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Fluch oder Segen der Zeitarbeit im Gesundheitssektor und der daraus resultierende Pflegenotstand

Aufkleber "Leiharbeit verbieten" von Kollegen der Daimler-Werke Wörth und BremenDer in der Bevölkerung stellenweise diskutierte Pflegenotstand hat nach Ansicht des Autors nicht nur die Ursache in der demographischen Bevölkerungsentwicklung, sondern auch im massiven Anstieg der Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) der letzten Jahre. (…) Gänzlich ungeniert werben die Unternehmen der ANÜ-Branche mit sehr hohen Stundenlöhnen, erfinden Preise wie den „Pflegeaward“, übrigens unter der Schirmherrschaft des aktuellen Gesundheitsministers Jens Spahn, leisten sich Testimonials, die dann auch noch als Vertreter der Pflegekräfte medial aufbereitet und von den Medien hofiert werden – ohne daß es irgend Jemanden interessiert, was denn die Konsequenzen für die festangestellten Mitarbeiter, für die Bewohner und Patienten und für die Arbeitgeber sind. (…) So hat auch die Anzahl der Mitarbeiter bei Zeitarbeitsunternehmen sprunghaft zugenommen. Die offiziellen Beschäftigungszahlen sind knapp 83.000 Mitarbeiter. (…) Der Autor hat sich mit einigen Arbeitgebern unterhalten, sowohl aus dem stationären Bereich der Altenhilfe, als auch aus dem ambulanten Bereich, ebenso auf Klinikebene. Heraus kam, dass der zu zahlende Satz an die ANÜ-Unternehmen etwa um das 3- fache höher lag, als bei einer festangestellten Kraft…“ Artikel von KNU vom 12.11.2018 – der Autor ist der Redaktion bekannt, wir danken ihm!

Fluch oder Segen der Zeitarbeit im Gesundheitssektor
und der daraus resultierende Pflegenotstand

Der in der Bevölkerung stellenweise diskutierte Pflegenotstand hat nach Ansicht des Autors nicht nur die Ursache in der demographischen Bevölkerungsentwicklung, sondern auch im massiven Anstieg der Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) der letzten Jahre.

Wurde die ANÜ als ursprünglich als Argument angesehen, besonders Hilfsarbeitern einen Einstieg in den 1. Arbeitsmarkt zu ermöglichen erfüllt, sie im Gesundheitsbereich in Zeiten eines Nachfrageüberhangs diese Funktion ehedem nicht.

Gänzlich ungeniert werben die Unternehmen der ANÜ-Branche mit sehr hohen Stundenlöhnen, erfinden Preise wie den „Pflegeaward“, übrigens unter der Schirmherrschaft des aktuellen Gesundheitsministers Jens Spahn, leisten sich Testimonials, die dann auch noch als Vertreter der

Pflegekräfte medial aufbereitet und von den Medien hofiert werden – ohne daß es irgend Jemanden interessiert, was denn die Konsequenzen für die festangestellten Mitarbeiter, für die Bewohner und Patienten und für die Arbeitgeber sind.

Beträgt die durchschnittliche Aufwendung, die ein Arbeitgeber bei einer festangestellten Fachkfraft erbringen muss, etwa 5200 € monatlich (inkl. AG-Anteil zur Sozialversicherung, Rückstellung für Urlaub und Krankheit) liegt die monatliche Aufwendung für eine Kraft aus der Arbeitnehmerüberlassung etwa 10.000 €. Der Arbeitgeber erspart sich allerdings oben genannte Rückstellungen, da lediglich die geleisteten Stunden bezahlt werden – es besteht also auch ein Risikoübergang auf das ANÜ-Unternehmen.

So hat auch die Anzahl der Mitarbeiter bei Zeitarbeitsunternehmen sprunghaft zugenommen. Die offiziellen Beschäftigungszahlen sind knapp 83.000 Mitarbeiter. Erfasst hiervon sind aber lediglich Mitarbeiter von Unternehmen, die Statistik der Arbeitsagentur umfasst im Bereich Gesundheit 69.000 Arbeitnehmer und im Bereich der Altenpflege knapp 13.000 Arbeitnehmer.

Der Autor hat sich mit einigen Arbeitgebern unterhalten, sowohl aus dem stationären Bereich der Altenhilfe, als auch aus dem ambulanten Bereich, ebenso auf Klinikebene.

Heraus kam, dass der zu zahlende Satz an die ANÜ-Unternehmen etwa um das 3- fache höher lag, als bei einer festangestellten Kraft:

  • Durchschnittlich muss für eine Altenpflegefachkraft um die 50 € pro Stunde gezahlt werden, für einen Einsatz im Krankenhaus je nach Qualifikation ab 60 € bis hin zu weit über 100 €.
    Jeweils pro Stunde.

Errechnet man dann auf dem einfachsten Weg die Kosten und nimmt als Ansatz nur die Altenpflege, entsteht ein Mehraufwand, den nur primär die Arbeitgeber leisten müssen, in Wahrheit aber gesamtgesellschaftlich zu sehen ist, eine Belastung von

  • 83.000 Beschäftigten, davon 70 Prozent Vollzeit beschäftigt
  • 10.000 Kosten abzgl. Der Differenz zu 5200 €
  • = 4800 € x 10 Monate x 58.000 Beschäftigte ( Vollzeitbeschäftigte) = 5.6 Milliarden €

Erhöht wird die Summe zum Einen durch die unbekannte Anzahl an Beschäftigungsgrad der restlichen 25.000 Beschäftigten und durch den Schaden, den der Mangel an festangestelltem Personal auf die festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auslöst, während gleichzeitig der ANÜ-Sektor im Vergleich zum Vorjahr um 12,9 Prozent gestiegen ist.

Schlussfolgernd muss man sagen, dass hier das Instrument der Regulierung des Arbeitsmarktes völlig fehlgeleitet ist und sogar schädlicher ist, als es denn förderlich ist, da auch die Qualität der Pflege an sich – als Profession – eher leidet, da weder eine anamnestische noch eine biographische Arbeit möglich ist und die Einarbeitung von Mitarbeitern der ANÜ ebenfalls personelle Kapazitäten bindet.

Zu befürchten ist, dass es eine weitere Zunahme der ANÜ in diesem Segment geben wird, da zum einen ein überaus aggressives Auftreten der Unternehmen der ANÜ in den social-medias wie auch zum anderen das gezielte Abwerben festangestellter Mitarbeiter in den Einirchutngen vor Ort zu verzeichnen ist.

Hier ist der Gesetzgeber regulierend gefragt und es ist schon verwunderlich, dass dieses Thema noch niemand ernsthaft behandeln wollte.

Alleine die Schuld bei den Arbeitgebern zu suchen, ist sicherlich zu  kurz gedacht, denn nicht alle Arbeitgeber sind schlechte Arbeitgeber, aber ein ernsthaftes Bemühen scheitert auch daran, dass im Zuge des Einsatzes von Mitarbeitern der ANÜ kein Geld mehr für die eigenen Mitarbeiter da ist.

Sitzt man im Jahr 2018 zusammen um zu beratschlagen, wie man denn den Pflegenotstand zu lösen gedenkt, ist niemand auch nur im Ansatz in der Lage, auch nur zu erkennen, dass wir uns unser Problem selbstmachen.

Es sind nicht nur die renditeorientierten Träger, es sind auch die renditeorientierten Unternehmen, die sich fleissig am Topf der Solidargemeinschaft bedienen.

Deshalb muss die Konsequenz lauten, dass – ähnlich wie in der Baubranche – es ein Verbot der ANÜ und der Werkverträge geben muss.

Artikel von KNU vom 12.11.2018 – der Autor ist der Redaktion bekannt, wir danken ihm!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=139953
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