[Veterinärmedizin an FU Berlin] Personalrat aus Freistellung entfernt – nach Konflikt um TierärztInnen als Vollzeit-Gratis-Jobber

Dossier

Betriebsgruppe ver.di an der FU BerlinAuch eine Freie Universität kann einen reaktionären Personalrat haben. So hat es der langjährige Gewerkschafter Claudius Naumann erfahren müssen. Jahrelang hatte er dafür gekämpft, dass die Ausbeutung von Tierärzten an der FU-Kleintierklinik ein Ende haben sollte. (…) Claudius Naumann hat zunächst um den Status dieser „Intern“-Tierärzte gekämpft und noch in der alten Amtszeit das Gremium davon überzeugen können, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Dort sollte festgestellt werden, dass diese Kollegen Tierärzte vollwertig Beschäftigte der FU sind. In dem folgenden Vergleich wurde richterlich bescheinigt, dass sie eingegliedert sind. Nun ging es noch um die Vergütung. (…) Als Folge dieser Personalversammlung ist Claudius mit einfacher Mehrheit seiner Freistellung enthoben worden. Kein Vertrauen mehr, hieß es…“ Bericht vom September 2017 aus dem Umfeld der Betriebsgruppe ver.di an der FU Berlin externer Link, im Volltext im Beitrag, darin auch Hintergründe und die weitere Entwicklung:

  • Ein echter Knochenjob: An der Veterinärmedizin der FU protestieren Beschäftigte gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Jetzt fordern sie in diesem Zusammenhang ein Streikrecht New
    Seit Wochen steht der Fachbereich Veterinärmedizin an der Freien Universität (FU) Berlin wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Kritik externer Link. In einem offenen Brief vom März 2023 hatten Beschäftigte bereits die hohe Arbeitsbelastung durch fehlendes Personal beklagt. Im Juli erregte dann ein schwerer Arbeitsunfall am Fachbereich die Aufmerksamkeit der Unfallkasse und des Landesamts für Gesundheitsschutz (LAGetSi). Bei einer Begehung des Arbeitsplatzes, an dem Tiernahrung hergestellt wird, wurden Mängel beim Arbeitsschutz und Verstöße gegen die Arbeitszeitregelungen festgestellt. Mit der Aktion „Tag der Offenen Zuschläge“ prangerte die Gewerkschaft Verdi an, dass Beschäftigten in allen Lohngruppen des Fachbereichs Geld für Überstunden, Nachtdienste und Gefahrenzulagen vorenthalten wurde, die ihnen der geltende Tarifvertrag TV-L Berlin zusichert. Als Reaktion darauf verlängerte die Universität den Zeitraum für die Mitarbeiter*innen, einmalig ausstehende Zahlungen für sechs Monate geltend zu machen. Die Höhe der geleisteten Nachzahlungen ist noch nicht bekannt. (…)
    Unter dem Namen „Aktionskomitee zur TV-L-Tarifrunde 2023 an der FU“ haben Beschäftigte am 7. September eine Petition mit neun Forderungen in Umlauf gebracht, die von den Gewerkschaften in die Verhandlungen eingebracht werden sollen. Darin sprechen sich die Unterzeichnenden dafür aus, gewerkschaftlich für die Einhaltung des Tarifvertrags streiken zu dürfen. Damit hätten die Arbeitenden ein neues Druckmittel – denn bislang bleibt oft nur der individuelle und oft langwierige Gang vor Gericht, wenn der Arbeitgeber gegen den Tarifvertrag verstößt. Innerhalb der Gewerkschaft Verdi sei diese Forderung auch umstritten, sagt Lukas Schmolzi von der Verdi-Betriebsgruppe der FU. Die Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) streiken üblicherweise nur nach der Rechtsauslegung in Deutschland: nämlich um Tarifverträge zu gestalten und abzuschließen.
    Ein individueller Ausweg aus schlechten Arbeitsbedingungen bleibt die Kündigung. Ronny Weigang ist ein Beispiel dafür: Der technische Assistent war seit 2018 in der Röntgenabteilung der Klinik für Pferde angestellt, die zum veterinärmedizinischen Lehrkrankenhaus der FU gehört. Studierende absolvieren hier einen Teil ihrer Ausbildung. Hal­te­r*in­nen bringen ihre Tiere zu Untersuchungen und Operationen, auch eine Notfallversorgung wird angeboten. Für Weigang waren die Arbeitsbedingungen nicht mehr auszuhalten, vor ein paar Wochen hat er den Betrieb verlassen…“ Artikel von Lisa Bor vom 18.9.2023 in der taz online externer Link, siehe dazu den Aufruf vom 14.8.: Tarifvertragsverstöße müssen mit Streik beantwortet werden können! externer Link
  • Tierklinik sammelt Skandale. Beschäftigte der Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin berichten erneut von fehlenden Zahlungen für Schichten und Überstunden 
    „Eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst mit Vergütung nach Tarifvertrag galt lange als Garant für ein stabiles Einkommen. Doch was tun, wenn sich nicht an den Tarifvertrag gehalten wird und plötzlich Zuschläge für Feiertagsarbeit und Nachtdienst nicht gezahlt werden? An der Freien Universität Berlin (FU) erwägen Beschäftigte der Tierkliniken in den Streik zu treten, um endlich ihre vollständigen Löhne ausgezahlt zu bekommen. Doch leicht fällt es ihnen nicht – auch ist fraglich, ob es rechtlich überhaupt möglich ist.
    Nachdem die FU über Jahre keine tariflichen Zuschläge für Überstunden zahlte externer Link, mehren sich nun Berichte von Beschäftigten der Tierkliniken, die Universität habe seit Februar keine Zulagen für Feiertagsschichten gezahlt. Zudem habe rund die Hälfte der Beschäftigten keine tariflichen Zulagen für Nachtschichten und Rufbereitschaft erhalten. (…) Viele Beschäftigte klagten bereits individuell wegen der jahrelang nicht gezahlten Zuschläge für Überstunden. Einige bereiten auch nun wieder individuelle Klagen vor. Doch auch nach den Klagen würden die Löhne vielfach nicht vollständig ausgezahlt, sondern noch weitere Zulagen gestrichen…“ Artikel von Simon Zamora Martin in der jungen Welt vom 01.08.2023 externer Link, siehe auch:

  • Universitäts-Personalrat aus Freistellung entfernt
    „Auch eine Freie Universität kann einen reaktionären Personalrat haben. So hat es der langjährige Gewerkschafter Claudius Naumann erfahren müssen. Jahrelang hatte er dafür gekämpft, dass die Ausbeutung von Tierärzten an der FU-Kleintierklinik ein Ende haben sollte. Weil junge approbierte Tierärzte Berufserfahrung sammeln möchten, waren sie sogar bereit, ohne Bezahlung zu arbeiten. Sie werden an der FU als „Interns“ bezeichnet. Ein „Intern“ ist an sich ein Praktikant. Jedoch in diesem Fall haben die „Interns“ ganze Dienste in der Tierklink übernommen. Als approbierte Tierärzte sind sie dazu auch befugt. Die Behandlung der Tiere wird auch ordentlich bezahlt, wie es beim Tierarzt eben üblich ist. Nur die FU wollte die Tierärzte nicht bezahlen. Ja, richtig verstanden: Die FU nimmt Geld ein und zahlt denjenigen nichts, die diese Einnahmen erst ermöglichen.
    Claudius Naumann hat zunächst um den Status dieser „Intern“-Tierärzte gekämpft und noch in der alten Amtszeit das Gremium davon überzeugen können, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen. Dort sollte festgestellt werden, dass diese Kollegen Tierärzte vollwertig Beschäftigte der FU sind. In dem folgenden Vergleich wurde richterlich bescheinigt, dass sie eingegliedert sind. Nun ging es noch um die Vergütung.
    Im Tarifvertrag Länder (FU) kommen approbierte Tierärzte nur einmal vor: In Vergütungsgruppe 14, das macht in Euro ausgedrückt ca. 3.900,- brutto für einen Anfänger. Das war der FU zu viel. Die FU zahlt jetzt schlappe 2.000 Euro brutto (was der niedrigsten Gehaltsgruppe im Öffentlichen Dienst entspricht). Nun musste der Personalrat über diese Einstufung abstimmen. Die Mehrheit war dafür. Mit schier aberwitzigen Gründen wurde dieses Abstimmungsverhalten gerechtfertigt. Etwa: in einer Tierarztpraxis verdient ein Tierarzt höchstens 3.000 Euro pro Monat, davon träumt ein Tierarzt … usw. (Als würde ein Tarifvertrag zur Diskussion stehen! Die gesetzliche Aufgabe des Personalrats ist es doch, dafür zu sorgen, dass Tarifverträge eingehalten werden!)
    Schließlich konnte Claudius sich nicht verkneifen, auf der kurz darauf stattfindenden Personalversammlung vor 500 Kollegen ins Mikrofon zu sagen, dass er jedenfalls nicht so abgestimmt habe. Das Gremium schon mit Mehrheit, aber er persönlich nicht. Das schmeckte besagter Mehrheit des Gremiums natürlich nicht. Sie haben es nicht gern, wenn ihr Verhalten bei Licht betrachtet wird. Und schon gar nicht unter einem Vergrößerungsglas. Als Folge dieser Personalversammlung ist Claudius mit einfacher Mehrheit seiner Freistellung enthoben worden. Kein Vertrauen mehr, hieß es.
    Rechtlich vorgehen kann man nicht gegen ein solches Votum. Die Freistellung wird zuerkannt und kann ebenso einfach auch wieder entzogen werden. Besteht eine einfache Mehrheit, und sei es auch nur an diesem einen Tag, dann ist so etwas möglich. Das ist die eigentlich Lehre aus dieser Affäre: Verhalte Dich konform, und Dir passiert nichts.
    Inzwischen ist Claudius auch aus dem Gremium zurückgetreten. Die nervenaufreibende Arbeit konnte er mit diesem Gegenwind nicht mehr fortführen. Aber die nächste Wahlperiode kommt bestimmt!Bericht vom September 2017 aus dem Umfeld der Betriebsgruppe ver.di an der FU Berlin
  • Siehe zum Hintergrund: Umsonst arbeiten in der Kleintierklinik? Zum Mäusemelken!
    Ver.di kämpft inner- und außerhalb der Personalräte an der Freien Universität gegen prekäre Arbeit und für gesicherte Arbeitsverhältnisse, die nach Tarif bezahlt werden. Dabei geht es keineswegs nur Werkverträge, Outsourcing oder Leiharbeit, sondern auch um Gratis-Arbeit in den Tierkliniken…“ Beitrag vom 7. November 2016 externer Link samt Flugblatt auf der neuen Homepage der Betriebsgruppe ver.di an der FU Berlin

Siehe zur FU Berlin und Dahlem auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=122151
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