Betriebsratswahl: „Nordsee“ tritt Mitbestimmung mit Füßen

Dossier

Aktion Arbeitsunrecht: Betriebsratswahlen 2018: Union Buster melden!Die größte europäische Fischrestaurantkette „Nordsee“ mit Sitz in Bremerhaven behindere die aktuelle Betriebsratswahl, indem sie mehr als die Hälfte aller Betriebsräte entgegen aller gesetzlichen Bestimmungen zu sogenannten leitenden Angestellten erklärt habe, so der Vorwurf der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Mit diesem üblen Taschenspielertrick will Nordsee erfahrene Betriebsräte loswerden“, vermutet Guido Zeitler, stellvertretender NGG-Vorsitzender. Dieser Vorgang sei deshalb so brisant, weil leitende Angestellte nicht zum Betriebsrat gewählt werden könnten. Noch zur Aufsichtsratswahl im November 2017 sei die Zuordnung der Beschäftigten rechtmäßig gewesen. „Wie kann sich in so kurzer Zeit die Zahl der leitenden Angestellten mehr als verzehnfacht haben? Dies verstößt massiv gegen deutsches Recht“, so der NGG-Vize…“ NGG-Pressemitteilung vom 6. Februar 2018 externer Link. Siehe dazu:

  • [Dritte Gerichtsentscheidung] Nordsee scheitert mit fragwürdiger „Chef über Nacht“-Taktik 
    „… Der Betriebsrat der Firma hat vor dem Arbeitsgericht in Dortmund einen Etappensieg errungen. Das Management von Nordsee hatte im Frühjahr zunächst rund 228 Mitarbeiter aus Restaurants quer durch Deutschland zu leitenden Angestellten erklärt. Die Betroffenen waren allesamt gewählte Betriebsräte. Dieses Amt ist jedoch in Leitungsfunktionen nicht zulässig. Das Unternehmen ging deshalb vor das Gericht und wollte die jüngsten Betriebsratswahlen für ungültig erklären lassen. Genau das hat jetzt am Dortmunder Gericht (Az 8BV16/18) nicht geklappt. Zuvor hatten bereits die beiden Arbeitsgerichte in Neumünster (Az 3BV3a/18) und Oberhausen (Az 4BV10/18) ebenso entschieden. In diesen drei Gerichtsfällen sehen die Richter bei den betroffenen Mitarbeitern die Kriterien eines leitenden Angestellten nicht als erfüllt an, da sie weder Personal einstellen noch entlassen dürfen. Mithin ist aus ihrer Sicht die Betriebsratswahl auch nicht anfechtbar. Insgesamt gibt es elf dieser Verfahren. Auch wenn die Mehrzahl der Entscheidungen noch aussteht, lässt sich doch ein Trend ablesen. Der Fall ist in Deutschland einmalig. Kein anderes Unternehmen ist bisher in derart großem Stil und in dieser Form gegen die eigenen Arbeitnehmervertreter vorgegangen. Im Hintergrund geht es darum, wie eine Firma sich von Mitarbeitern trennen will und kann: Ein leitender Angestellter kann ohne hohen juristischen Aufwand entlassen werden, ein Betriebsrat ist dagegen während seiner Amtszeit davor geschützt…“ Artikel von Birger Nicolai vom 10.08.2018 in der Welt online externer Link
  • Betriebsräte bei Nordsee: Vom Haken gegangen 
    Die Imbisskette »Nordsee« kassiert eine Schlappe vor Gericht und muss Betriebsräte anerkennen – ausgestanden ist der Streit damit aber nicht
    Es dürfte selten sein, dass sich Beschäftigte über eine Degradierung freuen. Doch bei Europas größter Fischrestaurantkette »Nordsee« ist genau das der Fall. So stellten Arbeitsgerichte in Oberhausen und Neumünster nun fest, dass es sich bei den Filialleitern, die in diesen Regionen im Frühjahr in den Betriebsrat gewählt wurden, mitnichten um leitende Angestellte handelt, und machten damit dem Management einen Strich durch die Rechnung. (…) Nach den ersten Gerichtsentscheidungen in ihrem Sinne hofft die Gewerkschaft, dass auch die restlichen Verfahren so ausgehen werden. Bis November sind Termine angesetzt. Ein »erster Aufschlag« sei gemacht, so die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger. »Wir sind zuversichtlich, dass der Angriff auf die Mitbestimmung abgewehrt wird.« Mit unterschiedlichen Begründungen kamen die Arbeitsgerichte in Neumünster und Oberhausen zu dem Ergebnis, dass die betroffenen Filialleiter keine leitenden Angestellten sind. Entweder sei arbeitsvertraglich keine alleinige Personalverantwortung vereinbart worden oder die Bedeutung der einzelnen Filiale für Betrieb und Unternehmen sei untergeordnet, hieß es in den Beschlüssen. (…) »Nordsee« behält sich vor, Beschwerde bei den zuständigen Landesarbeitsgerichten einzulegen, heißt es aus dem Unternehmen. Die Auseinandersetzung könnte sich somit noch Jahre hinziehen. Das schafft Unsicherheit. Die Betriebsräte sind allerdings bis auf Weiteres im Amt und arbeiten.“ Artikel von Ines Wallrodt vom 09.08.2018 beim ND online externer Link
  • „Nordsee“: Betriebsratswahl bleibt wirksam. Erste Gerichtsentscheidungen 
    Nachdem „Nordsee“, die größte europäische Fischrestaurantkette, elf der dreizehn Betriebsratswahlen angefochten hatte, gab es vor den Arbeitsgerichten Neumünster und Oberhausen erste positive Entscheidungen: Die Filialleiter, die in den Betriebsrat gewählt wurden, seien keine leitenden Angestellten. Die Betriebsratswahl bleibe gültig. „Auch wenn erst zwei von elf Verfahren erstinstanzlich entschieden wurden, ist ein erster Aufschlag gemacht. Das lässt uns für die weiteren Verfahren hoffen. Wir sind zuversichtlich, dass der Angriff auf die Mitbestimmung abgewehrt wird“, sagte Michaela Rosenberger, Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Mit unterschiedlichen Begründungen kamen das Arbeitsgericht Neumünster am 27. Juni 2018 und das Arbeitsgericht Oberhausen am 5. Juli 2018 zu dem Ergebnis, dass Filialleiterinnen und Filialleiter keine leitenden Angestellten seien, wie von „Nordsee“ behauptet. Entweder sei arbeitsvertraglich keine alleinige Personalverantwortung vereinbart oder die Bedeutung der einzelnen Filiale für Betrieb und Unternehmen sei untergeordnet. Die Betriebsratswahlen bleiben in den betroffenen Teilregionen damit wirksam…“ Pressemitteilung der NGG vom 31. Juli 2018 externer Link
  • Mitbestimmungsfeinde: Fischrestaurantkette »Nordsee« behindert auf Teufel komm raus Betriebsratswahl. Das bleibt nicht unwidersprochen 
    „… Viele Geschäftsführungen fürchten offenbar Machtverluste und wollen lieber mit dem Betriebsrat verhandeln. Das liegt freilich auch daran, dass man dieses Mitbestimmungsgremium besser einbinden kann und die betrieblichen Interessenvertreter – im Gegensatz zur Gewerkschaft – nicht zu Streiks aufrufen dürfen. Es gibt aber auch Konzerne, die offensichtlich die eh schon recht eingeschränkte Mitbestimmung nicht akzeptieren wollen und mit aller Macht versuchen, sie im Keim zu ersticken, indem sie Betriebsratswahlen behindern oder verhindern. Ein solcher Fall jenseits aller demokratischen Mindeststandards ist Europas größte Fischrestaurantkette Nordsee. Das anteilig zum »Müllermilch«-Imperium gehörende Unternehmen stellte Anfang April bei den zuständigen Arbeitsgerichten den Antrag, die am 21. März abgehaltenen Betriebsratswahlen für unwirksam erklären zu lassen. (…) Unwidersprochen bleibt das mitbestimmungsfeindliche Gebaren von Nordsee glücklicherweise nicht. Neben wiederholten Protestaktionen der Gewerkschaft NGG ist das Unternehmen nun auch zu Recht ins Visier der Initiative Aktion Arbeitsunrecht geraten. Diese demonstrierte Mitte April im Rahmen ihrer Aktion »Freitag der 13.« zusammen mit Gewerkschaftern und weiteren Unterstützern auch vor Nordsee-Filialen, etwa im fränkischen Bamberg, um auf Union Busting, Lohndumping und Steuervermeidung durch die Kette und ihren Anteilseigner Theo Müller aufmerksam zu machen. Die Fischkette ist – abgesehen von ihrer Betriebsratsfeindlichkeit – zu allem Überfluss auch noch Kooperationspartner des Essenslieferdienstes Deliveroo, der wegen schlechter Arbeitsbedingungen und der Scheinselbständigkeit seiner Fahrradkuriere in der Kritik steht.“ Beitrag von Stefan Thiel aus der Ersten-Mai-Beilage der jungen Welt vom 25. April 2018 externer Link
  • Fischrestaurant-Kette Nordsee: Betriebsräte durch Beförderung ausgebremst? 
    Die Fischbräterei-Kette „Nordsee“ hat plötzlich – und ohne Gehaltserhöhung – mehr als 200 Mitarbeiter befördert. Darunter auffällig viele Betriebsräte. Die Gewerkschaft NGG fürchtet eine Blockade der Betriebsratsarbeit, denn rechtlich passen Leitungsfunktion und Mitbestimmung nicht zusammen. (…) Die 210 Beförderungen betreffen laut Gewerkschaft alle Filialleiter. Besonders betroffen sind Gewerkschaftsmitglieder, darunter neben einfachen Mitgliedern auch 53 Filialleiter von Nordsee-Restaurants, die gleichzeitig noch Betriebsratsvorsitzende sind. Und nun ist aber unklar, ob diese als Betriebsräte die Interessen der Angestellten vertreten dürfen. (…) Ein „Nordsee“-Betriebsrat beschreibt – aus Selbstschutz nur anonym – ein Klima der Angst im Unternehmen: „Wir waren alle ziemlich schockiert, als es uns bekannt gegeben wurde, dass diese Maßnahme geplant war. Es geht hier um die Filialleiter, die auch Betriebsräte  sind. Die Konsequenzen sind ja weitreichend: Sie würden aus den bestehenden Tarifverträgen raus fallen und hätten einen eingeschränkten Kündigungsschutz. Auch würde das Arbeitszeitgesetz nicht mehr gelten. Und sie könnten auch theoretisch überall hin versetzt werden. Es ging ja darum, erfahrene Filialleiter aus den Betriebsräten zu entfernen. Um zukünftig die Arbeitnehmervertretung zu schwächen.“ (…) Zwei Wochen Zeit hat das Unternehmen, die Betriebsratswahlen vor Gericht anzufechten. Gegenüber dem Deutschlandfunk mochte sich „Nordsee“ zu den Kritikpunkten der Gewerkschaft nur schriftlich äußern – und ließ die Frage nach dem Grund für die Beförderungswelle unbeantwortet…“ Beitrag von Peter Kessen vom 22.03.2018 beim Deutschlandfunk externer Link
  • Nordsee ist Kandidat für den Aktionstag Schwarzer Freitag, 13. April 2018: Gegen Union Busting & Betriebsratsbehinderung
    Die Imbiss-Kette Nordsee versucht sich einer bewährten Betriebsratsstruktur durch fadenscheinige Tricksereien zu entledigen: Das Nordsee-Management deklarierte langjährige Betriebsratsmitglieder und aussichtsreiche Kandidaten vor der anstehenden Betriebsratswahl 2018 kurzerhand zu Führungspersonal um. Sie wurden systematisch unter Druck gesetzt, entsprechende Schriftstücke zu unterzeichnen. Der Hintergrund: Leitende Angestellte können nicht zum Betriebsrat gewählt werden. Nordsee kündigte den Haustarifvertrag. Der Einstiegslohn liegt seitdem knapp über dem Mindestlohn und führt direkt in die Altersarmut. Die Nordsee GmbH gehört seit 2009 zum Imperium des umstrittenen Molkerei-Milliardärs Theo Müller (Müller Milch), eines Förderers der von Hayek-Gesellschaft. Diese Denkfabrik und Kaderschmiede der AfD brachte unangenehme Figuren wie Alice Weidel, Beatrix von Storch und Peter Boehringer („Merkel-Nutte“) hervor.“ Info zur Abstimmung bei Aktion Arbeitsunrecht externer Link, siehe auch unser Dossier zur Aktion und die Nominierung bei Aktion Arbeitsunrecht externer Link
  • »Die Hälfte der Betriebsräte bei Nordsee wäre weg« Fastfoodkette versucht, die Wahl der betrieblichen Interessenvertretung zu behindern 
    Interview von Johannes Supe mit Christoph Schink bei der jungen Welt vom 17. Februar 2018 externer Link, in dem der Referatsleiter für den Bereich Gastgewerbe in der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, ­Gaststätten (NGG) u.a. berichtet: „… Bei Nordsee sind viele Filialleiterinnen und Filialleiter zugleich als Betriebsräte aktiv. Das mag zunächst komisch klingen, wenn Personen in Führungsverantwortung in der Interessenvertretung sind. Doch diese Kultur besteht schon lange, viele der Kollegen sind auch Mitglied der NGG und leisten eine wirklich gute Arbeit im Betriebsrat. Nun hat sich Nordsee einen Trick einfallen lassen, um sie loszuwerden: Die Filialleiter wurden zu leitenden Angestellten umdeklariert. Laut dem Betriebsverfassungsgesetz dürfen diese Beschäftigten nicht bei der Betriebsratswahl antreten. (…) Es geht hier um Betriebsräte, die teilweise seit 30 Jahren im Amt sind, die von ihren Kollegen geschätzt werden und eine gute Arbeit leisten. Das sind Menschen mit Erfahrung, die sich für die Beschäftigten eingesetzt haben. Die sind nun vor allem wütend. Aber dann heißt es auch: »Wir packen das schon.« Wir werden wohl nicht darum herumkommen, die Sache vor einem Arbeitsgericht zu klären, denn wir haben eine grundsätzlich andere Rechtsauffassung als Nordsee…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=127709
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