Claus Weselsky: Chef der Gewerkschaft INTERMODAL? Bahnzugführer, Kraftfahrzeugführer und Flugzeugführer brauchen eine gemeinsame Gewerkschaft

Beitrag von Albrecht Goeschel vom 25.5.2015

Die Hatz von Medien, Politik, Bahnwirtschaft und Betongewerkschaften gegen Claus Weselsky und die GdL war und ist nicht weit vom Lynchaufruf. Und das neue Ermächtigungsgesetz zum Tarifdiktat, beschlossen vom Parlament der Besserverdiener, zeigt dem Kenner, was gerade passiert: Nachdem das „Geschäftsmodell Deutschland“ die Eurokrise benutzt hat, um die Konkurrenzindustrien im EU-Süden erfolgreich zu zerstören und nun nach dem Exportweltmeister auch Eurokrisengewinner ist, wird im Inland „aufgeräumt“. Anti-Griechenlandterror soll den Süden disziplinieren, Anti-GdLhetze soll die Dienstleistungen disziplinieren.

Am Ende könnte sich aber die sozialdemokratisch-marktkonforme neue „Volksgemeinschaft“ wundern, was beim gemeinsamen Wirken von Merkel und Nahles für soziale Korruption („Müttermaut“!) einerseits und billige Arbeit („Tarifeinheit“!) andererseits herauskommt.

Man wird sich nach dieser Menschenjagd die von Medien, Politik und den Industrie- und Handelskonzernen als Kulibranche benutzte und gar nicht beachtete Branche „Transport“ einmal genauer ansehen und auch danach fragen, was dort eigentlich passiert und wie es dort eigentlich mit den Gewerkschaften aussieht.

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass es keine vergleichbar große Branche in Deutschland gibt, die so „in der Wolle“ transnational und europaweit angelegt ist wie der Transportsektor. Es ist schon eigenartig, dass Transport und Logistik, als drittgrößter und weiter wachsender Wirtschaftsbereich, wirtschafts- und gesellschaftspolitisch kaum zur Kenntnis genommen werden.

Zwar ist die internationale und die europäische räumliche Arbeitszerlegung ein Profittreiber ersten Ranges, aber die schier unglaubliche Lohndrückerei, die slumähnlichen Arbeits- und Lebensverhältnisse an den Parkbuchten und Servicestationen der europäischen Autobahnen, Logistikzentren und Hafenareale und die vollkommen fehlende Gesundheitsversorgung der Lkw-Fahrer sind kein Thema. Allein in Deutschland sind etwa 900.000 Berufskraftfahrer auf den Straßen und Fernstraßen unterwegs. In der EU sind es schätzungsweise 2,5 Millionen. Und es werden noch mehr werden. Die 68 000 Kilometer Fernstraßen in der EU sollen in den kommenden Jahren um weitere 58 000 Kilometer vermehrt werden. Mittlerweile kursiert der Begriff von der „Autobahn-Stadt Europa“.

Die Transportwirtschaft zählt ohne Zweifel zu den schlimmsten Niedriglohnzonen in Europa. Gleichzeitig ist die gewerkschaftliche Organisierung in diesem Bereich besonders dürftig – nicht, weil „organizing“ dort nicht möglich wäre, sondern weil allen voran die sich zuständig erklärende Gewerkschaft ver.di in diesem Fachbereich keinerlei Engagement zeigt, sondern offensive und innovative Konzepte und Initiativen mit manierenloser Ignoranz und bürokratischer Raffinesse sabotiert und blockiert.

Die Sache ist aber ganz einfach: In der Transportwissenschaft werden die modernen gesamtwirtschaftlichen Transportprozesse als komplementär zusammenhängende und teilweise schon integrierte Prozesse aufgefasst und betrachtet. „Modal-Split“ bezeichnet die Verteilung des gesamtwirtschaftlichen Transportaufkommens auf die Verkehrsträger bzw. die Beanspruchung der Verkehrsträger durch die verschiedenen Transportaufgaben. Die Verkehrsträger: Schienenwege, Straßenwege, Luftwege und Wasserwege. „Intermodal“ sind Transportprozesse, bei denen die Verkehrsträger integriert werden.

Und die Gewerkschaftsorganisation? Nur die Schienenwege und die Luftwege sind mit GdL und Cockpit suffizient repräsentiert. Über ver.di wird in den Fahrerschaften nur gelacht: „Nicht vertreten können wir uns selber und billiger“. Unter Lkw-Fahrern werden die GdL und ihr Held Weselsky bewundert. Lkw-Fahrer-Basisgruppen wären gerne in der GdL. Warum nicht schon längst?

Die neue Gewerkschaft für die Cockpitpiloten im Bahnzug, im Lastkraftwagen und im Frachtflugzeug heißt: INTERMODAL. Ihr Vorsitzender heißt: Claus Weselsky.

Prof. Albrecht Goeschel
Gastprofessor Staatliche Universität Rostov
Präsidiumsmitglied Accademia ed Istituto per la Ricerca Sociale Verona
Beauftragter des Botschafters der Republik Angola a.D.

Alle Rechte beim Verfasser http://www.prof-goeschel.com/ externer Link
Mail: mail@prof-goeschel.com
Tel.: 08641-7130

  • Anmerkung von LabourNet Germany: der Schlusssatz heisst „Die neue Gewerkschaft für die Cockpitpiloten im Bahnzug, im Lastkraftwagen und im Frachtflugzeug heißt: INTERMODAL. Ihr Vorsitzender heißt: ClausWeselsky.“ Wir finden allerdings: Ob diese neue (internationale?) Gewerkschaft (die von potenziellen Mitgliedern statt von Außen aufgebaut werden sollte (weshalb sich LabourNet Germany bislang immer verweigert hat)) eine Vorsitzende braucht und wer es denn dann ggf. sein sollte, muss ihren Mitgliedern überlassen werden!

Siehe dazu:

  • Soziale Marktwirtschaft: Warum Ludwig Erhard nicht Fernbus fahren würde
    Wenn Lokführer streiken, fahren mehr Menschen mit dem Fernbus. Den Preis dafür zahlen die Busfahrer. Deren Löhne sinken – und sie lassen sich als Quasi-Streikbrecher einspannen…“ Essay von Michael Kuntz vom 24. Mai 2015 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link. Darin: „… Hinter dem Lokführer Claus Weselsky steht eine zwar kleine, aber hochorganisierte Arbeitnehmerschaft, die sich im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen noch nicht mit ihrem Schicksal in einer zunehmend atomisierten Arbeitswelt voller Subunternehmer und Kleinselbständiger abgefunden hat. Davon ist die Welt der Fernbusse weit entfernt. Gäbe es eine GDL für Busfahrer, würden auch die Lohn- und Beschäftigungsstrukturen bei den Fernbussen stärker öffentlich diskutiert. Dann würde vielleicht deutlicher, wer letztlich für die niedrigen Fahrpreise zu bezahlen hat. Für einen Euro durch Deutschland, solche Angebote sollten misstrauisch machen…“
  • Gewerkschaft INTERMODAL für Fahrarbeiter?
    Transportbranche: 9,5 Millionen Menschen arbeiten in der EU in der Kategorie „Verkehr und Lagerei“. Etwa 2,5 Millionen davon sind Berufskraftfahrer. Meist im Niedriglohnbereich…“ Ein Blog-Beitrag vom 29.05.2015 von Freitag-Community-Mitglied asansörpress35 externer Link. Aus dem Text: „… Nach „jahrelangen Bemühungen um mehr Engagement dieser Gewerkschaft im Bereich Transport und Logistik“ ist die Akademie über die Lage in diesem Bereich ziemlich gut im Bilde. Seit Jahren werden nicht nur von der Akademie unermüdlich Verbesserungen angeregt. Enttäuscht wird jedoch nun resümiert: Es werde von der zuständigen Gewerkschaft eine „dezidierte Politik des Nicht-Engagements“ verfolgt. Dieses wahrlich wenig schmeichelhafte Urteil wird durch die Tatsache gestützt, dass ver.di der Entscheidung der Bundesarbeitsministerin, den deutschen Mindestlohn für Fahrer aus den EU-Nachbarländern während des Deutschland-Transit auszusetzen, offenbar ohne ernstzunehmende Gegenwehr einfach hinnahm. (…) Käme da nicht gerade ver.di, die mit 2,1 Millionen Mitgliedern größte Dienstleistungsgewerkschaft der Welt, als mächtige Interessenvertretung zu passe beziehungsweise quasi naturgemäß in Betracht? Doch über Beitrittsangebote seitens ver.di sollen die „Kapitäne der Straßen“ nur gelacht haben. Und zwar nach dem Motto „Nichtvertreten können wir uns selber und billiger“. (…) Die internationale und die europäische räumliche Arbeitszerlegung gilt als ein Profittreiber ersten Ranges. In der Transportbranche ist unglaubliche Lohndrückerei an der Tagesordnung. Die vollkommen fehlende Gesundheitsversorgung ist anscheinend kein Thema. In Deutschland sind etwa 900 000 Berufskraftfahrer auf den Straßen und Fernstraßen unterwegs. „Wohnen“ tun sie die größte Zeit über in ihren Fahrerkabinen. In der EU sind es schätzungsweise 2,5 Millionen. Es dürften noch mehr werden. Zu den bereits vorhandenen 68 000 Kilometer Fernstraßen in der EU sollen in den kommenden Jahren weitere 58 000 Kilometer hinzukommen. Eine nennenswerte Lobby haben die Berufskraftfahrer nicht…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=80999
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