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Updated: 18.12.2012 15:51
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Geburtshilfe – ein Tod auf Raten?

Zur Situation der freiberuflichen Geburtshilfe

Das haben Hebammen nicht verdient!Als am 5.Mai 2010 in dutzenden Städten Hebammen auf die Straße gingen und für bessere Arbeitsbedingungen protestierten, rückten sie für kurze Zeit in den Fokus der Medien. Empörung und Versprechen sich für Besserungen einzusetzen kamen von nahezu allen Seiten der deutschen Parteienlandschaft. Sowohl die mediale als auch parteipolitische Betroffenheit ebbte schnell ab und es fehlte ein erkennbarer Wille zur Veränderung der Situation. Wie auch andere soziale Berufe besitzt die Geburtshilfe das Manko, nicht für den Markt zu produzieren und kurzfristig verwertbare Erfolge zu erzielen und ist daher in den Zielsetzungen der Wirtschaftsstrategen und Gesundheitsmanager eine zu vernachlässigende Berufsgruppe. Aber gerade durch die außerklinische Geburtshilfe wird es Frauen ermöglicht, als aktiver Part selbstbestimmt eine Geburt zu durchleben und dies als Kraftreservoir für spätere Konflikte, vor allem in der tagtäglichen Auseinandersetzung innerhalb einer patriarchal geprägten Umwelt, zu nutzen. Dieser emanzipatorische Ansatz wird durch dreierlei Faktoren bekämpft: Durch den permanenten Anstieg der Kosten für die Berufshaftpflicht, eine Gebührenerhöhung auf Inflationsniveau, sowie durch die Zentralisierung und den Wegfall der flächendeckenden Versorgung zu Gunsten wirtschaftlich rentabler Perinatalzentren

Permanenter Anstieg der Kosten für die Berufshaftpflicht

Zwischen 2003 und 2012 stieg die von Hebammen zu zahlende Haftpflichtprämie von ca. 1218 € auf satte 4242 €. Dies wird mit der Ausweitung der zeitlichen Haftungsmöglichkeit und den finanziell aufwändigeren Möglichkeiten der medizinischen Versorgung begründet. Motor hinter den jährlichen Steigerungen sind aber auch Krankenkassen, die mittlerweile ganze Regressabteilungen eingerichtet haben, die Schadensansprüche für die Kassen geltend machen sollen. „Die Steigerung der Berufshaftpflicht wirkt wie eine Daumenschraube, die unsere Arbeit nach und nach unmöglich macht“ erklärt Eva B., Hebamme im Geburtshaus Kiel. Vor allem die freiberufliche Geburtshilfe leide unter dem wirtschaftlichen Druck, dem sie sich neben der privaten Belastung ausgesetzt sehe.

Laut Angaben des Deutschen Hebammenverbandes mussten allein nach der Erhöhung der Haftpflichtprämie 2009 10% der freiberuflichen Hebammen ihre Arbeit aufgeben – „Dies erscheint als Tod auf Raten, der politisch gewollt ist“ kommentiert Dana M., Hebamme mit 12jähriger Berufserfahrung, die sich zunehmend an den Rand der Existenz gedrängt sieht. „Um die Haftpflicht wieder ausgleichen zu können, müssen wir immer mehr Geburten betreuen, was zeitlich und in Anbetracht der körperlichen und psychischen Anstrengungen faktisch nicht möglich ist.“

Gebührenverordnung

Das haben Hebammen nicht verdient!Als sich 2007 das Gesundheitsministerium als ständiger Verhandlungspartner der für Hebammenleistung zwischen Krankenkassen und Hebammenverband ausgehandelten Gebührenverordnung mit dem Hinweis, die Hebammen seien in die Selbstverwaltung entlassen, zurückzog, zogen sie sich nur aus der Verantwortung und spielten damit den ohnehin schon mächtigen Krankenkassen in die Hände.

Die Gebührenverordnung legt fest, in welcher Höhe beispielsweise ein Hausbesuch vergütet wird oder wie viel eine Geburtshelferin für die Begleitung einer Hausgeburt bekommt. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen erpresste 2011 in den Verhandlungen eine Gebührenerhöhung um 1,98% - inflationsbereinigt also eine Nullrunde für die Hebammen.

2012 steht bislang keine Erhöhung der Gebühren einer 15 prozentigen Steigerung der Haftpflicht gegenüber. Hier sei massiver Widerstand wünschenswert, jedoch sei es durch Überbelastung schwer, eine gemeinsame Protest und Widerstandsform zu finden, die Wirkung zeigen könnte, äußert sich Eva B. im Interview. Hier seien auch die Menschen gefragt, die Hebammenleistungen in Anspruch nehmen möchten. Es wäre begrüßenswert, wenn sich diese an den Protesten zum Hebammentag beteiligten, der Druck und die Aufmerksamkeit würden spürbar wachsen.

Indes bleibt die Aussicht für die Hebammen düster: Der Stundenlohn stagniert bei ca. 7,50€, die Arbeitsverdichtung verstärkt sich massiv durch explodierende Berufshaftpflichtversicherungsbeiträge und eine Petition,in der die Hebammen Sofortmaßnahmen für die Sicherung einer wohnortnahen Versorgung von Frauen mit Hebammenhilfe fordern, ist seit knapp 2 Jahren im Status der Bearbeitung.

Auch die Tendenz, dass zunehmend kleine Krankenhäuser, in denen noch nicht so stark automatisierte Geburten vollzogen werden, da die Zeit vorhanden ist, Geburten einfühlsam und intensiv zu begleiten, dem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf unterworfen und geschlossen werden, ist als Gefahr für eine verantwortungsvolle Arbeit der Hebammen zu sehen. Eine eins zu eins Betreuung ist wichtig, um das Risiko eines operativen oder medikamentösen Eingriffs während der Geburt zu minimieren, diese ist in kleinen Krankenhäusern meist noch gegeben. Wirtschaftlich rentabel sind diese jedoch nicht, denn ein Krankenhaus verdient eben durch operativ durchgeführte oder medikamentös eingeleitete Geburten samt Periduralanästhesie weitaus mehr als an einer natürlichen Geburt.

Daher werden so genannte Perinatalzentren von der Politik forciert wie z.B. am Universitätsklinikum Schleswig Holstein (UKSH). Dass dabei die Frauen, die eine natürliche Geburt wünschen, bei der Betreuung auf der Strecke bleiben und ihnen auch die Möglichkeit genommen wird, einen alternativen Geburtsort zu wählen, scheint zweitrangig.

Die Frage bleibt, wie diese Abwärtsspirale gestoppt werden kann und der Fokus auf die Wichtigkeit selbstbestimmter Geburt im Gegensatz zur mechanisch- medizinisch geleiteten und entmündigenden Form der Geburt im Krankenhaus gelenkt werden kann. Protest und parlamentarische Appelle erwiesen sich als nutzlos, nun geht es darum, vielfältigen Widerstand zu entwickeln, der nicht bei der Forderung nach Lohnerhöhung stehen bleibt, sondern sich gegen die Verwertbarkeit menschlichen Lebens von seinen Anfängen an stellt.

Benjamin Steilmann, April 2012

Weiterführende Informationen:

http://www.hebammenverband.de/ externer Link

http://www.hebammen-sh.de/ externer Link


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