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Seeleute haben erfolgreich Arbeitsrechte erkämpft – doch die Ausbeutung bleibt

Dossier

Kampagne für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und mehr Umweltschutz im Seeverkehr: FAIR ÜBERS MEER!Die Arbeitsbedingungen im globalen maritimen Transport sind trotz vieler internationaler Verhandlungen und Appelle nicht besser geworden: Seeleute müssen häufig über Monate länger an Bord von Schiffen bleiben, als sie vorher vertraglich festgelegt haben. Die entsprechenden Überstunden werden selten gezahlt. Erst durch die Interventionen der ITF werden ausstehende extra Löhne zurückerstattet. Die globale Summe des Lohnraubs beläuft sich jährlich in der Regel auf zwischen 35 und 45 Millionen US-Dollar. Gleichzeitig hat vor und insbesondere während der Pandemie die Ausbeutung enorm zugenommen. Arbeitstage werden hochgeschraubt, die konstante Übermüdung führt zu teilweise lebensgefährlichen Unfällen. Zwischen 2015 und 2019 sind 527 Seeleute getötet worden, 310 davon auf hoher See. Insgesamt sind 509 Seeleute davon immer noch verschwunden. Weiteres dazu hier im Überblick:

  • Ausbeutung auf hoher See: Seefahrer verliert sein Leben bei Neuseeland & ITF fordert 37,5 Millionen US-Dollar an ausstehenden Löhnen für 2021 erfolgreich zurückNew
    • „Die Maritime Union bezeichnet den Verlust eines Besatzungsmitglieds über Bord eines Massengutfrachters als sehr besorgniserregend. Die unter britischer Flagge fahrende Berge Rishiri verließ Bluff am frühen Morgen des 27. August [2022]. Das chinesische Besatzungsmitglied wurde zuletzt um 8 Uhr am Samstagmorgen gesehen und meldete sich um 16 Uhr nicht mehr zum Dienst. Die neuseeländische Gesundheits- und Sicherheitsbehörde Maritime New Zealand hat mitgeteilt, dass das Besatzungsmitglied vermutlich vor der Küste von Otago über Bord gegangen ist und die Suche eingestellt wurde. Der nationale Sekretär der Maritime Union of New Zealand, Craig Harrison, berichtet, dass diese Art von Vorfällen häufiger vorkommt, als viele Menschen denken. (…) Harrison fordert, dass die neuseeländische Seeschifffahrtsbehörde untersucht, ob die Besatzung ausreichende Ruhepausen eingelegt hat und ob sie nicht verpflichtet war, die Ladung zu sichern, während sie unterwegs war. Er weist darauf hin, dass es bei einigen neuseeländischen Stauereien mit niedrigen Standards gängige Praxis ist, ausländische Seeleute die Ladung während der Fahrt festzurren zu lassen, anstatt dass die Stauer an Land diese Arbeit im Hafen erledigen. Auch die Seedauer, die das Besatzungsmitglied gearbeitet hat, müsse untersucht werden. „Wir möchten wissen, wie lange die Seeleute auf See und im Dienst waren, und wir möchten sichergehen, dass sie nicht länger als vertraglich vereinbart auf dem Schiff geblieben sind, denn wir haben große psychische Probleme bei Seeleuten festgestellt, die im Grunde monatelang und manchmal jahrelang auf Schiffen gefangen gehalten wurden. Harrison zufolge würden die Maritime Union und die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) gerne die Gelegenheit haben, die Besatzung zu treffen und über ihr Wohlergehen zu sprechen sowie darüber, was die Reederei und auch das Unternehmen und die Frachteigentümer für die Besatzung und die Familie des verlorenen Seemanns tun. Er erklärt, dass Vorfälle wie dieser ein Hinweis auf andere mögliche Probleme an Bord von Schiffen sein können…“ Pressemitteilung der Maritime Union of New Zealand vom 28. August 2022 externer Link („Concerns about crew welfare after seafarer lost overboard”).
    • Für das Jahr 2021 mussten die ITF-Schiffsinspektor:innen 37,5 US Dollar an ausstehenden Löhnen einfordern
      „… Die Inspektor:innen sind darauf geschult, nach Ausbeutung, Überarbeitung und sogar nach Anzeichen von Zwangsarbeit und moderner Sklaverei zu suchen. Auf vielen Schiffen haben die Inspektor:innen das Recht, Lohnkonten und Arbeitsverträge zu prüfen und die aufgezeichneten Arbeits- und Ruhezeiten zu kontrollieren. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Besatzung vom Reeder zu einem falschen Satz bezahlt wird oder weniger als der im Arbeitsvertrag für das Schiff festgelegte Satz“, sagt Steve Trowsdale, Koordinator des ITF-Inspektorats. „Die Besatzung kann in der Regel herausfinden, wann sie unterbezahlt wird. Und genau dann wenden sie sich an uns. Die Inspektor:innen der ITF helfen den Seeleuten dabei, das, was ihnen zusteht, einzufordern.“ Insgesamt hat die ITF im Jahr 2021 37.591.331 US-Dollar an unbezahlten Heuern und Ansprüchen von den Reedern zurückgefordert. Trowsdale sagte, dass sich die Zusammensetzung der Lohnforderungen von Seeleuten verändert: „Besorgniserregend ist die steigende Zahl der Seeleute, die berichten, dass ihre Heuern zwei Monate oder länger nicht gezahlt wurden, was der ILO-Definition von Lohnausfall entspricht“ (…) Die ITF meldete der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im vergangenen Jahr 85 Fälle von Seeleuten, die im Stich gelassen wurden, ein historischer Höchststand. In vielen dieser Fälle warteten die verlassenen Besatzungsmitglieder bereits mehrere Wochen oder Monate auf nicht gezahlte Heuern…“ Pressemitteilung der ITF vom 19. August 2022 externer Link („ITF inspectors recover USD$37.6m in unpaid wages for seafarers, despite Covid restrictions”).
  • ITF organisiert Kampagne gegen Sozialdumpung bei der Seefahrt
    In diesem Jahr jährt sich der Beginn der Kampagne der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) gegen Sozialdumping auf hoher See zum 70. Mal. 1948 begann die Kampagne gegen die Praxis des Billigflaggens. Sie soll verhindern, dass Schiffe von den Reedereien in Ländern angemeldet werden, wo es um die Rechte der Beschäftigten schlecht bestellt ist. Ist die Kampagne ein Beispiel für einen erfolgreichen Kampf um globale Rechte? Ein wichtiger Schritt war der zwischen der ITF und dem internationalen Arbeitgeberverband der Schifffahrt (IMEC) geschlossene Tarifvertrag, der im Jahr 2000 in Kraft trat und dem sich rund 12 000 Schiffe angeschlossen haben. (…) Auch die emeritierte Politikwissenschaftlerin Heide Gerstenberger, die zur Seefahrt in Zeiten der Globalisierung geforscht hat, ist skeptisch. Jeder Tarifvertrag sei besser als keiner, betont sie. Doch die Schiffseigner*innen hätten die Krise in der Schifffahrt seit den 1960er Jahren zum völligen Umbau im Sinne der Kapitalstrategien genutzt. Die Kernbelegschaften wurden massiv verkleinert. Klassische Reedereien existieren heute nicht mehr. Die Schiffseigner*innen hätte nichts mit dem Schiffsbetrieb zu tun – für sie sei der maximale Profit die Leitlinie. Die Möglichkeiten der Beschäftigten sich zu wehren, hält Gerstenberger für gering…“ Artikel vom 13.09.2018 von und bei Peter Nowak externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137555
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