»Ich bin doch kein Roboter, ich bin ein Mensch!« Reinigungskräfte schuften an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin-Hellersdorf, die externe Firma beauftragte

Skandalöse Ausbeutung von Reinigungskräften am St. Anna KrankenhausDazu zwei Arbeiterinnen (Dora und Galyna) im Interview von Dorit Inés Heider bei der jungen Welt vom 8. Juli 2019 externer Link: „… Wir sind jetzt ein halbes Jahr hier und haben alle befristete Arbeitsverträge. Das ist normal in der Reinigungsbranche. Mein Vertrag läuft Ende August aus, meine Kollegin bleibt einen Monat länger. Dabei ist es egal, wie sehr man sich anstrengt. Deshalb sind die Menschen mit der Zeit immer weniger motiviert. (…) Mit unserer Arbeit hier bekommen wir nicht genug Geld zum Leben. Darum stocken wir beim Jobcenter auf. Früher war es noch einfacher, einen Job für sechs Stunden täglich zu finden. Im Zuge der Einführung des Mindestlohns ist die frühere sechsstündige Arbeitszeit allerdings einfach auf vier Stunden reduziert worden! (…) Dadurch ist alles viel hektischer geworden. In einem Seminarraum muss ich beispielsweise den Boden wischen, die Tische und Stühle reinigen, die Fensterbretter säubern und mittlerweile auch noch die Tafel wischen. Und das auf zwei Etagen. Mir bleiben sieben Minuten für jeden Raum, egal ob großer oder kleiner Saal. Ich bin doch aber kein Roboter, ich bin ein Mensch! Wir machen hier eine Arbeit in vier Stunden, für die sechs benötigt werden. Unter dem Strich werden wir also nicht vollständig bezahlt. Für den ganzen Monat bekommen wir 600 bis 700 Euro. (…) Wir erhalten nur einen kleinen Anteil von dem Geld, das die Hochschule für unsere Arbeit zahlt. Wir wüssten gerne: Wieviel überweist die Hochschule dem Auftraggeber? Wie viele Arbeitsstunden werden eingeplant und wie viele davon bezahlt? Wer an der Hochschule unterschreibt die Stundenabrechnung der Putzfirma? Wer das tut, ist mitverantwortlich für unsere Arbeitsbedingungen und den Lohnraub…“ Siehe dazu:

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    „Emine Corhut heißt eigentlich anders, aus Angst vor Repressionen möchte sie aber nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht. Sie arbeitet seit 25 Jahren als Gebäudereinigerin, und sie ist sich sicher: „Es wird immer schlimmer.“ Mit jeder erstrittenen Verbesserung gehe auch immer eine Verschlechterung einher. Sie habe großen Respekt vor Dora B. und Galyna B., zwei Kolleginnen, die die Arbeitsbedingungen an der Alice Salomon Hochschule externer Link angeprangert hatten. Sieben Minuten habe man im Schnitt, um einen Seminarraum zu reinigen, hatten sie in einem Interview mit der Jungen Welt gesagt. Notwendig sei die doppelte Zeit, um die Arbeit gut zu machen und dabei nicht auszubrennen. Daraufhin wurden ihre befristeten Verträge von der Firma Peter Schneider gekündigt oder nicht verlängert. Am Dienstagabend hat nun eine Solidaritätsgruppe unter Studierenden daraufhin ein Gespräch mit der Hochschule erzwungen, bei dem auch der Geschäftsführer der Peter Schneider GmbH, Tarik Ylmaz, anwesend war und vor ungefähr 70 Studierenden seine Sicht der Dinge darstellen konnte, ebenso wie der Kanzler der Hochschule, Andreas Flegl, und die Rektorin, Bettina Völter. Alle drei beriefen sich darauf, dass die Peter Schneider GmbH ein normaler Player am Markt sei, branchenüblich handle und es üblich sei, dass die Reinigungsdienstleistungen ausgelagert werden. (…) Gerade die Auftraggeber sieht Corhut hier in der Pflicht: „Alle wollen immer das Beste, für möglichst wenig Geld.“ Dadurch werde der Druck auf die Firmen immer größer. Für Objekte, in denen vor zehn Jahren sechs Beschäftigte geputzt hätten, würden jetzt zwei Kräfte eingeteilt. Und die Möglichkeit, sich zu wehren, sei begrenzt: Die Gewerkschaften zahlen zwar zwischen siebzig und fünfundachtzig Prozent des Lohnes an Streikgeld, aber in diesem Niedriglohnbereich zählt am Ende eben jeder Cent – „Arbeitskampf können sich viele nicht leisten“. Deswegen sei man auf Solidarität angewiesen. (…) Warum sich ausgerechnet die Alice Salomon Hochschule daran kein Beispiel nimmt und kein Vorreiter der sozialen Gerechtigkeit sein wolle, fragten die Studierenden Bettina Völter mehrfach während des Gesprächs am Dienstag. Schließlich sei die Hochschule laut Leitbild eine Institution „mit emanzipatorischem Anspruch“, die „dem gesellschaftlichen Auftrag sozialer Gerechtigkeit und kritischer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen verpflichtet“ sei. (…) Am Ende zeigte sie sich erfreut darüber, dass sich die Studierenden sozial engagierten. „Ich hätte gern auch eine bessere, gerechtere Welt“, sagte sie, „aber wir müssen auch realistisch bleiben.“ Artikel von Frédéric Valin vom 04.10.2019 in der taz online externer Link
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