Freie Fahrt für Uber: Minister Scheuer plant »Liberalisierung« des Fahrdienstmarktes. Für die Taxibranche ist das existenzbedrohend

Dossier

say no to uber„… Über dreißig Jahre hat er Kunden in der Hauptstadt von A nach B befördert, manchmal zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Jetzt aber, weil der US-Großkonzern Uber auf den Markt drängt, sieht er das Gewerbe in seiner Existenz gefährdet. Uber ist ein Spekulantenprojekt in Multimilliardendimension. 2009 in San Francisco gegründet zur Onlinevermittlung von Fahrdiensten, breitete es sich – trotz Rückschlägen – im vergangenen Jahrzehnt über fast den gesamten Globus aus. Beteiligungen von berühmt-berüchtigten Investoren wie Goldman Sachs, Google Ventures und Benchmark Capital sorgten für die nötige Finanzkraft; willfährige Politiker für die Umgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Das Geschäftsmodell ist klar: Man pumpt Geld in einen ohnehin umkämpften Markt, ruiniert die Konkurrenz oder unterwirft sie dem eigenen Imperium. (…) Geht es nach einem Entwurf von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), soll die Laissez-faire-Politik den »neuen«, digitalbasierten Beförderungsunternehmen gegenüber nun enden. Der Minister präsentiert eine eigene »Lösung« für die illegale Missachtung des Rückkehrgebots und den Mangel an Kontrollen: Die Liberalisierung des Fahrdienstmarktes soll die Verstöße mit einem Streich legal machen. »Herr Scheuer sagt, mit der Öffnung für Uber und Co. würde die Mobilität auf dem Lande verbessert. Er spricht von den älteren Herrschaften. Wie kann man sich sowas vormachen?« regt sich Jörg M. auf. »Die Uber-Fahrer lauern ganz gezielt auf die Flughafenfahrten, auf die lukrativen Fahrten. Ältere Menschen über kurze Strecken zu transportieren, bei denen kaum etwas rausspringt, das machen ohnehin wir Taxler, nicht die Uber-Fahrer.« Die vom Verkehrsministerium nun geplante Marktöffnung stößt der gesamten Branche auf. Mehrere hundert Fahrer versammelten sich am 21. Februar in Berlin, forderten die Rücknahme von Scheuers Eckpunktepapier…“ Beitrag von Peter Schaber bei der jungen Welt vom 2. März 2019 externer Link – siehe auch:

  • Dumping durch Uber und Co.: Traditionelles Taxigewerbe durch »Tarifkorridor« und »Tarif ohne Zeitfaktor« weiter gefährdet New
    Die eine Fraktion vermeldet Vollzug, die andere dementiert. So ist das hierzulande bei der großen Koalition. Es geht um die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBeFG), also um den Taxi- und Mietwagenverkehr. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte am Freitag dpa, dass sich die Koalitionsfraktionen »über Grundzüge für den weiteren politischen Prozess« verständigt hätten, mehr indes nicht. Zuvor hatte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) gegenüber dem Magazin Focus von einer Koalitionseinigung und einem ausgewogenen Kompromiss für »moderne Mobilitätsangebote« gesprochen. Eine von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eingesetzte »Findungskommission« zur »Reform« des PBeFG soll am 19. Juni tagen. Laut Eckpunktepapier will die Koalition den Einstieg neuer Anbieter in den Taxi- und Fahrdienstmarkt erleichtern. Sogenannte Pooling-Angebote von Fahrdiensten, bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug teilen, sollen nun erlaubt werden. Bislang sind viele neue Anbieter wie Uber oder der VW-Ableger Moia nur mit befristeten Ausnahmeregelungen unterwegs…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 06.06.2020 externer Link, siehe dazu auch

    • Personenbeförderungsgesetz: Starre Taxitarife sollen fallen, mehr Rechte für Uber
      Es gibt Erleichterungen für Uber und Moia, doch eine umstrittene Regelung bleibt. „Die Bundesregierung will den Einstieg neuer Anbieter in den Taxi- und Fahrdienstmarkt erleichtern. Wie das Nachrichtenmagazin Focus unter Berufung auf Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) berichtet, haben sich Union und SPD auf eine Novelle des Personenbeförderungsgesetzes geeinigt. Darin werden Pooling-Angebote von Fahrdiensten dauerhaft erlaubt, bei denen sich mehrere Fahrgäste ein Fahrzeug teilen. Anbieter wie Uber oder die Volkswagen-Tochter Moia bekommen damit Rechtssicherheit…“ Artikel von Achim Sawall vom 5. Juni 2020 bei Golem externer Link
  • Uber steht drüber – 90 Prozent der Berliner Taxifahrer verdingen sich weit unterhalb der Niedriglohnschwelle. US-Fahrdienstleister treibt Preise in den Keller
    „Mit der von ihm beabsichtigten Liberalisierung des Beförderungsgewerbes will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für einen »fairen« Wettbewerb auf der Straße sorgen. Wie »fair« es schon heute zugeht – ohne komplette Marktöffnung für Fahrdienstleister wie Uber, Moia oder Lyft –, lässt sich am Beispiel Berlin zeigen. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) verdienen 90 Prozent aller vollzeitbeschäftigten Taxifahrerinnen und -fahrer ein Entgelt unterhalb der Niedriglohnschwelle. Diese bei zwei Dritteln des mittleren Bruttolohns angesetzte Grenze lag 2017 bundesweit bei 2.139 Euro. Wer in der Hauptstadt in Festanstellung Menschen von A nach B kutschiert, muss sich dagegen mit im Schnitt 1.338 Euro monatlich begnügen – vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Beschafft hat sich die Daten der gewerkschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Pascal Meiser. In einer junge Welt vorliegenden Auswertung warnt er eindringlich vor Scheuers Vorhaben. Damit werde das Lohndumping in der Branche weiter vorangetrieben. Wer nicht wolle, dass immer mehr Taxifahrer beim Jobcenter aufstocken, der müsse die »gemeingefährlichen Pläne stoppen«. Vor zwei Jahren hatten 2.100 oder 36 Prozent der insgesamt 5.700 »Kutscher« in Vollzeit ergänzende Hartz-IV-Leistungen bezogen. Auch sonst ist Berlin der Hotspot in Sachen Taxiprekariat. Im Bundesmittel erhalten die Fahrer 330 Euro mehr im Monat als ihre Kollegen an der Spree. Selbst in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg wirft der Job rund 300 Euro mehr im Monat ab. (…) Immerhin scheint sich Bundesminister Scheuer so bald nicht durchsetzen zu können, weshalb er sich genötigt sah, das Thema zum Gegenstand einer »Findungskommission« zu machen. Für die Branche taugt das nicht zur Beruhigung. Am Freitag kündigte der Bundesverband Taxi deutschlandweite Proteste für die kommenden Wochen an.“ Beitrag von Ralf Wurzbacher bei der jungen Welt vom 8. Juni 2019 externer Link
  • Buchautor über den Taxifahrer-Protest: Am Rand des Existenzminimums 
    „… Die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer angestrebte Reform des Personenbeförderungsgesetzes soll es privaten Fahrdienst-Anbietern wie Uber künftig leichter machen. Unter anderem soll die Rückkehrpflicht für Mietwagenfirmen mit Fahrern abgeschafft werden. Bislang müssen die Fahrer nach jeder Tour an den Hauptstandort zurückkehren und dürfen anders als Taxis nicht auf der Straße auf Kunden warten. Das will Scheuer ihnen in Zukunft erlauben. Taxiunternehmen betrachten dies als existenzbedrohend. Die Branche wehrt sich gegen die Konkurrenz und protestiert, ruft zu Demonstrationen auf. Jochen Rausch, Autor und Journalist beim WDR, hat sich länger mit dem Job hinter dem Steuer beschäftigt. Für sein Buch „Im Taxi. Eine Deutschlandreise“ (2017) führte Rausch über 200 Gespräche mit Fahrern. (…) Tatsächlich, so Rausch, lebten viele Fahrer schon jetzt oft am Existenzminimum – was man unter anderem auch am Typ und Zustand ihrer Taxis ablesen könne. Und kaum einer sei Taxichauffeur aus Leidenschaft…“ Jochen Rausch im Gespräch mit Dieter Kassel beim Deutschlandfunk Kultur am 5. März 2019 externer Link Audio Datei (Audiolänge: 8:23 Min., abrufbar bis zum 30. August 2019). Von Jochen Rausch erschien beim Berlin Verlag 2017 „Im Taxi. Eine Deutschlandreise“ zum Preis von 9 Euro (128 Seiten)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=145105
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