Hilflose Geste. Betriebsratschef von Opel Bochum streitet vor Gericht gegen Schließungsbeschluß. Die Vernichtung Tausender Arbeitsplätze wird das nicht stoppen

Artikel von Daniel Behruzi, Darmstadt, erschienen in der jungen Welt vom 28.05.2014

Der Konflikt um die Schließung des Bochumer Opel-Werks wird nun auch juristisch ausgetragen. Am Dienstag trat der Betriebsratsvorsitzende der Ruhrgebietsfabrik, Rainer Einenkel, vor dem Darmstädter Landgericht als Kläger gegen seinen »Arbeitgeber« auf. In seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied monierter er, das Kontrollgremium habe im April vergangenen Jahres keine korrekte Entscheidung über die Vorbereitungen zur Stillegung des Standorts getroffen. Zu einer gütlichen Einigung kam es am Dienstag naturgemäß nicht. Doch auch ein Gerichtsbeschluß im Sinne Einenkels würde die Bochumer Opelaner wohl nicht vor einem Jobverlust bewahren.

Der Versuch, den Beschluß der Opel-Spitze juristisch anzugreifen, erscheint hilflos. Die Anwälte Einenkels argumentieren unter anderem, die an der genannten Sitzung beteiligten Aufsichtsratsmitglieder der Unternehmerseite seien nicht ordnungsgemäß bestellt worden. Zudem sei die Zustimmung einiger, bei der Sitzung nicht anwesender Aufsichtsräte nicht korrekt zustande gekommen. Diese Fragen will das Gericht per Beweisaufnahme am 30. September prüfen lassen. Daß das Votum einzelner Mitglieder des Kontrollgremiums telefonisch erfolgte, was Einenkel ebenfalls kritisiert, erklärten die Richter bereits für rechtens.

»Es war wichtig, diese Punkte nochmal vorgelegt zu haben«, erklärte Einenkel im Anschluß an die Verhandlung. Als Aufsichtsratsmitglied sei er verpflichtet, auf Verstöße hinzuweisen, um nicht selbst haftbar gemacht zu werden. Zu der Frage, ob er noch eine Zukunft für die seit einem halben Jahrhundert bestehende Fabrik sehe, sagte er: »Ich setze weiter auf die Vernunft, die es im zweitgrößten Autokonzern der Welt geben sollte.« Der Betriebsratschef verwies darauf, daß bei Opel und im Mutterkonzern General Motors (GM) mittlerweile neue Manager am Ruder sind. »Sie hätten die Möglichkeiten, Fehlentscheidungen der Vergangenheit zu korrigieren.«

Das hat in der Detroiter Konzernzentrale aber wohl niemand vor. Vielmehr sieht das Topmanagement um GM-Chefin Mary Barra die Stillegung des Standorts erklärtermaßen als notwendigen Abbau von Überkapazitäten. Ziel ist es, auch in Europa wieder ordentlich Geld zu scheffeln. Spätestens bis 2016 – möglichst schon im kommenden Jahr – will der Opel-Vorstandsvorsitzende Karl-Thomas Neumann wieder in die Gewinnzone fahren. Im vergangenen Jahr konnte GM seinen Verlust im Europageschäft auf 623 Millionen Euro mehr als halbieren. Bezahlt wird das unter anderem von den Belegschaften, die im Rahmen eines »Sanierungstarifvertrags« seit Jahren Lohnkürzungen hinnehmen.

Am härtesten soll es freilich die 3300 Beschäftigten im Bochumer Werk treffen. Wenn sie nicht doch noch einen Aufstand wagen, werden sich die allermeisten von ihnen demnächst beim Arbeitsamt melden müssen. Denn von den vollmundigen Versprechen für Ersatzarbeitsplätze ist nicht viel übriggeblieben. Unternehmenssprecher Alexander Blazio sagte am Rande des Prozesses in Darmstadt, Opel trage Verantwortung für die Menschen im Ruhrgebiet und trete »als Moderator zwischen den Beschäftigten und namhaften Unternehmen« auf, die alternative Arbeitsplätze anbieten könnten. Gut 600 Jobs sollen ihm zufolge im Rahmen der von Opel und der Bundesagentur für Arbeit getragenen »Ini­tiative Berufsperspektive« offeriert werden. Über 700 Beschäftigte befänden sich bereits im Informations- und Bewerbungsverfahren.

»Es ist klar, daß der Opel-Sprecher von blühenden Landschaften redet – das ist sein Job«, sagte Einenkel dazu auf jW-Nachfrage. Mit der Realität habe das nicht allzu viel zu tun. Zum einen seien einige hundert Jobs angesichts von 3300 Opelanern und etlichen ebenfalls von der Schließung betroffenen Beschäftigten bei Zulieferern und Dienstleistern nicht viel. Zum anderen weist der Betriebsrat daraufhin, daß die angebotenen Stellen größtenteils entweder im Niedriglohnbereich angesiedelt sind oder hochqualifizierte Ingenieure und Führungskräfte betreffen. »Für die Mehrheit also keine Perspektive.«

Einenkel kritisierte erneut, es gebe für die Stillegung des Bochumer Werks »keinerlei plausible Gründe«. Der Standort sei im konzerninternen Vergleich keineswegs der ineffizienteste. »Das Bochumer Werk wurde bewußt benachteiligt«, so der Betriebsratschef. Zudem gebe es »intelligentere Lösungen« als die Schließung von Fabriken und Massenentlassungen. Mit Blick auf die ohnehin gravierenden Imageprobleme von Opel sagte er: »Eine Werksschließung ist sicher die schlechteste Werbekampagne.«

Die Bochumer Interessenvertretung habe es geschafft, das Ende der Fahrzeugproduktion zehn Jahre lang hinauszuschieben. »Wir haben die Schließung verhindert, weil wir bereit waren, schmerzhafte Entscheidungen mitzutragen«, erklärte Einenkel. Blockiert wurden frühere Stillegungspläne aber nicht durch Verzicht, sondern durch aktiven Widerstand – wie zuletzt durch den sechstägigen spontanen Ausstand im Oktober 2004. Heute setzt Einenkel auf juristisches Geplänkel.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=59207
nach oben