niedersachsen vom 29. April 2019 externer Link, siehe auch: Start in die Spargelsaison 2019 – IG BAU: Wer arbeitet hat auch Rechte
  • Erntehelfer in Deutschland: Sie wollen hier nicht mehr arbeiten [aus guten Gründen] 
    “… Gajewski jedes Jahr im Frühsommer nach Deutschland kommt, seit 18 Jahren zum selben Hof im Spreewald. Dieses Jahr wird für ihn das letzte Mal gewesen sein. Nach zwei Wochen auf dem Hof, erzählt Gajewski, sei ihm aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. „Ich weiß doch genau, wie viel Spargel in eine Kiste geht“, sagt er, zwischen 16 und 20 Kilo, an guten Tagen sei er auf bis zu 40 Kilo gekommen. Nun standen auf seiner Abrechnung viel niedrigere Kilowerte, teils nur die Hälfte von dem, was er auf dem Feld gestochen hatte. Im Vertrag mit den Arbeitern hatte der Betrieb notiert, die 50 Cent pro Kilo würden nur für „vermarktungsfähigen Spargel“ bezahlt. „Das ist doch Betrug am helllichten Tage“, schimpft Gajewski auf Polnisch. Der Landwirt vom Spargelhof verteidigt sein Vorgehen: Er könne nur bezahlen, was er auch verkaufen könne – und im vergangenen Jahr hätten Erntehelfer versucht, Steine in die Kisten zu legen, um auf einen höheren Lohn zu kommen. Daher entscheide er in diesem Jahr erst an der Sortiermaschine, wie viele Kilo abgerechnet werden. Die Berater der Fachstelle Migration und Gute Arbeit in Brandenburg, die Verträge der Arbeiter eingesehen haben, halten die Praxis für rechtswidrig. Das unternehmerische Risiko wird den Erntehelfern aufgebürdet. Vier Monate später auf einem Feld in Nordrhein-Westfalen: Alexandru Mihai*, 18 Jahre alt, wohnt in einem Dorf in Siebenbürgen. Anfang Juni sind er, sein älterer Bruder und andere Bewohner als Saisonkräfte nach Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen gekommen, wo sie auf einem Hof Erdbeeren ernten wollten. Als Mihai bei seinem Chef für die Vertragsausfertigung im Büro saß, behielt der direkt den Pass ein. Er habe nach dem Grund gefragt, berichtet Mihai. Eine Erklärung habe ihm der Hofbesitzer nicht gegeben. Die Ausweise einzubehalten ist gravierend. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sieht darin ein Indiz für Zwangsarbeit externer Link. Denn ohne ihre Dokumente können die Arbeiter nicht weg. Sie sind gewissermaßen gefangen. (…) Mit den Erntehelfern aus den Nicht-EU-Staaten kommen noch weitere Akteure dazu, die am Erntegeschäft mitverdienen wollen. In der Ukraine gibt es längst Firmen, die ihr Geschäft wittern und Studierende den Weg in die deutsche Landwirtschaft lotsen (…) In Belgien und den Niederlanden liegt der Mindestlohn etwas höher als in Deutschland. So lautet zumindest das Versprechen.“ Artikel von Bernd Kramer vom 14.08.2018 in der Zeit online externer Link
  • IG BAU: Niedrige Löhne verleiden Saisonkräften die Arbeit
    „Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) lehnt Abkommen zur Anwerbung von Erntehelfern mit Nicht-EUStaaten entschieden ab. Derzeit häufen sich Rufe von Bauernvertretern nach mehr billigen Arbeitern aus der Ukraine, weil Landwirte angeblich zu wenig Erntehelfer finden. Die IG BAU warnt davor, EU-Wanderarbeiter gegen solche aus Drittstaaten auszuspielen. „In der Landwirtschaft gibt es ausreichend gute Saisonkräfte aus der EU. Es ist irreführend zu behaupten, Erntehelfer aus östlichen EU-Staaten blieben in ihrer Heimat, weil es dort jetzt wirtschaftlich bergauf gehe. Dahinter steht der leicht zu durchschauende Versuch, das Lohnniveau hierzulande dauerhaft niedrig zu halten“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Dabei ist es ganz einfach, Erntehelfer dauerhaft an sich zu binden. Man muss sie nur vernünftig bezahlen. Betriebe, die ordentlich mit den Saisonarbeitern umgehen, klagen bezeichnenderweise nicht über zu wenig Erntehelfer. Ihre Beschäftigten kommen jedes Jahr gern wieder. Leider gibt es auch Betriebe, die die Kolleginnen und Kollegen schlecht bezahlen und sich wundern, wenn sich das in deren Heimatländern herumspricht. Ihr Ruf ist dort ruiniert. Deshalb wollen sie nun in anderen Ländern Erntehelfer anwerben.“ Die IG BAU ist in diesem Frühjahr gemeinsam mit anderen Organisationen auf die Felder gefahren und hat mit fast tausend Saisonkräften Kontakt gehabt. Bei der Entlohnung gibt es laut deren Aussage deutliche Unterschiede. Der gezahlte Lohn variiere zwischen fünf und 9,20 Euro die Stunde. Der Tariflohn für Erntehelfer beträgt zzt. 9,10 Euro bzw. 9,25 Euro für Beschäftigte, die länger als vier Monate im Betrieb arbeiten. Viele erhalten aber nur den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde. Dieser sei im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr niedrig und mache Deutschland als Arbeitsort immer unattraktiver, berichteten einige Saisonkräfte, insbesondere weil zudem die Praxis ungerechtfertigter Abzüge für Kost und Logis oder Arbeitsgeräte und Schutzkleidung immer noch verbreitet sei.“ Pressemitteilung der IG BAU vom 13.06.2018 externer Link
  • Erntehelfer: Wer rettet die Erdbeeren? 
    … „Normale Pflücker gibt es viele, aber die Vorarbeiter fehlen uns“, sagt Simon Schumacher vom Verband VSSE, „die guten Leute, die auch mal einen Trupp anleiten können und die bisher viele Jahre in Folge kamen.“ Wo sie geblieben sind? „Viele haben Arbeit bei Paketzustelldiensten gefunden oder auf dem Bau“, so weiß Schumacher von den Mitgliedsbetrieben. „Die guten Arbeiter sind nicht nur mobil in den Beinen, sondern auch im Kopf.“ Zum einen zahlen die Paketdienste besser, nämlich zwei bis drei Euro mehr pro Stunde im Vergleich zu den 8,84 Euro Mindestlohn auf dem Feld. Zum anderen bedeuten die Jobs in Logistik oder Baubranche eine dauerhafte Beschäftigung – und nicht bloß drei Monate Einkommen im Jahr, wenn gerade Erdbeerzeit ist. Etliche Saisonhelfer aus Polen, Rumänien oder Bulgarien seien diese Saison gar nicht erst zum Dienst angetreten, obwohl sie früher jahrelang auf bestimmten Höfen mitgeholfen hätten und oft schon im Winter Verträge unterzeichneten. Sie hätten stattdessen in ihrer Heimat Arbeit gefunden, wo neuerdings auch die Wirtschaft floriert, sagt Schumacher: „Dort verdienen sie etwas weniger, aber dafür können sie bei ihren Familien bleiben.“ Viele Arbeiter sähen so „nicht mehr die Notwendigkeit“, für mehrere Wochen ihr Land zu verlassen, so glaubt der Geschäftsführer Hans Lehar von der Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft Baden. „Dass es in Osteuropa wirtschaftlich bergauf geht, ist sicherlich auch eine Folge der Saisonarbeit „, sagt Schumacher vom Anbauverband VSSE, „nun können sich die Leute daheim selber etwas aufbauen.“ … Artikel von Nadine Oberhuber vom 03.06.2018 in der Zeit online externer Link
  • Thomas Hentschel leitet das gewerkschaftsnahe Peco-Institut in Berlin, das eine Studie externer Link über die Situation der „Erntehelfer“ veröffentlicht hat: „Flexible-Insecure. Wanderarbeit in der Landwirtschaft“

Siehe auch im LabourNet:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=132598
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