[Buch] „50 Urteile – Arbeitsgerichte schreiben Rechtsgeschichte“

[Buch von Michael Kittner] „50 Urteile – Arbeitsgerichte schreiben Rechtsgeschichte“Es gibt keine Geschichte des Arbeitsrechts“ – so Michael Kittner im Vorwort zu seinem neuen Buch. Die Veröffentlichung des renommierten Arbeitsrechtlers hat nicht den Anspruch, diese Lücke durch eine systematische Darstellung zu schließen. Der Autor zeigt vielmehr auf, welche bahnbrechenden Entscheidungen nach seiner Lesart das deutsche Arbeitsrecht bis heute geprägt haben. Und er bringt diese juristisch präzise und spannend erzählt auf den Punkt. Die Auswahl umfasst 50 Urteile aus gut 120 Jahren Rechtsprechung. Sie beginnt im Kaiserreich und folgt den Ereignissen der Weimarer Republik. Der Schwerpunkt liegt auf der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland. Hier verortet der Autor die Urteile in die Kategorien Individualarbeitsrecht, Mitbestimmung, Koalitionsfreiheit/Tarifvertrag und Arbeitskampf. Der rote Faden bei der Auswahl der „Mosaiksteine“ aus Tausenden Gerichtsentscheidungen ist deren Bedeutung für das aktuelle Arbeitsrecht. Welche Entscheidungen haben tatsächlich „Geschichte geschrieben“, indem sie Dinge ein für alle Male geklärt haben? Kittner berücksichtigt Urteile des Reichsgerichts, der Arbeits- und Landesgerichte, des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs – von 1890 bis 2011. Das Spektrum reicht von „Christel Schmidt“ zu „Mangold“. Vom „Zeitungsstreik“ bis zum „Flashmob-Urteil“…“ Info des Bund-Verlags zum Buch von Michael Kittner externer Link (1. Auflage 2019, 344 Seiten, gebunden, € 38,-, ISBN 978-3-7663-6857-7) – siehe dazu als Leseprobe im LabourNet Germany das Kapitel 10: Zölibatsklausel (samt Inhaltsverzeichnis) – wir danken und empfehlen auch und ein Quiz zum Buch beim Bund-Verlag:

  • Kapitel 10: Zölibatsklausel (Bundesarbeitsgericht vom 10. Mai 1957 – 1 AZR 249/56, BAGE 4, 274)
    Nach dem Thema »Lohngleichheit« (s. Nr. 9) sehen wir das BAG mit der nächsten Entscheidung zu einem »Frauen-Thema« dabei, wie es seinen Teil zur Befreiung der Frauen von einem überkommenen patriarchalischen Recht beiträgt. »Zölibatsklauseln« waren eine typische Begleiterscheinung des Vordringens von Frauen in Männerberufe im öffentlichen Dienst. Und hier ging es vor allem um Lehrerinnen, denen, wenn man sie schon nicht vom Dienst fernhalten konnte, wenigstens das Leben so schwer wie möglich gemacht werden sollte. Also enthielten viele Landesbeamtengesetze Vorschriften, wonach das Anstellungsverhältnis mit einer Heirat enden sollte. Diesen Zustand wollte die Weimarer Reichsverfassung beenden. Dessen Art. 128 Abs. 2 bestimmte: »Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt«. Folgerichtig erklärte das Reichsgericht Gesetze aus Bayern, Württemberg und Preußen, die Zölibatsklauseln für Volksschullehrerinnen enthielten, als Verstöße gegen Art. 128 Abs. 2 der Reichsverfassung. Diese Grundhaltung kippte im späteren Verlauf der Weimarer Republik. Mit Zunahme der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einem Ansteigen der Arbeitslosigkeit entwickelten sich zunächst eine Stimmung und dann eine regelrechte Kampagne gegen »Doppelverdiener«. (…) Die Entscheidung des BAG fiel 1957 nicht »vom heiteren Himmel«. Es gab seit Beginn der 50er Jahre schon eine wissenschaftliche Diskussion, die um drei Fragen kreiste: Sind Zölibatsklauseln ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG, wenn sie nur Frauen treffen? Sind sie sittenwidrig gem. § 138 BGB? Oder ein Gesetzesverstoß gem. § 134 BGB? Das BAG stellte sich auf den Standpunkt, dass sie unter keinem Gesichtspunkt zu retten seien; als Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1GG seien sie unheilbar nichtig. Die Begründung lässt in rechtlicher Hinsicht keine Zweifel und ist unerbittlich. (…) Interessant ist aber, wie schwer sich die Richter damals mit dem Phänomen von Frauenerwerbstätigkeit taten. Für sie galt als Normalität und Ideal eine Ehe, in der der Mann das Geld verdiente und die Frau den Haushalt führte (…) Die Entscheidung zu den Zölibatsklauseln setzte gewissermaßen den Schlusspunkt einer Entwicklung, die seit der Geltung des Gleichheitsgebots im Grundgesetz auch für das Arbeitsleben zur Beseitigung der drückendsten herkömmlichen Ungleichheiten führte…“ Kapitel 10 des Buchs (samt Inhaltsverzeichnis)  – wir danken!
  • Der Autor: Michael Kittner, Prof. Dr. jur., lebt im hessischen Hanau. Er ist emeritierte Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht und war langjähriger Justitiar der IG Metall. Er ist Verfasser wegweisender Veröffentlichungen und Begründer der seit über 40 Jahren jährlich neu erscheinenden „Arbeits- und Sozialordnung“ – auch „Kittner“ genannt.
  • Quiz zur Neuerscheinung von Kittners »50 Urteilen«
    Sind Sie ein Expterte im Arbeitsrecht? Zur Neuerscheinung der »50 Urteile« können Sie Ihr Wissen mit einem Quiz testen. Außerdem verlosen wir 10 Exemplare des Titels. Alle Teilnehmer erhalten ein Kapitel aus dem neuen Buch zum Download geschenkt…“ Quiz zum Buch beim Bund-Verlag externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=141615
nach oben