Arbeitsgericht entscheidet: Neue Assekuranz (NAG) ist keine tariffähige Gewerkschaft

Dossier

Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG)Das Hessische Landesarbeitsgericht hat am 9. April 2015 entschieden, dass die Ende 2010 gegründete NAG (Neue Assekuranz Gewerkschaft) keine tariffähige Gewerkschaft ist. Sie verfüge nicht über die erforderliche Mächtigkeit und Durchsetzungsfähigkeit, so das Landesarbeitsgericht. Die NAG hatte trotz mehrfacher Aufforderungen keinerlei Fakten zu ihrer Mitgliederzahl in dem Verfahren angegeben. Das Gericht konnte daher keine positive Prognose über die Durchsetzungsfähigkeit der NAG, die nach eigenen Angaben nur im Bereich des Versicherungswesens tätig ist, treffen…“ ver.di-Meldung vom 10. April 2015 externer Link. Siehe dazu:

  • [Bundesverfassungsgericht] Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur Tariffähigkeit von Gewerkschaften / Tiefschlag gegen die Gewerkschaftsfreiheit: BVerfG verhindert faktisch Gewerkschaftsneugründungen New
    „Ob eine Vereinigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als tariffähige Gewerkschaft anerkannt wird, kann davon abhängig gemacht werden, ob sie eine gewisse Durchsetzungskraft gegenüber der Arbeitgeberseite aufweist. Das steht mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit in Einklang. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör garantiert keinen Instanzenzug und steht daher der Beschränkung eines Verfahrens zur Feststellung der Tariffähigkeit auf eine Tatsacheninstanz nicht entgegen. Mit dieser Begründung hat die 3. Kammer des Ersten Senats mit heute veröffentlichtem Beschluss die Verfassungsbeschwerde einer Vereinigung von Beschäftigten in der privaten Versicherungsbranche nicht zur Entscheidung angenommen, die durch das Landesarbeitsgericht als nicht tariffähig angesehen worden war. (…) Rechtliches Gehör im gerichtlichen Verfahren sichert das Verfahrensgrundrecht des Art. 103 Abs. 1 GG. Jedoch garantiert die Verfassung keinen Instanzenzug. Es ist vielmehr Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der betroffenen Interessen zu entscheiden, ob eine Instanz entscheiden soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können. (…) Weder das Grundgesetz noch das Tarifvertragsgesetz regeln ausdrücklich, wann eine Arbeitnehmerkoalition als Gewerkschaft anzusehen ist. Die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit haben daher die Voraussetzungen für die Tariffähigkeit näher zu umschreiben. Es ist dann mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit vereinbar, nur solche Koalitionen an der Tarifautonomie teilnehmen zu lassen, die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten, um so die Gemeinschaft sozial zu befrieden…“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 81/2019 vom 22. November 2019 externer Link zum Beschluss 1 BvR 1/16 vom 13. September 2019 – und ein wichtiger Kommentar zu diesem Harbarth-Beschluss: 

    • Tiefschlag gegen die Gewerkschaftsfreiheit: BVerfG verhindert faktisch Gewerkschaftsneugründungen
      „Mit Beschluß vom 13.9.2019- 1 BvR 1/16 – ( den das Gericht erst 2 Monate später bekannt gab !) hat das BVerfG nach 4 Jahren (!) Verfahrensdauer entschieden, daß die Verfassungsbeschwerde der Neuen Assekuranz Gewerkschaft (NAG) gegen eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen „nicht angenommen“ werde. Das LAG in Frankfurt hatte 2015 entschieden, daß die neugegründete und noch im Aufbau befindliche NAG, die nur Beschäftigte der Versicherungsbranche organisiert, mangels ausreichender Mitgliederstärke nicht tariffähig sei. Angestrengt hatte das Verfahren die konkurrierende Gewerkschaft ver.di, die nach eigenen Angaben in der Versicherungsbranche selbst nur über einen Organisationsgrad von kaum mehr als 5% verfügt ! Doch während sich das LAG immerhin noch mit der Frage befasste, ob an die Mitgliedsstärke einer neugegründeten Gewerkschaft dieselben Maßstäbe anzulegen seien wie an jene einer etablierten Organisation, oder ob nicht vielmehr nur eine „Prognose“ über die künftige Entwicklung der Organisation vorzunehmen sei, taucht in dem Beschluß des BVerfG noch nicht einmal der BEGRIFF (!) „Prognose“ auf. Damit bestätigt das BVerfG – entgegen seiner eigenen bisherigen Rechtsprechung zu neu gegründeten und erst im Aufbau befindlichen Gewerkschaften – den immer wieder von Kritikern erhobenen Vorwurf, daß es in Deutschland für Gewerkschaftsneugründungen faktisch KEINE GEWERKSCHAFTSFREIHEIT gibt: Entweder eine Gewerkschaft h a t bereits mit ihrer Gründung so viele Mitglieder, daß sie ohne weiteres Tarifverträge durchsetzen kann oder sie hat auch noch kurze Zeit nach ihrer Gründung nicht „ausreichend“ Mitglieder. Den ersteren Fall gibt es nicht. Im zweiten Fall gibt es keine „Tariffähigkeit“. Damit wird das Monopol der DGB-Gewerkschaften abgesichert – wie schon vor vielen Jahren der renommierte Arbeitsrechtler Prof. Gamillscheg feststellte. Die Entscheidung des BVerfG widerspricht aber nicht nur der bisherigen eigenen Rechtsprechung des Gerichts sondern auch Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention, denn mit ihrer Hilfe wurde nun ein faktisches Verbot der Neugründung bzw Betätigung von Gewerkschaften geschaffen. Das aber widerspricht Geist und Inhalt der EMRK. Die NAG wird zu Recht jetzt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Die deutsche und insbesondere die gewerkschaftliche Öffentlichkeit abersind aufgerufen, endlich die Frage zu vertiefen, ob in diesem Land Gewerkschaften mit zweierlei Maß gemessen werden und ob das Grundrecht der Koalitionsfreiheit aufgegeben werden soll. Es kann nicht angehen, daß von Deutschland aus die fehlende Gewerkschaftsfreiheiten in China, Weissrußland oder der Türkei beklagt werden, aber hierzulande sogar das höchste Gericht Gewerkschaftsgründungen massiv erschwert.“ Kommentar von RA Dr. Rolf Geffken vom November 2019 auf seiner Homepage Rat & Tat externer Link
  • [Auch LAG Düsseldorf] NAG ist keine tariffähige Gewerkschaft 
    „Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) begrüßt die neuerliche klare Entscheidung, dass die NAG (Neue Assekuranz Gewerkschaft) keine tariffähige Gewerkschaft ist. Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in der vergangenen Woche festgestellt. (…) Im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf handelte es sich um ein Wahlanfechtungsverfahren bezüglich der Wahl des Aufsichtsrates der ERGO Group AG 2015. Seinerzeit hatte der Wahlvorstand die von dem NAG e.V. eingereichte Wahlvorschlagsliste nicht zur Wahl zugelassen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Wahlvorstandes war das Statusverfahren vor dem hessischen Landesarbeitsgericht noch nicht abgeschlossen. Hiergegen hatte der NAG e.V. geklagt. Nun stellte das Landesarbeitsgericht Düsseldorf fest, dass der Wahlvorstand zu Recht so gehandelt hatte. Es hielt die Sachlage für so eindeutig, dass es keine Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen hat…“ ver.di-Pressemitteilung vom 22. August 2018 externer Link
  • Keine Gewerkschaftsfreiheit in Deutschland? Bundesverfassungsgericht vor Grundsatzentscheidung. Zweifelhafte Rolle der Gewerkschaft ver.di 
    Auf Veranlassung der Gewerkschaft ver.di war der neugegründeten „Neuen Assekuranz Gewerkschaft“ durch einen Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hessen vom April 2015 die Tariffähigkeit aberkannt worden (9 TaBV 225/14). Der unliebsamen Konkurrenz in der Versicherungsbranche fehle die für die Gewerkschaftseigenschaft erforderliche „soziale Mächtigkeit“. So habe die junge Organisation, die von ver.di-Mitgliedern gegründet worden war und in zahlreichen Betriebsräten der Branche vertreten ist, noch keine Tarifverträge abgeschlossen. Nur wer den sozialen Gegenspieler zum Abschluß von Tarifverträgen zwinge, könne als „tariffähig“ und damit als Gewerkschaft gelten.
    Da der Gesetzgeber kurz zuvor das sog. Statusverfahren über die Tariffähigkeit von Gewerkschaften auf eine Instanz verkürzt hatte, entschied das LAG nach nur einstündiger Verhandlung: Die NAG ist keine Gewerkschaft. Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde wies das Bundesarbeitsgericht als unbegründet ab (1 ABN 39/15). Nunmehr ist das Bundesverfassungsgericht mit dem Vorgang befaßt (AR 8614/15). In der von uns eingereichten Verfassungsbeschwerde geht es letztlich um die Frage, ob in Deutschland überhaupt das Grundrecht auf freie Gründung und Betätigung von (Branchen-)Gewerkschaften gewährleistet ist. Folgende Frage liegt auf der Hand:Wie kann man von einer jungen Gewerkschaft verlangen, daß sie in einem Bereich, in dem selbst die „größte Dienstleistungsgewerkschaft der Welt“ nur über einen Organisationsgrad von großzügig geschätzten 7% verfügt und noch nie einen Streik organisiert hat, in kürzester Zeit nach ihrer Gründung Tarifverträge abschließt?...“ Pressemitteilung von und bei RA Rolf Geffken vom 7.1.2016 externer Link. Siehe dazu auch:

    • Höchste Zeit zum Nachdenken u n d zum Handeln: Verfassungsbruch mit Hilfe von Gewerkschaften!
      Wir haben mehrfach darüber berichtet. Aber vielen Gewerkschaftern, vor allem auch kritischen Gewerkschaftsmitgliedern, war es bislang keinen Kommentar und erst recht keine solidarische Stellungnahme wert: Mit Hilfe von DGB-Gewerkschaften, zuletzt vor allem seitens der durch die Gewerkschaft ver.di gegen die Neugründung der NAG gerichteten Statusverfahren, werden hierzulande Gewerkschaftsverbote vollzogen. Man bedient sich einer reaktionären auf das Monopol von „befriedenden“ Großgewerkschaften orientierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und sichert so gnadenlos ohne jede politische Auseinandersetzung mit angeblichen „Konkurrenten“ die eigene Existenz „juristisch“ ab…“ RAT & TAT Info von Rolf Geffken Nr. 239 vom 9.1.2016
    • Befördern DGB Gewerkschaften Gewerkschaftsverbote? – ver.di gegen NAG
      Interview mit Rolf Geffken vom 15.1.2016 bei Radio Dreyeckland externer Link Audio Datei
  • NAG zieht vor das Bundesverfassungsgericht
    Die NAG reagiert kämpferisch auf die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BAG, die von der NAG gegen das Urteil des LAG Hessen vom April dieses Jahres eingelegt wurde. Die Gewerkschaft ver.di hatte Klage eingereicht, um die NAG als unliebsame Konkurrenz loszuwerden. „Dass es seit diesem Jahr durch eine Gesetzesänderung möglich ist, in nur einer Instanz und einer einzigen mündlichen Anhörung und ohne Zulassung einer Revision über eine Grundrechtsfrage zu entscheiden, kann mit dem grundgesetzlichen Anspruch auf Gewerkschaftsfreiheit nicht vereinbar sein“, sagt Waltraud Baier, Vorsitzende des Vorstands der NAG. Gegründet wurde die NAG erst Ende 2010. Sie zeigt sich zuversichtlich, dass dieser Grundsatzfrage vor dem Bundesverfassungsgericht nun endlich die gebotene Würdigung zuteil wird. Weiter prüft die NAG auch die Anrufung europäischer Gerichtsbarkeiten, weil sie auch eine Unvereinbarkeit dieser Entscheidungen mit dem Europarecht sieht...“ Pressemitteilung vom 04.12.2015 externer Link
  • Neue Assekuranz Gewerkschaft ruft das Bundesarbeitsgericht an und legt Verfassungsbeschwerde gegen das Tarifeinheitsgesetz ein
    Die Neue Assekuranz Gewerkschaft, der kürzlich durch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hessen die Tariffähigkeit abgesprochen wurde, kämpft weiter um ihre Anerkennung als tariffähige Gewerkschaft. Die NAG hat beim Bundesarbeitsgericht eine umfangreiche Beschwerde gegen die sie betreffende Entscheidung der Frankfurter Richter von April d.J. eingelegt. Sie wendet sich darin vor allem gegen die ihrer Ansicht nach verfassungswidrige Verkürzung des sogenannten Statusverfahrens auf eine einzige Instanz…“ Pressemitteilung vom 16.10.2015 externer Link
  • Freie Gewerkschaftsgründung in Deutschland? Großgewerkschaften behalten Monopolanspruch! Zweifelhafte Entscheidung des LAG Frankfurt vom 9.4.2015
    In einer äußerst zweifelhaften Entscheidung vom 9.4.2015 hat das LAG Frankfurt auf Veranlassung der „größten Einzelgewerkschaft der Welt“, ver.di , der erst vor kurzem gegründeten Gewerkschaft NAG, die Beschäftigte in der Versicherungsbranche organisiert, den Status als tariffähige Gewerkschaft aberkannt ( 9 TaBV 225/14 ). Dabei hatte ver.di zuvor Beschäftigte vor einer Mitgliedschaft in der NAG und Arbeitgeber vor einer Zusammenarbeit mit der NAG gewarnt. Ihren eigenen Monopolanspruch untermauernd hatte die Großgewerkschaft der Dienstleistungsbranchen erklärt, die NAG sei „schlichtweg unerwünscht“. Tatsächlich mangelt es ver.di an der Präsenz auf immer mehr Betriebsversammlungen und Betriebsräten bei den Versicherern. In einigen großen Versicherungsunternehmen stellt die NAG inzwischen bis zu 80 % der Betriebsratsmitglieder. Sie war von ehemaligen ver.di-Funktionären und Betriebsräten 2010 gegründet worden und befand sich erst seit 2012 im kontinuierlichen Aufbau. In dieser Zeit war es ihr – nicht zuletzt auch auf Grund von Drohungen von ver.di – bislang nicht gelungen, Tarifverträge abzuschließen. (…) Würde diese Entscheidung rechtskräftig werden, dann wäre der NAG faktisch für die Zukunft der Gewerkschaftsstatus verwehrt, denn um ihre „Mächtigkeit“ zu beweisen, müßte sie für Tarifverträge kämpfen, für die sie mangels Gewerkschaftseigenschaft gar nicht streiken dürfte… Ein absolut unhaltbarer Zustand! (…) Unser Fazit: Wer sich gegen das Tarifeinheitsgesetz ausspricht, sollte auch auf Statusverfahren verzichten ! Diese „staatliche Hilfe“ bei der Durchsetzung eines juristischen Monopolanspruches nützt weder der Gewerkschaftsbewegung noch den Beschäftigten. Sie ist zudem verfassungswidrig und internationalrechtlich nicht akzeptabel. Wir rufen alle ver.di-Mitglieder auf, gegen diese Art der Vernichtung von Gewerkschaften einzutreten!“ RAT & TAT Info von und bei Rolf Geffken Nr. 215 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=78736
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