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Der öffentliche Gesundheitsdienst blutet und kommt unter die Räder

Dossier

Medizin und Ökonomie„… Nehmen wir als Beispiel den öffentlichen Gesundheitsdienst. Der ist in vielfacher Hinsicht von großer sozialpolitischen Bedeutung und wer sich ein wenig in der Sozialgeschichte auskennt, der ist sich bewusst darüber, dass über die öffentlichen Gesundheitsdienst gesellschaftlicher Fortschritt hergestellt werden konnte. (…) Die Forderung nach einer Angleichung der Vergütung »ist bei den kommunalen Arbeitgebern bislang aber ohne Effekt geblieben. „An der Tariffront tut sich seit Jahren nichts“, kritisiert Teichert. Ihr Verband hat deshalb die Tarifgemeinschaft mit dem dbb (früher: Deutscher Beamtenbund) zum Ende des Jahres gekündigt. Der BVÖGD wird die Tarifvertretung zunächst selbst übernehmen.« (…) »Die Krux der Gesundheitsämter: Sie müssen mit weniger Personal immer mehr Aufgaben stemmen…“ Beitrag von Stefan Sell vom 15. August 2017 in Aktuelle Sozialpolitik externer Link, siehe dazu:

  • Öffentlicher Gesundheitsdienst: Unterfinanziert auf Dauer New
    Die Nachrichten aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) sind widersprüchlich. Seitens des Verbandes der ÖGD-Ärzte hieß es im Mai noch, die Personalaufstockung ginge gut voran. Im letzten Jahr seien 2043 Stellen hinzugekommen, davon 25 Prozent Ärzte. Jetzt schlägt der Verband erneut Alarm. Insgesamt 5000 neue Stellen waren in einem Pandemie-Sonderprogramm versprochen worden. Die Forderung, die zusätzlichen Mittel für diesen Zweck, nämlich zwei Drittel der zugesagten vier Milliarden Euro, sofort und nicht erst zum Jahresende bereitzustellen, scheint sinnvoll. Worauf sollen die Personalverantwortlichen in den Gesundheitsämtern noch warten? Die Kontaktnachverfolgung wurde schon Anfang des Jahres fast überall eingestellt. Zudem werkeln die Ämter noch an der Erfassung der Impfquoten in Heimen und Kliniken. Zum regulären Pensum gehören Schuleingangsuntersuchungen, Hygienekontrollen sowie diverse Beratungs- und Hilfsangebote. Es bleiben selbst im relativ entspannten Pandemie-Sommer so viele Aufgaben offen, dass bei der Stärkung der Öffentlichen Gesundheitsdienstes dringend nachgelegt werden muss.“ Artikel von Ulrike Henning vom 19.06.2022 im ND online externer Link
  • Ärzte in Gesundheitsämtern: Trotz Personalnot kein Tarif in Sicht 
    Amtsärzte verdienen weit weniger als Klinikmediziner – auch deshalb bleiben immer mehr Stellen unbesetzt. Doch ein Tarifvertrag ist nicht in Sicht. Am 16. November wird es ernst, die Tarifverhandlungen des Marburger Bund (MB) mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) gehen in die entscheidende Phase. 5,5 Prozent mehr versucht die Gewerkschaft dabei für die rund 55.000 Ärzt:innen an den kommunalen Krankenhäusern herauszuholen – neben deutlichen Verbesserungen bei Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaften. Doch eine andere Medizinergruppe, die ebenfalls den Kommunen untersteht, bleibt mal wieder außen vor: die in der Corona-Epidemie besonders gefragten Ärzt:innen an Gesundheitsämtern. Im Vergleich zu ihren Kolleg:innen in den Kliniken gelten sie als chronisch unterbezahlt. Und obwohl der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) mittlerweile händeringend nach mehr Fachpersonal sucht und der Bund dafür nun auch mehrere Milliarden Euro zur Verfügung stellt, weigern sich die kommunalen Arbeitgeber weiterhin beharrlich, den ÖGD-Ärzt:innen einen eigenen Tarifvertrag zuzugestehen und den Job dadurch attraktiver zu machen. Man habe diesmal „keine erneuten Forderungen zum öffentlichen Gesundheitsdienst erhoben“, bestätigte MB-Chefin Susanne Johna nach dem Start der Tarifverhandlungen vor einem Monat. Begründung: „Die von Starrsinn geprägte Blockade der Arbeitgeber, unsere Verhandlungen zum ÖGD fortzusetzen, lässt sich leider nicht durch Verhandlungen im Krankenhausbereich brechen.“ Hier sei „die Politik gefragt, endlich den zuständigen Ländern und Kommunen klarzumachen, dass Ärztinnen und Ärzte im ÖGD keine Verwaltungsangestellten sind, sondern einen überall gesuchten freien Beruf ausüben.“ Tatsächlich ist der Versuch der Gewerkschaft, die Arbeitgeber im Rahmen von Verhandlungen auch zu einem Tarifvertrag für ÖGD-Ärzt:innen zu bewegen, bereits zwei Jahre her. (…) Ein wenig erinnert das alles an die Situation in der Pflege, wo es trotz extremen Personalnotstands auch erst nach langem Gewürge und politischer Einmischung gelang, eine Bezahlung nach Tarif zu erreichen. Je nach Qualifikation verdienten Ärzt:innen an Gesundheitsämtern 1.000 bis 1.500 Euro weniger als ähnlich qualifizierte Kolleg:innen in den Krankenhäusern, berichtet Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). Ein enormer Wettbewerbsnachteil, der hauptverantwortlich für die immer schwerer zu besetzenden Medizinerstellen im ÖGD sei. Wie viele zusätzliche Ärzte benötigt werden, ist nach Teicherts Worten unklar, weil es – man mag es kaum glauben – keine Zahlen gibt…“ Artikel von Rainer Woratschka vom 2.11.21 im Tagesspiegel online externer Link
  • 25 Jahre aufsichtslose Party. Der Abbau der Gewerbeaufsicht geht auf Kosten der Beschäftigten 
    „«Schlanker Staat», «Privat vor Staat», «Senkung der Lohnnebenkosten» – dieser gemeinsame politische Nenner der Regierungspolitik von CDU und FDP bis Grünen und SPD entfaltet seit 25 Jahren sein destruktives Potenzial in der Gesellschaft. Und das nicht nur in den sozialen Sicherungssystemen und im Gesundheitswesen. Auch die personelle Auszehrung öffentlicher Dienste, die Unternehmen zum Schutz der Arbeitenden beaufsichtigen und kontrollieren sollen, etwa beim betrieblichen Umweltschutz und beim Arbeitsschutz, war gewollte Strategie. (…) Der Schwund an Kontrollpersonal in der Gewerbeaufsicht wurde auf kommunaler Ebene nicht ausgeglichen, denn auch in den Gemeindeverwaltungen und -räten war der Abbau von Personal im öffentlichen Dienst herrschende Lehre. In Stuttgart führte eine vorgegebene «Effizienzrendite» von 20 Prozent zum Abbau von 31 Stellen im Gewerbeaufsichtsamt. Der zaghafte Wiederaufbau von Personal in den letzten Jahren bleibt weit hinter dem zurück, was erforderlich ist und was die ILO-Konvention vorsieht: Sie fordert pro 10000 Beschäftigten eine Stelle bei der Gewerbeaufsicht (…) Die ständige Zuweisung neuer Aufgaben und die Überfrachtung der Arbeitsschutzkontrolleure mit Dienstleistungen für andere Behören und etwa den betrieblichen Umweltschutz führen dazu, dass sie zu 70 Prozent mit Aufgaben belastet sind, die nicht dem Arbeitsschutz im eigentlichen Sinne zuzuordnen sind. Für Betriebsbesuche vor Ort ausgebildete und befähigte Arbeitsschutz-Revisor:innen werden darüberhinaus nur noch durch Learning bei doing (durch Begleitung von ausgebildeten Revisor:innen) eingelernt – bis 2005 gab es eine systematisierte Fortbildung zum Revisor. Die Kontrolldichte auf Baustellen liegt so bei 1,28 Prozent – und nur die Hälfte davon entfällt auf Arbeits-und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz im eigentlichen Sinn, die andere Hälfte auf die Bearbeitung von Beschwerden von Nachbarn und Anliegern…“ Artikel von Tom Adler in der SoZ 4/2021 externer Link
  • Krankes Gesundheitssystem
    “… Auch wer in die Marktwirtschaft verliebt ist, begreift gelegentlich, dass manches nicht ohne staatliche Steuerung funktioniert. So etwa Gesundheitsminister Jens Spahn, der bereits am 19. April dieses Jahres feststellte: »Der öffentliche Gesundheitsdienst ist der Dreh- und Angelpunkt zum Umgang mit dieser Epidemie.« So steht es auch im Gesetz, wonach die Gesundheitsämter »für die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten verantwortlich sind«. Zwischen 2000 und 2014 ist die Zahl der in diesen Ämtern Tätigen von 39.000 auf 29.000 gesunken – man konnte ja nicht wissen, dass eine Epidemie kommen würde. Auch waren die Verantwortlichen anscheinend überzeugt, dass der Markt Fragen der Gesundheit locker lösen würde. Ob das bei der Überwachung von Fleischfabriken und anderen im internationalen Wettbewerb stehenden Privatunternehmen und bei der Überwachung von Sammelunterkünften für Billigarbeiter gut funktioniert, wird von hellen Köpfen langsam bezweifelt. Seit Spahns neuer Erkenntnis im April wurde von Bund und Ländern beschlossen, bis 2026 in den Gesundheitsämtern 5.000 (in Worten fünftausend) Vollzeitstellen zu schaffen. Ein lautes Bravo an dieser Stelle. Bis es soweit ist, helfen Bundeswehr und Medizinstudenten ohne Aushilfsjobs bei der Nachverfolgung von Infektionen aus…“ Artikel von Lucas Zeise in der jungen Welt vom 28.11.2020 externer Link (im Abo) – siehe auch unser Dossier: Gegen einen Bundeswehreinsatz wegen „der Seuche“: Weder in Baden-Württemberg noch anderswo!
  • Gesundheitsämter in der Coronakrise – Die Behörde im Zentrum der Pandemiebekämpfung
    “Bei der Eindämmung der Pandemie spielen die Gesundheitsämter eine wesentliche Rolle. Sie kommen aber dadurch ihren sonstigen Aufgaben kaum noch nach. Deshalb schulen sie neues Personal und erhalten Hilfe von der Bundeswehr, um den Herausforderungen in der Krise gerecht zu werden. (…) Einen solchen Crash-Kurs haben gerade viele Menschen in den Pandemie-Teams der Gesundheitsämter hinter sich. Überall wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Abteilungen abgezogen, die Bundeswehr hat mittlerweile ein Kontingent von 20.000 Kräften abgestellt, gut 5.600 Soldatinnen und Soldaten tun bereits Dienst im Kampf gegen das Corona-Virus. Bewaffnet mit Papier und Stift – und einer Checkliste zum Telefonieren. (…) Dennoch bleibt eine Menge Arbeit liegen. Denn Gesundheitsämter sind nicht nur für den Infektionsschutz zuständig. Zu ihren Aufgaben gehören auch Hygienekontrollen in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen. Das fällt nun alles flach. (…) Bis zum Ausbruch der Pandemie maßen Länder und Kommunen der öffentlichen Gesundheit wenig Bedeutung zu. Gesundheitsämter seien personell und technisch vielerorts schon vor Corona ausgemergelt gewesen, klagt Ute Teichert, Bundesvorsitzende der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. „Das hängt mit mehreren Gründen zusammen: Einerseits Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst. Andererseits aber auch eine schlechtere Bezahlung für den Bereich, was natürlich auch dazu beiträgt, dass es nicht gerade attraktiv ist, in den Bereich reinzuwechseln.“ (…) Ende September haben Bund und Länder einen „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ beschlossen. Der Bund stellt bis 2026 vier Milliarden Euro zur Verfügung, für Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen. Die Länder sollen dafür Sorge tragen, dass schon bis Ende kommenden Jahres 1.500 neue Stellen geschaffen werden, bis Ende 2022 sollen mindestens 3.500 weitere Vollzeitstellen entstehen. Ute Teichert, Bundesvorsitzende der Amtsärztinnen und Amtsärzte ist skeptisch, wie nachhaltig die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes ist – zur Bewältigung der Pandemie trage der Pakt derzeit jedenfalls noch nicht bei…“ Beitrag von Birgit Augustin vom 17.11.2020 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst: ÖGD-Ärzte sehen ihre Arbeit abgewertet 
    “… Die Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst sehen durch den aktuellen Tarifabschluss ihre Arbeit abgewertet. Der Tarifabschluss zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und dem Deutschen Beamtenbund (dbb) auf der einen sowie der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) auf der anderen Seite bringe den Ärzten in den Gesundheitsämtern wie allen anderen Beschäftigen im Öffentlichen Dienst zunächst eine Nullrunde von sieben Monaten, so die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte im ÖGD, Dr. Ute Teichert. Erst ab April 2021 gebe es ein Plus von 1,4 Prozent über 21 Monate mit einem Nachschlag von 1,8 Prozent ab April 2022. Umgerechnet auf die lange Laufzeit von 28 Monaten ergebe dies insgesamt ein Plus von maximal 1,5 Prozent, kritisiert Teichert. Zwar komme eine Facharztzulage von 300 Euro hinzu, von der Ärzte in Weiterbildung allerdings nicht profitierten. Die Facharztzulage gleiche gerade einmal ein Fünftel der Differenz aus, die Fachärzte in Gesundheitsämtern im Vergleich zu Fachärzten an Kliniken verdienten. 30 Prozent der Kollegen, die ihre Facharztausbildung noch nicht abgeschlossen hätten, gingen leer aus. Der BVÖGD ist deshalb nicht erstaunt, dass die Gesundheitsämter große Probleme haben, ärztliches Personal zu finden. Dabei sei die „Arbeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst spannend, erfüllend familienfreundlich und – wie nicht zuletzt die Corona-Pandemie zeigt – extrem wichtig“, sagt Teichert. Der BVÖGD sieht die ärztliche Arbeit in den Gesundheitsämtern durch den Tarifvertrag in keiner Weise abgebildet. Er fordert deshalb die VKA auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und mit dem BVÖGD und dem Marburger Bund einen arztspezifischen Tarifvertrag abzuschließen…“ Beitrag vom 03.11.2020 bei der ÄrzteZeitung online externer Link
  • Marburger Bund: „Zu einem Ärzte-Tarifvertrag im ÖGD gibt es keine Alternative“ 
    „Ohne einen Ärzte-Tarifvertrag wird es nicht gelingen, ausreichend ärztlichen Nachwuchs für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zu gewinnen. Mit dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst werden die Rekrutierungsprobleme des ÖGD nicht einmal ansatzweise gelöst. Das Ergebnis bleibt meilenweit hinter den Erwartungen der Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern zurück. Jetzt zeigt sich einmal mehr: Der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst ist der völlig falsche Ort, Rahmenbedingungen ärztlicher Arbeit zu regeln. Das ist allein Sache einer Ärztegewerkschaft“, erklärte heute Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. Nach dem Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst sollen Fachärztinnen und Fachärzte in den Gesundheitsämtern ab 1. März 2021 eine Zulage in Höhe von monatlich 300 Euro erhalten, andere Ärztinnen und Ärzte in den Ämtern gehen leer aus. „Junge Ärztinnen und Ärzte, die ihre Weiterbildung absolvieren, werden sich kaum für den ÖGD entscheiden, wenn sie gegenüber einer Tätigkeit im stationären oder ambulanten Bereich massive Gehaltsverluste in Kauf nehmen müssen. Nur mit einem echten Ärzte-Tarifvertrag lassen sich die bestehenden Unterschiede in der Vergütung dauerhaft ausgleichen. Zulagen sind kein Ersatz für ordentliche Tarifgehälter“, bekräftigte Johna. Mit der jetzt vereinbarten Zulage wird nicht annähernd die Lücke zu den vom Marburger Bund verhandelten Ärztegehältern geschlossen, die in Krankenhäusern und im Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gezahlt werden. Fachärztinnen und Fachärzte im ÖGD verdienen teilweise 1.500 Euro brutto im Monat weniger als ihre Kollegen in den Kliniken oder im MDK. „Der milliardenschwere Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst gibt den kommunalen Arbeitgebern genug Möglichkeiten, die Tarifsituation der Ärztinnen und Ärzte im ÖGD nachhaltig zu verbessern. Wir fordern die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände deshalb erneut auf, endlich mit uns an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Zu einem Ärzte-Tarifvertrag gibt es keine Alternative. Ohne ihn wird der ÖGD personell weiter ausbluten“, so die MB-Vorsitzende.“ Pressemitteilung vom 26.10.2020 von und beim Marburger Bund externer Link
  • Die Bedeutung der Gesundheitsämter (nicht nur) in Corona-Zeiten ist unbestritten. Aber bei einem eigenen Tarifvertrag für die Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst hört der Spaß auf
    “… Und das wird in der Politik durchaus anerkannt. Schaut man beispielsweise in die Vereinbarung der Koalitionsparteien für ein Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket vom 3. Juni 2020, die unter der Überschrift Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken externer Link steht, dann findet man dort unter den insgesamt 57 Maßnahmen einen mit immerhin 4 Mrd. Euro ausgestatteten „Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst“, den der Bund mit den Bundesländern und Kommunen auf den Weg bringen will. Zur Begründung wird ausgeführt: »Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt die besondere Bedeutung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) auf einem seiner klassischen Arbeitsfelder, dem Infektionsschutz. Zugleich macht das laufende Ausbruchsgeschehen deutlich, dass eine Verstärkung dieser unverzichtbaren Säule des Gesundheitswesens dringend notwendig ist.« Was genau ist geplant? Hoffentlich geht es im Kern um die Personalausstattung dieser wichtigen Institution, die derzeit eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat bzw. haben sollte: »Unter definierten Kriterien wird eine Personalmindestausstattung für ein Mustergesundheitsamt definiert … Der Bund wird den Ländern in Form von Umsatzsteuerfestbeträgen die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, um die zusätzlich erforderlichen Stellen in den Gesundheitsämtern vor Ort für die kommenden 5 Jahre zu finanzieren, soweit die Anstellung bis Ende 2021 erfolgt ist.« Und auch die Vergütung des ärztlichen Personals in den Gesundheitsämtern wird explizit angesprochen: »Zur leichteren Personalgewinnung muss die Bezahlung mit dem ärztlichen Gehalt in anderen Bereichen des Gesundheitswesens mithalten können. In den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ist dies sicherzustellen, ggf. durch die Zahlung von Funktionszulagen.« Hinzu kommen soll ein Förderprogramm, mit dem der Bund die Gesundheitsämter in der technischen und digitalen Auf- und Ausrüstung unterstützen will. Dafür werden die genannten 4 Mrd. Euro einkalkuliert. (…) Ja, wir haben da ein Problem.“ Der öffentliche Gesundheitsdienst habe vor der Corona-Krise lange Zeit eher ein Schatten-Dasein geführt – wegen einer vergleichsweise schlechten Bezahlung und Ausstattung. Nun ist das wirklich keine neue Diagnose. (…) »Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) verweigert kategorisch Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die rund 1.000 angestellten Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) der Kommunen. Dabei hatte eine im Mai 2019 mit der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) geschlossene Vereinbarung dieses beinhaltet«, berichtet Rainer Balcerowiak in seinem Artikel Hochgelobt und mies bezahlt externer Link: Die Kommunen verweigern Tarifverhandlungen für Ärzte in Gesundheitsämtern. Und auch er weist auf das bereits angesprochene Konjunkturprogramm der Bundesregierung hin: »Die Bundesregierung schien die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Der im Rahmen des Konjunkturprogramms beschlossene Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst von Bund, Ländern und Gemeinden sieht Fördermittel von vier Milliarden Euro vor. Als eine Aufgabe wurde die Angleichung der Gehälter an die in anderen Bereichen des Gesundheitssystems benannt. Maßgeblich für das ärztliche Personal müssten demnach die Ärztetarifverträge an kommunalen und Universitätskliniken sein.« Dazu muss man wissen, dass derzeit die Vergütung der Amtsärzte teilweise etwa 1.500 Euro brutto pro Monat unter der von angestellten Klinikärzten liegt. Angesichts der seit Jahren beklagten und weiter zunehmenden Mangellage bei Personal wäre eine entsprechende Angleichung der Vergütungsstrukturen mehr als naheliegend. »Doch genau das wollen die kommunalen Arbeitgeber verhindern. Der VKA verweist auf die Tarifsysteme des Öffentlichen Dienstes der Länder und der Kommunen sowie die verschiedenen Zulagen für ärztliche Tätigkeiten.« (…) Jetzt wird es auch gewerkschaftspolitisch interessant: Allerdings hat der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) die Tarifunion mit dem Beamtenbund bereits im Mai 2017 wegen Erfolglosigkeit in Tarifverhandlungen verlassen und unterstützt inzwischen die Forderung des Marburger Bundes (MB) nach einem Ärztetarifvertrag im ÖGD. (…) Die Berufsgewerkschaft Marburger Bund erläutert zum Tarifbereich Öffentlicher Gesundheitsdienst externer Link: »Der Marburger Bund fordert daher seit Jahren einen eigenen, arztspezifischen Tarifvertrag für diese Beschäftigten, die kommunalen Arbeitgeber mühen sich ebenso lange damit, eine solche pragmatische Lösung zu blockieren. (…) »Wie es weitergeht, ist derzeit unklar. Arbeitskampfmaßnahmen in den Gesundheitsämtern sind angesichts der Coronakrise derzeit kaum vorstellbar. Der Marburger Bund will daher zusammen mit dem BVÖGD vor allem politischen Druck auf kommunaler und Landesebene aufbauen«, berichtet Rainer Balcerowiak…“ Beitrag von Stefan Sell vom 15.07.2020 in seinem Blog Aktuelle Sozialpolitik externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120236
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