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Pflegeberufegesetz: „Nicht mehr als ein Kompromiss“ (ver.di)

Pflegeambulanz„Aus Sicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ist eine Reform der Pflegeausbildung überfällig, allerdings ist das neue Pflegeberufegesetz nicht mehr als ein Kompromiss. „Positiv ist zwar, dass die Notwendigkeit anerkannt wird, die Abschlüsse in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege zunächst beizubehalten. Auch künftig brauchen wir eine hinreichende Spezialisierung, dies muss langfristig gesichert sein. Schließlich macht es einen fachlichen Unterschied, ein Kleinkind oder einen älteren Menschen zu pflegen. Kritisch sehen wir aber die vorgesehene Überprüfung der eigenständigen Berufsabschlüsse“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. (…) Weiterhin offen seien zudem die Inhalte der geplanten Ausbildungsgänge. „Unbefriedigend ist, dass der angekündigte Entwurf der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht vorgelegt wurde…“ ver.di-Pressemitteilung vom 22. Juni 2017 externer Link und eine ausführliche Analyse:

  • Reform der Pflegeausbildung: Nicht Fisch, nicht Fleisch. Von der Dreigliedrigkeit zum 1.+2. (+3.) Generalistik- bzw. (ab 3.) Y-Optionsmodell
    „… Es waren vor allem die privaten Altenheimbetreiber, die massiv gegen die geplante Umstellung der Pflegeausbildung aus allen Rohren geschossen und in der Person des pflegepolitischen Sprechers der Unionsfraktion im Bundestag, Erwin Rüddel (CDU), einen wirkkräftigen Unterstützer gefunden haben, der zudem auch selbst aus der Branche kommt. Monatelang lang der Gesetzentwurf im Bundestag auf Eis. Das Anliegen der Widerständler an dieser Front lässt sich einfach beschrieben: Das Sondersystem eine Altenpflege-Ausbildung sollte beibehalten werden, denn eine allgemeine und generalistische Pflegeausbildung würde bedeuten, dass die Absolventen Wahlfreiheit bekommen zwischen dem Krankenhaussektor und dem Altenpflegebereich. Und wenn man dann weiß, dass die Altenpflegekräfte über 30 Prozent weniger verdienen als die Krankenpflegekräfte in den Krankenhäusern, dann ahnt man, warum die privaten Pflegeheimbetreiber hier gleichsam Amok gelaufen sind – im sicheren Wissen, dass es entweder eine Abstimmung mit den Füßen zuungunsten der Pflegeheime geben würde oder sie aber die Vergütungen der Altenpflegekräfte erheblich anheben müssten. (…) Man muss sich klar machen, zu was das in der Konsequenz führen kann: Die etablierte Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger mit der für sie so typischen spezialisierenden Ausrichtung auf den Krankenhausbereich wird gleichsam abgeschafft und (theoretisch) durch eine echte generalistische Ausbildung ersetzt, die für alle Pflegebereiche qualifizieren soll. Die bisherige Altenpflege-Ausbildung wiederum wird in den ersten beiden Jahren (theoretisch) von einer im Vergleich zum heutigen Stand weitaus ambitionierteren, weil genrealistisch angelegten Ausbildung abgelöst, an der möglicherweise manche scheitern werden (müssen), die bislang die klassische Altenpflege-Ausbildung absolviert haben, um dann im dritten Jahr auf die Altenpflege zurück zu gehen, die zu einem Abschluss führt, der beispielsweise auch deshalb „unterwertig“ ist, weil er anders als der Abschluss in der Gesundheits- und Krankenpflege europarechtlich nicht den gleichen Stellenwert hat und der – wahrscheinlich für die meisten weitaus gewichtiger – auch keine alternativen Berufsfeldperspektiven eröffnet, was ja auch Ziel der intervenierenden Pflegeheimbetreiber war, die ihre Leute „festnageln“ möchten im Feld der Altenpflege. Im Ergebnis kann das möglicherweise dazu führen, dass der Bereich der Altenpflege tatsächlich in einem doppelten Sinne geschwächt wird, zum einengenden möglicherweise die Zugangszahlen in die Pflegeausbildung sinken, da die separate Schiene einer eigenständigen Altenpflege-Ausbildung in den ersten zwei Jahren nicht mehr existiert, zugleich könnten die Auszubildenden, die den gesamtgeneralistischen Weg gehen, angesichts des Attraktivitätsgefälles die Pflegeheime und die ambulante Pflege meiden. Auf der anderen Seite kann aber auch die Gesundheits- und Krankenpflege inhaltlich Schaden nehmen, wenn nämlich am Ende die Anforderungen an die generalistische Ausbildung runtergefahren werden, um möglichst viele mitzunehmen...“ Analyse von und bei Stefan Sell vom 24. Juni 2017 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=117958
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