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Finanzmarkt: Monopoly im Pflegeheim

Dossier

Bündnis Krankenhaus statt Fabrik„Aggressive Investoren dringen in die Gesundheitsbranche ein und übernehmen Krankenhäuser und Pflegezentren. Sie entziehen dem System viel Geld – zum Schaden der Belegschaft und der Patienten. (…) Die Gewerkschaft ver.di fordert Transparenz über die zweckentsprechende Verwendung der Steuermittel und Versichertenbeiträge. (…) „Man muss von Trägern, die ihre Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen und öffentlichen Geldern requirieren, erwarten, dass sie sich an gesellschaftliche Spielregeln halten. Dazu gehören Mitbestimmung und Tarifverträge“, sagt Gewerkschafterin Bühler. „Die Politik ist gefragt, sie hat die kommerziellen Geister gerufen.“ Hahne und seine Betriebsratskollegen haben sich in einem offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestages gewandt. Sie fordern unter anderem die „Rekommunalisierung der Altenpflege“…“ Beitrag von Uta von Schrenk aus dem Magazin Mitbestimmung 01/2019 der Hans-Böckler-Stiftung externer Link am konkreten Beispiel von Oaktree in Glückstadt. Siehe auch:

  • Insolvente Altenheime: Neuer Höhepunkt des Pflege-Notstandes New
    „… Es sei wie ein Sechser im Lotto, freute sich im Winter eine Freundin, die innerhalb weniger Tage einen Heimplatz für ihre plötzlich pflegebedürftige Mutter ergattert hatte. Nicht zig Kilometer von ihrem Wohnort entfernt, sondern nebenan, gut geführt und in vertrauter Umgebung. Das hat Seltenheitswert. Denn wer derzeit einen pflegebedürftigen Angehörigen unterbringen muss, wird mit der stereotypen Antwort konfrontiert, dass das ausgebuchte Heim keine Wartelisten mehr führe, sondern Plätze nur noch ad hoc belege – wenn überhaupt. Seit nach dem Ende der Pandemie die staatlichen Rettungsschirme wieder zugeklappt wurden, hat der Notstand in der Altenpflege einen neuen Höhepunkt erreicht. Immer mehr Heime melden Insolvenz an oder verringern ihre Kapazitäten. Das gilt insbesondere für kleinere Häuser, aber in die Schlagzeilen geraten nun auch große Betreiber, die mit dem Geschäftsmodell „Altenpflege“ auf den Markt gedrängt und satte Rendite gemacht hatten. Selbst Wohlfahrtsverbände wie die Caritas schlagen Alarm. 142 Heimschließungen, 431 aufgegebene Pflege- und 24 eingestellte Tagesdienste registrierte das Online-Portal pflegemarkt.com 2022, 6.477 vollzeitstationäre Pflegeplätze gingen verloren. Auffällig ist, dass Neugründungen vor allem in den Bereich der Tagespflege fallen. Das naheliegende Erklärungsmuster – der Mangel an Pflegekräften – beschreibt die Situation nur unzureichend. Tatsächlich sind Betreiber, die kein Personal mehr finden, gezwungen, Plätze abzubauen, das wird sich noch verschärfen, wenn von Juli an die neuen Personalschlüssel gelten. Deshalb auch keine Wartelisten. Gleichzeitig wirkt sich die Tarifbindung aus, denn seit September vergangenen Jahres müssen die Träger ihren Angestellten, wenn sie über die Pflegekasse abrechnen wollen, Tariflöhne bezahlen. Zusammen mit gestiegenen Energiekosten und Inflation treibt das die Kosten in die Höhe. Nicht voll belegte Heime geraten in Zugzwang, und die Eigenanteile steigen. (…) Und weil es im Unterschied zur medizinischen Versorgung im Pflegebereich keinen Sicherungsauftrag gibt, richtet es der Markt. Oder auch nicht. Heimbetreiber überlegen nun gut, wen sie aufnehmen: Gut betuchte Senior:innen bergen weniger Risiko als staatlich alimentierte. Dabei steigen die Beiträge zur Pflegekasse von Juli an auf 3,4, für Kinderlose auf vier Prozent. Das stopft gerade die schlimmsten Löcher, hat aber wenig Einfluss auf das Heimangebot. Selbst steigende Pflegeleistungszuschläge werden daran wenig ändern. Wer seine Angehörigen nicht unterbringt, wird also gezwungen sein, die Pflege selbst zu übernehmen. Kein Ratespiel, wen das in welchem Fall vor allem trifft: die Töchter oder die Frauen aus Südosteuropa. Das Allermindeste wäre also, ähnlich wie Krankenhausbetten auch Pflegeplätze in planerische Obhut zu überführen. Und warum kein Sondervermögen „Daseinsvorsorge“? Das wäre nachhaltig, sozialverträglich und friedensstiftend.“ Artikel von Ulrike Baureithel vom 10. Mai 2023 aus der Freitag Ausgabe 19/2023 externer Link
  • Erneute Insolvenz in der Pflege bei der Bremer Convivo-Gruppe: ver.di fordert Bundesregierung zum Eingreifen gegen „maßloses Profitstreben in der Altenpflege“ auf 
    „Angesichts der erneuten Insolvenz eines kommerziellen Pflegeheimbetreibers fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) die Bundesregierung zum Eingreifen auf. „Erst vor wenigen Tagen hat Curata Insolvenz angemeldet, jetzt folgt die Bremer Convivo-Gruppe, die sich offenbar bei der Expansion verzockt hat“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „4.800 Beschäftigte fürchten um ihren Arbeitsplatz. Und 18.000 pflegebedürftige Menschen wissen nicht, ob sie dauerhaft in ihrem Pflegeheim bleiben können oder weiter ambulant versorgt werden. Verunsicherung und Zukunftsangst – das ist es, wohin maßloses Profitstreben in der Altenpflege führt.“ Die Convivo-Gruppe ist in den vergangenen Jahren massiv expandiert und hatte etliche neue Pflegeimmobilien geplant, geriet dann aber in finanzielle Schwierigkeiten. „Mit ihrer Strategie der Expansion um jeden Preis sind die Eigentümer von Convivo offensichtlich gegen die Wand gefahren. Den Schaden tragen nun aber vor allem die Beschäftigten und die Menschen, die auf eine funktionierende Pflege angewiesen sind“, kritisierte Bühler. Sie verwies auf die erst vor zwei Wochen bekanntgewordene Insolvenz des Unternehmens Curata, das bundesweit 40 Pflegeheime und psychiatrische Einrichtungen betreibt. „Die Altenpflege darf kein Spielfeld für reiche Investoren sein. Das Geld der Sozialversicherungen und die Zukunft der Menschen müssen vor Spekulation geschützt werden“, so die Gewerkschafterin. „Die Bundesregierung ist dringend gefordert, dem Treiben profitorientierter Akteure in der Pflege durch klare staatliche Regeln ein Ende zu setzen.“ ver.di-Pressemitteilung vom 25. Januar 2023 externer Link („Erneute Insolvenz in der Pflege: ver.di fordert Bundesregierung zum Eingreifen auf“), siehe dazu:

    • [Kassel] Mitarbeiter nach Convivo-Insolvenz mit dem Nerven am Ende: „Wir fühlen uns im Stich gelassen“ 
      Ende Januar hatte die Convivo-Gruppe aus Bremen Insolvenz angemeldet. Davon betroffen ist auch das Seniorenhaus auf dem Lindenberg im Stadtteil Forstfeld. Viele der zur Gruppe gehörenden Heime haben mittlerweile neue Eigentümer. Im Kasseler Haus allerdings ist die Verunsicherung bei Mitarbeitern und Bewohnern groß. Wie es weitergeht, ist unklar. „Der Informationsfluss ist gleich null“, sagt Betriebsrätin Claudia Glagow. „Man bekommt auf Anfragen keine Antworten – weder von Convivo noch vom Insolvenzverwalter.“ Obwohl der Insolvenzverwalter angekündigt habe, dass man alle Standorte besuchen wolle, sei bisher noch niemand in Kassel gewesen. Lediglich ein Interessent sei bisher vor Ort gewesen und hätte sich die Immobilie angeschaut, so Glagow. Dabei habe es sich allerdings um einen Militärdienstleister mit Sitz in Dubai gehandelt, der in der Pandemie Test- und Impfzentren betrieben habe und jetzt auch im Pflegemarkt ansässig werden wolle. (…) Mittlerweile gibt es am Lindenberg Kündigungen in allen Bereichen – Pflege, Haustechnik, Reinigungsdienst, Verwaltung. „Die Verunsicherung und Frustration bei den Mitarbeitern ist immens“, sagt Glagow. Je mehr Zeit vergehe, desto schlimmer werde es. Die Stadt und verschiedene Parteien hätten Unterstützung zugesagt, aber bisher sei nichts geschehen…“ Artikel von Kathrin Meyer vom 27.04.2023 in HNA online externer Link
    • Offener Brief der ver.di Betriebsgruppe Convivo Lindenberg: Altenpflege ist Daseinsvorsorge
      Die ver.di Betriebsgruppe Convivo Kassel hat anlässlich der Stadtverordnetenversammlung am 27.02.2023 den offenen Brief an die Politiker*innen verteilt: (…) Durch die Insolvenz von Convivo Ende Januar wissen wir nicht, was die Zukunft für uns bringt. Wir stellen uns die Frage, sind die mit Convivo getroffenen Vereinbarungen noch das Papier wert, auf dem sie stehen? Sind unsere Interessen tatsächlich – wie versprochen langfristig gesichert? Wir haben Sorge, Spielball von reichen Investoren zu werden, die ihre Spekulationsgeschäfte mit der Altenpflege betreiben, denen das Wohl der Bewohner*innen und Beschäftigten egal sind. Das Beispiel von Convivo hat gezeigt, dass die Strategie Expansion um jeden Preis dazu führt, ein Unternehmen vor die Wand zu fahren. Wir sehen jetzt die Politik in der Verantwortung, dass sich so etwas nicht wiederholt.Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, wir sind der Auffassung, dass Altenpflege Daseinsvorsorge ist und fordern Sie daher auf, den Rückkauf durch die GNH AG oder die Rekommunalisierung zu prüfen. Nur so kann verhindert werden, dass statt der Pflege alter und kranker Menschen Spekulationsgeschäfte für Investoren im Vordergrund stehen…“ Meldung von ver.di Nordhessen, FB C, vom 28.2.2023 externer Link
    • Insolvenz des Pflegekonzerns Curata: ver.di kritisiert Profitorientierung in der Altenpflege 
      „Anlässlich der Insolvenz des Unternehmens Curata, das bundesweit 40 Pflegeheime und psychiatrische Einrichtungen betreibt, übt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) scharfe Kritik an der Profitorientierung in der Pflege. „Gestern noch wurde geklatscht, heute haben 3.000 Beschäftigte eine unsichere Zukunft, das ist skandalös. Außerdem wissen 4.000 pflegebedürftige Menschen nicht, wie es mit ihrem Zuhause weitergeht “, kritisiert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. In der Pandemie hätten die Pflegekassen Einrichtungen mit hohen Summen unterstützt. „Es muss geklärt werden, was mit diesem Versichertengeld bei dem kommerziellen Unternehmen Curata geschehen ist“, so Bühler. „Nicht zum ersten Mal zeigt sich: Die Orientierung auf den größtmöglichen Gewinn und eine gute Gesundheitsversorgung passen nicht zusammen.“ Es könne nicht angehen, dass ein kommerzieller Träger aus wirtschaftlichen Gründen entscheidet, Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner und Beschäftigte auf die Straße zu setzen, so Bühler weiter. „Versorgungsverträge sollten nur noch mit gemeinnützigen beziehungsweise kommunalen Pflegeeinrichtungen geschlossen werden.“ Unmittelbar müssten die betroffenen Kommunen dafür sorgen, dass alle Pflegeheim- und Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ ver.di-Pressemitteilung vom 11. Januar 2023 externer Link
    • Siehe auch: Das Milliardengeschäft Altenpflege: Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren
  • ver.di lehnt Privatisierung des städtischen Altenpflegeheims in Eisenhüttenstadt ab 
    Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft spricht sich scharf gegen die geplante Privatisierung des städtischen Altenpflegeheims in Eisenhüttenstadt aus. Am Mittwoch, 24.8., liege eine entsprechende Vorlage der Stadtverordnetenversammlung zum Beschluss vor. „Altenpflege ist ein unabdingbarer Bestandteil der Daseinsvorsorge. Altenpflegeeinrichtungen in öffentlicher Hand sind ein wertvoller Bestandteil eines funktionierenden Sozialsystems. Das sollte nicht leichtfertig aufgegeben werden. Dieses Heim bietet bisher eine Versorgung in öffentlicher Hand und bezahlt seine Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Alle reden vom Pflegenotstand. Die guten Arbeitsbedingungen und das Durchgriffsrecht der Stadt nun aufs Spiel zu setzen, wäre eine klare Fehlentscheidung.“ sagt Gisela Neunhöffer, stellvertretende Landesfachbereichsleiterin für den Bereich Gesundheit. „Der anstehende Investitionsbedarf sollte kein Argument sein, das Heim und seine Bewohner*innen einer ungewissen Zukunft auszuliefern. Die Beschäftigten dürfen mit ihrer großen Sorge um ihre Arbeitsplätze nicht allein gelassen werden, die Bewohner*innen müssen eine gute Perspektive für ihr weiteres Wohnen und die Versorgung haben“, sagt Susanne Feldkötter, stellvertretende Landesleiterin ver.di Berlin-Brandenburg.  Ver.di fordert, Lösungen zu finden, um den Investitionsstau im städtischen Altenheim zu beheben, attraktive, tarifgebundene Arbeitsplätze zu erhalten und eine qualitativ hochwertige Versorgung älterer Menschen in Eisenhüttenstadt in öffentlicher Verantwortung zu gewährleisten. Privatisierung ist hierfür keine gute Lösung. So wurde z.B. in Bremen kürzlich festgestellt, dass in privaten Pflegeheimen deutlich mehr Beschwerden, anlassbezogene Prüfungen sowie Mängel in Bereichen wie Wohnqualität und bauliche Sicherheit, personelle Ausstattung und Unterstützungsleistung festgestellt, aber auch im Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen oder Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt vorliegen. Auch für die Arbeitsbedingungen sieht es im Fall einer Privatisierung ungewiss aus: wenn jetzt versprochen wird, es werde sich nichts ändern, ist das extrem unwahrscheinlich. Es gibt keine Garantie dafür, dass der Tarifvertrag weiter angewendet wird – der vorgesehene Investor, die „Führer-Gruppe“, ist prominent im bpa vertreten, einem Arbeitgeberverband, der sich gegen allgemeinverbindliche Tarifverträge ausspricht und einseitige „Arbeitsvertragsrichtlinien“ propagiert. Außerdem besteht die Gefahr, dass weitere Betriebsteile ausgelagert werden…“ Pressemitteilung vom 23.08.2022 von und beim ver.di Landesfachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Bildung und Wissenschaft Berlin-Brandenburg externer Link
  • Mehr Mängel in privaten als in gemeinnützigen Pflegeheimen? Zahlen aus Bremen zur Kommerzialisierung des Pflegesektors 
    „Seit Jahren wird immer wieder die Diskussion geführt, ob private, gewinnorientierte Anbieter von Pflegeleistungen schlechter sind als die gemeinnützigen Anbieter. Dahinter steht die für viele durchaus nachvollziehbare Überlegung, dass profitorientierte Anbieter, ob nun im ambulanten oder stationären Bereich, dort einsparen müssen, wo die größten Kosten anfallen, um daraus dann Gewinne realisieren zu können, die man dann in den privaten Einrichtungen verwenden kann wie man will, also auch an Anteilseigner ausschütten oder für welche Zwecke auch immer dem Unternehmen entnehmen kann, wie das in der gewinnorientierten Unternehmenslandschaft generell üblich und auch (an sich) legal ist. Legalität ist das eine, Legitimität etwas anderes. Immer wieder wird man in der Debatte über Gewinne in bzw. durch Pflege mit dem ebenfalls prima facie nachvollziehbaren Argument konfrontiert, dass man aus der Pflege alter Menschen keinen Profit schlagen sollte. Gestützt wird diese Perspektive dann durch den Hinweis, dass eine (übermäßige) Gewinnorientierung im bestehenden System dazu führt und führen muss, dass auf Kosten der Pflegebedürftigen wie auch derjenigen, die pflegen, gespart wird. Was dann wiederum Qualitäts- und Versorgungsprobleme generiert, im schlimmsten Fall die Quelle von eklatanten Pflegemissständen darstellt, über die in den Medien dann punktuell und skandalisierend berichtet wird. Auch international wird diese Debatte geführt, gerade in Ländern, in denen die Kommerzalisierung des Pflegesektors noch weiter vorangeschritten ist als bei uns in Deutschland. (…) Aber bleiben wir in Deutschland. Hier werden wir mit so einer Meldung konfrontiert: Mehr Mängel in privaten als in gemeinnützigen Pflegeheimen: »In privaten Pflegeheimen sind im Land Bremen in den vergangenen fünf Jahren mehr Mängel festgestellt worden als in Heimen in gemeinnütziger Trägerschaft.« »Laut einer Antwort des Bremer Sozialressorts auf eine Große Anfrage der Fraktionen von den Linken, Grünen und SPD seien zwischen 2018 und Anfang August dieses Jahres bei gemeinnützigen Trägern 188 Mängel festgestellt worden, bei privaten Trägern insgesamt 536 Mängel. Im Bundesland Bremen gibt es aktuell 53 Pflegeeinrichtungen in gemeinnütziger Trägerschaft und 43 Einrichtungen in privater Trägerschaft.« (…) Deutlich wird, dass bei überregional tätigen privaten Träger in allen Prüfgegenständen die meisten Mängel festgestellt werden. Besonders stark zeigt sich dies bei der Nr. 2 (personelle Ausstattung), der Nr. 3 (Unterstützungsleistungen) und der Nr. 5 (hauswirtschaftliche Versorgung). Übrigens: Dieses Qualitätsergebnis findet sich auch bei den ambulanten Pflegediensten wieder: 90% der anlassbezogenen Qualitätsprüfungen wurden in solcher mit privater Trägerschaft durchgeführt. Man muss ergänzend darauf hinweisen, dass alle Belegungsstopps und Belegungsobergrenzen, die von der Bremischen Wohn- und Betreuungsaufsicht ausgesprochen werden mussten, ausschließlich private überregional tätige Träger betrafen.“ Beitrag von Stefan Sell vom 18. August 2022 auf seiner Homepage externer Link
  • Forscher zu Private Equity-Trend in der Pflege: Blackbox Pflegequalität 
    „Finanzinvestoren drängen mit Macht in den Markt der Pflege-Immobilien. (…) Das Karussell von Kaufen und Verkaufen in der Pflege durch Private-Equity-Investoren muss mehr beleuchtet und reguliert werden, fordert Dr. Christoph Scheuplein. Der Wissenschaftler am Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen verfolgt das Vordringen der Investoren in den Gesundheits- und Pflegemarkt seit Jahren. „Wir beobachten eine wachsende Marktmacht von Pflegeheimketten durch Private-Equity-Investoren“, sagt Scheuplein im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“. Diese Übernahmen würden sich mit großer Sicherheit fortsetzen, denn in den vergangenen Jahren hätten die Private-Equity-Fonds Rekordzuflüsse an Kapital verbucht – und daran habe auch die Corona-Pandemie wenig geändert. Zwar beobachte man, dass Übernahmen stattfinden. „Was aber bisher eine Blackbox ist, das sind die Auswirkungen auf die Pflegequalität und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten“, moniert Scheuplein. Die fehlende Transparenz setzt sich an anderer Stelle fort: „Wir wissen über die Eigentümerstrukturen wenig, über die Finanzströme fast gar nichts“, erläutert der IAT-Wissenschaftler. Bekannt sei nur dass viele Investorengruppen ihre Gewinne in Steueroasen wie zum Beispiel in Luxemburg versteuern. (…) Beim Kauf eines Pflege-Unternehmens durch eine Private-Equity-Gruppe werden in der Regel die für den Kauf verwendeten Kredite auf das erworbene Unternehmen selbst übertragen. Bei diesem im Fachjargon „Debt pushdown“ genannten Vorgehen muss die Betreibergesellschaft des Pflegeheims und nicht der neue Eigentümer für die Schulden aufkommen. Im Ergebnis verlagert sich der Zweck des Betriebs eines Pflegeheims weg von der Versorgung pflegebedürftiger Menschen hin zur Bedienung von Schulden. Gleichzeitig helfen die hohen Zinszahlungen für diese sogenannten Gesellschafterdarlehen dem Investor dabei, seine steuerpflichtigen Gewinne zu senken. (…) Das IAT habe in Studien zeigen können, dass in Deutschland tätige Private-Equity-Fonds je nach Startjahr 15 bis 20 Prozent an Rendite erzielt hätten, so Scheuplein: „Das ist die Messlatte, die auch an Unternehmen im Gesundheitssektor gehalten wird.“ Er plädiert dafür, den Betrieb von Pflegeheimen stärker zu regulieren. So sollten sich Private-Equity-Gesellschaften mit maximal 49 Prozent an einem Unternehmen beteiligen dürfen. Für geboten hält es Wissenschaftler Scheuplein zudem, mehr Transparenz in die Eigentümerstrukturen und in die Kapitalflüsse zu bringen. Aufgabe der Versorgungsforschung wäre es aus seiner Sicht, die Auswirkungen dieser Investments auf die Qualität der pflegerischen Versorgung, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die Kostenbelastung der Pflegebedürftigen in den Blick zu nehmen.“ Artikel von Florian Staeck vom 17. November 2021 in der ÄrzteZeitung online externer Link
  • Teilweise Versechsfachung des Einsatzes: Studie untersucht Renditetricks von Private-Equity-Unternehmen in Pflegeheimen 
    „Immer öfter investieren aggressive Geldgeber*innen auch in Bereiche der Daseinsfürsorge. Eine aktuelle Studie der Bürgerbewegung Finanzwende und der Heinrich-Böll-Stiftung zu Private-Equity-Firmen (Beteiligungskapital-Firmen) im Pflegebereich belegt, wie problematisch es ist, einen so wichtigen Bereich wie die Altenpflege mit den hohen Renditeerwartungen solcher Unternehmen in Einklang zu bringen. »Die Trickliste der Investoren ist lang – mit erheblichen Folgen für das deutsche Pflegesystem«, schreiben die Studienmacher*innen. Dazu gehören Zinsen von etwa neun Prozent für Darlehen von Gesellschafter*innen, der Ausverkauf von Immobilien sowie die Übertragung hoher Schulden, die mitunter dem Zehnfachen des Gewinns entsprechen. All dies droht Pflegeheimketten in Deutschland, wenn Private-Equity-Gesellschaften bei ihnen einsteigen. Im Ergebnis stellt die auch von der Hans-Böckler-Stiftung und der Open Society Foundations unterstützte Untersuchung infrage, ob Private-Equity-Firmen überhaupt im Pflegebereich aktiv sein sollten. Eine zusätzlich in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, dass 60 Prozent der Befragten gar den Zugang aller privaten Investoren in den Pflegebereich ablehnen. In der aktuellen Falluntersuchung, die Pflegeheimketten in Deutschland, Frankreich und Großbritannien umfasst, wird deutlich, dass Private-Equity-Fonds dabei stets ein ähnliches Instrumentarium anwenden. Die Finanzinvestor*innen nehmen oft hohe Kredite auf, um große Pflegeheimketten zu kaufen. Im Anschluss werden die Schulden auf die Heime selbst übertragen, sodass diese die teils horrenden Beträge inklusive Zinsen abzahlen müssen. Trotz der hohen Schulden sichern sich Finanzinvestor*innen oft hohe Profite beim Verkauf der Pflegeheimketten. (…) Nach Ansicht von Finanzwende liegen längst verschiedene Möglichkeiten auf dem Tisch, um das Agieren der Investor*innen spürbar einzuschränken. Eine Option sei beispielsweise, Private-Equity-Firmen komplett aus dem so wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge herauszuhalten. Sollte die Politik nicht so weit gehen wollen, könnte sie zumindest manche schädlichen Tricks unterbinden und die Investor*innen mehr in die Haftung nehmen, meint Schick.“ Artikel von Martin Höfig vom 18. Oktober 2021 in neues Deutschland online externer Link
  • Rendite mit der Pflege – auf dem Rücken von Bedürftigen, Beitrags- und Steuerzahlern 
    In der Altenpflege fehlt Personal. Dennoch lockt die Branche Investoren mit hohen Renditen. Bezahlen müssen dafür die Alten und ihre Familien
    Die Pflegebranche steht vor einem großen Problem: Ihr fehlt Personal. Der Deutsche Pflegerat bezifferte jetzt auf dem Deutschen Pflegetag 2021 den Mangel: 200.000 Pflegekräfte fehlen aktuell in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen – Tendenz steigend. Denn auch die Zahl derer, die auf Pflege angewiesen sind, steigt weiter. Der Pflegerat geht davon aus, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von aktuell 4,1 Millionen auf 5,1 Millionen im Jahr 2030 steigen wird – den Personalmangel prognostizierte er auf rund 500.000 unbesetzte Stellen. (…) Wenn Spahn höhere Löhne für höhere Pflegekosten verantwortlich macht, dann ist das auch nur die halbe Wahrheit; die Gehälter sind nur ein Teil der gesamten Pflegekosten. Der Eigenanteil der Pflegebedürftigen, als die Summe, die nicht von der Pflegekasse getragen wird, beläuft sich im bundesweiten Durchschnitt auf mehr als 2.000 Euro im Monat. Für einen Platz im Pflegeheim werden fällig: der „einrichtungseinheitliche Eigenanteil“, mit dem Leistungen der pflegerischen Versorgung finanziert werden, deren Kosten nicht aus der Pflegeversicherung gedeckt sind. Hinzu kommen die Kosten für „Unterkunft und Verpflegung“ sowie die „Investitionskosten“ der jeweiligen Einrichtung. Für diese beiden Posten fließt nichts aus der Pflegekasse, und sie müssen deshalb vollständig von den Pflegebedürftigen über deren Eigenanteil finanziert werden. Gerade die Kosten für die Unterkünfte sind Einfallstor für Investoren, auf der Suche nach hohen Profiten. Spahn selbst hatte vor Jahren gewarnt. 2018 warf er Pflegeheimbetreibern vor, ihr Gewinnstreben auf Kosten des Pflegepersonals und der Pflegebedürftigen zu übertreiben. Ein „kapitalmarktgetriebenes Fokussieren auf zweistellige Renditeerwartungen“ sei nicht angemessen, hatte er damals gesagt…“ Artikel von Bernd Müller vom 14. Oktober 2021 in Telepolis externer Link
  • Das Milliardengeschäft Altenpflege: Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren
    Überarbeitete Pflegekräfte, vernachlässigte Heimbewohner, knallharte Konzernmanager: Quer durch Europa machen alte Menschen und ihre Angehörigen diese schlimme Erfahrung. Während es beinahe überall an Pflegekräften für die stetig wachsende Zahl an Bedürftigen fehlt, machen internationale Konzerne und Finanzinvestoren mit der Altenpflege das große Geschäft. Wie passt das zusammen? Warum lassen die Regierungen das zu? Und welche Folgen hat das? Diesen Fragen ist das Journalistenteam Investigate Europe von Portugal bis Schweden nachgegangen externer Link und auf besorgniserregende Entwicklungen gestoßen (…) In der Folge rollen die Konzerne den Markt in Europa auf. In Spanien sind schon mehr als 80 Prozent aller Pflegeeinrichtungen in der Hand von privaten Unternehmen. In Großbritannien sind es 76 und in Deutschland inzwischen 43 Prozent. Allein in den vergangenen vier Jahren steigerten die 25 führenden Unternehmen ihre Kapazität um 22 Prozent – für die Anleger ein blendendes Geschäft. Beim Marktführer Orpea hat sich der Aktienkurs seit 2015 verdoppelt. All das trifft einen Sektor mit „unzureichender Personalausstattung und fehlenden Qualifikationen, die auf Kosten der Pflegequalität und Sicherheit gehen“, wie es in einer Studie für die OECD externer Link heißt…” Artikel von Nico Schmidt und Harald Schumann vom 16.07.2021 im Tagesspiegel online externer Link
  • Schwester Heuschrecke. Megadeals mit Rehakliniken, Fusionen von Heimbetreibern: Private Fonds mischen den Pflegemarkt auf – zum Schaden von Patienten und Beschäftigten 
    Heimlich, still und unbeeindruckt von der Corona-Krise machen sich milliardenschwere Fonds im Pflegebereich breit. Private-Equity-Firmen wie Nordic Capital, Waterland, Chequers Capital, Oaktree oder Carlyle: Das sind Beteiligungsgesellschaften, die mit dem Geld ihrer Anleger Unternehmen aufkaufen, die nicht an der Börse gehandelt werden. Ihr Geschäftsgebaren hat ihnen den Beinamen „Heuschrecken“ eingebracht. Ihnen ist egal, ob sie in IT, Immobilien oder eben „Gesundheit“ investieren, entscheidend ist die Rendite, die eine Anlage erzielt. Wie kann es sein, dass ebendiesen Fonds immer mehr stationäre Altenpflege- und Reha-Einrichtungen in Deutschland gehören? Seit dem Erwerb des Pflegeheimbetreibers Casa Reha durch ECM Equity Capital im Jahr 1998 wurden in dem Sektor immer mehr Einrichtungen übernommen, die Zahl der Privaten hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Viele Betreiber von Alten- oder Pflegeheimen wurden mehrfach von den „Heuschrecken“ durchgereicht, sprich: mit hohen Profiten weiterverkauft. (…) Der Gesundheitssektor – „Healthcare“ als Investitionsmöglichkeit – rangiert bei den Fonds, die global über ihnen von Investoren zugesagte, aber noch nicht investierte Mittel („dry powder“) von gut 1,5 Billionen Dollar verfügen, sogar ganz oben auf der Liste der bevorzugten Ziele. (…) Der Gesundheitsmarkt wird ins Visier genommen, weil dort gut zu kalkulierende, stabile oder sogar stetig steigende Mittelzuflüsse zu erwarten sind. Die Pfeile zeigen nach oben: Demografisch gibt es für die nächsten Jahrzehnte im Markt für stationäre Pflege und Seniorenwohnen einen klaren Wachstumstrend, weitgehend unabhängig von Konjunkturschwankungen. Der Knackpunkt im Geschäftsmodell der auf Profit ausgerichteten Fonds ist, dass der „Equity“-Anteil, also das pro Deal eingesetzte Eigenkapital des Fonds, möglichst gering gehalten und mittels Krediten „gehebelt“, also vervielfacht wird. Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken macht das noch einfacher (…) Wer die Zeche zahlt, liegt auf der Hand: die Alten und Kranken. Denn während auf der einen Seite die Profite steigen, steigen auf der anderen auch die Kosten für die Pflege im Heim. (…) Dem Treiben der Investoren und ihren Profitsteigerungen folgt spiegelbildlich ein zweites Karussell, um das erste am Laufen zu halten: das der Kostensenkung. Am einfachsten im größten Umfang geht das beim Personal. Leiharbeitskräfte, die im Gesundheitswesen und besonders in Pflegeheimen massenweise eingesetzt werden, erfüllen dabei eine Doppelfunktion: Sie sind einerseits billiger und schnell abrufbar und schwächen andererseits mit ihren im Tagesrhythmus wechselnden Arbeitsplätzen den Zusammenhalt des Personals gegenüber der Leitung, eine Freude für jeden Investor. Eine weitere, fatale Auswirkung zeigt sich aktuell: Durch die laufende Personalzirkulation von Einrichtung zu Einrichtung können Leiharbeitskräfte während der Corona-Pandemie Träger für die Virusverbreitung sein. Umso bedenklicher, dass die Impfstrategie in Deutschland Anfang 2021 diese profitablen Leiharbeitskräfte in Pflege-Einrichtungen vergessen hatte…“ Artikel von Walther Becker am 17.03.2021 im Freitag online externer Link (Ausgabe 08/2021)
  • Pflegekapitalismus. Die gefährliche Finanzialisierung der Pflege 
    Die öffentliche Diskussion über den Zustand der Pflege dreht sich hauptsächlich um die Rekrutierung, Finanzierung und Ausbildung von zunehmend knappen Pflegekräften. Dabei wäre es höchste Zeit, dem neuen Pflegekapitalismus grundsätzlich Einhalt zu gebieten. (…) Dabei lässt sich das öffentliche Gut Pflege nur zu hohen Kosten privatisieren – wenn überhaupt. Denn das gesellschaftliche Ziel einer würdevollen Pflege ist mit dem privatwirtschaftlichen Ziel der Gewinnmaximierung schlicht unvereinbar. Deshalb brauchen wir nicht nur eine angemessene finanzielle Ausstattung der Pflege, sondern auch eine robuste „Industriepolitik“, die dem neuen Pflegekapitalismus Einhalt gebietet. (…) Während der Pflegekapitalismus vor allem im privaten Segment zu Hause ist, muss man, um ihm wirklich auf die Spur zu kommen, auch die privaten Träger weiter untergliedern. Entscheidend sind hier Größe und Eigentümerstruktur. Da sich Kostenvorteile vor allem durch Größe realisieren lassen, überrascht es nicht, dass der private Sektor eine zunehmende Konzentration verzeichnet. (…) Doch selbst bei den großen Pflegeketten gilt es zu unterscheiden, und zwar nach der Eigentumsform. In der Vergangenheit handelte es sich bei profitorientierten Pflegeheimen um Unternehmen im Familien- beziehungsweise Privatbesitz. Zunehmend dominieren hier jedoch börsennotierte Aktienunternehmen (…) Dieses Geschäftsmodell der Kostenminimierung mag überaus kompatibel mit der Gewinnmaximierungsstrategie im Pflegesektor sein – mit dem Ziel einer qualitativ hochwertigen Betreuung ist es jedoch schwerlich vereinbar…“ Beitrag von Benjamin Braun und Philippa Sigl-Glöckner vom 8. Oktober 2020 im Makronom externer Link
  • Kurze Lebenserwartung: Börsenorientierte Aktienunternehmen machen sich im Pflegesektor breit. Doch hohe Rendite verträgt sich nicht mit einer würdevollen Pflege
    “In keiner anderen Gruppe fordert das Coronavirus so viele Todesopfer: Mehr als ein Drittel der Todesfälle in Deutschland betreffen die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen. Die Pandemie wirft ein Schlaglicht auf die zentrale gesellschaftliche Frage der Pflege externer Link. Rhetorisch herrscht hier Einigkeit – würdevoll soll der Lebensabend unserer Großeltern und Eltern sein. Doch unter welchen konkreten Voraussetzungen lässt sich dieses Ziel umsetzen? In der öffentlichen Diskussion wird viel über Finanzierung und Mangel an Pflegekräften gesprochen. Unter den Tisch fallen dabei oft die voranschreitende Kommerzialisierung und Finanzialisierung der Pflege. Dabei lässt sich das öffentliche Gut Pflege nur zu hohen Kosten privatisieren. Das gesellschaftliche Ziel einer würdevollen Pflege ist mit dem privaten Ziel der Gewinnmaximierung unvereinbar. Deshalb brauchen wir nicht nur eine angemessene finanzielle Ausstattung der Pflege, sondern auch eine robuste „Industriepolitik“, die dem neuen Pflegekapitalismus Einhalt gebietet. (…) Das Geld aus den Pflegeversicherungen fließt an die Betreiber von Pflegediensten und Pflegeheimen. Unterschieden werden hier öffentliche, freigemeinnützige und private Träger. Öffentliche, überwiegend Kommunen, spielen als Träger von Pflegeheimen nur noch eine Nebenrolle: Ihr Anteil sank bis 2017 von 8 auf 5 Prozent. Führend sind mit einem Anteil von 53 Prozent freigemeinnützige Träger wie der Deutsche Caritasverband. Deutlich vergrößert hat sich hingegen der Anteil der privaten Träger – von 35 auf 43 Prozent bei den Pflegeheimen und von 26 auf 40 Prozent bei den Pflegeplätzen. Da sich Kostenvorteile vor allem durch Größe realisieren lassen, überrascht es nicht, dass der private Sektor eine zunehmende Konzentration verzeichnet. Im vergangenen Jahr entfielen knapp 40 Prozent der Plätze in der vollstationären Pflege auf die 30 größten Pflegeunternehmen. Entscheidend ist hier die Eigentumsform: In der Vergangenheit handelte es sich bei profitorientierten Pflegeheimen um Unternehmen im Familien- oder Privatbesitz. Zunehmend dominieren hier jedoch börsennotierte Aktienunternehmen. Derzeit kontrollieren Privat-Equity-Gesellschaften etwa 13 Prozent der privaten Pflegeplätze in Deutschland. PE-Gesellschaften konkurrieren darum, das Kapital von institutionellen Investoren und vermögenden Individuen gegen hohe Gebühren zu verwalten. Sie investieren dieses Kapital, indem sie Unternehmen aufkaufen, die aufgenommenen Schulden auf die Zielunternehmen übertragen und dort drastische Kosteneinsparungen durchsetzen. Nach vier bis fünf Jahren werden die Zielunternehmen mit möglichst hohem Gewinn wieder abgestoßen. (…) Vergleichbare Studien für Deutschland liegen bisher nicht vor. Bekannt ist, dass die höchsten Renditen nicht im Luxussegment, sondern mit Pflegeheimen am unteren Ende der Qualitätsskala erwirtschaftet werden. Recherchen zeigen außerdem, dass PE-Übernahmen auch hierzulande zu Lasten des Personals und der Patienten gehen. So etwa im Fall des Alloheims Ludwigsburg. Nach zwei Eigentümerwechseln im Jahr 2015 beanstandete die Heimaufsicht Schimmel, Fixierungen sowie fehlendes Fachpersonal. Wie könnte eine Politik aussehen, die solchen Entwicklungen entgegentritt? Eine entscheidende Stellschraube ist der Kostendruck, den der Staat bisher selbst verordnet: Nur Heime, die ausreichend „wirtschaftlich“ sind, bekommen einen Versorgungsvertrag und können damit von der Pflegekasse oder Sozialversicherung bezahlt werden. Ein staatlicher Rahmen, der Effizienz belohnt, ist grundsätzlich nicht falsch. Doch er nährt auch den Pflegekapitalismus, da er große Ketten begünstigt. Stattdessen sollte der Staat seine Kostenvorgaben an dem orientieren, was auch kleinere Pflegeanbieter einhalten können. Zudem könnten Bund und Länder Kapital bereitstellen und die Rolle der Kommunen in der Pflege wieder stärken. Schon heute stellt der Bund Kapital bereit, indem die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau die Finanzierung von Pflegeimmobilien unterstützt. Pflege ist keine Anlageklasse für Investoren, sondern eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung…“ Artikel von Benjamin Braun und Philippa Sigl-Glöckner vom 30.09.2020 in der taz online externer Link
  • Private-Equity-Investitionen im Pflegesektor: Relevanz, Dimensionen und Handlungserfordernisse
    Im deutschen Pflegesektor ist in den vergangenen Jahren ein neuer Akteurstyp aktiv geworden. Private-Equity-Gesellschaften (PEG) investieren temporär, branchen- und länderübergreifend und unterscheiden sich damit von vielen anderen privaten Trägern. Das wachsende Engagement von PEG ist u.a. auf das Nachfragewachstum, auf berechenbare Marktrisiken bei gesicherten Renditechancen sowie auf marktliche Konzentrations- und Konsolidierungsprozesse zurückzuführen. Die PEG wenden vorranging die sogenannte Buy-and-Build-Strategie an, d.h. sie erwerben mehrere kleinere Unternehmen und fügen diese zu einer größeren Unternehmenseinheit zusammen. Damit zielen sie vor allem auf Skalenvorteile durch ihre wachsende Unternehmensgröße. Die im Pflegesektor aktiven PEG unterscheiden sich hinsichtlich ihres Leistungsprofils, der angebotenen Versorgungsformen, ihrer Gründungs- und Entstehungskontexte sowie ihrer Eigentümerstrukturen.  Die Leistungen in der Versorgung sind somit differenziert zu betrachten. Notwendig ist mehr Transparenz über die tatsächlichen Eigentümerstrukturen im Pflegesektor. Anlagestrategien, mögliche Hebeleffekte sowie die Vergütungs- und Unternehmenspolitik sind hier wichtige Ansatzpunkte. Dies wäre durch verbindliche versorgungs- und arbeitspolitische Standards zu flankieren…” Studie von Michaela Evans und Christoph Scheuplein als Forschung Aktuell 08/2019 externer Link beim IAT
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=152559
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