Nach dem Film: Amazon der Empörung ausgeliefert

Dossier

Amazon-Gelände LeipzigNach dem Film „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ bei der ARD war die Reaktion des Publikums und die Darstellung in der Presse für Amazon vernichtend. Das Unternehmen reagiert halbherzig und kündigt einer Sicherheitsfirma, dass muß erstmal reichen. Man verdient ja schließlich mit der Ausbeutung seiner Mitarbeiter viel Geld und darauf zu verzichten wär ja nun auch irgendwie doof. Wir haben Artikel, Kommentare, eine Stellungnahme vom Amazon sowie einen Artikel von Peter Nowak zum Zusammenhang zwischen Scheiß-Arbeitsbedingungen und Scheiß-Hartz-IV zusammengestellt. Ach ja, nicht nur viele Privatkunden, auch ein Literatur-Verlag kündigt die Zusammenarbeit auf und der Verleger schreibt einen offenen Brief an den Amazon Vorstand. Am wichtigsten erscheint uns aber die Frage, wem die Empörung gelten und die Verantwortung zufallen sollte – und ob sich gewerkschaftliche Organisierung durch Petitionen ersetzen sollte… Siehe dazu unser Dossier und als Beleg, dass all dies nicht so überraschend ist, unsere Amazon Seite samt dem Link zu unserem Archiv.

  • Amazon kündigt Zusammenarbeit mit weiterem Dienstleister
    Amazon reagiert mit einem weiteren Minischritt auf die Proteste gegen die schlechten Bedingungen für Leiharbeiter: Der Online-Versandhändler entlässt den Dienstleister, der für Unterbringung und Transport der Arbeiter zuständig war. Artikel von Lars Langenau in der Süddeutschen Zeitung vom 19.02.2013 externer Link. Siehe dazu auch:
    • Amazon nimmt die Vorwürfe bezüglich der Situation im Seepark Ost während der Weihnachtszeit sehr ernst
      „Amazon ist verantwortlich dafür, dass alle Beschäftigten unserer Logistikzentren jederzeit sicher sind und mit Respekt und Würde behandelt werden. Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte bei unseren Zeitarbeitskräften verantwortlich war, zu gewährleisten. Aus diesem Grund beenden wir unsere Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen. Den Einsatz des kritisierten Sicherheitsdienstes hatten wir bereits beendet…Pressemitteilung von Amazon vom 18.02.2013 externer Link
  • Amazon oder die moderne Ausbeutung in Zeiten der Krise
    Amazon war schon früher in Kritik geraten, der Fall zeigt, wie das Hartz-IV-Regime zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen generell beiträgt. Artikel von Peter Nowak auf Telepolis vom 18.02.2013 externer Link. Aus dem Text: „… Die Tatsache, dass im 21. Jahrhundert Menschen aus ganz Europa in engen Unterkünften zusammen gepfercht werden, wird nicht als gesellschaftlicher Skandal wahrgenommen. Solche Visionen haben Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt vor 30 Jahren als negative Vision in ihren Songs dargestellt. Viele der Zuhörer, die durchaus kapitalismuskritisch waren, hätten wohl nicht gedacht, dass diese Horrorvisionen heute übertroffen werden. Hat der Chansonier damals in dem Song „Umdenken Mister“ getextet: „Für eine gute ARBEIT zieht er meilenweit“, könnte man am Beispiel Amazon sagen: Für einen miesen Leiharbeiterjob nimmt er alles in Kauf. Nun ist die Empörung groß und es gibt auch verschiedene Ansätze im Internet eine Veränderung der Situation zu erreichen. Während die Dienstleistungsgewerkschaft verdi eine Petition für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Amazon lancierte, rufen kritische Konsumenten zum Boykott des Versandhandels auf. Solche Aktionen kann der Konzern nicht ignorieren und müht sich nun um Imageverbesserung. Mit einer grundlegenden Änderung der Arbeitssituation bei Amazon ist allerdings nicht zu rechnen, auch wenn nun die Beschäftigten im Logistikzentrum Augsburg erstmals einen Betriebsrat wählen können. (…) Angesichts solcher politischer Vorgaben, die die Überausbeutung möglich macht, ist die rituelle Empörung heuchlerisch, die immer dann laut wird, wenn konkrete Fälle von großen Medien dokumentiert werden. Allerdings kann sie die Betroffenen zumindest ermutigen, nicht alle Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Denn nicht immer ist es möglich, eine mediale Empörung auszulösen, wenn schlechte Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen bekannt werden…“
  • Leiharbeiter-Affäre: Erster Verlag wirft Amazon raus
    „Die Leiharbeiter-Affäre ist für den Versandriesen Amazon noch lange nicht ausgestanden. Stattdessen kommen immer mehr unerfreuliche Details ans Licht – unter anderem in einem Offenen Brief des Verlegers Christopher Schroer an Amazon-Chef Jeff Bezos, in dem er dem Konzern die weitere Zusammenarbeit aufkündigt. Auslöser für Schroers Entscheidung war zwar die ARD-Dokumentation über die schlechte Behandlung von Leiharbeitern durch Amazon. Bei dem Verlagschef hat sich aber auch noch jede Menge anderer Groll gegen den Internethändler aufgestaut…
    Artikel auf t-online vom 18.02.2013 externer Link. Siehe dazu auch

    • Adieu Amazon: Offener Brief an Jeff Bezos
      „(…) Wirtschaftlich trägt sich Ihr Geschäftsmodell für uns nicht. Hat es im übrigens noch nie. Zu überzogen sind Ihre Forderungen, wir fühlen uns nicht als Partner behandelt, sondern als Bittsteller, der bitte, bitte, bitte seine Bücher über Ihre Plattform vertreiben darf und zwar zu Konditionen und Verträgen, die Sie diktieren. Nun aber bringt die aktuelle Berichterstattung das Fass zum Überlaufen: Sie behandeln Menschen wie Ware. Menschen, die in eine Notlage geraten sind, die Arbeit dringend brauchen. Diese Menschen, Ihre Arbeitnehmer, Ihr „Humankapital“ behandeln Sie mit genauso unfairen Praktiken, die Sie schon uns haben angedeihen lassen…“ Der offene Brief von Christopher Schroer vom C. Schoer Literaturverlag vom 15.02.2013 externer Link
  • Umstrittene Leiharbeiter: Wie Amazon an Glanz verliert
    Die Politik erhöht den Druck auf den Onlinehändler Amazon wegen des umstrittenen Einsatzes von Leiharbeitern. Kunden kündigen ihre Nutzerkonten, im Netz häufen sich Beschwerden. Der Konzern wirkt hilflos…“ Dossier von Martin Dowideit und Tobias Jobke vom 18.2.2013 bei golem externer Link
  • Amazon und die Verantwortung der Politik
    Artikel von Ursula Engelen-Kefer vom 19. Februar 2013 bei Wirtschaft und Gesellschaft externer Link.  Aus dem Text: „… Im Fall Amazon wird lautstark nach der Verantwortung der Verbraucher gerufen, die über einen Bestell-Boykott Amazon zur Räson zwingen und somit dem Buchhandel “um die Ecke” das Überleben erleichtern könnten. Aber wo bleibt die Verantwortung der Politik? Diese empörenden Missbräuche mit der Leiharbeit haben nichts mit der immer gerne zitierten Globalisierung zu tun, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Vielmehr sind sie im Zuge der Deregulierung durch die Hartz Gesetze gesetzlich legitimiert worden. Mit der “Schleusenöffnung” bei der Leiharbeit sollte ausdrücklich ein wichtiges Exempel für den Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik geschaffen werden. Es ist daher an der Zeit, diese Schleusen auch gesetzlich wieder zu schließen.
    Die Mini-Reförmchen der schwarz-gelben Koalition nach den Missbräuchen bei Schlecker durch die Verankerung einer Lohnuntergrenze (derzeit: 7,50 Euro im Osten und 8,19 Euro im Westen) sowie die Verhinderung der so genannten Drehtüreffekte – Wiedereinstellung entlassenen Mitarbeit/innen zu erheblich schlechteren Löhnen und sonstigen Bedingungen über Leiharbeit reichen keinesfalls aus. Bleibt nur zu hoffen, dass der “shit storm” über Amazon nicht ebenso ausgeht wie das “Hornberger Schießen” und endlich die gesetzlichen Schleusen für die Leiharbeit wieder geschlossen werden
    .“
  • #Amazon Deutschland: Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Leiharbeiter
    Petition von Heiner Reimann, ver.di – Bezirk Frankfurt am Main und Region bei change.org externer Link.  Aus dem Text: „… Wir fordern von Amazon: 1. Üben Sie Druck auf Ihre Vertragspartner, die Zeitarbeitsfirmen aus. Beenden Sie die prekäre Situation der Beschäftigten. Lassen Sie faire Löhne zahlen, verlangen Sie angemessene Lebensbedingungen, realistische Fahrwege zum Arbeitsplatz und transparente Vertragsgestaltung. 2. Demonstrieren Sie Stärke und Standortverbundenheit! Akzeptieren Sie einen Tarifvertrag für die direkt bei Amazon Beschäftigten. 3. Ergänzung vom 18.2. – Sicherheitsfirmen: Nicht nur Schulungen sondern eine gewissenhafte Vorabprüfung mit wem Amazon Verträge abschließt und bei Nichteinhaltung der Compliance Vereinbarungen sofortige Trennung / Kündigung von den Vertragspartnern/ der Verträge.“
    Wie gesagt: Die Redaktion des LabourNet Germany zweifelt, ob es richtig und sinnvoll ist – nach internationaler Solidarität per Mausklick – nun auch betriebliche/gewerkschaftliche Organisierung der Lohnabhängigen durch Petitionen der Kunden zu ersetzen – wir freuen uns über Zuschriften hierzu!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=27310
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