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Pflegenotstand ohne Lohnerhöhung: „(Wieder mal) Ausländer rein! Also in die Pflege.“

Dossier

Plakat der freiburger Protestaktion Pflege am Boden 2015„… Die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte als ein Lösungsweg aus einem Pflegenotstand verstanden als fehlendes Personal hat – man wird nicht überrascht sein – eine lange Geschichte in unserem Land und reicht weit zurück in eine Zeit, in der Deutschland sich als alles andere verstanden hat als das, was es längst war: ein Einwanderungsland. Die Figur des „Gastarbeiters“ wurde auf viele Bereiche übertragen, so auch auf das Gesundheitswesen. (…) Denn auch Spahn sollte mittlerweile wissen, dass dieser Weg keine wirkliche Lösung des eklatanten Pflegepersonalnotstands darstellt, weil ein realistisch erreichbarer Arbeitskräfteimport nur einen sehr überschaubaren Entlastungseffekt zur Folge haben wird. (…) Übrigens – dass es die Arbeitsbedingungen sind, die einen gewichtigen Einfluss darauf haben, ob es a) genügend Nachwuchskräfte für die Pflege geben wird und b) ob und wie lange die Pflegekräfte im Beruf bleiben, ist nun wahrlich keine neue Erkenntnis…“ Artikel vom 2. April 2018 von und bei Stefan Sell externer Link. Siehe auch unser Dossier: Migrantinnen in der Pflege: “Niemand überwacht die Arbeitsbedingungen” in Privathaushalten und hier zur internationalen An-/Abwerbung:

  • Deutschlands Pflegekräfte: Importiert, ausgebeutet, vergessen New
    „… Erst spät wurde erkannt, dass auch eine Anhebung des Lohnniveaus in der Pflege in Deutschland eine Möglichkeit sein könnte, Pflegekräfte ins Land zu holen. Bald stellte sich jedoch heraus, dass die Lohnerhöhung in der Praxis mit einer Arbeitszeitverkürzung verbunden war.
    Die Zeitarbeitsfirma als Fluchtpunkt für Pflegekräfte
    Die Arbeitsorganisation der Pflege im Krankenhaus scheint nicht sehr arbeitnehmerfreundlich strukturiert zu sein. Viele Pflegekräfte ziehen es inzwischen vor, bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt zu sein, anstatt im Krankenhaus fest angestellt zu sein. Möglicherweise wäre es gerechter, Verfahren aus Ländern wie Indien zu übernehmen, als Mitarbeiter abzuwerben. (…)
    Fremdenfeindlichkeit: Ein wachsendes Hindernis für medizinisches Fachpersonal
    „Während die deutsche Politik im Bereich der medizinischen Versorgung seit Jahrzehnten nach dem Motto Ausländer rein verfährt, wird in der Öffentlichkeit immer häufiger die Forderung Ausländer raus erhoben. Wenn sich jetzt Regionen in Deutschland zu „No-Go-Areas“ für ausländische Arbeitskräfte entwickeln, wird die medizinische Versorgung in Deutschland vergleichsweise schnell zusammenbrechen.“ Beitrag von Christoph Jehle vom 15. Februar 2024 in Telepolis externer Link
  • Zu rassistisch: Philippinische Pflegekräfte wollen nicht nach Deutschland
    Die Philippinen bilden gezielt sehr viele Pflegekräfte aus, die dann im Ausland arbeiten sollen. Doch in die Bundesrepublik wollen nur wenige, ihr Ruf ist inzwischen schwer beschädigt.
    Jason Heinen gerät in letzter Zeit häufiger in Bedrängnis. Zum Beispiel vor gut zwei Wochen, als der Unternehmer eine Infoveranstaltung vor 120 Pflegekräften machte, die es sich grundsätzlich vorstellen konnten, für einen Job nach Deutschland zu ziehen. Nur wollten die Interessierten verblüffend wenig über Arbeitsbedingungen, Vertragsrecht oder die Pünktlichkeit der Gehaltsauszahlung wissen. „70 Prozent der Fragen drehten sich um Rassismusexterner Link, sagt Heinen. „Ich versuche dann natürlich, Deutschland möglichst positiv darzustellen.“ Aber das werde zusehends schwierig. (…) Solche Eindrücke haben offenbar auch fern von Deutschland reale Folgen. Unternehmer Heinen etwa berichtet: „Uns springt jeden Tag eine interessierte Person ab.“ Die Sorge davor, man würde in Deutschland schlecht behandelt, steige rapide. „Den Bedarf, den Krankenhäuser und andere Einrichtungen bei uns melden, können wir decken. Wir rekrutieren umso mehr.“ Aber wie lange lässt sich das noch leisten, wenn der Reputationsschaden, den Deutschland gerade erleidet, weiter wächst? „Wenn es so weitergeht, wird bald niemand mehr nach Deutschland wollen“, glaubt Heinen. (…) Was man auf den Philippinen außerdem über Deutschland hört? Zum Beispiel, dass sich die Landsleute dort oft nicht wohlfühlen. Das berichtet jedenfalls die interkulturelle Beraterin Grace Lugert-Jose, die sich auf die Integration ausländischer Pflegefachkräfte spezialisiert hat. 2023 hat sie eine Befragung unter 224 in Deutschland arbeitenden Filipinos und Filipinas durchgeführt. Ergebnis: „Die Mehrheit der hier arbeitenden philippinischen Pflegefachkräfte würde befreundeten Kolleginnen die Arbeit in Deutschland nicht empfehlen.“ Zwei Drittel haben Diskriminierung oder Rassismus erlebt. „Oft kommen die neu eingereisten Pflegefachkräfte in Teams mit schlechtem Arbeitsklima externer Link, in denen Mobbing bereits an der Tagesordnung ist“, so Lugert-Jose. „Dann werden sie natürlich als die Neuen mit meist zurückhaltendem Auftreten und Unsicherheiten in der deutschen Sprache zum Opfer von Mobbing.“ Der Befund scheint zu einer Umfrage der EU-Agentur für Grundrechte zu passen: In Deutschland gaben darin 65 Prozent der Befragten mit afrikanischen Wurzeln an, Rassismuserfahrungen gemacht zu haben – der zweithöchste Wert hinter Österreich…“ Artikel von Felix Lill vom 15.02.2024 in der FR online externer Link
  • „Wenn sich Deutschland nicht mehr selbst pflegen kann“: Deutscher Pflegerat gegen Rassismus und Rechtsradikalismus
    „… Der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften könnte nach neuen Berechnungen allein durch die zunehmende Alterung bis zum Jahr 2049 auf bis zu 690.000 steigen. Das wäre ein Plus von rund einem Drittel im Vergleich zum Jahr 2019, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mit. Zur Jahrhundertmitte würden dann rund 2,15 Millionen Menschen in der Pflege benötigt. (…) Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte nach Bekanntgabe der Prognose die Pauschalisierung von Pflegekräften. Ihr Vorstand Eugen Brysch sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Alle Pflegeberufe beim zukünftigen Pflegebedarf in einen Topf zu werfen, ist ein Fehler. Schließlich sind die Bedingungen und Anforderungen in Krankenhäusern anders als in Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten.“ Zudem mahnte er Bund und Länder, sie dürften sich keine weiteren Flops bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte leisten. „In zehn Jahren konnten nur 7.700 Neubeschäftigte gezählt werden. Anstatt weiter Millionen von Euros zu verbrennen, haben die Anerkennung und Förderung von Berufsabschlüssen schneller zu erfolgen.“ Aktuell wirbt Deutschland gezielt nach Pflegekräften in Vietnam externer Link und in Lateinamerika externer Link. Wie aus Erhebungen allerdings hervorgeht, erschweren auch Diskriminierung im Job die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland. Wer dennoch nach Deutschland kommt, will das Land aufgrund negativer Erfahrungen im Job wieder verlassen externer Link.
    Mit Blick auf ein geheimes Treffen von Rechtsradikalen, AfD-Politikern und CDU-Mitgliedern in Potsdam, wo über Remigrationspläne beraten wurde, äußerte sich der Deutsche Pflegerat besorgt. Verbandspräsidentin, Christine Vogler, erklärte am Mittwoch in Berlin, direkte Angriffe auf die deutsche Verfassung und die unantastbare Würde des Menschen seien auch ein Angriff auf den Kodex der Pflegenden. Rechtsextreme Überzeugungen seien unvereinbar mit dem Pflegeberuf…“ Meldung vom 24.01.2024 im Migazin externer Link („Pflegekräfte gegen Rassismus“) – siehe dazu:

    • Profession Pflege gegen Rechtsradikalismus.  Einhaltung der Menschenrechte ist Grundpfeiler des Berufsverständnisses der Pflege
      „„Die rechtsradikalen Äußerungen der AfD sind schon längst nicht mehr hinnehmbar. Ihre Provokationen und ihre Polemik zielen darauf ab, unsere Demokratie zu untergraben, unsere Gesellschaft zu spalten und die Grundwerte der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland zu verachten. Der Deutsche Pflegerat und die Profession Pflege sind schockiert darüber, dass solche Aussagen nicht nur hinter verschlossenen Türen, sondern auch in der Öffentlichkeit getätigt werden können, ohne Konsequenzen zu haben“, sagt Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats e.V. (DPR)…“ Pressemitteilung vom 24.01.2024 externer Link
  • Mexiko investiert in die Ausbildung von Pflegefachkräften und deutsches Kapital profitiert davon – auch »Exodus philippinischer Pflegekräfte«
    • [Mexiko] Ungleich verteilte Gewinne – Anwerbeabkommen gegen Pflegenotstand
      „Gerardo Aguirre war voller Vorfreude, als er im März 2020 ins Flugzeug stieg, um am Universitätsklinikum Bonn als Krankenpfleger zu arbeiten. Er gehörte zu den ersten Pflegekräften, die durch ein Anwerbeabkommen mit Mexiko nach Deutschland gekommen waren. Aber seine Freude hielt nicht lange. Bürokratie, Rassismus und der Stress auf der Station ließen seine Illusion platzen, ein Jahr später kehrte er zurück nach Chihuahua. Obwohl er dort eine gute Stelle hat, sucht er gerade wieder nach Jobangeboten in Deutschland. (…) Der Empfang am Flughafen sei nett gewesen, erinnert er sich. Der Schock kam am ersten Arbeitstag auf der Frühgeborenenstation. Sein Stationsleiter hatte ihm einen Mitarbeiter zugewiesen, der ihm alles erklären sollte, aber der sei so gestresst gewesen, dass Gerardo ihn nie zu Gesicht bekommen habe. Er nahm es seinem Kollegen nicht übel, denn das Problem liegt in den Strukturen: „Es ist nicht so, als wollten die Leute dir nicht helfen. Es ist einfach nicht möglich, weil die Arbeitsbelastung so hoch ist, dass sie alles andere ignorieren.“ Der nächste Schreck folgte, als sein Stationsleiter ihm den Dienstplan aushändigte: „Fünf Tage Frühdienst, ein Tag frei, acht Tage Nachtdienst, ein Tag frei, und dann Spätdienst. Das stand so nicht in meinem Vertrag, aber mein Chef meinte, es gebe einfach kein Personal, alle müssten Überstunden machen.“ Gerardo war das nicht gewöhnt, in Mexiko hatte er immer feste Arbeitszeiten gehabt. Irgendwann, erzählt er, hielt er es nicht mehr aus, jeden Tag seine Kolleg*innen weinen zu sehen. „Selbst an meinem schlimmsten Tag in Mexiko war ich nicht so erschöpft und wütend wie jeden einzelnen Tag in Deutschland“, meint Gerardo auf die Frage nach der Arbeitsbelastung. (…) Oft heißt es, das Schwierigste für die angeworbenen Pflegekräfte sei die deutsche Sprache. Um Sprachbarrieren zu überwinden, bräuchte es Zeit und gute Betreuung. Das aber ist unmöglich, wenn die Stationen wegen des Pflegekräftemangels immer wieder die Personaluntergrenzen reißen. Gerardo war außerdem frustriert von der langsamen Bürokratie und davon, auf Ämtern, wo er seine Berufsanerkennung erledigen musste, angeschrien zu werden. Diese Erfahrungen sind kein Einzelfall, erklärt Higinio Fernández Sánchez, der an der Universität von Alberta zu Migration von Gesundheitspersonal promoviert hat. Trotzdem sei Deutschland gerade ein Modeland für Pflegekräfte. (…) Dabei gibt es in Mexiko auch viele Pflegekräfte, die im Traum nicht ans Auswandern denken würden. Das ganze Team auf der Intensivstation vom öffentlichen Krankenhaus in Chihuahua zum Beispiel. Hier muss sich eine Pflegekraft um zwei Patient*innen kümmern, ein Betreuungsschlüssel, von dem Pflegekräfte in Deutschland oft nur träumen können. Alle haben feste Arbeitszeiten, Überstunden gebe es selten, und die Stimmung im Team sei gut, erzählen sie. Das Problem: Diese festen Stellen sind rar. Gerade für studierte Pflegekräfte sei es schwierig, eine der heiß begehrten Stellen zu ergattern, denn Krankenhäuser stellten häufig eher Leute mit Berufsausbildung als mit Studium ein – eine große Kostenersparnis, erklärt Higinio Fernández Sánchez. In den letzten Jahren wurden sozialversicherungspflichtige Anstellungsverhältnisse zunehmend durch prekäre Vertretungsverträge ersetzt – jederzeit kündbar und ohne Rentenansprüche. Mit der Zahlungskrise der 1980er-Jahre begann in Mexiko eine Neoliberalisierung im Gesundheitssystem, die noch brutaler als in Deutschland war. (…) So sind die Anwerbeprogramme heute vor allem für diejenigen attraktiv, die trotz – oder wegen – ihrer guten Ausbildung in Mexiko keine Stelle finden. Stimmt also die Erzählung vom triple win, mit der Deutschland seine Anwerbeprogramme bewirbt? Demnach sei die Anwerbung ein dreifacher Gewinn: für Deutschland, das Pflegekräfte gewinne, für das Partnerland, das seine überschüssigen Fachkräfte loswerde und damit seinen Arbeitsmarkt entlaste, und für die Pflegekräfte selbst, auf die ein höheres Einkommen und wertvolle Erfahrungen warten. Higinio Fernández Sánchez gibt zu bedenken, wie ungleich die Gewinne jedoch verteilt sind: „Mexiko investiert in die Ausbildung von Pflegefachkräften, und Deutschland profitiert davon, weil es selbst nicht in die Ausbildung investieren muss.“ Letztlich schöpfe Deutschland also den Profit ab, für den mexikanische Steuerzahler*innen den Grundstein gelegt haben. Um etwas mehr Gleichgewicht herzustellen, schließt sich Higinio Fernández Sánchez der Forderung des Weltbunds der Krankenpflegekräfte an: Reichere Länder sollten in Ländern, aus denen sie Personal anwerben, die Ausbildung von Pflegekräften und die Gesundheitssysteme finanziell unterstützen…“ Beitrag von Mirjana Jandik beim Nachrichtenpool Lateinamerika am 26. Dezember 2023 externer Link
    • Deutschland holt sich Pflegekräfte von den Philippinen – wie verkraftet man dort den Exodus?
      Um den Notstand abzufedern, rekrutiert Deutschland philippinische Pflegekräfte. Die Folge: In ihrer Heimat fehlen sie. Wir haben eine Familie in Manila besucht, deren Mutter in Oldenburg arbeitet. (…) Seit Jahrzehnten füllen die Philippinen diesen Notstand, sie sind eines der Haupt-Exportländer für Krankenschwestern weltweit; es gibt ein weitreichendes System privater Recruitment Agencies, die oft schon in den Ausbildungsstätten die jungen Frauen und Männer abwerben, dazu bilaterale politische Abkommen, die Fachkräften den Weg ins Ausland erleichtern sollen. Seit dem Jahr 2013 etwa werden im Rahmen des deutschen »Triple Win«-Programms Pflegerinnen und Pfleger unter anderem aus den Philippinen nach Deutschland geholt. Aktuell leben laut dem philippinischen Migrationsministerium 12.600 philippinische Arbeitsmigranten in Deutschland, die meisten mit einem Job in der Pflege. (…) Doch wenn man die Pflegelücke an einem Ort der Welt stopft, kann das bedeuten, dass man woanders eine neue Lücke reißt. Zu Hause, in den Krankenstationen und Arztpraxen in Asien, und bei den Kindern und den Ehemännern, die zurückbleiben. Im Jahr 2021 arbeiteten laut dem philippinischen Gesundheitsministerium mehr als die Hälfte der Pflegerinnen im Ausland. Heimische Krankenhäuser, hieß es, müssten deshalb ihre Betten reduzieren, man sei nicht mehr in der Lage, das vorgeschriebene Verhältnis zwischen Pflegekräften und Patienten einzuhalten. Von einem »Exodus philippinischer Pflegekräfte« ist die Rede. Wie groß also kann der Gewinn für die Philippinen wirklich ausfallen, wenn das Land sein Fachpersonal exportiert? Wie fair kann so ein Austausch sein? Im Batangas Medical Center, dem größten öffentlichen Krankenhaus der Region, zweieinhalb Autostunden südlich der Hauptstadt Manila, ist Mark John Thomas D. Buquiz der Pflegedirektor. (…) Buquiz sagt: »Ich habe Hunderte Kollegen kündigen sehen, vor allem die gut ausgebildeten.« Er sagt auch: »Ich bin derjenige, der jeden Tag die Krankschreibungen der Pflegerinnen und Pfleger hier unterzeichnen muss. Jeden Morgen ein dicker Stapel. Alle sind am Limit.«…“ Reportage von Maria Stöhr und Bernice Beltran (Fotos) vom 26.12.2023 im Spiegel online externer Link
  • [Mexiko] Anwerbeabkommen gegen Pflegenotstand – Ist das der German Dream? 
    Gerardo Aguirre war voller Vorfreude, als er im März 2020 ins Flugzeug stieg, um am Universitätsklinikum Bonn als Krankenpfleger zu arbeiten. Er gehörte zu den ersten Pflegekräften, die durch ein Anwerbeabkommen mit Mexiko nach Deutschland gekommen waren. Aber seine Freude hielt nicht lange. Bürokratie, Rassismus und der Stress auf der Station ließen seine Illusion platzen, ein Jahr später kehrte er zurück nach Chihuahua. Obwohl er dort eine gute Stelle hat, sucht er gerade wieder nach Jobangeboten in Deutschland.Den im Beitrag erwähnten mexikanischen Pfleger Herbert Victoriano findet ihr auf dem Instagram-Kanal enfermero.en.alemania externer Link…“ Audio des Beitrags von Mirjana Jandik vom 12. Dezember 2023 beim Nachrichtenpool Lateinamerika externer Link Audio Datei
  • Pflegekräfteanwerbung soll ethischer werden – außer für die Bundesagentur für Arbeit 
    Die Einwanderung von Ärztinnen und Ärzten, aber auch von ausgebildeten Pflegekräften ist in den reichen Industrieländern durchaus erwünscht. Dabei gibt es etwa von der Weltgesundheitsorganisation klare Vorgaben dazu, aus welchen Ländern eben keine Gesundheitsfachkräfte abgeworben werden sollten. Eine entsprechende Liste umfasst aktuell 55 Länder mit besonders wenigen dieser Fachkräfte bezogen auf die Gesamtbevölkerung. Nun will das Bundesministerium für Arbeit die Beschäftigungsverordnung ändern, welche die Anwerbung von Gesundheitspersonal regelt. Laut einem Referentenentwurf würde dies privaten Akteuren in den 55 Ländern untersagt, die Bundesagentur für Arbeit soll hingegen durchaus diese Möglichkeit erhalten. Das wird von Hilfsorganisationen zu Recht als inkonsequent kritisiert. Die Gewinnung von Fachkräften, so dringend diese in Deutschland benötigt werden, darf nicht auf dem Rücken der Menschen stattfinden, für deren Gesundheit im Vergleich zu Deutschland schon jetzt nur ein Minimum an Ressourcen da ist. Dieser Grundsatz darf mit keiner Sondererlaubnis unterlaufen werden.“ Kommentar von Ulrike Henning vom 19.11.2023 in ND online externer Link („Abwerben von Fachkräften: Gleiche Regeln für alle“), siehe auch:

    • Nigeria: Abwerbung von Ärzten und Pflegekräften untergräbt Gesundheitssystem
      Eine Krankenschwester in Nigerias Hauptstadt Abu­ja berichtet, dass sie in der Nachtschicht jetzt zu zweit die Arbeit machen müssen, für die früher sechs ausgebildete Pflegekräfte zur Verfügung standen. Ein Grund ist die Abwerbung von Ärzten und Pflegekräften durch imperialistische Länder. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte erstmals 2020 eine Liste von Ländern, aus denen Gesundheitsfachkräfte wegen starker Unterversorgung nicht aktiv rekrutiert werden sollen. Nigeria ist eines von 37 afrikanischen Ländern auf dieser Liste. Der Appell der WHO stoppt den Brain Drain nicht. Brain Drain ist eine perfide Ausplünderungsmethode von Entwicklungsländern durch Imperialisten. Man klaut ihnen nicht nur Rohstoffe und Ackerland, sondern die ausgebildeten Fachkräfte. Deutschland unterhält in Nigeria drei Migrationsberatungszentren, die jetzt schwerpunktmäßig Abwerbung von Fachkräften aus dem Gesundheitswesen betreiben. Andere Migranten aus Nigeria werden rigoros abgeschoben. Dieses Vorgehen bezeichnet das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) in widerlicher Heuchelei als „Partnerschaft für Arbeits- und Ausbildungsmigration“.“ Kurzmeldung vom 21.11.2023 in den Rote-Fahne-News externer Link (leider ohne Quellen)
  • Wollen wieder zurück: Philippinische Pflegekräfte fühlen sich im Job häufig diskriminiert 
    Händeringend wirbt Deutschland Pflegekräfte aus dem Ausland an. Sind sie in Deutschland, erleben sie bei der Arbeit Rassismus, wie aus einer Umfrage hervorgeht. Jede Zweite will Deutschland wieder verlassen
    Philippinische Pflegekräfte erleben an ihrem Arbeitsplatz in Deutschland Ausgrenzung und Diskriminierung. Nach einem am Donnerstag online veröffentlichten Bericht des „Spiegels“ erklärten 60 Prozent der Pflegerinnen und Pfleger in einer nicht repräsentativen Befragung, sie hätten bei der Arbeit Rassismus erlebt. Fast jede und jeder Zweite gab an, Deutschland in den nächsten fünf Jahren wieder verlassen zu wollen. Die Schilderungen stammen aus einer Umfrage der interkulturellen Beraterin Grace Lugert-Jose aus Hamburg, für die 224 Pflegekräfte im vorigen Jahr einen Online-Fragebogen ausfüllten. Das Stimmungsbild zeigt dem Bericht zufolge, dass die Arbeitgeber zwar hochzufrieden sind mit ihren philippinischen Arbeitskräften, diese aber häufig negative Erfahrungen in ihrem Arbeitsalltag machen. Das reiche von Beschimpfungen wie „Schlitzauge“ über Ablehnungen durch Patienten und den Ausschluss aus WhatsApp-Gruppen der deutschen Kollegen bis dahin, dass sie stets als Erste beschuldigt würden, wenn etwas nicht in Ordnung ist…“ Beitrag vom 21.09.2023 im Migazin externer Link
  • Internationale Sorgekette im Pflegesystem: Sorge als Ressource – am Beispiel Indien
    Seit mittlerweile 60 Jahren wirbt die Bundesrepublik Pflegekräfte aus Indien an. Glaubt man dem deutschen Staat, sei das ein guter Deal für Alle Triple Win, zu deutsch »dreifacher Gewinn«: Das ist der Name eines Programms, mit dem die Bundesagentur für Arbeit und die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) seit 2013 Pflegekräfte in Ländern des Globalen Südens anwerben. Denn der Pflegenotstand in deutschen Krankenhäusern und Seniorenheimen hat längst dramatische Ausmaße erreicht. Wenn »drei gewinnen« – das Herkunftsland, Deutschland und die einzelne Pflegekraft – klingt das gut und nach einer Gleichverteilung. Aber sieht so die Realität aus? (…) Seit Ende 2021 besteht im Rahmen des Triple-Win-Programms ein Anwerbeabkommen mit Kerala, dem Bundesstaat mit der höchsten Migrationsrate Indiens. In den Jahren zuvor war trotz Fachkräftemangels im deutschen Gesundheitswesen offiziell nicht in Indien angeworben worden, weil die Weltgesundheitsorganisation WHO 2010 einen Verhaltenskodex für Rekrutierung veröffentlicht hatte: ein Appell an wohlhabende Länder, nicht aus Ländern zu rekrutieren, die selbst unter einem akuten Pflegenotstand litten. Seit diese Liste 2021 revidiert wurde und Indien trotz eigener Unterversorgung von ihr gestrichen wurde, wird in Kerala wieder angeworben. Keralesische Zeitungen berichteten umgehend, dass der deutsche Staat nach der Covid-Pandemie 10 000 Pflegekräfte rekrutiere. Bedingung für die Einwanderung nach Deutschland sind eine abgeschlossene Ausbildung, zwei Jahre Berufserfahrung und Sprachkenntnisse.
    Tatsächlich produziert Kerala, wo immer mehr Colleges für Pflegeausbildung entstehen, einen Überschuss an Pflegekräften gemessen am Bedarf des Bundesstaates. Schaut man sich aber ganz Indien an, dann fehlen etwa zwei Millionen Pflegekräfte. Das zeigt sich in dem Pflege-Patient*innen-Verhältnis von 1,7 zu 1000 Einwohner*innen, während die WHO als Norm für den Globalen Süden 3 zu 1000 setzt. Zur Gesundheitsversorgung besteht also letztlich ein dringender Bedarf auf beiden Seiten, in Indien und in Deutschland. (…)
    Die privaten Krankenhäuser sind bekannt dafür, dass sie Dumpinglöhne zahlen und Knebelverträge mit jungen Collegeabsolvent*innen abschließen, die Nachweise für zwei Jahre Praxiserfahrung vorweisen müssen, bevor sie auswandern können. In Kerala gehört die Migration von Gesundheitsfachkräften seit Jahrzehnten zur individuellen und staatlichen Entwicklungsstrategie. Der Bundesstaat sorgt für ein hohes Bildungsniveau und kassiert dafür die Devisen der Rücküberweisungen. Junge Leute wählen eine Ausbildung im Gesundheitswesen wegen guter Perspektiven im Ausland, vor allem in den Golfstaaten. Bevorzugte Ziele sind allerdings die englischsprachigen Länder USA, Kanada und England, Deutschland rangiert aufgrund der Sprache weit hinten. Im Unterschied zu den 1960/70er Jahren, als es noch keine gute Pflegeausbildung in Indien gab, hat sich die Zahl privater Colleges für Krankenpflege vervielfältigt. (…)
    Neun weibliche und eine männliche Pflegekraft der jungen Generation indischer Pflegekräfte schilderten jüngst in Interviews ihre Situation. Ammu, Gini, Mary und andere, die in den vergangenen zehn Jahren auf individuellen und informellen Wegen einwanderten, arbeiten jetzt in Krankenhäusern in verschiedenen deutschen Städten. Sie haben bisher keine Möglichkeiten, ihre Erfahrungen und Erwartungen öffentlich zu machen. Auch sie kommen meist aus Kerala – allerdings unter völlig anderen Umständen als die Pionierinnen der 1960/70er-Generation und mit einem neuen Selbstbewusstsein. (…)
    Was in den 1960er Jahren in Kerala sensationell war, dass nämlich 16-Jährige aus den Dörfern abwanderten und dadurch zum Teil die Ernährerrolle des Vaters übernahmen, gehört inzwischen zur normalisierten Migrationskultur. Die erste Generation der nach Deutschland eingewanderten Pflegekräfte stammte aus großen Familien mit bis zu zehn Geschwistern und aus armen bäuerlichen Verhältnissen. Die aktuelle Generation hingegen kommt eher aus Mittelschichtsfamilien mit zwei oder drei Kindern; die jungen Leute entscheiden sich mit Unterstützung der Eltern dafür, zumindest für einige Jahre im Ausland zu arbeiten, während die erste Generation ihren Vätern die Zustimmung meist noch mühsam abringen musste. Die neue Generation absolvierte ihre Pflegeausbildung an teuren privaten Colleges und verfügt über zumeist mehrjährige Arbeitserfahrungen in indischen Krankenhäusern. Deutsch lernten die Pflegekräfte bis zum Niveau B2 an einem Goethe-Institut in Kerala, die schwierige Vorbedingung, eine Beschäftigungsoption an einem deutschen Krankenhaus mit dem Visumsantrag vorzuweisen, wurde mithilfe einer »Tante«, eines Priesters oder einer Agentur in Kerala oder Deutschland erfüllt. Ihnen gelingt es durch den in Deutschland erhaltenen Lohn, Schulden zu begleichen und für eine Mitgift zu sparen. (…)
    Nach der Ankunft im deutschen Zielkrankenhaus werden die Pflegekräfte aus Indien zunächst als Pflegeassistent*innen mit circa 800 Euro geringerer Bezahlung eingestuft – auch dies eine Form der Integration bei gleichzeitiger Abwertung. »Sie zögern Anerkennung heraus, um Leute nicht bezahlen zu müssen«, meint der Pfleger Santosh. Nach gerade einmal sechs Monaten muss eine »Anpassungsprüfung« in einem speziellen medizinischen Bereich abgelegt werden, beispielsweise in der Geriatrie. Nicht bestandene Prüfungen können nach einigen Monaten wiederholt werden, erst danach erfolgt die Beschäftigung als »examinierte« Krankenpflegekraft entsprechend Tariflohn. Beide Verfahren zur formalen Anerkennung im Krankenhaus und durch die Behörden kommen einem Initiationsritus für migrantische Fachkräfte gleich, der als unfair und schikanös wahrgenommen wird. Adi, Krankenpfleger in Berlin, meint dazu: »Wenn Deutschland attraktiv für migrantische Gesundheitsarbeiter*innen sein will, muss sich vieles ändern.«…“ Artikel von Christa Wichterich vom 18.08.2023 in ND online externer Link mit interessanten geschichtlichen Ausführungen und Einblicken in des indische Gesundheitswesen, doch nicht nur deshalb in Gänze sehr empfehlenswert

  • Traum und Wirklichkeit: Ausländische Pflegekräfte stehen vor großen Herausforderungen 
    Es klingt wie eine schnelle Lösung des Fachkräftemangels in der Pflege. Deutschland wirbt vermehrt Pflegekräfte aus dem Ausland an. Doch Erfahrungen zeigen: Ganz so einfach ist es oft nicht.
    Micheli di Farias Felipe steht am Fenster ihrer kleinen Wohnung in einer Plattenbausiedlung in Hannover und blickt in die Ferne. Neben ihr erinnert eine Fahne an ihr Heimatland Brasilien. Vor mehr als zwei Jahren kam die 41-jährige Pflegekraft nach Deutschland und ließ ihre drei Töchter, ihre Mutter und die behinderte Schwester zurück. Vom Traum einer gesicherten Zukunft mit gutem Gehalt ist nicht viel geblieben. „Ich würde keiner meiner Freundinnen mehr dazu raten, hierherzukommen“, sagt sie und atmet lang und schwer aus. (…) Der Koblenzer Arbeitsforscher Christian Lebrenz kennt ähnliche Fälle wie den der Brasilianerin. Sowohl bei der Integration in den neuen Arbeitsplatz als auch bei der Hilfe bei Behördengängen oder der Wohnungssuche gebe es Defizite, sagt er. „Da steht jemand unangekündigt auf der Matte und spricht kaum Deutsch. So jemanden soll man bei allem Zeitdruck jetzt auch noch einarbeiten.“ Fast zehn Prozent (96.000) der in Deutschland arbeitenden Pflegekräfte kommen laut Statistischem Bundesamt aus dem Ausland, Tendenz steigend. Und Deutschland sucht weiterhin nach ausländischen Fachkräften. (…) Für Pflegekräfte fehle in Deutschland der menschliche Blick.“ Beitrag von Charlotte Morgenthal vom 20.07.2023 im Migazin externer Link
  • Gemeinsames Positionspapier von vdää und CEBES Brasilien zu/gegen Anwerbung von brasilianischem Gesundheitspersonal in Deutschland 
    „Bundesarbeitsminister Hubertus Heil reiste kürzlich durch Südamerika, um Pflegekräfte für das deutsche Gesundheitssystem in Brasilien anzuwerben. (…) Angesichts der hohen Belastung des deutschen Gesundheitssystems wird die internationale Anwerbung von Fachkräften derzeit unhinterfragt als Lösung für eine durch hausgemachte neoliberale Politik in Deutschland verursachte Krise dargestellt. Dabei wird nicht berücksichtigt, warum überhaupt so viele Gesundheitsfachkräfte deutscher Krankenhäuser ihren Beruf aufgegeben haben. Die sich verschärfende Personalkrise im deutschen Gesundheitswesen steht in engem Zusammenhang mit strukturellen Problemen, die seit vielen Jahren bestehen. Ökonomisierung und Privatisierung haben in den letzten 30 Jahren zu einer nahezu unbezwingbaren Arbeitsbelastung geführt, die viele Beschäftigte im Gesundheitswesen aus dem Beruf getrieben hat. Es braucht echte Lösungen, um die Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern und sie in die Lage zu versetzen, sich nachhaltig um ihre Patient*innen zu kümmern. Die Vorstellung, neue Arbeitsmigrant*innen seien dankbar dafür, unter den derzeitigen schlechten Bedingungen in Deutschland zu arbeiten, zeugt von neokolonialer Arroganz. Freiwillige Arbeitsmigration sollte nicht durch restriktive Einwanderungsgesetze blockiert werden und alle neuen Kolleg*innen sind uns willkommen. Ihre Anwerbung kann aber nicht die Lösung für die strukturellen Probleme im deutschen Gesundheitssystem sein. In erster Linie brauchen alle Fachkräfte im deutschen Gesundheitswesen gute Arbeitsbedingungen – unabhängig davon, ob sie im Ausland angeworben oder im Land ausgebildet wurden. (…) Die Anwerbung nach Deutschland wird von einer wachsenden Zahl privater Vermittlungsagenturen betrieben, die mit den großen Hoffnungen der ausländischen Fachkräfte im Gesundheitswesen Profit machen. Leider ist die Realität der Anwerbung und Arbeit in Deutschland oft weit von dem entfernt, was diese Agenturen versprechen (…) Die Behauptung, in Brasilien gebe es einen Überschuss an Krankenpflegekräften, der vom Arbeitsmarkt nicht absorbiert wird, ist falsch. In Brasilien kommen nur 0,88 registrierte Pflegekräfte auf einen Arzt (in den OECD-Ländern liegt der Durchschnitt bei 2,7 Pflegekräften pro Arzt), wobei die Verteilung der Pflegekräfte auf die Regionen des Landes sehr ungleich ist. In Deutschland kommen nach Angaben der OECD 12,8 Pflegekräfte auf tausend Einwohner*innen (…). In Brasilien kommen nur 3,3 diplomierte Krankenpflegekräfte auf tausend Einwohner (…) Indem Deutschland Gesundheitspersonal in Brasilien anwirbt, profitiert es von den schlechten Arbeitsbedingungen und der Unterfinanzierung des SUS. Ein weiterer Aspekt, der zeigt, dass die Vorteile nicht auf Gegenseitigkeit beruhen, sind die Einsparungen bei den Ausbildungskosten für Pflegekräfte für den deutschen Staat. Diese Kosten für die 17-jährige Ausbildung einer Krankenpflegekraft (von der Grundschule bis zum Diplom) werden von der brasilianischen Bevölkerung getragen. In Anbetracht all dessen ist es mehr als fraglich, ob die internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften von Brasilien nach Deutschland für Alle von Vorteil ist. Wir müssen dieses Narrativ hinterfragen und für starke Gesundheitssysteme kämpfen, die gute Arbeitsbedingungen für Gesundheitsfachkräfte bieten – in beiden Ländern und überall auf der Welt.“ Aus dem Gemeinsamen Positionspapier von vdää Deutschland und CEBES Brasilien vom 7. Juli 2023 externer Link auch auf Portugiesisch und Englisch vorhanden beim Verein demokratischer Ärzt*innen, siehe die letzte Reise als Anlass hier unten:
  • [„Du arbeitest als billige Arbeitskraft. Und so sehen sie dich auch.“] Fachkräfte aus Südamerika? Was brasilianische Pflegekräfte an Deutschland stört 
    Arbeitsminister Heil und Außenministerin Baerbock wollen in Brasilien Fachkräfte anwerben. Man wolle dabei sehr „sensibel“ vorgehen und nicht zu viele Pflegekräfte abwerben. Die Gefahr ist eher eine andere: dass kaum einer nach Deutschland will. (…) Die höheren Löhne sind das Hauptargument dafür, auszuwandern. In Brasilien verdienen Pflegekräfte im Schnitt 600 Euro. In Deutschland etwa viermal so viel. (…) Warum kommen so wenige brasilianische Pflegekräfte? Das können die erzählen, die es bereits versucht haben. Carol Pirath ist Krankenpflegerin aus Rio de Janeiro. Sie hat für sechs Monate in einem Krankenhaus in Süddeutschland gearbeitet. Dann kehrte sie ernüchtert zurück nach Brasilien. „Du arbeitest als billige Arbeitskraft. Und so sehen sie dich auch.“ Eigentlich sollte Carols Abschluss zügig anerkannt werden. Doch das dauerte länger. Und sie verdiente monatelang nur den Lohn einer Hilfskraft. „Eine Zweizimmerwohnung für mich und meinen Mann kostet etwa 1000 Euro. Und solange mein Abschluss nicht anerkannt wurde, habe ich 1400 Euro verdient. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Mit 400 Euro kann man in Deutschland nicht leben.“ Den höheren Löhnen stehen also auch höhere Kosten entgegen. Das erste halbe Jahr ist deshalb für viele ernüchternd. Carol war geschockt, wie hart die Arbeit für Pflegekräfte in Deutschland ist. „Ich habe manchmal sechs Nachtschichten nacheinander gearbeitet, ohne richtige Pausen. Wir waren zu zweit und für 34 Patienten zuständig. In Brasilien konnte ich mich nach der Arbeit noch mit Freunden treffen. In Deutschland nicht. Da kam ich von der Schicht und wollte nur noch schlafen.“ Carols deutsche Kolleginnen im Krankenhaus hätten sich oft krankgemeldet. „Ich sehe das inzwischen als Notwehr, weil die Arbeit so stressig ist.“ Aber ausländische Pflegekräfte trauten sich das nicht. „Die arbeiten doppelt so hart, aus Angst, ihren Job zu verlieren.“ Dazu kommt ein anderer Umgang der Pflegekräfte untereinander. „Du arbeitest wie ein Hund und niemand interessiert sich dafür, wie es dir geht“, berichtet Carol. „In Brasilien haben sich die Kollegen umeinander gekümmert. In Deutschland nicht. Da ist die Grundhaltung eine andere.“
    Und es gibt noch ein weiteres Problem: Brasilianische Pflegekräfte sind oft höher qualifiziert als deutsche. (…) Gleichzeitig wird die Pflege in Deutschland immer stressiger. „Das ist einer der springenden Punkte, wenn es um Anwerbung geht“, betont Migrationsforscherin Peppler von der Charité: „Die neuen Pflegekräfte, die nach Deutschland kommen, müssen eingearbeitet werden. Durch die unglaublich hohe Arbeitsbelastung hier ist das aber kaum möglich. Dann können sie nicht zufriedenstellend für sich und das Team arbeiten.“…“ Beitrag von Carsten Wolf, Rio de Janeiro, vom 06.06.2023 bei ntv externer Link
  • [„Pflegeimperialismus“] Das Anwerben von ausländischem Pflegepersonal ist eine Schande. 
    „… Statt sich mit einer grundsätzlichen Reform und Neuorientierung des Pflegeberufes zu befassen, bleibt das Problem seit Jahrzehnten ungelöst. Daher reist man in arme Länder, macht Werbung für die großartigen Arbeitsbedingungen in Deutschland und beraubt diese Länder ihrer qualifizierten Pflegekräfte. Das ist ein alter Hut, keine neue Idee.
    Schon als ich vor über vierzig Jahren als Chirurg im Krankenhaus Höchst gearbeitet habe, kamen als Ergebnis großangelegter Anwerbekampagnen etwa ein Viertel der OP-Schwestern und -Pfleger aus Indonesien. Inzwischen sind sechzehn Gesundheitsminister:innen an mir vorbeigezogen, aber niemand hat sich an die Ursachen gewagt. Im Gegenteil. Inzwischen sind etwa die Hälfte der damals noch 4000 Krankenhäuser geschlossen worden, mehr als 50 000 Stellen im Pflegebereich gestrichen, die Anzahl der stationären Behandlungsfälle stieg um ein Viertel an, und diese Mehrarbeit mit immer weniger Personal führte zu unerträglichem Arbeitsdruck. So sind im Laufe der Zeit etwa 300 000 ausgebildete Pflegekräfte aus ihrem Beruf geflohen.
    Unter Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) flog dessen Staatssekretärin Sabine Weiss zwecks „Anwerbung ausländischer Pflegekräfte“ auf die Philippinen. Auch Spahn selbst war sich nicht zu schade, in Mexiko und dem Kosovo höchstpersönlich Abkommen über die Anwerbung von Pflegekräften abzuschließen. Das nenne ich Pflegeimperialismus. Die Bundesagentur für Arbeit nennt dieses Programm aber ungeniert „Triple Win“ und ist damit unter anderem in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Indien, Philippinen, Tunesien, Mexiko und Brasilien unterwegs: Das Herkunftsland gibt arbeitslose Kräfte ab, Deutschland besetzt freie Stellen, die Betroffenen lernen Deutsch und verdienen hiesige Löhne.
    Man könnte das Ganze aber auch als „Triple-Lose“ bezeichnen: Das Herkunftsland verliert seine gut ausgebildeten jungen Menschen, in Deutschland erfüllen sie die Funktion von Lohndrückern, und die Betroffenen erhalten häufig skandalöse Arbeitsverträge, ja sie müssen sogar nicht selten „Anwerbekosten“ von mehreren tausend Euro bezahlen, falls sie – desillusioniert – kündigen wollen, um in ihre Heimat zurückzukehren. (…)
    Längst hätte es eine nationale Ausbildungsinitiative geben müssen, hätten Krankenhäuser und Pflegeheime mit ausreichenden finanziellen Mitteln zur Einrichtung von Schulen für Pflegekräfte ausgestattet werden müssen. Längst hätte man mit dem Ausbau der universitären Pflegestudiengänge die Attraktivität und Akzeptanz dieses Berufes erhöhen können. Längst hätten Karrierechancen in der Pflege geschaffen werden müssen, endlich verbunden mit einer angemessenen Bezahlung sowie lebens- und familienfreundlichen Arbeitszeiten.
    Am wichtigsten aber wäre es, endlich die Privatisierung zu stoppen, auf allen Ebenen, in den Krankenhäusern, in der ambulanten Medizin der „Versorgungszentren“ und in den Pflegeheimen. Für die Arbeitshetze in der Pflege und im ärztlichen Bereich ist in erster Linie der Zwang zur Profitmaximierung, zu möglichst hohen Renditen für Aktionärinnen und Aktionäre verantwortlich. Pflege, Fürsorge und gute Medizin ist unter diesen Bedingungen nicht möglich…“ Kolumne von Bernd Hontschik vom 26.05.2023 in der FR online externer Link („Vom Pflegenotstand nichts Neues“)
  • [Nun ist Brasilien dran, denn bleiben – aus Gründen – wollen sie alle nicht] Ampel will ausländische Pflegekräfte anwerben 
    Die Ampel-Regierung will mehr Pflegekräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen. Man werde „gemeinsam mit der Wirtschaft eine Anwerbe-Strategie in Ländern umsetzen, in denen es mehr junge und gut ausgebildete Menschen gibt, als der dortige Arbeitsmarkt aufnehmen kann“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Heil: „Wir profitieren, die Herkunftsländer profitieren“. Dazu werde er im Juni zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien reisen, so Heil, denn dort sei das Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich sehr groß. Darüber hinaus gebe es Absprachen mit Indonesien und Mexiko. (…) Die Bundesagentur für Arbeit hatte kürzlich mitgeteilt, dass sich der Anteil der Pflegekräfte mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit von acht Prozent 2017 auf 14 Prozent 2022 nahezu verdoppelt hat. Die meisten der insgesamt 244.000 ausländischen Pflegekräfte kommen aus den Ländern Polen, Bosnien und Herzegowina, Türkei, Rumänien sowie Kroatien. Auch die Zahl der Geflüchteten, die in der Pflege tätig sind, ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Im Juni 2022 waren 20.000 Pflegekräfte aus einem der acht zuzugsstärksten Asylherkunftsländer in der Pflege tätig, darunter aus Syrien und Afghanistan. Die Gewinnung ausländischer Pflegekräfte läuft häufig über private Agenturen oder betriebliche Initiativen. Das staatliche Programm „Triple Win“ zur Anwerbung von ausländischen Pflegekräften kommt ohne private Vermittler aus. Seit 2013 hat die Agentur für Arbeit mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit darüber ausgebildete Pflegefachkräfte aus Bosnien und Herzegowina, Tunesien, Indonesien, den Philippinen, Jordanien und dem indischen Bundesstaat Kerala gewonnen. Darüber hinaus unterstützt die GIZ seit 2019 bei der Vermittlung von Auszubildenden aus Vietnam. Insgesamt wurden rund 4.500 Fachkräfte angeworben.“ Meldung vom 20.05.2023 im ZDF externer Link
  • Als (mexikanische) Pflegekraft in Deutschland: Bleiben oder gehen? 
    Die Bundesagentur für Arbeit wirbt in verschiedenen Ländern Pflegekräfte an, auch in Mexiko. Die dort ausgebildeten Krankenschwestern kommen hochmotiviert nach Deutschland, aber längst nicht alle bleiben. Das liegt nicht nur am Geld.“ Audio der Reportage von Paul Welch Guerra vom 16. April 2023 bei Deutschlandfunk Kultur externer Link Audio Datei, siehe dazu:

    • In letzter Zeit habe ich mich mit der Situation von ausländischen Pflegekräften in Deu. beschäftigt. An miserablen Arbeitsbedingungen in der #Pflege hat sich nach Pandemie wenig verändert.Für angeworbene Kräfte hängt es jedoch u.a massiv davon ab, für wen sie arbeiten
      Besonders schlecht sind die Bedingungen beim privaten Pflegeriesen #Alloheim. Am Ende der Link zu meiner Reportage bei @dlfkultur, die gleich um 12.30h läuft. Ein paar Eindrücke
      Der Start: Während eine Pflegekraft an der #Charité Hilfe von einem Welcome-Team bekommt,werden sie bei #Alloheim vollkommen mit der Bürokratie alleine gelassen. Bei Schichtarbeit und neuer Sprache überfordert es viele einen Handyvertrag abzuschließen, Wohnung zu finden, etc
      Unterkunft: Während bei der Charité immerhin eine (abgelegene) Wohnung vermittelt wird, wurden bei #Alloheim z.T mehrere Frauen in einem Pflegezimmer im Altersheim untergebracht – zu dem die Chefs Schlüssel hatten und sie auch genutzt haben, um sie zum arbeiten zu holen
      Visum: Deu wirbt auf der ganzen Welt Pflegekräfte an, die dann mit einem arbeitgebergebunden(!) Visum einreisen. Das führt zu einer großen Abhängigkeit & Angst davor sich gegen Ausbeutung und Unrecht am Arbeitsplatz zu wehren. Dabei sind gerade sie am meisten davon betroffen
      Anerkennung: Erst wenn ein halbjähriger Berufsanerkennungskurs abgeschlossen ist, verbessert sich der Aufenthaltsstatus.Viele kommen hochqualifiziert und mit viel Erfahrung nach Deu. Hier arbeiten sie dann aber 1-2 Jahre in niedrigster Besoldungsstufe bis zur Anerkennung..
      Dann sind sie zwar anerkannte Krankenpfleger*innen, viele ihrer Spezialisierungen & Kenntnisse bleiben trotzdem weder besoldet noch anerkannt.Viele fühlen sich beruflich zurückgestuft, weil sie früher alltägliche Tätigkeiten auf der Arbeit nichtmehr ausüben dürfen..
      Noch problematischer: Wenn Pfleger*innen schlicht nicht frei kriegen, um ihre Anerkennung zu machen. Begründung: Personalmangel. So etwa geschehen bei #Alloheim. Für meine Reportage habe ich mit vielen Mexikaner*innen gesprochen, die frustriert zurück gegangen sind. Sie vermuten dahinter ein System, um die Löhne zu drücken und die Pfleger*innen in Abhängigkeit zu halten. Mehr dazu in meiner Reportage, die gleich läuft…“ Thread von Paul Welch Guerra vom 16.4.2023 externer Link zu seiner Reportage
  • WHO kritisiert: Deutschland will Pflegekräfte aus Ghana anwerben 
    Deutschland will Pflegekräfte aus Ghana anwerben und dafür Geld in die „Migrationszentren“ investieren. Dabei hat das Land laut Weltgesundheitsorganisation selbst einen kritischen Mangel an Gesundheits- und Pflegepersonal.
    Deutschland will mehr Fachkräfte aus Ghana anwerben. Bei ihrem Besuch in dem westafrikanischen Land stellten Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) am Dienstag eine entsprechende Initiative vor. Das Migrationszentrum in der Hauptstadt Accra, das seit 2017 ghanaische Abgeschobene und Rückkehrer unterstützt, soll nun auch über legale Migrationswege für Fachkräfte nach Deutschland und Europa informieren. „Fachkräftesicherung ist Wohlstandssicherung für unser Land“, sagte Heil. „Wir müssen alle Register im In- und Ausland ziehen, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.“ Zugleich betonte Schulze, Migrationspolitik hänge eng mit Entwicklungspolitik zusammen. (…) Allerdings buhlt Deutschland nicht um ungelernte Arbeitskräfte, sondern um bereits ausgebildete Fachkräfte. Ein Bereich, in dem in Deutschland besonders hoher Bedarf besteht, ist die Pflege. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es in Ghana aber ebenfalls einen kritischen Mangel an Gesundheits- und Pflegepersonal. Die WHO empfiehlt deshalb, aus Ländern wie Ghana nicht für diesen Bereich zu rekrutieren, private Agenturen dürfen in diesen Ländern kein Pflegepersonal für den deutschen Markt anwerben. Auch weitere Länder, in denen Deutschland in Migrationszentren investieren will, stehen auf der WHO-Liste. (…) Ghana ist seit 2017 eines der Schwerpunktländer der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Weil Ghana als sicheres Herkunftsland gilt, sind die meisten Ghanaer, die illegal nach Deutschland einreisen, nur geduldet und haben keine Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthaltsstatus…“ Beitrag vom 21.02.2023 im Migazin externer Link
  • ›Wir sind keine Handelsware‹. Warum der gemeinsame Kampf mit ausländischen Pflegekräften wichtig ist 
    Karen Spannenkrebs ist Ärztin und arbeitet für den Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VDÄÄ) mit an dem Projekt »Pillars of Health«: Seit 2021 sammeln Organisationen aus Serbien, Rumänien, Deutschland und den Niederlanden Informationen über die Verteilung von Gesundheitsfachkräften innerhalb Europas und versuchen, die Migrations- und Gesundheitspolitik im Sinne von internationaler Solidarität zu beeinflussen.
    [Lässt sich der Personalmangel im deutschen Gesundheitssystem durch Importe aus dem Ausland lösen? Und was bedeutet das für die Herkunftsländer?]
    Operationssäle liegen brach, Notaufnahmen werden abgemeldet, die Beschäftigten arbeiten dauerhaft am Limit. Das Gesundheitssystem hat ein massives (Personal-)Problem. Da liegt es scheinbar nahe, Gesundheitsfachkräfte zu importieren. Die Abwerbung von Pflegekräften und Ärzt:innen hat in den vergangenen zehn Jahren massiv zugenommen. Im Jahr 2013 stammten nur 5,8 Prozent der Pflegekräfte aus dem Ausland, 2022 waren es 11 Prozent. (…) In den 1960er Jahren wurden ungefähr 10000 Pflegekräfte aus Südkorea als Gastarbeiter:innen geholt. In der deutschen Berichterstattung wurden sie als »mandeläugige Engel« mit »zierlicher Gestalt« und »sanftem Gemüt« dargestellt, entsprechend dem Sinnbild der genügsamen, lächelnden, anspruchslosen – und natürlich weiblichen – Sorgearbeiterin.
    In Korea kam es durch die Abwerbung zu Mängeln und Engpässen bei der Versorgung. Tausende junge Koreanerinnen wurden zu Pflegehelferinnen ausgebildet, um anschließend abzuwandern. Obwohl es in dem Abkommen eigentlich anders vorgesehen war, wurden fast nur akademisch ausgebildete Kräfte eingestellt. Die weniger qualifizierten Hilfskräfte mussten irgendwie ins koreanische Gesundheitssystem integriert werden. 1978 wurde das Krankenkassenkostendämpfungsgesetz beschlossen. Daraufhin wurde die Abwerbung gestoppt, viele Koreanerinnen sollten abgeschoben werden. Wenige Jahre später fehlten erneut Pflegekräfte. Ab den 80er Jahren konzentrierte sich die Rekrutierung vor allem auf Osteuropa. Die massenhafte Auswanderung von Gesundheitsfachkräften ließ die dortigen Gesundheitssysteme ausbluten. (…)
    Herkunftsländer, Ausbildung und berufliche Wege sind vielfältig. Gemeinsam ist den Migrant:innen allerdings, dass sie tendenziell dort landen, wo sonst niemand arbeiten will. (…)
    Ausgerechnet dort, wo Personal äußerst knapp ist, liegt der Anteil ausländischer Kräfte besonders hoch. Ihre teils unzureichenden Sprachkenntnisse und die anfängliche Unsicherheit über Arbeitsabläufe und Verantwortungsbereiche können erhebliche Probleme verursachen. Falsche Medikamente werden verabreicht, wichtige Informationen gehen verloren, die Kommunikation mit Patien­t:innen ist erschwert. Die Schuld wird dann oft bei den ausländischen Kolleg:innen selbst gesucht statt am Zeitmangel und der kaum zu stemmenden Arbeitsdichte. So entsteht ein Nährboden für Rassismus, der von den Klinikleitungen zumindest in Kauf genommen wird. (…) Unsere ausländischen Kolleg:innen sind nicht schuld an den Bedingungen, unter denen sie mit uns im Krankenhaus zusammenarbeiten. Sie sind ebensowenig exotische, genügsame Arbeitskräfte, die fügsam alle Lücken im deutschen System füllen. Was vor 50 Jahren für die Gastarbeiter:innen galt, gilt auch heute noch für unsere rekrutierten Kolleg:innen auf den Stationen: »Wir haben Arbeitskräfte gerufen, aber es kamen Menschen.«
    Die koreanischen »Engel«, die vor 50 Jahren nach Deutschland kamen, blieben keine Spielfiguren, die sich nach Belieben herumschieben ließen. Ende der 70er Jahre organisierten sie im ganzen Land den Widerstand gegen ihre drohenden Abschiebungen. Mit Unterschriftenaktionen und Kampagnen konnten sie ein dauerhaftes Bleibe- und Arbeitsrecht erkämpfen. »Wir sind keine Handelsware«, schrieben die koreanischen Frauengruppen damals. Die Beschäftigten im Gesundheitssystem müssen Macht über die Bedingungen bekommen, unter denen sie arbeiten – auch deswegen müssen wir mit unseren Kolleg:innen kooperieren, die hierher geholt wurden, um ein schlechtes System am Laufen zu halten.“ Interview von Karen Spannenkrebs in der Soz Nr. 02/2023 externer Link
  • Gesundheitsfachkräfte sind keine Handelsware. vdää* lehnt gezielte Abwerbung aus dem Ausland ab 
    Der Verein demokratischer Ärzt*innen (vdää) lehnt die Ausweitung der gezielten Abwerbung von Gesundheitsfachkräften aus dem Ausland ab. Zur Überwindung des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich fordert der vdää* eine verbindliche und auskömmliche Personalbemessung und die vollständige Überwindung des Fallpauschalensystems durch ein Finanzierungssystem, das auf Selbstkostendeckung beruht und Gewinnerwirtschaftung ausschließt. Das Problem des Personalmangels in den Kliniken hat sich in den letzten Jahren enorm verschärft. Die Zustände, die wir heute in deutschen Krankenhäusern vorfinden, sind kein Zufall und auch kein notwendiges Schicksal einer alternden Gesellschaft. Die Finanzierung der Krankenhäuser durch DRGs und der marktvermittelte Wettbewerb zwischen den Kliniken haben zu Arbeitsbedingungen geführt, die insbesondere Pflegekräfte zum massenhaften Ausstieg aus dem Job treiben. Dabei zeigen Umfragen, dass viele bereit wären, wieder zurückzukehren, wenn sich die Bedingungen wieder verbesserten. Dies kann nachhaltig nur durch eine auskömmliche und bedarfsgerechte Finanzierung und Personalbemessung erreicht werden. Karen Spannenkrebs, Referentin des vdää* für Gesundheitsfachkräfteabwerbung, fordert: „Ziel muss es sein, die Arbeit in Gesundheitsberufen in Deutschland so zu gestalten, dass kein Bedarf mehr an grenzüberschreitender Anwerbung von Gesundheitsfachkräften besteht.“ Wenn heute gefordert wird, den Fachkräftemangel durch verstärkte Rekrutierungen aus dem Ausland zu lösen, so bleiben die eigentlichen Probleme davon unberührt. Die Rekrutierung von ausländischen Fachkräften kann ganz im Gegenteil die momentanen Zustände sogar noch stützen. (…) Migration ist ein Recht, für das wir eintreten. Die gezielte Abwerbung von Gesundheitsarbeiter*innen aus Ländern mit geringeren Verdienstmöglichkeiten verschärft jedoch dort den Fachkräftemangel und stellt damit eine Gefahr für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dar, egal, ob die Rekrutierung staatlich oder durch private Agenturen stattfindet. Deshalb lehnt der vdää* die aktive Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften ab.“ vdää-Pressemitteilung vom 26. Januar 2023 externer Link
  • Ausländische Pflegekräfte: Zwischen Heimweh und Hoffnung
    „Deutsche Kliniken und Heime leiden seit Jahren unter fehlendem Pflegepersonal. Mithilfe von Anwerbeprogrammen kommen mittlerweile zwar Fachkräfte aus dem Ausland. Immer mehr wollen aber wieder weg – auch, weil sie sich hier nicht wohlfühlen. Ein eiskalter Winterabend in Berlin. Romy Padilla stapft in viel zu dünner Winterjacke durch den Bezirk Neukölln, die kräftigen Hände tief in den Taschen vergraben. Hier und da muss der 30-Jährige einem Müllhaufen ausweichen, an einer Ecke versperrt ein aufgeschlitztes Sofa den Weg. Dann wieder lassen Lichterketten die kahlen Kastanienbäume auf einem Platz so heimelig leuchten, dass Romy Padilla kurz innehält. „Ja, gefällt mir hier in Berlin, weil ich finde, dass Berlin schön ist und Sicherheit im Vergleich zu meinem Heimatland. In der Nacht kannst du laufen. In meinem Heimatland kannst du laufen, aber mit Angst. Hier ich kann laufen ohne Angst.“ Romy Padillas Atem steigt als weißer Dampf vor seinem Mund auf, während er spricht. -3 Grad zeigt das Thermometer in einem Ladenfenster. Ganze 20 Grad weniger als in seiner Heimatstadt Baguio City. Romy Padilla kommt von den Philippinen. Seit bald zwei Jahren arbeitet der studierte Krankenpfleger in einem der größten Krankenhäuser Berlins. Zumindest die deutschen Patienten freuen sich, dass er da ist, erzählt er. (…) 5400 Pflegefachkräfte brachte das Triple-Win-Programm seit 2013 nach Deutschland. Überwiegend junge Menschen aus Bosnien Herzegowina, Tunesien, Indonesien, Indien, Vietnam und von den Philippinen. (…) „Triple-Win ist ein Programm, das die GIZ und die Bundesagentur für Arbeit entwickelt hatten, vor dem Hintergrund im Prinzip des demografischen Wandels, den wir jetzt gerade vorfinden“, sagt Björn Gruber. (…) Triple-Win, das bedeutet: dreifacher Gewinn. Denn anders als bei den sogenannten Gastarbeiter*innen, die in den 1960er- und 1970-Jahren zwar ebenfalls gezielt angeworben, dann aber größtenteils sich selbst überlassen wurden, soll die Migration dieses Mal für alle Beteiligten nur Vorteile bringen. Björn Gruber, Projektleiter bei der GIZ: „Zum einen ist es zum Vorteil der Menschen, dass sie einen sicheren Weg finden, wie sie die Migration angehen, dass sie gut informiert sind, dass sie die entsprechende Qualifikation haben, um relativ schnell Fuß fassen zu können und eben auch ihre Berufsabschlüsse anerkennen zu können. Für die Zielländer liegt es auf der Hand: Da sind gut vorbereitete Fachkräfte, deren Hintergrund man einschätzen, deren Einarbeitung man vorbereiten kann. Und für die Herkunftsländer stellt sich der Vorteil in zweierlei Hinsicht. Zum einen, es soll kein Partnerland im Triple-Win-Programm teilnehmen, wo Fachkräfte dann in einen Mangel münden, sondern, darum geht es eben wirklich, Fachkräfte zu gewinnen dort, wo eben ein Überhang an Fachkräften vorhanden ist. Und dann natürlich die Vorteile, die die Migration mit sich bringen kann, wenn sie gelingt. Nämlich eine erfolgreiche persönliche Entwicklung, aber eben auch Rücküberweisungen, die oft der Familie zugutekommen, in Bildung investiert werden, dass es zu Know-How-Transfer kommt, dass Menschen im Prinzip die Kooperation zwischen den beiden Ländern auch gestalten auf lange Sicht.“ (…) Nur: Was in der Theorie nach einer Art Rundumsorglos-Migrationspaket klingt, macht in der Realität nicht alle Beteiligten glücklich. Die Hamburger Wirtschaftspsychologin Grace Lugert-Jose – selbst gebürtige Philippinerin – führte 2021 eine Onlineumfrage unter 109 eingewanderten Pflegekräften durch. „Das Thema war: Wie zufrieden sind die philippinischen Pflegefachkräfte in Deutschland? Und bei dieser Studie ist rausgekommen, dass viele unzufrieden sind.“ 47 Prozent, etwa die Hälfte der Befragten, würden ihren Job nicht an Freunde oder Verwandte in der Heimat weiterempfehlen, so Lugert-Joses Ergebnisse. Vor allem Heimweh, das Gefühl, nicht wirklich willkommen zu sein, beruflich nicht ausreichend wertgeschätzt zu werden und rassistische Diskriminierungen am Arbeitsplatz, werden als Gründe genannt. (…) Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg: „Aber man kann sehen, Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland haben eine Fortzugsquote von zehn Prozent. Also jeder Zehnte pro Jahr geht wieder. Und das ist im internationalen Vergleich schon ziemlich hoch. Denn die Demografie, die zieht den Arbeitsmarkt in Deutschland nach unten. Wir brauchen mittelfristig ein Wanderungssaldo von plus 400.000 Personen pro Jahr, um im Arbeitsmarkt zumindest nicht zu schrumpfen. Aber das bedeutet halt auch, wenn die Abwanderungsquote von zehn Prozent konstant bleibt, dann steigt auch die Abwanderung damit jedes Jahr um 40.000, und dann müsste man im nächsten Jahr noch mal mehr Zuwanderung anziehen. Das geht irgendwann in Bereiche, die als Zuwanderungszahlen überhaupt nicht mehr realistisch sind. Über zwei Millionen brutto Zuwanderung.“ (…) Es ist früh am Morgen. Der 30-Jährige hat gerade acht Stunden Nachtdienst hinter sich. Doch er ist nicht nur müde, sondern auch unzufrieden. Wieder hat ihn die Teamleitung zu neun Tagen Nachtdienst am Stück eingetragen, obwohl er schon mehrfach darum gebeten hat, ihn häufiger am Tag einzusetzen. Der Gedanke, dass seine Arbeit in Deutschland nicht genug wertgeschätzt wird – es ihm anderswo vielleicht besser ergehen könnte, lässt ihn gerade nach solchen Erlebnissen nicht mehr los. (…) Wirtschaftspsychologin Grace Lugert-Jose überrascht das nicht. Andere Länder sind bei philippinischen Pflegekräften beliebter als Deutschland. Allein der Sprache wegen. Umso wichtiger sei es deswegen, dass Deutschland ihnen auf anderer Ebene mehr biete. Durch das Gefühl, wirklich willkommen zu sein etwa. Aber auch durch eine Gesetzgebung, die für gute Integrationsangebote, eine Aussicht auf Einbürgerung und eine echte Perspektive in Deutschland sorge. Ohne all das, so ist sie sicher, hat Deutschland im internationalen Wettbewerb um Fach- und Arbeitskräfte keine Chance…“ Reportage von Luise Sammann vom 24. Januar 2023 beim Deutschlandfunk Kultur externer Link
  • Flyer-Initiative für Pflegekräfte aus der Ukraine: „Lasst euch nicht mit weniger abspeisen!“ 
    Die Sektion Gesundheit und Soziales der FAU Berlin hat einen Flyer für Pflegekräfte aus der Ukraine erstellt, die in Berlin Arbeit suchen. Der Flyer soll den Kolleg:innen einen Überblick darüber geben, welches Gehalt sie zurzeit mindestens verlangen können. Für den Flyer findest du hier auf der Webseite eine Vorlage externer Link , die du ausdrucken, verteilen und/oder aushängen kannst. Der Text ist auf Ukrainisch und auf Deutsch. (…)
    Willkommen in Berlin!
    Liebe Kolleg:innen: In Deutschland herrscht, wie überall in Europa, ein Pflegenotstand. Qualifizierte, aber auch unqualifizierte Pflegekräfte und Therapeutinnen werden hier schnell Arbeit finden.
    Die Kolleg:innen aus den großen Berliner Kliniken haben letztes Jahr mit der Berliner Bevölkerung in einem harten Arbeitskampf für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Versorgung der Patient:innen gestreikt.
    Wir möchten euch als Kolleg:innen einen Überblick geben, welches Gehalt ihr zurzeit mindestens verlangen könnt. Lasst euch nicht mit weniger abspeisen!
    Pflegefachkräfte und Physiotherapeut:innen: 18 € / Stunde
    Pflegehelfer:innen: 15 € / Stunde.“ Verbreitenswerte Aktion der FAU Berlin – Sektion Gesundheit und Soziales – vom 10.05.2022 externer Link – über Berlin hinaus, ver.di!
  • NRW kündigt 3000 Euro „Willkommensgeld“ für ausländische Pflegefachkräfte an
    „… Pflegefachkräften aus Nicht-EU-Ländern winkt in Nordrhein-Westfalen jetzt ein „Willkommensgeld“ in Höhe von 3000 Euro. Das hat NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Montag in Düsseldorf mitgeteilt. Damit soll ausländischen Pflegekräften der berufliche Neustart in Nordrhein-Westfalen erleichtert werden. Das Angebot richte sich an Menschen, die in ihrem Heimatland bereits als Pflegefachkräfte gearbeitet haben und ausdrücklich auch an geflüchtete Pflegefachkräfte aus der Ukraine. Insgesamt könnten 2500 Fachkräfte unterstützt werden. Dafür stünden bis zu 7,5 Millionen Euro aus EU-Mitteln bereit. Die Corona-Pandemie habe den Fachkräftemangel in der Pflege noch einmal verschärft, so Minister Laumann. Das „Willkommensgeld NRW“ soll die Kosten des Visums und der Einreiseerlaubnis, der Unterkunft bei der Einreise, der Erstausstattung der Wohnung und des Lebensunterhalts im Anerkennungsverfahren abfedern. Zentrale Stelle für die Umsetzung des Willkommensgeldes NRW ist die Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks.“ Agenturmeldung vom 2. Mai 2022 bei RP online externer Link
  • Menschen auf der Flucht sind nicht die Lösung unseres Pflegeproblems – Geflüchtete Ukrainerinnen sind laut Deutsche Altershilfe nicht in der Lage, den Fachkräftemangel zu lösen.
    „… Die Frage, ob ukrainische Frauen hier Jobs in der Pflege übernehmen sollen, sei nicht unumstritten, sagte der KDA-Vorstandsvorsitzende Helmut Kneppe im Gespräch mit dem „Evangelischen Pressedienst“. „Das klingt auf den ersten Blick naheliegend, verdient aber einen zweiten Blick“, so der einstige Kommunalbeamte. Er verwies darauf, dass es bereits Anfragen betreuungsbedürftiger Menschen gebe, die eine Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge gegen Pflegeleistungen anböten. „Der Gedanke, ukrainische Pflegekräften, die zum Teil hochtraumatisiert sind, hier eine Arbeit anzubieten, hat einen gewichtigen ethischen Aspekt“, betonte Kneppe. Es müsse ganz klar sein: Menschen auf der Flucht seien nicht die Lösung unseres Pflegeproblems. „Hier geht es um die geflüchteten Menschen, es geht um Schutz und Hilfe. Auf gar keinen Fall darf es zu Situationen kommen, in denen das Schutzbedürfnis und die Situation der Geflüchteten ausgenutzt werden, oder auch nur Druck ausgeübt wird.“ Für das KDA stünden an erster Stelle Schutz, Hilfe und Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge. „Besteht wirklich der Wunsch, hier zu bleiben und in der Pflege zu arbeiten, so sollte geschaut werden, welche Arbeit gewünscht wird oder geht es um einen Einwanderungswunsch“, erläuterte der KDA-Chef. Das sollte nur dann ermöglicht werden, wenn der Wunsch den persönlichen Hoffnungen und Planungen entspreche und kein Druck bestehe…“ Beitrag von Dirk Baas vom 2. Mai 2022 bei MiGAZIN externer Link

  • Wer pflegt Oma? Das Geschäft mit Frauen aus Osteuropa 
    Hunderttausende Menschen in Deutschland brauchen im Alter Pflege. Deshalb boomt der Markt von Betreuerinnen aus den osteuropäischen EU-Ländern, aber auch aus der Ukraine. Doch die Ukrainerinnen, die meist illegal nach Deutschland geschleust wurden, werden mit Dumpinglöhne abgespeist. Jetzt hat die EU für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine die Massenzustromsrichtline in Kraft gesetzt, was zu einem weiteren Preiskampf führen könnte…“ Eine Dokumentation von  Hermann G. Abmayr, Caroline Haertel und Mirjana Momirović am 16.03.2022 im SWR Fernsehen – siehe Text zur externer Link und das Video externer Link (45 Min.) der Sendung
  • Chance für den Arbeitsmarkt? „Viele Unternehmer sehen die Flüchtlinge einfach als billige Arbeitskräfte“– vor allem in der Pflege  „Die Zahl offener Stellen hat ein Rekordhoch erreicht. Viele ukrainische Flüchtlinge könnten schnell Zugang zum Arbeitsmarkt finden.“ Doch Arbeitsrechtler Martin Bechert warnt im Interview von Jan Klauth in der Welt online am 16. März 2022 externer Link: „Die Gefahr der Ausbeutung ist hoch – vor allem in der Pflege, wo sie am meisten gebraucht werden. (…) Der Arbeitstitel hängt vom Aufenthaltstitel ab. Und die Massenzustroms-Richtlinie sichert den Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Flüchtlinge erhalten von der örtlichen Ausländerbehörde eine „Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz“ und damit auch eine Arbeitserlaubnis. Es kann zwar schwerfallen, sich in der deutschen Behördenlandschaft zurechtzufinden. Aber die Abläufe sind relativ unproblematisch – der Zugang zum Arbeitsmarkt wäre deutlich schwieriger, müssten die Ukrainer Asyl beantragen. (…) Sinnvoll wäre auch eine Art Qualitätssicherung, die kontrolliert, ob die Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt nicht ausgenutzt werden. (…) Viele Unternehmer sehen die ukrainischen Flüchtlinge einfach als billige Arbeitskräfte. Meine Befürchtung ist, dass ihre Notsituation ausgenutzt wird und viele Firmen die Ukrainer nicht etwa als qualifizierte Arbeitnehmer beschäftigten, sondern sie vergleichsweise weniger Geld bekommen und unter Wert arbeiten müssen. (…) Es flüchten ja vor allem Frauen aus der Ukraine. Viele von ihnen könnten in der Pflege beschäftigt werden, wo Fachkräfte fehlen. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ihre Berufsausbildung schnell anerkannt wird. Dass selbst examinierte Pflegekräfte unterbezahlt, auf dem Lohnniveau einer Hilfskraft beschäftigt werden, ist daher wahrscheinlich. Die Gefahr, dass viele Flüchtlinge ausgenutzt werden, ist insbesondere in der Pflege ganz konkret. (…) Wenn Arbeitsplätze frei werden, weil die Impfpflicht greift, ist es wahrscheinlich, dass vermehrt Ukrainerinnen eingesetzt werden – und sie werden nicht den Lohn bekommen, wie diejenigen, die ihren Job verlieren. Allerdings kann ich mir nur schwer vorstellen, dass ukrainische Pflegekräfte, die kaum Deutsch können, dann direkt zum Arbeitsgericht oder einer deutschen Behörde gehen, um ihre Rechte geltend zu machen.“
  • Krieg in der Ukraine: Neues Pflegepersonal zum Dumpingpreis? 
    „Nach dem russischen Angriff sind viele Ukrainer auf der Flucht – auch nach Deutschland. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege befürchtet, dass die Not der Flüchtlinge ausgenutzt werden könnte. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) geht nach Recherchen von Report Mainz davon aus, dass ukrainische Betreuungskräfte durch die Umsetzung der EU-Massenzustrom-Richtlinie für einen Bruchteil des Lohnes arbeiten werden, den Osteuropäerinnen aus der EU derzeit in Deutschland vergütet bekommen. „Bis zu 300.000 Ukrainerinnen werden schätzungsweise für die Hälfte des Honorars arbeiten und alle Bedingungen ertragen, um ihre Familien zu ernähren“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Daniel Schlör. Betreuerinnen aus Polen und Rumänien, die bislang vorwiegend in der 24-Stunden-Versorgung gearbeitet hätten, würden durch Ukrainerinnen vom Markt gedrängt. Kriegsflüchtlinge seien aufgrund ihrer Notlage bereit, auch für Niedrigstlöhne zu arbeiten. Durch die EU-Massenzustrom-Richtlinie sollen Flüchtlinge aus der Ukraine für bis zu drei Jahre in der EU einen Schutzstatus erhalten – sowie Zugang zur Krankenversicherung und zum Arbeitsmarkt…“ Beitrag von Von Gottlob Schober und Claudia Kaffanke vom 5. März 2022 bei tagesschau.de externer Link – er basiert auf:

    • Krieg in der Ukraine: Dramatischer Anstieg von Dumpinglöhnen in Deutschland befürchtet
      Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) geht nach Recherchen des ARD-Politikmagazins REPORT MAINZ davon aus, dass ukrainische Betreuungskräfte durch die Umsetzung der „Massenzustromrichtlinie“ der EU für einen Bruchteil des Lohnes arbeiten werden, den Osteuropäerinnen aus der EU derzeit in Deutschland vergütet bekommen. Das sagte der Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Daniel Schlör, im Interview mit REPORT MAINZ. „Bis zu 300.000 Ukrainerinnen werden schätzungsweisen für die Hälfte des Honorars arbeiten, um ihre Familien zu ernähren“, befürchtet der VHBP-Chef. Betreuerinnen aus Polen und Rumänien, die bislang vorwiegend in der häuslichen 24-Stunden-Versorgung bei pflegebedürftigen Personen gearbeitet hätten, würden durch Ukrainerinnen vom Markt gedrängt. Kriegsflüchtlinge seien aufgrund ihrer Notlage bereit, auch für Niedriglöhne zu arbeiten. Durch die EU-Massenzustromrichtlinie sollen Flüchtlinge aus der Ukraine für bis zu drei Jahre in der EU einen Schutzstatus erhalten – sowie Zugang zur Krankenversicherung und zum Arbeitsmarkt.
      REPORT MAINZ hat den Fall einer Ukrainerin recherchiert, die ihr Zuhause aus Verzweiflung schon Monate vor dem Krieg verlassen hatte. In der Ukraine habe sie 150 Euro im Monat verdient. „Ich hatte keine Wahl. In der Ukraine gibt es keine Arbeit. Höchstens noch für junge Menschen, die gut ausgebildet sind und Fremdsprachen sprechen. Aber für Menschen, die älter als 35 sind, ist es kaum möglich. Dann verdient man dort rund 150 Euro im Monat. Wie soll man davon leben?“, sagt sie dem ARD-Politikmagazin. In der Ukraine habe sie drei Jobs gleichzeitig gemacht, ohne Feiertag, immer auf der Suche nach einem weiteren Nebenjob. „In Deutschland kann ich wenigstens mehr Geld verdienen.“ Die Menschen, bei denen sie arbeite, seien schwer pflegebedürftig: „Das ist Schwerstarbeit, ich weine fast jeden Tag. Aber ich beiße die Zähne zusammen. Ich vermisse meine Familie, meinen Sohn.“ Als Lohn habe sie dafür nur 900 Euro bekommen…“ Pressemitteilung vom 4.3.2022 der Report Mainz-Redaktion beim SWR externer Link
    • Siehe zum aktuellen Hintergrund unser Dossier: Keine Waffenlieferungen in die Ukraine! Friedenspolitik statt Krieg!
  • Arbeitsmigration – jetzt fair: Erste Gütesiegel für »ethisches« Anwerben ausländischer Pflegekräfte verliehen 
    „Um dem Personalmangel in der hiesigen Pflege entgegenzuwirken, streckt Deutschland seine Fühler immer weiter aus. Nachdem Süd- und Osteuropa weitgehend abgegrast sind, werben deutsche Gesundheitseinrichtungen nun in den sogenannten Drittstaaten ausländische Pflegekräfte an. Damit dies »ethisch, fair und transparent« abläuft, wurde dafür im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums das Gütesiegel »Faire Anwerbung Pflege Deutschland« entwickelt, das am Mittwoch zum ersten Mal an insgesamt 17 Pflegeeinrichtungen, Kliniken sowie Vermittlungsagenturen verliehen wurde. (…) Die Anwerbeverfahren werden von den wirtschaftlichen Akteuren selbst durchgeführt, der Gesetzgeber schafft mit dem Gütesiegel nur den Rahmen. Aktuell gibt es 78 laufende Verfahren, von denen 80 Prozent von Personalagenturen und nur 20 Prozent von Kliniken und Pflegeeinrichtungen selbst durchgeführt werden. (…) Angesichts der Tatsache, dass sich momentan etwa 150 solcher Agenturen auf dem deutschen Anwerbemarkt tummeln, ist die Einführung eines Kontrollmechanismus unter ethischen Gesichtspunkten nur folgerichtig. Das Gütesiegel »Faire Anwerbung« ist allerdings freiwillig. (…) Nachdem kürzlich auch Serbien wegen Eigenbedarfs und auch aufgrund einschränkender Corona-Maßnahmen als fast letztes europäisches Land einen Anwerbestopp ausgerufen hatte, sind die Zielländer deutscher Rekrutierungen nun vor allem Brasilien, Mexiko, die Philippinen, Vietnam und gerade verstärkt auch Indien. In Europa werden von deutscher Seite zurzeit nur noch in Bosnien und Herzegowina Pflegekräfte umgarnt. Momentan gibt es hierzulande etwa 40 000 nicht besetzte Stellen in der Branche. Etwa 15 Prozent der zurzeit in Deutschland arbeitenden Pflegekräfte, etwa 200 000 Menschen, kommen bereits aus dem Ausland, davon 120 000 aus den sogenannten Drittstaaten und etwa 90 000 aus der Europäischen Union. Auch etwa 15 000 Menschen aus asylberechtigten Ländern arbeiten inzwischen in der Pflege – viele von ihnen sind 2015 als Geflüchtete nach Deutschland gekommen. Allein in der Krankenpflege liegt der Anteil ausländischer Beschäftigter zurzeit bei 9 Prozent. Der Vorsitzende der Gütegemeinschaft Anwerbung, Kneppe, betonte, dass die Kosten für die Integrationszeit der Angeworbenen nicht auf die Pflegekräfte abgewälzt würden. »Das zahlen alles die Arbeitgebenden«, sagte er knapp. Die Ausgaben für die Altenpflege insgesamt steigen laut Barmer Pflegereport bis zum Jahr 2030 auf 59 Milliarden Euro…“ Beitrag von Martin Höfig vom 2. Februar 2022 bei neues Deutschland online externer Link
  • Ab 2023 im Dienst: Arbeitsagentur holt Pflegekräfte aus Indien 
    Der Mangel an Pflegekräften ist ein grundlegendes Problem, das in Zeiten der Pandemie nur deutlicher geworden ist. Die Bundesagentur für Arbeit hat nun mit dem indischen Bundesstaat Kerala eine Absprache getroffen. Da es dort laut WHO-Standards genug Pflegekräfte gibt, darf rekrutiert werden. Die Bundesagentur für Arbeit hat mit dem indischen Bundesstaat Kerala eine Vermittlungsabsprache für Pflegefachkräfte unterzeichnet. Mit der Rekrutierung von Fachpersonal im Ausland leiste die Behörde einen Beitrag, benötigte Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu finden, erklärte die Bundesagentur für Arbeit (BA). Die ersten Rekrutierungen sind demnach für 2022 geplant. Nach einer mehrmonatigen Vorbereitung sollen die ersten Pflegekräfte dann im Jahr 2023 nach Deutschland kommen. Laut BA handelt es sich um die zweite Vermittlungsabsprache mit einem Nicht-EU-Staat. Ziel der Vereinbarung ist es, Pflegekräfte für deutsche Krankenhäuser, Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu gewinnen….“ Agenturmeldung vom 2. Dezember 2021 bei ntv.de externer Link
  • “Omas neue Polin”: Über den Zusammenhang von Care-Migration und Balkanismus 
    „… Anstatt eines Vorspannes, hier eine kleine aber wahre Begebenheit: Vor einigen Jahren arbeitete ich an einer Fachhochschule. Eines Morgens traf ich einen Kollegen vom Studiengang Fahrzeugtechnik, den ich politisch als linksliberal beschreiben würde. Ich erzählte ihm, dass ich am Vorabend die neue Leiterin seines Studiengangs kennengelernt hätte und dass ich mich freue, dass eine so hoch kompetente und nette Rumänin den cholerischen und sexistischen Ex-Chef abgelöst habe. Er kommentierte ihre Berufung mit den Worten: „Ja, im Ostblock können sogar Frauen Autos zerlegen“ – und fand sich dabei sehr lustig. Ich, wieder mal feminist killjoy, konnte nicht mit lachen und das, obwohl ich mich damals noch gar nicht mit Balkanismus auseinandergesetzt hatte. Im folgenden Text will ich darstellen, auf welche Weise transmigrantische Care-Arbeiter*innen von Balkanismus betroffen sind und wie der Wert ihrer Tätigkeit dadurch zusätzlich diskreditiert wird. (…) Was hat nun diese Anekdote mit Care-Migration zu tun? Mit Care-Migration hat sie tatsächlich nichts zu tun. Im Gegenteil beschreibt sie die Migration in eine hochdotierte Position im Wissenschaftsbetrieb. Doch in der Kombination von Antifeminismus und Rassismus fasst sie gut zusammen, was Balkanismus ausmacht: Balkanismus ist eine Form von Rassismus, die auf historisch gefestigten Stereotypen beruht – und die Frauen* noch stärker diskriminiert als Männer. Transmigrantische 24-Stunden-Betreuer*innen sind massiv von balkanistischen Stereotypen betroffen. Genau genommen ist der Balkanismus die Grundlage ihres Prekariats, das nach wie vor unüberwindbar zu sein scheint. (…) Balkanismus funktioniert nach einem einfachen Muster: Passen deine rassistischen Abwehrstrategien – andere Hautfarbe und andere Religion nicht auf die Menschen, die aber trotzdem abgewertet werden sollen, dann schaffe dir welche. Das funktioniert noch heute gut bei allen Menschen, deren „Anderssein“ nicht äußerlich ablesbar (nicht weiß) oder durch Religion/Ideologie (nicht christlich) definierbar ist, hat aber schon lange historische Tradition…“ Beitrag von Christine Braunersreuther vom 15. Oktober 2021 bei der Berliner Gazette externer Link
  • Freiwillige Selbstverpflichtung: Staatliches Gütesiegel für Anwerbung ausländischer Pflegekräfte – nun alles gut? 
    Ein staatliches Gütesiegel externer Link soll für Fairness bei der Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland sorgen. Es handelt sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung, wie ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums bei der Vorstellung vergangene Woche in Berlin erläuterte. Arbeitgeber und Personalvermittlungsagenturen müssen bestimmte Standards einhalten, um das Siegel zu erhalten. Dazu zählen die Unterstützung der Pflegekräfte beim Visumverfahren und bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen und Berufsabschlüsse. Auch die Gleichbehandlung mit einheimischen Arbeitskräften und Integrationshilfen, etwa beim Deutschlernen, sind neben weiteren Kriterien Voraussetzungen zum Erhalt des Siegels. Es wird vom Bundesgesundheitsministerium vergeben und ist seit Oktober verfügbar. Die Kriterien wurden vom Deutschen Kuratorium Altershilfe (KDA) entwickelt. Die Überprüfung der Arbeitgeber und Vermittlungsagenturen, die das Siegel beantragen, erfolgt dem Ministerium zufolge durch unabhängige Prüfer…“ Meldung vom 15.10.2021 beim Migazin externer Link
  • Frauen (aus Afghanistan) + Altenpflege (in Deutschland) = besser als Dienerinnen unter den Taliban 
    Zuweilen gibt es Fundstücke aus der großen weiten Welt des Online-Journalismus, die selbst „abgehärtete“ Beobachter dessen, was in unserem Land als „Pflegenotstand“ seit vielen Jahren diskutiert wird, sprachlos zurücklassen. Die zugleich in einer unbedingt zu dokumentierenden schonungslosen Art und Weise einen ganz eigenen Blick auf Frauen und Pflege offenbaren. In diesen Tagen stehen alle Menschen, die noch einen letzten Rest an Menschlichkeit in sich tragen, fassungslos vor dem großen Desaster, das vor unseren Augen in Afghanistan abläuft. (…) Was aber hat diese zivilisatorische Katastrophe nun mit der Altenpflege und Frauen in Deutschland zu tun, wird sich der eine oder andere denken mit Blick auf die Überschrift dieses Beitrags? Es gibt Menschen, die offensichtlich in der Lage sind, in nur wenigen Sätzen eine solche Verbindung herzustellen und dabei en passant einen Abgrund offenlegen. Drei Sätze. Die reichen aus, um einen sprachlos zurückzulassen. Es handelt sich um den Anfang eines Kommentars von Ulrich Reitz, der in der Online-Ausgabe des Focus veröffentlicht wurde unter der Überschrift: An Afghanistans Frauen zeigt sich nun, ob unser Asylsystem mehr als bloß ungerecht ist externer Link. Zuweilen – und in diesem Fall ganz besonders – ist es mehr als aufschlussreich, die Gedankengänge des Kommentators zu lesen: »Junge afghanische Frauen sind jetzt am meisten gefährdet. Wer heute 25 Jahre alt ist und aus einer der afghanischen Großstädte stammt, ist dort mit hoher Wahrscheinlichkeit anders aufgewachsen als die Generation der Mütter und Großmütter. Gebildeter, selbstbestimmter, freier.« Er scheint sich Sorgen zu machen um die jungen Frauen. Aber lesen wir weiter: »Diese Frauen sind nicht nur die, die am meisten zu verlieren haben. Es sind zugleich jene, die einem Einwanderungsland viel zu bieten haben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese jungen afghanischen Frauen zu Islamistinnen entwickeln, dürfte verschwindend gering sein.« Offensichtlich hat er eine Auge auf sie geworfen, aber nicht auf die anderen: »Bislang sind aus Afghanistan vor allem junge Männer nach Deutschland migriert. Viele wurden von ihren Familien auf die gefährliche Reise geschickt, weil man ihnen am ehesten zutraute, es ins gelobte Land zu schaffen.« »Es wäre gleich doppelt ungerecht, wenn die nächsten Flüchtlinge aus Afghanistan wieder vor allem junge Männer wären. Sie wären die relativen Gewinner einer Entwicklung, deren Opfer absehbar in erster Linie jung und weiblich sein werden.« Dann kommt er zum Punkt: »Deutschland sollte … ein Kontingent für die Migration von Frauen aus Afghanistan beschließen. Und sie dann in Mangelberufen wie der Pflege ausbilden. Auf diese Weise würde Barmherzigkeit mit deutschen Interessen verbunden.« Was für ein Ansatz: Man würde diesmal die Zugbrücke der Festung Europa für einige von denen, die bislang „zu kurz“ gekommen sind bei der Aufnahme, herunterlassen und gleichsam eine zweite Fliege erschlagen mit diesem Streich: Den manifesten Mangel an Pflegekräften vor allem in der Altenpflege, denn – aufgepasst liebe Deutsche – bei uns ist es doch so, dass für den schwierigen Dienst, um den es hier geht, „offensichtlich zu wenige deutsche Frauen“ gefunden werden, weil die sich dem entziehen. Da bleibt einem die Spucke weg…“ Kommentar von Stefan Sell vom 21. August 2021 auf seinem Blog „Aktuelle Sozialpolitik“ externer Link – sorry, aber das lange Zitat musste sein, wie auch ein weiterer Satz darin „Immerhin – folgt man dem Kommentator – steht die Arbeit in einem deutschen Pflegeheim über dem Status der Dienerinnen für Taliban-Männer

  • Schwierigkeiten polnischer Pflegekräfte in Deutschland: Kein Arbeitsvertrag, kein eigenes Zimmer 
    „… Polnische Pflegekräfte, die nach Deutschland entsandt werden, haben oft schon zu Beginn viele Probleme wegen unklarer und falsch formulierter Verträge. Selten sind sie tatsächlich mit einem Arbeitsvertrag beschäftigt, sondern mit einem Dienstleistungsvertrag. Diese bieten ihnen nicht den gleichen Schutz wie Arbeitsverträge. Stattdessen enthalten die Dienstleistungsverträge für Pflegekräfte in der Regel ungünstige Bestimmungen wie überhöhte Vertragsstrafen. Es gibt auch Fälle, in denen Pflegekräfte nach Deutschland reisen, ohne überhaupt irgendeinen unterschriebenen Vertrag oder eine so genannten A1-Bescheinigung (Bescheinigung, im Herkunftsland sozialversichert zu sein) zu haben. Nach der Ankunft können die Probleme weitergehen. (…) Die Pflegekräfte leben meist mit den zu Betreuenden unter einem Dach. Es kommt vor, dass sie kein separates Zimmer zur Verfügung haben oder das Zimmer einen niedrigen Standard hat. In manchen Fällen muss die Pflegekraft gar im selben Zimmer schlafen wie die zu betreuende Person. Unter solchen Bedingungen kann sich die Live-In nicht ausruhen und keine Kraft für die weitere Arbeit sammeln. Die zu betreuende Person kann die Pflegekraft mehrmals in der Nacht aufwecken und sie auffordern, verschiedene Tätigkeiten auszuführen, z.B. ihr beim Toilettengang zu helfen, den Fernseher ein- und auszuschalten oder ihr eine Zigarette anzuzünden. Oftmals weigern sich Unternehmen generell, Pflegekräfte für Nachtarbeit zu bezahlen, auch wenn diese erwartet wird. Die Bezahlung von Überstunden, die Vergütung von Feiertagen und die Erstattung von Reisekosten sind weitere Probleme. Wir hören in der Beratung oft, dass Pflegekräfte sich über den Mangel an Pausen bei der Arbeit und generell freier Zeit beschweren. Denn durch unbezahlte Überstunden und Pausen arbeiten sie faktisch für viel weniger als den Mindestlohn. Die Unternehmen versichern den deutschen Familien, dass die Pflegekraft 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehe, während gleichzeitig die Pflegekraft nur einen Vertrag über eine beispielsweise 40-stündige Wochenarbeitszeit bekommt…“ Beitrag von Magdalena Kossakowska vom polnischen Gewerkschaftsverband OPZZ aus dem Newsletter 08/2021 des DGB Bildungswerkes externer Link
  • [Statt besserer Bezahlung] Deutschland wirbt auch in Coronazeiten Pflegekräfte im Ausland an – die dort fehlen 
    „Auch während der Coronapandemie hat Deutschland weiter Pflegekräfte aus dem Ausland ange­worben. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt. Danach wurden 2020 im Rahmen des „Triple-Win-Programms“ der Bundesagentur für Arbeit und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) insgesamt 759 Pflegekräfte angeworben, darunter 234 aus Vietnam, 210 von den Philippinen, 156 aus Bosnien und Herzegowina, 127 aus Tunesien und 32 aus Serbien. 593 ausländische Pflegekräfte reisten nach der Erledigung der Formalitäten im vergangenen Jahr nach Deutschland ein. Das ist ein Anstieg um rund 30 Prozent gegenüber 2019, als 453 Pflegekräfte nach Deutschland kamen. Die Zahl der mit Hilfe des Programms eingereisten Pflegekräfte erhöhte sich damit seit 2016 auf insgesamt 2.813. Das wichtigste Herkunftsland sind die Philippinen mit 1.294 Pflegekräften. Es folgt Serbien (759), Bosnien und Herzegowina (644), Vietnam (84) und Tunesien (32). (…) Die Linkspartei übte heftige Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Gesundheits­minister verweigere jeden noch so kleinen Schritt, um die Pflege solidarisch zu finanzieren, sagte Pflegeexpertin Pia Zimmermann dem Redaktionsnetzwerk. Damit blockiere er auch die finanziellen Voraussetzungen für eine bessere Bezahlung in der Altenpflege, die seit Jahren überfällig sei. „Stattdessen zieht er bei der Anwerbung im Ausland alle Register. Dort fehlen jetzt die Fachkräfte in der Pandemiebekämpfung“, beklagte Zimmermann.“ Meldung vom 26. April 2021 vom und beim Ärzteblatt online externer Link
  • Nurses for sale. Ein brutales Geschäft: Wie dubiose Vermittler ausländische Pflegekräfte zur Ware machen 
    “Die zweite Welle der Corona-Pandemie zeigt gerade, wie kritisch der Mangel von Pflegekräften in Deutschland ist. Intensivstationen geraten ohne ausreichend Personal an ihre Grenzen. Verzweifelte Krankenhäuser versuchen, Pflegekräfte in Südamerika, dem Balkan und Asien anzuwerben. Ein lukratives Geschäft für Vermittler – von denen einige Geschäfte um jeden Preis machen. Ein Preis, den die Pflegekräfte zahlen. (…) In einigen Regionen ist das Gesundheitssystem bereits von ausländischen Kräften abhängig. Bis zu 15.000 Euro zahlen Kliniken als Kopfprämie an Vermittler, die sich weltweit auf die Jagd nach gut ausgebildetem Fachpersonal begeben. Aber das Versprechen von einem neuen Leben ist an fragwürdige Konditionen geknüpft. Zu spüren bekommen die Pflegerinnen und Pfleger das, wenn sie den Arbeitgeber wechseln wollen. Dann müssen sie die Kosten ihrer Anwerbung erstatten – ihre Zeit in Deutschland beginnt also mit einer Schuld, die sie abtragen müssen. Das finanzielle Risiko liegt oft vollständig bei ihnen, nicht bei den Krankenhäusern oder den Vermittlern – für die ist es damit das perfekte Geschäft. Ein Geschäft, das auch zu Missbrauch einlädt. Unsere Recherchen zeigen, dass es Krankenhäuser und Vermittler gibt, die mit Knebelverträgen zulasten der Pflegerinnen arbeiten. Die Politik unternimmt kaum etwas, um diese unlauteren Praktiken zu verhindern. Es ist schwer genug, überhaupt noch Pflegekräfte zu finden. Auf dem Balkan und in Südeuropa gibt es kaum noch verfügbares Personal. Daher suchen die Krankenhäuser in immer ferneren Ländern, in Südamerika und Asien. CORRECTIV hat gemeinsam mit Partnern in Südamerika, Serbien und Spanien sowie mit Lokalzeitungen in Deutschland recherchiert, wie brutal das Vermittlungsgeschäft für die Opfer sein kann. „Das grenzt meiner Meinung nach schon teilweise an modernen Menschenhandel, wie man mit den Nöten und Sorgen der Menschen umgeht und daraus eben Profit schlägt“, sagt Isabell Halletz, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte. (…)  Auf dem Pflegemarkt arbeiten viele seriöse Personalvermittler, die die Pflegerinnen zum Beispiel bis zur Anerkennung eines ausländischen Ausbildungsabschlusses begleiten. „Die behördlichen Anforderungen sind so komplex, dass die Pflegerinnen ohne Hilfe der Personalvermittlungsagenturen oder der Arbeitgeber nicht in der Lage sind, sich in Deutschland zu bewegen und beruflich Fuß zu fassen“, erklärt Lukas Slotala, der Erfahrung als Dezernent für Pflegeberufe am Regierungspräsidium in Darmstadt hat. Doch der aktuelle Boom zieht auch Geschäftsleute an, die mit widersprüchlichen Versprechungen arbeiten, als könnten sie die wichtigste Regel des Sprachenlernens außer Kraft setzen (…) Denn bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte gibt es ein Problem: Die Kosten für den Sprachkurs, die Reise nach Deutschland, das Anerkennungsverfahren und die Vermittlungsgebühren summieren sich pro Pflegekraft auf einen fünfstelliger Betrag. Krankenhäuser fürchten, dass sich die Ausgaben nicht lohnen, weil die ausländischen Beschäftigten nur einige Monate bleiben und dann zurückreisen oder zu einem anderen Arbeitgeber wechseln könnten. Manche Krankenhäuser wie auch Vermittler bürden dieses Risiko vollständig den Pflegekräften auf: Sie sollen Knebelverträge unterschreiben, damit sie diese Kosten in solchen Fällen selber tragen müssen (…) Es gibt bei der internationalen Rekrutierung von Arbeitskräften eine Methode, die ohne Vermittler und Knebelverträge auskommt: die Anwerbung durch den Staat. Seit 2013 werben die Bundesagentur für Arbeit und die Entwicklungshelfer der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in mehreren Staaten Pflegekräfte für Deutschland an, dazu zählen Vietnam, die Philippinen, Tunesien, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien. Das Projekt heißt „Triple Win“ externer Link, weil angeblich drei Seiten davon profitieren sollen: das deutsche Gesundheitssystem, die Pflegekräfte, die Arbeit in Deutschland finden und die Partnerländer, deren Arbeitsmarkt entlastet werden soll. Doch das staatliche Programm kann den Bedarf bei weitem nicht decken. Über Triple Win reisten bis November 2020 insgesamt etwa 2.600 Pflegekräfte nach Deutschland ein – das sind nicht einmal zehn Prozent derer, die in den vergangenen Jahren einen Antrag auf Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse in Deutschland stellten. Während sich seriöse Vermittler je nach Vereinbarung mit dem Krankenhaus auch noch um die Integration kümmern, endet das staatliche Programm mit der Einreise der Pflegekräfte nach Deutschland…“ Beitrag vom 25.11.2020 bei CORRETIV externer Link
  • Osteuropäische Altenpflegerinnen – eine Art Sklavenhaltung 
    “Im Alter stellt sich die Frage: Wo bekommt man jemanden her, der für die pflegebedürftigen Eltern oder für einen selbst sorgt? Schnell kommt man auf Mittel-Ost-Europäerinnen. Aus Ungarn, Polen, Rumänien. Warum? Sie sind zuverlässig und fleißig. Und billig! Aber geht das mit fairen Mitteln zu? Oft werden die Frauen unterbezahlt, geregelte Arbeitszeit ist für sie ein Fremdwort. Zu dieser Problematik kam jüngst aus Berlin ein spektakuläres Urteil, das könnte die ganze Pflegebranche aufmischen. Außerdem schauen wir uns ein konkretes Beispiel an, wie man Pflegekräfteeinstellen kann, ohne sie auszubeuten.“ Beitrag von Bernd Wolf vom 10.11.2020 bei SWR1 externer Link als Radioreport Recht mit Audio-Beitrag zum Hören und PDF-Dokument zum Nachlesen
  • Verbände fordern Amnestie bei Schwarzarbeit in häuslicher Pflege 
    Die „osteuropäische Lösung“ heißt es, wenn Pflegekräfte aus dem Ausland die häusliche Rund-um-die-Uhr-Pflege alter Menschen übernehmen. Schwarzarbeit ist an der Tagesordnung. Das soll sich ändern. Wohlfahrtsverbände, Politik und Gewerkschaften fordern mehr Arbeitnehmerschutz für Zehntausende osteuropäische Pflegekräfte, die in deutschen Privathaushalten alte und kranke Menschen pflegen. Pflegebedürftige, ihre Familien und auch die Beschäftigten brauchten Rechtssicherheit, damit es in der Corona-Pandemie nicht zu einem Versorgungsengpass in der häuslichen Pflege komme, heißt es in einem Antrag der SPD für eine Expertenanhörung des Arbeits- und Gesundheitsausschusses im Landtag am Mittwoch. Die SPD fordert eine Amnestieregelung. (…) Auch das Unternehmen „CariFair“ vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn hält eine Kriminalisierung der Beteiligten „für unangemessen“, da die Beschäftigungsverhältnisse aufgrund einer Notlage auf beiden Seiten eingegangen würden. Betreuungskräfte aus Polen stellen nach Angaben des Beratungsnetzwerks „Faire Mobilität“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aktuell die größte Beschäftigtengruppe in der Branche dar. Häufigste Vertragsform sei der „polnische Dienstleistungsvertrag“. Damit sei die Pflegekraft quasi selbstständig und habe keinen Anspruch auf Arbeitnehmerschutzrechte wie bezahlten Urlaub, Kündigungsschutz oder Lohnfortzahlung bei Krankheit. In Polen werde der Vertrag daher auch als „Müllvertrag“ bezeichnet. Eines der größten Probleme in der Branche seien die Arbeitszeiten. Für die Pflegekräfte aus Osteuropa habe sich der Werbeslogan „24 Stunden Pflege“ eingebürgert. (…) Die SPD fordert, dass Bund und Länder bei der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister am 26. und 27. November das Thema vorantreiben. …“ dpa-Meldung vom 04.11.2020 bei der Aachener Zeitung online externer Link
  • Das europäische Care-Grenzregime in einem „Europa ohne Grenzen“ 
    “Wegen der Corona-Pandemie wurden Care-Arbeiterinnen und -Arbeiter plötzlich als unverzichtbar für das Funktionieren der Gesellschaft wahrgenommen. Ärztinnen und Ärzte und medizinisches Personal wurden für ihre harte Arbeit gelobt, die sie trotz des hohen Infektionsrisikos leisteten. Der Gesellschaft kamen auch die Pflegekräfte ins Bewusstsein, die zu Tausenden in Seniorenheimen und in der privaten Pflege arbeiten und normalerweise unsichtbar sind. Zusätzlich machte eine abrupte Schließung der Grenzen deutlich, dass es sich bei den Pflegekräften oft um Arbeitsmigrantinnen und -migranten handelt, die aus den EU-Mitgliedsstaaten in Mittel- und Osteuropa, aber auch von außerhalb der EU kommen. Einreisegarantien für Pflegekräfte wurden über Nacht zur Top-Priorität zwischenstaatlicher Verhandlungen, da in vielen wohlhabenderen europäischen Ländern ein akuter Mangel drohte. Viele europäische Medien forderten Solidarität von den EU-Mitgliedsstaaten ein, aus denen die regelmäßig pendelnden Care-Migrantinnen und -Migranten kommen, etwa Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Polen oder Tschechien. Diese wurden als heroisch und selbstlos dargestellt, allerdings wurden die prekären Arbeitsbedingungen, die schlechte Bezahlung und die emotionale Belastung, fern der Heimat und getrennt von der eigenen Familie zu leben, meist nicht erwähnt. Die Pandemie hat gezeigt, dass die offenen Grenzen im europäischen Schengen-Raum ein spezielles europäisches Grenzregime für Care-Arbeiterinnen und -Arbeiter geschaffen haben, das reichere EU-Länder insbesondere nutzen, um den „Nachschub“ an gering entlohnten Pflegekräften sicherzustellen. Dies geschieht oft über Vermittlungsagenturen, die von älteren Menschen oder Familien, die es sich leisten können, beauftragt werden, oder die für Pflegeeinrichtungen tätig sind, in denen die Arbeitskosten gedrückt werden, um das Geschäft der Altenpflege profitabel zu machen. Wie kam es zu dieser Situation? (…) Hinzu kommt, dass mit dem allmählichen Abbau des Wohlfahrtsstaates in Europa, der seit den 1990er Jahren und der Auflösung des ehemaligen Ostblocks zu einem dominierenden Trend geworden ist, die Unterstützung für öffentliche Einrichtungen zur Betreuung und Pflege zurückgegangen ist und man stattdessen auf den Markt setzte, der die Defizite beheben sollte. Care-Arbeit und gesellschaftliche Reproduktion werden nicht als allgemeingesellschaftliche Aufgabe betrachtet, sondern marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen und bleiben Aufgabe der Privatpersonen und damit Teil des Privatsektors. Auch die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung speziell der unbezahlten Care-Tätigkeiten, aber auch der Reproduktionsarbeit und Care-Arbeit allgemein haben sich nicht maßgeblich verändert. (…) Die Unterscheidung zwischen bezahlter produktiver und unbezahlter reproduktiver Arbeit ließ eine Hierarchie der bezahlten Arbeit entstehen. Die politische Ökonomie der gesellschaftlichen Reproduktion in der spätkapitalistischen Gesellschaft umfasst nicht nur, dass sorgende, erhaltende und reproduktive Arbeit, die vorwiegend von Frauen geleistet wird, zum Nutzen der Allgemeinheit unentgeltlich erfolgt, sondern auch, dass die bezahlte Care-Arbeit ökonomisch unterbewertet wird. (…) Das Konzept der Grenzen und institutionalisierter Grenzregime ist entscheidend für die Entstehung und Bewahrung von Strukturen, in denen Care-Arbeit geringgeschätzt und schlecht entlohnt wird. Grenzen werden selektiv geöffnet, um den „Nachschub“ an Care-Migrantinnen zu sichern. Gleichzeitig tragen die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den Ländern und deren unterschiedliche Einbindung in die globale Ökonomie dazu bei, die tagtägliche Macht der Grenzen zu wahren, mit der Menschen kategorisiert werden, und die bestehende geopolitische Hierarchie zu erhalten. Grenzen sorgen dafür, dass Arbeitskräfte in Gestalt von Migranten verfügbar sind, aber nur unzureichend von der Gesellschaft aufgenommen werden und daher eine untergeordnete Stellung einnehmen. (…) Ich bezeichne diese Entwicklung als „verzerrte Emanzipation“. Während sich der Begriff der „stagnierenden Geschlechterrevolution“ auf eine Veränderung der geschlechtsspezifischen Strukturen in der Bildung und die Teilhabe am Arbeitsmarkt bezieht, die in Konflikt steht zur traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie, geht es bei der verzerrten Emanzipation um die gesellschaftliche Ungleichheit, die aufgrund der Ökonomisierung und Kommodifizierung der sozialen Reproduktion in der spätkapitalistischen Gesellschaft besteht. Dadurch wird eine Situation geschaffen, in der die Emanzipation bestimmter Gruppen von Frauen tatsächlich von ihrem Geschlecht und der sozialen Ungleichheit anderer Gruppen abhängt. Das hat zur Folge, dass sich die für einen Teil der Frauen positiven Aspekte auf die langfristige globale wirtschaftliche und kulturelle Ungleichheit auswirken. Die „verzerrte Emanzipation“ bezeichnet eine Situation, in der die Emanzipation der Frauen in der Form, in der sie heute gefördert wird, untrennbar mit den Strukturen globaler Ungleichheit verbunden ist. Aufgrund der daraus erfolgenden Reproduktion der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung behindert sie eine Fortführung der stagnierenden Geschlechterrevolution. Sie reproduziert eine traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, bei der sich die meisten Männer aus der Care-Arbeit heraushalten und diese privat bleibt. (…) Der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt für Care wird oft als Win-Win-Situation dargestellt, in der alte Menschen und Familien mit kleinen Kindern eine erschwingliche hochwertige Betreuung oder Unterstützung im Haushalt erhalten und Migrantinnen und Migranten eine Arbeit haben, die besser bezahlt ist als vergleichbare Tätigkeiten in ihrer Heimat. Doch tatsächlich wird damit eine rechtliche Situation geschaffen, in der strukturelle Ungleichheiten aufgrund der Nationalität bestehen und bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden, obwohl gleichzeitig der Mythos eines egalitären und integrierten Europas heraufbeschworen wird. Hauptmerkmal dieses Systems sind die ökonomischen Ungleichheiten zwischen nah beieinanderliegenden Regionen, wodurch die Idee eines geeinten Europas untergraben wird…“ Artikel von Zuzana Uhde vom 30.10.2020 bei der Bundeszentrale für politische Bildung externer Link
  • Brain Gain. Deutschland ist einer der Hauptprofiteure vom Brain Drain aus ärmeren Ländern. Diese verlieren dadurch teuer ausgebildete Fachkräfte 
    Deutschland zählt zu den Staaten, die am stärksten vom Zuzug hochqualifizierter Arbeitskräfte aus ärmeren Regionen Europas profitieren. Dies belegt eine aktuelle Studie des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche. Demnach steigt vor allem im Gesundheitswesen die Zahl etwa aus Ost- und Südosteuropa stammender Fachkräfte rasch an. In deren Herkunftsländern verursacht der Brain Drain – auch mit Blick auf die Covid-19-Pandemie – große Probleme; so ist die Quote der Ärzte und Pflegekräfte pro 100.000 Einwohner etwa in Polen nur wenig mehr als halb so groß wie in Deutschland; in Albanien liegt sie noch deutlich darunter. Die Bundesregierung stellt negative Auswirkungen auf die Herkunftsländer in Abrede und spricht von einer angeblichen Win-win-Situation. Auf europäischer Ebene formiert sich inzwischen allerdings Widerstand gegen die Abschöpfung von Fachkräften, für deren Ausbildung die Herkunftsstaaten in aller Regel hohe Summen gezahlt haben – Investitionen, von denen nun die reichen Länder West- und Nordeuropas, vor allem Deutschland, profitieren…“ Beitrag vom 31.7.2020 von und bei German-Foreign-Policy externer Link
  • Coronavirus: Die Flucht der Pflegekräfte innerhalb der EU 
    “… Und das nicht nur in Österreich. In ganz Europa gefährdet die Pandemie die Versorgung alter Menschen zu Hause, weil Pflegekräfte nicht mehr zu ihnen können – oder das jeweilige Land fluchtartig verlassen haben Richtung Heimat. Inzwischen hat auch die EU gemerkt, dass der Verkehr von Menschen für die Europäische Union ebenso wichtig ist wie der von Waren. „Tausende von Frauen und Männern müssen auf ihrem Weg zur Arbeit EU-Grenzen überqueren“, sagte der für Beschäftigung zuständige EU-Kommissar Nicolas Schmit. „Wir sind gemeinsam dafür verantwortlich, dass wir ihnen keine Hindernisse in den Weg legen.“ Mit Leitlinien will die EU-Kommission die Mitgliedstaaten dazu bringen, den Grenzübertritt für diese Arbeiter zu erleichtern. Das gilt für Erntehelfer, medizinisches Personal – aber auch für Kinder- oder Altenpfleger. „Die Kommission bittet die Mitgliedstaaten dringend darum, schnelle Grenzverfahren für diese Arbeitskräfte zu ermöglichen“, heißt es in den Leitlinien. So könnten die Mitgliedstaaten an den Grenzen etwa spezielle Spuren öffnen. Ein anderer Weg seien „besondere Aufkleber“, die von benachbarten Staaten anerkannt würden. Gesundheitskontrollen dürften für ausländische Arbeitskräfte nicht strenger ausfallen als für Einheimische, die in denselben Berufen arbeiten. (…) Nach der Landung müssen d ie dringend benötigten 231 Helfer nun jedoch erst einmal für zwei Wochen in Quarantäne. Danach sollen sie vor allem in Niederösterreich eingesetzt werden. Dort, so heißt es im Sozialministerium, will man sie „motivieren, so lange wie möglich zu bleiben, zumindest vier bis sechs Wochen“. Eingeplant ist dafür ein Bonus auf den Lohn. In Polen schätzt die Zeitung Gazeta Wyborcza, dass mindestens 300 000 Polinnen und Polen – es sind überwiegend Frauen – als Ärzte, Krankenschwestern und Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern, Altenheimen und privaten Haushalten arbeiten. Dazu kommen Zehntausende weiterer Kräfte aus anderen Ländern Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas. Thomas Eisner vermittelt mit seiner Firma Eurovest Deutsche Pflegevermittlung aus dem bayerischen Rottendorf seit 17 Jahren Pflegekräfte aus Rumänien und Bulgarien, der Slowakei und Polen nach Deutschland; gewöhnlich sind es etliche Hundert jährlich. „Jetzt sind alle Länder geschlossen – nur mit Polen geht teilweise noch etwas“, sagt er. (…) Dazu kommt, dass viele Polen, die bisher in Deutschland arbeiteten, selbst alte Eltern oder Verwandte in der Heimat haben: Diese sollen seit dem 1. April nicht mehr auf die Straße gehen und sind nun auf Hilfe ihrer Verwandten angewiesen…“ Artikel von Karoline Meta Beisel und Peter Münch und Florian Hassel vom 03.04.2020 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Auch während der weltweiten Corona-Krise: Deutschland rekrutiert Pflegepersonal aus Lateinamerika 
    “Auch während der weltweiten Corona-Krise hält Deutschland an der Praxis fest, medizinische Fachkräfte aus anderen Ländern abzuwerben. Wie der zur ARD gehörende Auslandssender Deutsche Welle berichtet, wurden bis kurz vor der Schließung der deutschen Grenzen noch Pflegekräfte aus Argentinien und Brasilien eingeflogen, die nun Sprachunterricht erhalten und möglichst bald in Krankenhäusern eingesetzt werden sollen. (…) Während Deutschland dem World Health Report 2019 zufolge trotz des viel zitierten Fachkräftemangels rund 132 Pflegekräfte pro 10.000 Einwohner aufweist, sieht das in den Herkunftsländern anders aus. In Brasilien kommen 97,1 Pflegekräfte auf 10.000 Einwohner, in Mexiko und Argentinien sind es mit 29 bzw. 25,8 Pflegekräften pro 10.000 Einwohnern noch einmal deutlich weniger…“ Beitrag von Serena Pongratz vom 01.04.2020 bei amerika21 externer Link
  • Pflegekräfteimperialismus in Zeiten von Corona: Wie Deutschland sich an den Ressourcen anderer Länder bedient und wofür so ein Virus alles herhalten soll 
    Bekannt ist, dass Gesundheitsminister Spahn durch die Welt reist, um Pflegekräfte für den Dienst an deutschen Krankenhäusern zu gewinnen. (…) Das Märchen, ´es gebe hierzulande sozusagen naturwüchsig einfach viel zu wenig Interessenten für diesen Arbeitsbereich,  muss entschieden zurückgewiesen werden. Das ist aufgrund politischer Kalkulationen herbeigeführt worden, nicht ungezielt eingetreten. (…) Was sich in den letzten Jahren schon sowieso zu einem üblen Missstand in den Krankenhäusern entwickelt hat, da hinein wirkt nun der Corona Virus wie ein Brandbeschleuniger. Die Mittel dagegen sind in der Reihenfolge diese: 1. In der Tagesschau treuzherzig (Herr Spahn) schauen, Botschaft, wir haben alles im Griff. 2. Deshalb verdienen wir ganz viel Vertrauen. 3. Dem völlig überlasteten Pflegepersonal eine Konkurrenztruppe aus dem Ausland zuführen, die sowieso mit (fast) allem zufrieden ist. (…) Eines muss man Jens Spahn lassen, auch in der derzeitigen mehr als angespannten Katastrophen-Situation geht es ihm darum , die Gewinnmaschine Krankenhaus, die ja über viele Jahre sukzessive eingerichtet wurde, nicht in Frage zu stellen, sondern als Priorität vorn an zu stellen und den Ärzten und Organisatoren des Krankenhauswesens mit diesem aparten Gesichtspunkt, der unrüttelbar an Nummer 1 gesetzt ist, das Leben schwer zu machen.“ Artikel von Klaus Hecker vom 22.3.2020 – wir danken!

  • Serbien will keine Pflegekräfte mehr nach Deutschland schicken 
    „Die serbische Regierung beendet ein Projekt, das Pflegekräfte nach Deutschland vermittelte. „Komm nicht nach Serbien“, sagte Präsident Vučić mit Blick auf Jens Spahn. (…) Dabei geht es um das seit 2013 laufende Triple-Win-Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Bundesagentur für Arbeit (BA), das auch Vereinbarungen mit Bosnien und Herzegowina, Tunesien und den Philippinen beinhaltet. Im kommenden Jahr könnte Serbien die Vereinbarung mit Deutschland nun sogar ganz aufkündigen, heißt es in dem Bericht. Dabei beruft man sich auf Äußerungen des serbischen Arbeitsministers Zoran Djordjevic. Serbiens Staatspräsident Aleksandar Vučić habe in einem Fernsehinterview Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) attackiert, der im vergangenen Jahr im Kosovo und in Mexiko gewesen war, um dort um Pflegekräfte zu werben. Vučić wird mit den Worten zitiert: „Er sagt: Ich komme nach Serbien und hole eure Krankenschwestern ab. Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, ich möchte nicht, dass du nach Serbien kommst und meine Schwestern abholst. Ich schätze dich sehr, du bist ein toller Minister. Du hast das beste Gesundheitswesen der Welt. Aber komm nicht nach Serbien.“ Das Bundesgesundheitsministerium wollte die Sätze nicht kommentieren. Spahn habe jedoch nie aktiv um Pflegekräfte aus Serbien geworben, heißt es. Die Projektbeteiligten äußerten sich auf Anfrage zurückhaltend zum Aus der Vereinbarung mit Serbien. Das sei „für uns natürlich schade, aber selbstverständlich respektieren wir diese Entscheidung“, sagte eine Sprecherin der BA. Ähnlich formulierte es die GIZ. Die Aussage des Präsidenten und seine Vorwürfe gegen Spahn wollten beide nicht bewerten. Man wisse aber, dass ein Wechsel von Pflegekräften nach Deutschland in Serbien inzwischen „kritischer betrachtet wird als zuvor“, hieß es von der BA. Mit den anderen Partnerländern solle die Zusammenarbeit weiterlaufen…“ Meldung vom 19.02.2020 bei der Zeit online externer Link – siehe auch die zahlreichen Kommentare!
  • [DGB] „Zuwanderung löst nicht alles“. Arbeitsbedingungen müssen stimmen 
    In der Pflege droht uns ein massiver Versorgungnotstand. Fachkräfte aus dem Ausland alleine lösen die Probleme nicht. Nötig sind höhere Löhne und vor allem ein Tarifvertrag, der die Rechte der Beschäftigten wahrt. Hunderttausende vakante Stellen und ein stetig wachsender Bedarf: Bei der Pflege steht Deutschland kurz vor dem Katastrophenfall. Schon jetzt fehlen Fachkräfte und davon wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch in Mexiko nicht genug finden. Dass uns ein massiver Versorgungsnotstand droht, ist ein hausgemachtes Problem. Die wenigsten halten es auf Dauer im Pflegeberuf aus: Die Löhne sind zu niedrig, die Arbeitsbedingungen oft schlecht, die Arbeit psychisch und körperlich anstrengend. Wegen des Personalmangels stehen die Beschäftigten ständig auf Abruf. Und so lange frei nicht frei ist, gehen die Pflegenden reihenweise in die Knie – oder suchen sich einen anderen Job. Nötig sind also bessere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und vor allem ein Tarifvertrag, der die Rechte der Beschäftigten wahrt. Zuwanderung kann punktuell helfen, aber die Bedingungen müssen für alle stimmen. Aus den Beratungsstellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für mittel- und osteuropäische Arbeitnehmer kennen wir jedoch allzu viele Knebelverträge. Deshalb muss die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland transparent und unter hohen Standards erfolgen. Keinesfalls darf sie zu einem ausbeuterischen Geschäftsmodell für dubiose Privatvermittler werden. Arbeitnehmer werden erpressbar, wenn sie die haarsträubendsten Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen, um ihre Schulden durch überhöhte Vermittlungsgebühren abzubezahlen. Deswegen fordern die Gewerkschaften, die Anwerbung am besten über die öffentliche Arbeitsverwaltung unter Beteiligung der Sozialpartner zu organisieren…“ DGB am 30.1.2020 externer Link zum Gastbeitrag von Annelie Buntenbach vom 29.01.2020 in der Frankfurter Rundschau (falsch verlinkt beim DGB), siehe dazu:

    • Anwerbung von Pflege- und Gesundheitsfachkräften durch die GIZ, ZAV und die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen des Projekts „Triple Win“
      Im Pflegebereich in Deutschland herrscht akuter Fachkräftemangel. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wirbt die Bundesregierung mit Projekten wie „Triple Win“ seit Jahren immer stärker um qualifiziertes Personal aus dem Ausland, obwohl dies negative Auswirkungen für die Herkunftsländer hat. Dadurch wird der global voranschreitende Brain Drain weiter verstärkt. Die Kleine Anfrage behandelt dies kritisch…“ Kleine Anfrage vom 6.1.20 – Drucksache Nr. 19/16102 externer Link und die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (Bundesdrucksache 19/16732 vom 23.01.2020 externer Link )
  • Die Zahl der Altenpflegekräfte aus dem Ausland steigt: Fast 60 Prozent aus Nicht-EU-Staaten, vor allem aus dem Westbalkan 
    “Die Zahl der Altenpflegekräfte aus dem Ausland ist seit 2013 um rund 50.000 gestiegen. Das geht aus Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor, die dem MiGAZIN vorliegen. Demnach waren zum Stichtag 31. März 2013 gut 30.000 ausländische Kräfte in der Altenpflege tätig. Ende März des laufenden Jahres gab es knapp 80.000 ausländische Altenpflegekräfte. Davon waren rund 50.000 als Helfer beschäftigt. Knapp 30.000 Ausländer arbeiteten als Fachkräfte, Spezialisten und Experten in der deutschen Altenpflege, wie die Statistik ausweist. Der Ausländeranteil hat sich demnach in der Altenpflege zwischen März 2013 und März 2019 von 6,6 Prozent auf 13,2 Prozent verdoppelt. Im selben Zeitraum stieg über alle Branchen hinweg der Ausländeranteil unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland von 7,6 auf 12,1 Prozent, wie die Statistik der Bundesagentur zeigt: Im Jahr 2019 hatten von knapp 33,3 Millionen Beschäftigten etwas mehr als vier Millionen Menschen eine ausländische Staatsangehörigkeit. (…) Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, die Zahlen zeigten nur einen „kleinen Teil der Wirklichkeit“. Denn die bis zu 300.000 Hilfskräfte aus Ost- und Südosteuropa in privaten Haushalten würden in keiner offiziellen Statistik erfasst, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Ohne die vornehmlich Frauen aus Polen, Bulgarien, Rumänien oder der Ukraine wäre die Pflege in den eigenen vier Wänden schon längst zusammengebrochen.“ Schließlich lebten über drei Millionen Pflegebedürftige daheim.“ Beitrag vom 20.01.2020 bei Migazin externer Link
  • Pflegekräfte vom Balkan – üppiges Geschäft für Vermittler 
    Deutsche Kliniken sollen bis zu 15.000 Euro für die Vermittlung einer Pflegekraft vom Westbalkan bezahlen. Die Vermittler machen damit ein gutes Geschäft – doch für die Pflegekräfte geht es nicht immer gut aus. (…) Es ist nur eines von unzähligen Beispielen aus der „Auswanderungsindustrie“: Einer Branche, die einerseits aus der Misere auf dem Balkan und andererseits aus dem großen deutschen Bedarf nach medizinischen Fachkräften geboren wurde. Seit Jahren werben Vermittlungsagenturen und deren Mittelsmänner um Personal vom Westbalkan und die Gunst der deutschen Kliniken und Altersheime, die fette Prämien für die Vermittlung anbieten. Die deutsche Arbeitsagentur zählte zuletzt insgesamt 50.000 Staatsbürger aus sechs Staaten des westlichen Balkans (Serbien, Bosnien/Herzegowina, Albanien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro) im medizinischen Sektor. Es waren rund 6500 Menschen mehr als im Jahr zuvor (siehe Grafik). (…) Ein leitender Mitarbeiter einer deutschen Pflegeheimkette sagt, sie seien mittlerweile bereit, rund 10.000 Euro pro Pflegekraft an Vermittler zu bezahlen. Ein vereinbartes Interview mit der DW sagte dieser Mitarbeiter dann kurzfristig ab. Viele aus der Branche wollen das Thema in der Öffentlichkeit nicht besprechen. Mehrere Vermittler sagen, sie bekämen sogar bis zu 15.000 Euro für eine Pflegerin, die sie vom Balkan nach Deutschland bringen. Die angegebenen Summen sind nicht nachprüfbar. Der Betrag wird laut Vermittler mit Sprachschulen und Anwerbern vor Ort geteilt. Die Branche dürfte geschätzt mehrere hundert Millionen Euro jährlich umsetzen, und fühlt sich oft kaum jemand an irgendwelche Regeln gebunden. (…) Die Vermittler wissen ganz genau, was ihnen einen Strich durch die Rechnung machen kann: wenn ein Bewerber, dem sie schon die Sprachschule und andere Vorbereitungen bezahlt haben, aus irgendeinem Grund doch keinen Vertrag mit dem Arbeitgeber in Deutschland abschließt. Deswegen lässt Pro Sert, eine Agentur aus der zentralserbischen Stadt Kragujevac, die Bewerber einen Vertrag unterschreiben, der eine Strafe von 3000 Euro vorsieht, wenn sie abspringen. Das ist ein durchschnittlicher halber Jahreslohn in Serbien. Einige Verträge, die der DW vorliegen, zeigen: Der Bewerber bezahlt die Strafe, wenn er abspringt, über eine andere Agentur nach Deutschland geht oder die ersten beiden Jobangebote ablehnt, die ihm Pro Sert macht...“ Beitrag von Nemanja Rujević, Sanja Kljajić und Ajdin Kamber vom 13.01.2020 bei der Deutschen Welle externer Link
  • Caritas: Anwerbung von Pflegekräften muss fair sein
    Bei der Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland dringt der Wohlfahrtsverband Caritas darauf, auch die Belange der Migranten zu berücksichtigen. Die Interessen Deutschlands und die der Herkunftsländer seien gleichwertig. Die Caritas sucht händeringend Pflege-Fachkräfte. Aber eine aggressive Rekrutierung im Ausland lehnt der katholische Wohlfahrtverband ab. „Die Anwerbung von Pflegekräften aus Ländern, in denen ein Pflegepersonalnotstand herrscht oder die eine ähnliche demografische Entwicklung haben wie wir in Deutschland, ist sehr kritisch zu bewerten“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher dem „Evangelischen Pressedienst“. Aber es gibt laut Neher auch Nicht-EU-Länder, in denen sich diese Fragen so nicht stellen. Dort sei, vorausgesetzt die Pflegekräfte würden gut vorbereitet und begleitet, eine Anwerbung durchaus möglich. „Eine solche Migration kann durchaus einen Beitrag leisten zur Milderung des Pflegenotstands bei uns.“ Der Caritas-Präsident verweist zum Beispiel auf die Philippinen. Nicht wenige Menschen hätten sich dort als Pflegekraft ausbilden lassen, um nach Europa zu kommen. Das sei ihr Lebensplan. „Ich sehe nicht, warum wir ihnen das verbieten oder solche Modelle nicht gezielt auf andere bevölkerungsreiche Staaten übertragen sollten.“ Bei allen Aktivitäten zur Anwerbung müsse strikt beachtet werden, dass der Weggang qualifizierter junger Leute keine Versorgungslücken im Herkunftsland reißen dürfe…“ Artikel von Dirk Baas vom 15.01.2020 beim Migazin externer Link
  • Helios Kliniken Schwerin: Pflegekräfte aus Mexiko eingestellt – Der Markt für Pflegekräfte in Osteuropa sei inzwischen „abgegrast“ 
    “20 mexikanische Frauen und Männer zwischen 25 und 30 Jahren werden in diesem Jahr an den Helios Kliniken Schwerin als Pflegekräfte eingestellt. In ihrer Heimat haben sie eine akademische Ausbildung zur Pflege absolviert, sowie einen Deutschkurs belegt. Die Fachkräfte aus Guadalajara werden ihre Arbeit jedoch erst im Spätsommer 2020 aufnehmen. Zunächst stehen Deutsch- und Integrationskurse an, anschließend werden sie noch mal drei Monate lang fachlich auf ihren Einsatz an einer deutschen Klinik vorbereitet, sie lernen deutsche Standards für Hygienebestimmungen oder auch den Umgang mit medizinischen Verfahren. Die Ausbildung schließt mit einer sogenannten Kenntnisstandprüfung ab. Danach sind sie vollständig anerkannte Pflegekräfte und werden so wie ihre deutschen Kollegen bezahlt: Sie erhalten einen Brutto-Monatslohn zwischen 2.600 und 2.800 Euro. Der Markt für Pflegekräfte in Osteuropa sei inzwischen „abgegrast“, sagte ein Sprecher der Helios Kliniken Schwerin wörtlich. Es gebe seit einigen Jahren eine regelrechte Wanderungsbewegung der Fachkräfte nach Skandinavien. Das betreffe sowohl deutsche als auch osteuropäische Arbeitskräfte. Zum anderen ist das mexikanische Pflegepersonal sehr gut ausgebildet; alle haben einen Bachelor-Abschluss an der Universität gemacht…“ Beitrag vom 03.01.2020 beim NDR externer Link
  • [HBS-Studie] Neue Pfleger aus dem Ausland sind schnell frustriert 
    “Deutschland ist spät dran mit der Idee, fehlende Pflegestellen mit Fachkräften aus dem Ausland zu besetzen. Während die USA, Großbritannien, Australien und Kanada schon lange als Zielland für Pfleger gelten, begannen deutsche Kliniken und Pflegeheime erst 2012 verstärkt, ausländisches Personal einzustellen. Seitdem ist die Zuwanderung der Pfleger jedes Jahr ein wenig gestiegen. Insgesamt beantragten 32 000 Fachkräfte zwischen 2012 und 2017 die Anerkennung ihres Abschlusses in der Gesundheits- und Krankenpflege – etwa genauso viele Menschen, wie in diesem Zeitraum in Deutschland eine Umschulung zur Pflegekraft abschlossen. Das ist erst einmal eine gute Nachricht. Doch so unterschiedlich die Herkunft der deutschen Umschülerinnen und der Pfleger aus Serbien oder den Philippinen ist, so verschieden sind auch ihre Probleme am neuen Arbeitsplatz Altenheim. Für beide Gruppen fehlt eine gute Integration in die Betriebe: Nicht das Kommen, sondern das Bleiben bereitet neuen Fachkräften deshalb Schwierigkeiten, zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung externer Link  (…) Anders aber ähnlich problematisch gestaltet sich Larsen zufolge der Einstieg ausländischer Pfleger. Sie sind vom deutschen Pflegealltag eher unterfordert. Außerhalb von Deutschland sind Krankenpfleger meist akademisch gebildet, ihre Ausbildung und ihr Arbeitsalltag gleicht eher denen deutscher Ärzte. Reine Pflegetätigkeiten wie waschen oder Essen reichen gehört im Ausland selten zu ihren Aufgaben. Dies übernehmen dort Hilfskräfte oder die Familienangehörigen der Pflegebedürftigen. Doch obwohl die zugewanderten Kräfte hoch qualifiziert sind, werden sie in Deutschland zunächst nur für einfachste Tätigkeiten eingesetzt – etwa, weil ihre Deutschkenntnisse nicht gut genug sind oder weil die Anerkennung ihrer Berufsqualifikation bis zu 18 Monate dauern kann. Aufgrund der Sprachbarriere können ausländische Pfleger auch nur schwer ausdrücken, wie hoch ihre Kompetenzen eigentlich sind. Und wie wenig die Helferrolle zu ihnen passt. (…) Führungskräfte in Pflegeheimen sind für die Integration neuer Kräfte nicht qualifiziert, bemängelt sie. Das liege auch daran, dass die Integration und das Einarbeiten neuer Kräfte nicht von den Kassen finanziert wird. „Der Gesetzgeber tut viel für die Anwerbung von Pflegekräften“, sagte Larsen: „Mindestens bei der Finanzierung ihrer Integration in die Betriebe müsste er auch einsteigen“. Sonst steigen die Pfleger schnell wieder aus ihrem neuen Beruf aus.“ Artikel von Kristiana Ludwig vom 16.12.2019 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link – siehe dazu aktuell unser Dossier: (Fachkräfte)Einwanderungsgesetz: Die wichtigsten Punkte des Entwurfs – und die Debatte
  • „Spätkolonialistische Attitüde“. Experte: „Gesamtstrategie zur Anwerbung von Flüchtlingen für die Pflege fehlt“
    Allein mit der Ausbildungen von Flüchtlingen zu Pflegekräften ist dem Personalnotstand nicht beizukommen. Fachleute fordern eine Strategie und warnen vor der Anwerbung im Nicht-EU-Ausland mit „spätkolonialistischen Attitüden“ nach dem Motto „Hauptsache, wir in Deutschland sind versorgt“. Sebastian Riebandt von der nordrhein-westfälischen Koordinierungsstelle für Flüchtlinge in Pflege- und Gesundheitsberufen findet klare Worte: „Das volle Potenzial Geflüchteter in der Pflege ist noch nicht ausgeschöpft.“ Riebandt, dessen Stelle soziale Einrichtungen dabei unterstützt, aus ihrer Heimat geflohene Menschen in Heime, ambulante Dienste und Kliniken zu bringen, rät: „Ihre Ansprache auf lokaler Ebene sollte strukturierter und gruppenspezifischer erfolgen.“ Doch wo brauchen sie welche fachlichen Hilfen? Sind sie überhaupt informiert darüber, dass sich in der Pflege beste Berufsperspektiven bieten? (…) Valide Daten über die Zahl der Flüchtlinge, die bereits in der Pflege tätig sind oder eine Ausbildung dazu begonnen haben, gibt es nicht. Denn das Merkmal „Flucht“ wird in den Statistiken der Ausländer- oder Arbeitsmarktbehörden nicht erfasst. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bemüht sich, mehr Fachkräfte aus dem Ausland ins Land zu bringen. Erleichterungen gibt es für Herkunftsländer wie Mexiko, die Philippinen und das Kosovo. Diese Strategie findet keineswegs nur Zuspruch. Präsident Franz Wagner fordert, dass vor allem die Arbeitsbedingungen für das Personal hier in Deutschland signifikant verbessert werden müssten. „So könnte man viele deutsche Schwestern und Pfleger, die zum Teil aus Erschöpfung in Teilzeit arbeiten oder sich aus Frust beruflich neu orientiert haben, zurückgewinnen.“ Der Deutsche Caritasverband sieht die Anwerbung im Nicht-EU-Ausland ebenfalls kritisch. Man sollte nicht „spätkolonialistische Attitüden“ an den Tag legen nach dem Motto „Hauptsache, wir in Deutschland sind versorgt“, sagt Präsident Peter Neher…“ Beitrag von Dirk Baas vom 09.12.2019 bei Migazin externer Link
  • Fachkräftemangel in der Pflege: Spahn will Zugang für ausländisches Personal erleichtern
    Schätzungen zufolge werden in Deutschland im Jahr 2030 mindestens 100 000 Altenpfleger fehlen. Eine Agentur soll helfen, dass etwa von Krankenhäusern angeworbene Pflegekräfte schneller die Zuwanderungsverfahren der deutschen Behörden passieren. Bereits jetzt sollen der neuen Agentur 4200 Anträge von Pflegekräften vorliegen, 350 Euro soll ihre Unterstützung pro Person kosten…“ Artikel von Kristiana Ludwig vom 2. Dezember 2019 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Fachkräfte-Agentur soll Pflegekräfte aus dem Ausland vermitteln
    “… Eine neu gegründete Fachkräfteagentur soll die Vermittlung von Pflegekräften aus dem Ausland beschleunigen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (beide CDU) stellten am Montag in Berlin die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) vor. (…) Gesundheitsminister Spahn betonte, der Pflegebedarf in Deutschland werde weiter stark steigen. Die Zahl der Menschen, die Leistungen aus der Pflegeversicherung beziehen, sei in den vergangenen drei Jahren von 3 auf 4,1 Millionen gestiegen. Der Bedarf an Pflegekräften sei nicht allein durch Ausbildung, Umschulung und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Deutschland zu decken, sagte Spahn. (…) Insgesamt läuft die Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte nur schleppend. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zufolge arbeiten 62.500 Pflegefachkräfte aus dem Ausland in deutschen Pflegeheimen und Krankenhäusern (Stand März 2019). Das sind lediglich etwas mehr als sechs Prozent aller Pflegefachkräfte. Nach Auskunft der Bundesregierung fehlten bereits im April 2018 bundesweit rund 25.000 Alten- und Krankenpfleger – und dazu noch einmal 10.000 Hilfskräfte, um die offenen Stellen zu besetzen. …“ Beitrag vom 03.12.2019 bei Migazin externer Link
  • Ausländische Pflegekräfte in Deutschland: „Auf den Philippinen bekommen wir kaum mehr als den Mindestlohn“ 
    Die philippinische Krankenschwester Daisy Agravante ist eine von 154.000 Pflegekräften mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Deutschland. Sie fühlt sich wohl. Der Berufsverband sieht die Anwerbeoffensive des Bundesgesundheitsministeriums allerdings kritisch. (…) In ganz Deutschland arbeiten 154.000 Pflegekräfte mit ausländischer Staatsbürgerschaft – laut Bundesagentur für Arbeit ein Anteil von neun Prozent. Bundesgesundheitsminister Spahn freut sich über jeden einzelnen, der zum Arbeiten hierher kommt: „Wir haben im Moment 50.-80.000 Stellen… Das sind finanzierte Stellen: Das heißt, das Geld dafür ist da, die könnten heute, morgen eingestellt werden. Und unser Arbeitsmarkt ist einfach leer gefegt.“ Sein Ministerium bemüht sich  zudem ganz offensiv um weitere Pflegekräfte aus dem Ausland. Im Juli unterzeichnete Spahn eine Absichtserklärung mit dem Kosovo. Es geht um eine Zusammenarbeit in der Ausbildung zwischen beiden Ländern und die schnellere Anerkennung von Berufsabschlüssen ausländischer Pflegefachkräfte. Auch mit Mexiko und den Philippinen sind solche Abkommen geplant. (…) Franz Wagner ist Geschäftsführer des Berufsverbands und auch Präsident des Pflegerats. Dass die Bundesregierung endlich versucht, etwas gegen den Fachkräftemangel in Pflegeberufen zu tun, sei richtig. Sie aber aus dem Ausland zu holen, das hält Franz Wagner nicht für die beste Lösung. Er denkt, dass vor allem die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal signifikant verbessert werden müssten. So könnte man viele deutsche Schwestern und Pfleger, die zum Teil aus Erschöpfung in Teilzeit arbeiten oder sich aus Frust beruflich neu orientiert haben, zurück gewinnen. Außerdem:  In den Heimatländern könnten plötzlich nicht genug Pflegekräfte da sein, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. „Die WHO hat einen ethischen Code erlassen, der die ärmsten Länder davor schützen soll, ausgebeutet zu werden, weil reiche Länder, die Menschen dort weglocken, weil sie wurden ja mit Geld von dort ausgebildet, aber dann gehen sie ins Ausland und fehlen in dem dortigen System. Oft gibt es tatsächlich arbeitslose Pflegekräfte in den Ländern. Aber die sind arbeitslos, nicht, weil sie nicht gebraucht werden, sondern weil das Land es sich nicht leisten kann, sie zu beschäftigen.“ Dass diese Aussage auf den Kosovo und auch Mexiko zutrifft, sagt auch der Bundesgesundheitsminister…“ Beitrag von Heike Bredol vom 18.11.2019 beim Deutschlandfunk Kultur externer Link
  • [Jetzt Mexiko] Pflege in der Mangel 
    „Höchstpersönlich reiste Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im September nach Mexiko, um vor Ort Pflegefachkräfte anzuwerben. Das Geld für 13.000 neue Stellen in der Altenpflege sei da, aber der Arbeitsmarkt für Fachkräfte in Deutschland leer gefegt. Daher setzt die Bundesregierung nun vermehrt auf Anwerbung: Pflegepersonal aus den Philippinen, dem Kosovo und nun auch Mexiko sollen helfen, den deutschen Pflegenotstand zu beheben. Auf seiner Reise betonte Spahn, dass er keinesfalls anderen Ländern die Pflegekräfte klauen wolle, nur herbei zaubern könne er sie auch nicht. Also versucht er sein Glück in Ländern, die laut der Bundesregierung nicht zu denen gehören, die selbst einen kritischen Mangel an Gesundheitsfachkräften aufweisen. In Deutschland kommen 180 medizinische Fachkräfte auf 10.000 Einwohner*innen, in Mexiko knapp ein Viertel davon. Deutschland wirbt also einem selbst unterversorgten Land ausgebildete Pflegearbeiter*innen ab._Im öffentlichen Sektor wird diese Entwicklung als Care Drain bezeichnet: Das Entsendeland leidet aufgrund des Verlusts ausgebildeter Fachkräfte unter den wirtschaftlichen und humanitären Folgen. „In den Herkunftsländern werden Zuneigung und Fürsorge auf die gleiche Weise geplündert wie früher Rohmaterialien oder Arbeitskraft“, schreibt die spanische Ökonomin Amaia Pérez Orozco über grenzüberschreitende Pflegeketten, entlang derer weltweit Migrantinnen in Privathaushalten, bei Dienstleistern und im öffentlichen Gesundheitssektor Pflegetätigkeiten ausführen. (…) Care-Arbeit, Sorge und Fürsorge im weitesten Sinn, gehört weltweit zu den am stärksten wachsenden Arbeitsbereichen. Die Lücke zwischen zu versorgenden Menschen und fürsorgenden Menschen wächst, im Jahr 2030 werden laut Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 400 Millionen ältere Menschen auf Pflege angewiesen sein. Die Pflegekrise bekommt nun mehr Aufmerksamkeit, die Debatte darum berücksichtigt jedoch nur selten, dass die Doppelbelastung für Arbeiterinnen schon lange Realität ist. Die geschlechtliche Arbeitsteilung führt dazu, dass Emanzipation von reichen Frauen auch auf Kosten anderer Frauen geht. Die Eingliederung vieler Frauen in den Arbeitsmarkt führt also nicht zu einer gesamtgesellschaftlich gerechter verteilten Sorgeverantwortung, sondern gibt diese einfach an andere, ärmere Frauen weiter. So hüten Ecuadorianerinnen schon lange Kinder in Spanien und nun sollen auch Mexikanerinnen alte Menschen in Deutschland pflegen…“ Beitrag aus Lateinamerika-Nachrichten Nr. 545 vom November 2019 externer Link – Bei vielem hat sie recht, doch in einem Punkt irrt sich Amaia Pérez Orozco: Dass Span mit seiner Exportoffensive überhaupt Erfolg haben kann, liegt einzig an den Verhältnissen in Mexiko. Oder wie jüngst Achim Steiner von der UNDP treffend für die afrikanische Migration feststellte: „Durch ihre Entscheidung, wegzugehen, klagen die jungen Afrikaner ihre eigenen Regierungen an“ Warum sollen nun gerade die von den miesen Verhältnissen in Mexiko Betroffenen mit ihrer Anwesenheit die Defizite ausgleichen, die sie am wenigsten zu verantworten haben? Ich bezeichne diese bei Linken beliebte Sichtweise deshalb auch als eine neue Art „globaler Sozialpartnerschaft“ im Sinne von: „Bitte darauf achten, dass es in allen kapitalistisch orientierten Staaten sozial zugeht“. Bestenfalls könnte man sagen, dass Flucht auch keine Lösung ist; allerdings bei unveränderten gesellschaftlichen Verhältnissen zu bleiben, auch nicht.

  • Fachkräfteanwerbung: Spahn will mehr Pflegekräfte aus dem Ausland 
    „… Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will verstärkt Pflege-Fachkräfte aus dem Ausland holen. Einem Bericht des „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ zufolge will der Minister in wenigen Tagen nach Mexiko reisen, um dort Gespräche über eine vertiefte Zusammenarbeit in diesem Bereich zu führen. „Ich möchte, dass wir mit Ländern kooperieren, die über den eigenen Bedarf ausbilden“, sagte Spahn am Dienstagabend beim „Berliner Salon“ des „RedaktionsNetzwerks“ in Berlin. „Was ich nicht möchte, ist, dass wir anderen Ländern die Pflegekräfte klauen“, betonte er zugleich. Im Sommer war der Minister in ähnlicher Mission in den Kosovo gereist. Auch mit den Philippinen ist eine Kooperation geplant. Spahn sagte, es gehe auch um eine beschleunigte Anerkennung von Berufsabschlüssen, Kurse zur Weiterqualifizierung in Deutschland sowie eine schnellere Visa-Vergabe an Pflege-Fachkräfte. Der Gesundheitsminister sagte, die ganze Welt kämpfe mittlerweile um Pflegefachkräfte. „Wenn wir nicht gute Arbeitsbedingungen bieten, werden die nicht zu uns kommen“, unterstrich der CDU-Politiker.“ Meldung vom 19. September 2019 von und bei MiGAZIN externer Link, sehenswert dazu auch:
  • Pflegenotstand absurd: Wie Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden 
    Der Gesundheitsminister im Einsatz gegen den Pflegenotstand. Jens Spahn auf Welttournee, um Pflegekräfte nach Deutschland zu holen. Hier im Kosovo, und heute schon in Mexiko. Kein Witz. Guten Abend und willkommen bei MONITOR. Kein Weg und kein Land scheinen dem Gesundheitsminister gerade zu weit, um den riesigen Bedarf an Pflegekräften zu decken. Unbürokratisch und ohne große Hürden soll das alles funktionieren, Hauptsache schnell. Dabei müsste sich Jens Spahn nur vor der eigenen Haustür umschauen. In Deutschland gibt es nämlich Menschen, die sofort mit der Pflege anfangen könnten – wenn man sie nur ließe. Aber hierzulande tun Ausländerbehörden gerade alles, um sie genau daran zu hindern. Lara Straatmann und Nikolaus Steiner über eine Politik, für die es eigentlich nur einen Begriff gibt – absurd…“ Text und Video des Beitrags von Lara Straatmann und Nikolaus Steiner im MONITOR vom 19.09.2019 externer Link (Videolänge: 7:11 Min., verfügbar bis zum 30. Dezember 2099)
  • Pflege-Anwerbung: Keine langfristige Entlastung zu erwarten 
    „Um die Situation in der Pflege zu verbessern, will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verstärkt Pflegekräfte aus dem Ausland anwerben. Schon bald sollen Fachkräfte aus dem Kosovo Pfleger hierzulande entlasten. Wie steht der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zu diesem Vorhaben?“ Nicoletta Eckardt von SpringerPflege fragt am 17. Juli 2019 nach bei DBfK-Sprecherin Johanna Knüppel externer Link: „…Wir sehen das aus verschiedenen Gründen kritisch. Es wird so sein wie bei anderen Anwerbeversuchen in der Vergangenheit auch, beispielsweise in Vietnam. Es werden einige engagierte Fachkräfte kommen. Zu einer dauerhaften, spürbaren Entlastung in den Pflegeeinrichtungen führt das nicht. Nur ein geringer Teil der angeworbenen Pflegefachpersonen bleibt langfristig. Dafür sind die Arbeitsbedingungen für Pflegende in Deutschland zu schlecht. Und das ist das Kernproblem. Andere Länder können hier ein deutlich attraktiveres Arbeitsumfeld bieten. Auch bei der Integration und Einarbeitung der Kollegen aus Drittländern hapert es häufig. (…) Es steht zu befürchten, dass vor allem die Pflegekräfte mit den besten Zeugnissen und Qualifikationen abgeworben werden. Damit verliert das Land für das eigene Gesundheitswesen so dringend benötigte Kompetenz. Polen ist dafür ein Paradebeispiel. Das Gesundheitswesen dort hat sich bis heute nicht erholt vom massiven Weggang vieler Pflegefachpersonen seit Beitritt zur EU. In anderen osteuropäischen Ländern gibt es dieselben Entwicklungen. (…) Für eine erfolgreiche Integration brauchen die Einrichtungen vor allem fachlich kompetente und kultursensible Mitarbeiter. Sie müssen die neuen Kollegen nicht nur in pflegefachlichen Fragen unterstützen, sondern auch kulturelle Unterschiede aufarbeiten und vermitteln. Das erfordert Zeit, die in den meisten Fällen einfach nicht da ist. Wichtig ist aber auch die soziale Integration. Sie darf nicht nach Dienstschluss enden…“
  • Lohngefälle: Warum auch in Tschechien Pflegekräfte fehlen 
    „… Besuch einer Seniorenresidenz im tschechischen Strážný, fünf Kilometer hinter der Grenze. 24 Senioren werden hier betreut. Und fast alle kommen aus Deutschland. Vor drei Jahren hat Marie Sporková das ehemalige Skihotel gepachtet und in ein Altenheim verwandelt. Der Andrang aus dem Nachbarland war von Anfang an groß (…) Nicht ganz 1600 Euro im Monat kostet das Einzelzimmer – Extraleistungen wie Friseur, Hand- und Fußpflege oder Windeln inklusive. Für den Heimplatz ihrer Mutter in Niederbayern hat Gabi Seppenhauser vor drei Jahren mehr als das Doppelte hingelegt. Mindestens 600 Euro habe sie draufzahlen müssen. Die Rente habe dafür bei weitem nicht gereicht. Irgendwann seien die Ersparnisse ausgereizt gewesen. (…) In entgegengesetzter Richtung passiert Jana Slačíková die offene Grenze nach Deutschland. Seit einem Jahr pendelt die 40-jährige Krankenschwester von Böhmen zu ihrem Arbeitgeber, einem Altenheim in Waidhaus in der Oberpfalz. 50 Kilometer einfache Fahrt. Derzeit arbeitet sie als Pfegehelferin. In deutschen Heimen steht ihr so der Pflegemindestlohn von 11,50 Euro die Stunde zu. In Tschechien liegt der allgemeine Mindestlohn dagegen bei nur 3,11 Euro. Das bedeutet: Sogar als Pflegehelferin verdient sie in Deutschland mehr als in ihrem Heimatland, wo sie als Fachkraft in einem Krankenhaus gearbeitet hat. (…) In Tschechien hat Jana Slačíková eine vierjährige Fachausbildung gemacht. Solche Abschlüsse werden grundsätzlich EU-weit als gleichwertig anerkannt. Doch die deutschen Behörden akzeptieren sie erst dann, wenn auch die sprachlichen Fähigkeiten nachgewiesen sind. (…) Auch im tschechischen Strážný sucht Heimleiterin Marie Sporková händeringend nach Fachpersonal. Rund 1000 Euro verdienen Pflegefachkräfte hier. Und natürlich sollten sie sich mit den deutschen Bewohnern gut verständigen können. Doch zu gut kann auch ein Nachteil sein. „Die, die wirklich gut Deutsch sprechen, bemühen sich, eine Arbeitsstelle in Deutschland zu finden“, so Sporková. Sie versuche, Mitarbeitern für gute Arbeit finanziell entgegenzukommen. Solange aber das starke Lohngefälle zwischen Deutschland und Tschechien bleibt, werden viele Fachkräfte weiter nach Westen abwandern.“ Beitrag Susanne Wimmer vom 24. Mai 2019 bei BR24 externer Link mit ca. 7 Min. langem Video
  • Ausländische Pflegekräfte: Zwischen Rollstuhlschieben und Abschiebung 
    „… Deutschland braucht mehr Pflegekräfte. 80.000 Fachkräfte fehlen allein in der Krankenpflege, wie die Gewerkschaft ver.di vergangenes Jahr errechnete. Indes steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. Die Bertelsmannstifung prognostiziert, dass in zehn Jahren bereits 500.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen werden. (…) In Kolumbien ist Krankenpflege ein Studiengang. Rodríguez hat sogar einen Masterabschluss gemacht und Pflege an der Uni gelehrt. Zusätzlich arbeitete der 29-Jährige in Kolumbien sechs Jahre lang in seinem Beruf. Einen Pflege-Job in Deutschland zu bekommen, war nicht schwer. Obwohl er zu Beginn über keinerlei Deutschkenntnisse verfügte, bot ihm eine Vermittlungsagentur eine Arbeit an einer Hamburger Klinik an: als Pflegehelfer. (…) »Meine deutschen Kollegen, die Krankenpfleger sind, verdienen etwa 2.800 Euro netto im Monat. Ich mache fast die selbe Arbeit und verdiene nur etwa 1.100 Euro«, erzählt er. »Es gibt noch drei andere Ausländer bei mir auf der Arbeit, die in der selben Situation sind wie ich. Manchmal müssen wir auch direkt von Spätschicht auf Frühschicht wechseln und haben dazwischen noch nicht einmal die elf Stunden Ruhezeit, die uns gesetzlich eigentlich zustehen«. (…) Für das Qualifizierungsprogramm braucht er B2-Niveau. Seit Monaten besucht Rodríguez Deutschkurse. Finanzieren muss er sie selbst: Um das B2-Niveau abzuschließen, belaufen sich die Kosten auf mehr als 3.000 Euro. Neben seinem 40-Stunden-Job im Krankenhaus geht Rodríguez drei mal pro Woche zum Deutschkurs, zusätzlich gibt es Hausaufgaben. Viel Zeit zum Lernen für die Prüfung bleibt da nicht. »Ich muss es schaffen«, sagt er. »Es gibt keine andere Möglichkeit«. (…) Zwei Monate später hält Rodríguez sein B2-Zertifikat in der Hand und hat einen Platz im Qualifizierungsprogramm. Dann kommt der Brief vom Bezirksamt, Fachbereich Ausländerangelegenheiten: Rodríguez‘ Visum sei an die Anerkennung seines Berufsabschlusses gekoppelt. Und für diese Anerkennung habe er nach §17 des Aufenthaltsgesetzes 18 Monate Zeit, mehr nicht. Die seien seit einem Monat abgelaufen. (…) Während Horst Seehofer sich Gedanken macht, wie mehr Fachkräfte nach Deutschland geholt werden könnten, droht Rodríguez nun die Abschiebung. Ihm und vielen anderen ausländischen Pflegekräften – jeweils nach 18 Monaten unterbezahlter Arbeit als Pflegehelfer*in.“ Beitrag von Lou Zucker bei neues Deutschland online vom 23. Mai 2019 externer Link
  • Fachkräftemangel: „Sagt ausländischen Pflegekräften die Wahrheit!“ 
    „… Noch vor zwei Jahren, erzählt Grahame Lucas, seien im Altersheim seiner Mutter in England alle Stellen vergeben gewesen. Neuerdings jedoch – Stichwort Brexit – sieht der britische Journalist am Schwarzen Brett regelmäßig Ausschreibungen hängen. Denn: Ausländische Pflegekräfte verlassen das Land. Viele stammen aus Osteuropa – Polen, Kroatien, Bulgarien, Rumänien Weißrussland etwa. Sie hätten bisher ihr übriges Geld in die Heimat geschickt: an die Eltern, an die Kinder, als Unterstützung für den Lebensunterhalt. Doch der Wertverlust des britischen Pfunds von mehr als zehn Prozent im Zuge des Brexits kommt für sie einem Gehaltsverlust in dieser Höhe gleich. „Einige sind jetzt nach Deutschland gegangen“, sagte Lucas kürzlich in einer Talkrunde im TV-Sender Phoenix: „Weil sie dort neue Stellen bekommen haben.“ (…) Und tatsächlich: Krankenhäuser, Pflegeheime und ambulante Dienste in Deutschland stellen immer mehr Mitarbeiter ein, die ihren Berufsabschluss im Ausland erworben haben. „Die Zahl der Fachkräfte in diesem Bereich, die jährlich einwandern, ist innerhalb von fünf Jahren um das Fünffache angestiegen“, heißt es in einer Studie der Universität in Frankfurt/Main im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (…) „Ohne die Fachkräfte aus dem Ausland wäre der Pflegenotstand in Deutschland noch deutlicher spürbar“, so das Resümee der Forscher. Doch das Anwerben fertig ausgebildeter Pflegefachkräfte aus dem Ausland könne nur eine von vielen Maßnahmen sein, um den Fachkräftebedarf zu decken, heißt es in einem Statement der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. „Deutschland ist alles andere als ein Pflege-Paradies für ausländische Fachkräfte“, sagt Sylvia Bühler, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand. „Das liegt vor allem an der schlechten Personalausstattung in den Kliniken und in der Altenpflege und an den unterschiedlichen Vorstellungen von Pflegetätigkeiten.“. (…) Und fast noch wichtiger: Bei der Integration in den Betrieb fehlt oft Weitsicht und Fingerspitzengefühl. Der Kölner Pflegeexperte Lars Holldorf: „Viele Arbeitgeber haben mit ausländischen Pflegekräften noch gar keine Erfahrung gemacht oder im Prinzip blauäugig und unvorbereitet den ersten ausländischen Mitarbeiter eingestellt“, berichtet Holldorf. „Dann ist die Gefahr relativ groß, dass er innerhalb der ersten sechs Monate scheitert…“ Beitrag von Adalbert Zehnder vom 2. Mai 2019 bei pflegen-online.de externer Link
  • ver.di: Neue Studie zeigt Handlungsbedarf für erfolgreiche betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland 
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht nach der Veröffentlichung einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung zur Zuwanderung von Pflegefachkräften aus dem Ausland großen Handlungsbedarf, um deren betriebliche Integration erfolgreich zu gestalten. Die Studie zeige, dass es nicht damit getan sei, Pflegfachkräfte aus dem Ausland für die Arbeit in Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen einfach nur anzuwerben. „Damit die zugewanderten und einheimischen Pflegekräfte Hand in Hand miteinander arbeiten können, braucht es eine gute Vorbereitung und Begleitung aller Beteiligten“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Das Anwerben fertig ausgebildeter Pflegefachkräfte aus dem Ausland könne nur eine von vielen Maßnahmen sein, um den Fachkräftebedarf zu decken. Vor allem müssten die Träger der Einrichtungen und die Politik endlich entschlossen handeln, um im eigenen Land genug Menschen für die Pflegeberufe zu gewinnen. „Deutschland ist alles andere als ein Pflege-Paradies für ausländische Fachkräfte. Das liegt vor allem an der schlechten Personalausstattung in den Kliniken und in der Altenpflege und an den unterschiedlichen Vorstellungen von Pflegetätigkeiten“, so Bühler. „Damit es ein besseres Verständnis untereinander gibt, statt stereotyp „kulturelle Unterschiede“ für mögliche Missverständnisse im Berufsalltag verantwortlich zu machen, braucht es Zeit und Räume für den Austausch“, erläuterte Bühler. Wichtig für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration ausländischer Pflegefachkräfte seien bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten…“ Pressemitteilung vom 01.03.2019 externer Link, siehe dazu die genannte Studie:

    • Neue Studie: Pflegefachkräfte aus dem Ausland: Zahl hat sich versechsfacht – nicht selten Konflikte wegen Unterschieden in Ausbildung und Berufsverständnis
      Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen stellen zunehmend Pflegerinnen und Pfleger ein, die ihren Berufsabschluss im Ausland erworben haben. So ist die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die jährlich aus dem Ausland nach Deutschland kommen, zuletzt auf fast das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1 500 im Jahr 2012 auf gut 8 800 im Jahr 2017. Größtenteils stammen sie aus ost- und südeuropäischen Staaten außerhalb der EU oder von den Philippinen. Die meisten der zugewanderten Pflegekräfte kommen im Arbeitsalltag zurecht, trotzdem ist die „nachhaltige betriebliche Integration eine große Herausforderung“, der sich die Arbeitgeber stellen müssen. Das ergibt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Sowohl neu migrierte als auch einheimische Beschäftigte – von denen selbst etliche einen Migrationshintergrund haben – sind oft unzufrieden mit der Zusammenarbeit. Differenzen und Missverständnisse, die häufig auf Unterschieden in der Ausbildung und der gewohnten Arbeitsteilung zwischen medizinischem Personal, Pflege- und Hilfskräften beruhen, werden nicht selten stereotyp mit „kulturellen Unterschieden“ erklärt. Das kann Konflikte ebenso verschärfen wie die generell oft schwierigen Arbeitsbedingungen. Die Leitungen von Kliniken und Pflegeeinrichtungen stehen daher vor der Aufgabe, Foren und zeitliche Freiräume für einen besseren fachlichen Austausch und mehr Verständnis zwischen neu zugewanderten und etablierten Fachkräften in der Pflege zu schaffen. Dabei können Betriebsräte eine wichtige Moderatorenrolle einnehmen. Im besten Fall ergeben sich daraus Anregungen für Verbesserungen in Bereichen, in denen die Arbeitsorganisation im deutschen Gesundheits- und Pflegesektor hinter der in anderen Ländern zurückbleibt. (…) Wie die Zusammenarbeit in Kliniken und Pflegeeinrichtungen im Alltag funktioniert, leuchten die Wissenschaftler über knapp 60 ausführliche Interviews aus. Dabei wurden neben Pflegerinnen und Pflegern, die nach 2008 in die Bundesrepublik gekommen sind, auch einheimische Pflegefachkräfte und Vorgesetzte nach ihren Erfahrungen befragt. Hinzu kamen Interviews mit Arbeitgebervertretern, Vermittlern und Migrationsexperten. In ausführlich dokumentierten Gesprächen beschreiben Leitungskräfte und ein Betriebsrat aus Frankfurter Kliniken, wie in ihren Häusern Konflikte entstanden sind und entschärft werden konnten. Die Befragung offenbart auf beiden Seiten erhebliche Differenzen bei Ausbildung, beruflichem Selbstverständnis und gewohnter Arbeitsorganisation: In vielen der Herkunftsländer werden Pflegefachkräfte an Hochschulen ausgebildet. Eine hochqualifizierte schulisch-betriebliche Ausbildung wie in Deutschland ist dort unbekannt. Gleichzeitig übernehmen Pflegefachkräfte etwa in Südeuropa in der Tendenz mehr Management- sowie Behandlungsaufgaben, die in Deutschland Medizinerinnen und Medizinern vorbehalten sind. Tätigkeiten der so genannten „Grundpflege“ auszuüben, also etwa Patientinnen und Patienten beim Essen oder der Körperpflege zu unterstützen, ist dort für Pflegefachkräfte ungewöhnlich. Dafür gibt es, mehr noch als in Deutschland, teils spezielle Service-Kräfte, teilweise müssen Angehörige einspringen. (…) Die in Deutschland ausgebildeten Pflegefachkräfte kritisieren wiederum, dass neu zugewanderte Kolleginnen und Kollegen schon wegen mangelnder Sprachkenntnisse im verantwortungsvollen und eng getakteten, stressigen Arbeitsalltag nicht voll einsetzbar seien. Die akademische Ausbildung im Ausland wird oft nicht als Vorteil gesehen, sondern als „praxisfern“ kritisiert. Dafür fehlten grundsätzliche Kompetenzen, etwa bei der Körperpflege von Patienten und im „Sozialverhalten“. Aus der Sicht der befragten einheimischen Beschäftigten können die Fachkräfte aus dem Ausland daher zumindest für einen längeren Einarbeitungszeitraum allenfalls als „Schüler“ beschäftigt werden. Die neu migrierten Pflegefachkräfte reagierten auf die Konflikte mit „systematischem Lernen“, einer „ambivalenten Anpassung“ – bei fortwährender Unzufriedenheit – und, wenn die Spannungen nicht gelöst werden, oft mit einem „Exit“, schreiben die Studienautoren. Darunter fassen sie einen Wechsel der Abteilung oder des Krankenhauses, einen Ausstieg aus dem Pflegeberuf oder die enttäuschte Rückkehr ins Herkunftsland. Wohl die schlechteste Lösung nach dem hohen Aufwand auf beiden Seiten. (…) Entscheidend für eine erfolgreiche Integration ist dabei aber auch, dass genug Ressourcen zur Verfügung stehen: „Wenn man permanent unterbesetzt ist und die Patienten nicht vernünftig versorgen kann, dann ist die Bereitschaft für zusätzliche zeitaufwändige Aufgaben nicht so ausgeprägt. Dieses ist aber ein generelles Problem, das nicht nur Fachkräfte betrifft, die aus dem Ausland neu zu uns kommen“, sagt ein befragter Betriebsrat…“ HBS-Mitteilung vom 01.03.2019 externer Link, darin Links zur Studie
  • Interview zu Carearbeit und Migration mit Urmila Goel 
    „Kurzer geschichtlicher Überblick über die Anwerbung von indischen Krankenschwestern, Stopp der Anwerbung Ende der 1970er und drohende Beendigung der Aufenthaltsgenehmigungen, Verteilung von Sorgearbeit in den Krankenschwester-FAmilien: Männer müssen Hausarbeit machen, lehnen dies aber ab, evtl. hat das aber auch eine Veränderung der Familienbeziehungen bewirkt. Zur Frage nach der Care-Chain kritisiert Urmila eine pauschalisierende Perspektive auf Migrant*innen als „Opfer“ und plädiert für differenzierte Mikro-Ansichten auf tatsächlich getroffene Arrangements (…) Dass in Deutschland Migrant*innen für bezahlte Care-Arbeit engagiert werden, ist kein neues Phänomen. Schon in den 60er und 70er Jahren gab es Kampagnen zur Anwerbung v.a. von Frauen aus Südasien. Was wir aus dieser Geschichte lernen können, verrät das nun folgende Interview mit einer Forscherin, die sich intensiv mit dem Thema Care und Migration beschäftigt. Prof. Dr. Urmila Goel [sprich: GO-EL] ist Vertetungsprofessorin am Institut für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Uni Berlin. Als Forscherin, Autorin und Trainerin arbeitet sie zu ungleichen Machtverhältnissen in der Gesellschaft. Sie tut das auf der Grundlage von postkolonialer Theorie, Gender und Queer Studies und kritischer Rassismustheorie. Eins ihrer derzeitigen Forschungsprojekte behandelt die Migration von Krankenschwestern aus Südasien in die BRD…“ Franzi von Radio Bermuda, Mannheim, im Gespräch mit Prof. Dr. Urmila Goel am 28. Februar 2019 beim Audioportal Freier Radios externer Link Audio Datei (Audiolänge: 7:04 Min.)
  • [Wie Europa gewinnt und Afrika verliert] Pflegenotstand in Deutschland: Mein Pfleger Mohamed
    „… Dali Nefzi, großgewachsen, Anzughose mit Hosenträgern, blinzelt über die Sonnenbrille hinweg ins gleißende Licht am Strand von La Goulette in Tunesien. Hier ist er examinierter Krankenpfleger, bis vor Kurzem war er Rettungsassistent beim großen Pipeline-Hersteller Pireco. Jetzt ist Nefzi auserwählt. Mit dem staatlichen deutschen Programm Triple Win sollen er und 17 weitere Tunesierinnen und Tunesier in Deutschland den Personalmangel in der Altenpflege mildern, wenigstens ein bisschen. (…) Triple Win heißt so, weil dabei alle Seiten gewinnen sollen. Tunesien, weil es bei einer Jugendarbeitslosigkeit von um die 35 Prozent einige junge Menschen loswerden kann. Deutschland, weil der Pflegemangel abgemildert wird. Und der nordafrikanische angehende Altenpfleger, weil er legal in die EU und direkt in den deutschen Arbeitsmarkt übersiedeln darf, was Millionen anderen verwehrt ist. Doch es gibt einen gravierenden Fehler: Es werden keine ungelernten Schulabsolventen mit deutschem Geld im Ausland zu Experten gemacht. Deutschland zieht mit Triple Win ausgebildete Fachkräfte ab, die man auch in Tunesien benötigt. (…) »Wenn alle gewinnen«, so schreibt es die GIZ über ihr Programm zur Anwerbung ausländischer Pfleger. Die Wahrheit ist: Europa gewinnt, Afrika verliert, zumindest wenn man die fragt, die vom Triple-Win-Pilotprojekt in Tunesien direkt betroffen sind. Professor Doktor Mounir Daghfous leitet den staatlichen Rettungsdienst in Tunis, er hat Nefzi in Notfallmedizin ausgebildet, wie vor ihm bereits Hunderte andere. »Wir bilden sie aus, dann werden sie weggefischt.« (…) Die jungen Arbeitslosen, die 35 Prozent, werden nicht von Deutschland ausgebildet, sie bleiben hoffnungslos. Im Landesinneren buhlen Islamisten um die Frustrierten…“ Bericht von Christoph Titz vom 24. Juni 2018 bei Spiegel online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=129998
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