Aus für Bochum

Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 10.12.2012.

Opel Bochum wird im August 2016 dichtgemacht. Das verkündete Unternehmenschef Thomas Sedran am Montag auf einer Belegschaftsversammlung des Ruhrgebietswerks. Kurz darauf flüchtete er mit seinem Stab durch den Hinterausgang. Zurück blieben empörte Arbeiter, deren Zukunft nun auf dem Spiel steht. Ob und in welcher Form sie sich zur Wehr setzen, war zu Redaktionsschluß noch unklar. Am Nachmittag wollte der Betriebsrat auf einer außerordentlichen Sitzung über das weitere Vorgehen beraten. Zuvor hatte dessen Vorsitzender Rainer Einenkel auf einer Pressekonferenz vor »blindem Aktionismus« gewarnt.

»Opel bleibt auch zukünftig in Bochum präsent. Nicht nur mit dem Logistikzentrum, auch mit einer im Detail noch festzulegenden Komponentenfertigung«, versuchte Sedran vom Ende der Fahrzeugproduktion ab 2016 abzulenken. Von den insgesamt rund 5000 Beschäftigten (inklusive Partnerbetrieben) arbeitet aber nicht einmal jeder zehnte in der Logistik. Und das bereits für Ende 2013 geplante Auslaufen der Getriebefertigung spricht Bände über die nichtexistente Zukunft Bochums als Komponentenfabrik. Das zum US-Konzern General Motors (GM) gehörende Unternehmen sei sich »seiner sozialen Verantwortung bewußt« und werde »alles tun, um den dennoch notwendigen Stellenabbau in Bochum fair zu gestalten«. Es sei das Ziel der Verhandlungen, bis 2016 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, so GM-Vize Steve Girsky in einer Mitteilung.

»Wir leiden unter enormen Überkapazitäten und einem dramatischen Nachfrageeinbruch in Europa«, begründete Sedran die Schließung. Der Vorsitzende des Opel-Gesamtbetriebsrats, Wolfgang Schäfer-Klug, betonte hingegen, die Situation des Unternehmens sei »das Ergebnis von jahrzehntelangen Managementfehlern und mangelnder Kontinuität der Unternehmenspolitik. Diese Suppe sollen nun die Kolleginnen und Kollegen in Bochum auslöffeln.« Nord­rhein-Westfalens IG-Metall-Bezirksleiter Knut Giesler ergänzte: »Heute geht es um Bochum, morgen um alle Standorte. Statt Kampfansagen an die Belegschaft brauchen wir endlich eine Lösung für die Menschen, mit Zukunft und Beschäftigung.«

Bochums Betriebsratschef Einenkel argumentierte, die Schließung des Werks werde »einen irreparablen Schaden für die gesamte Marke haben«. Der vom Opel-Vorstand prognostizierte Verlust von ein bis zwei Prozent Marktanteilen infolge der Stillegung wäre für Opel lebensbedrohlich, warnte er. Einenkel zufolge plant der Konzern, den Familienvan »Zafira« künftig entweder in einer Fabrik des französischen Kooperationspartners »PSA Peugeot Citroën« oder im Opel-Stammwerk Rüsselsheim fertigen zu lassen. »Derartige Planspiele sind absoluter Wahnwitz und Harakiripolitik«, kritisierte er.

Die Belegschaft werde »sehr kreativ« auf die Schließungsankündigung antworten, erklärte Einenkel, fügte aber sogleich hinzu, man werde »klug reagieren«, sich »nicht provozieren lassen« und nicht »in blinden Aktionismus« verfallen. Provokativ war der Auftritt der Opel-Bosse am Montag in der Tat. Als der IG-Metall-Vertrauenskörperleiter Dirk Grützner den sich eilig zurückziehenden Sedran zur Rede stellen wollte, wurde der Gewerkschafter Beobachtern zufolge von Securityleuten niedergeworfen und gewürgt. Die Konzernseite hat sich von zivilen Umgangsformen also schon verabschiedet.

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