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Verschwundene Gewerkschafter während der Militärdiktatur

Verschwunden in Argentinien – aus und vorbei? Menschenrechte in den künftigen deutsch-argentinischen Beziehungen

Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Berlin
Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)

Referat für die Tagung vom 31.01.2001 bis 02.02.2001 in der Evangelischen Akademie Bad Boll

 

Die Geschichte ist mitunter ungerecht. So symbolisiert der Putschistengeneral Pinochet aus Chile bis heute die Ausgeburt des Bösen. Die Bilder von seinem blutigen Putsch im September 1973 gingen um die ganze Welt. Seine Verhaftung im Oktober 1998 in London belebte diesen Mythos. Doch das Unrecht, das die lateinamerikanischen Militärs in den 70er und 80er Jahren begangen haben, lässt sich nicht auf wenige medienwirksame Bösewichte beschränken.

Die argentinische Militärdiktatur unter Führung von General Jorge Rafael Videla war geschickter und leider auch effektiver in ihrem Vorgehen als ihre chilenischen Waffenbrüder. Doch bis heute ist vielen Zeitgenossen unbekannt, dass die Völkermordanzeige gegen die Verantwortlichen in Argentinien durch spanische Menschenrecht- und Juristenorganisationen weit vor den Klagen gegen die chilenischen Militärs eingereicht worden war.

Bis heute halten sich Erklärungsmuster, wonach die argentinischen Militärs nur die eigene Nation gerettet hätte, die von der bewaffneten Subversion von Links bedroht worden sei. Die Repression war weniger sichtbar in Chile. Die argentinischen Junta-Chefs und ihre Schergen ließen über 30.000 Menschen endgültig "verschwinden", viele Zehntausende wurden illegal in klandestinen Haftzentren inhaftiert und schwer gefoltert.

Nur wenige Kapitel dieser dunklen Geschichte sind so geeignet, die teilweise bis heute erfolgreichen Propagandalügen der Militärs zu entlarven, wie die Repression gegen Gewerkschafter.

Dabei sind die Zahlen eindeutig: Im Nunca-Mas-Bericht wird festgehalten, dass allein 30 % der Verschwundenen Arbeiter waren, weitere 17,9 % Angestellte, selbst von dem 21-prozentigen Anteil an Studenten hat jeder dritte gearbeitet. Ausgehend von diesem Befund analysierte der oppositionelle Gewerkschaftsverbandes CTA (Central de los Trabajadores Argentinos) die Repression der Militärs gegen die argentinische Arbeiterbewegung. Die CTA kam zu dem Schluss, dass ein Plan der großen Konzerne Argentiniens und der bewaffneten Streitkräfte existierte, um einen Staatsterrorismus zu implementieren. Dieser habe die Arbeiterbewegung quasi enthauptet; viele Gewerkschaftsvertreter und Betriebsräte wurden entführt, gefoltert und ermordet. Das Ziel der Koalition aus Unternehmern und Militärs war es, die Arbeiterklasse sozial zu disziplinieren, eine ökonomische Konzentration durch Massenentlassungen durchzusetzen und größere Gewinne zu erzielen. Im März 1998 übergab eine Abordnung der CTA dem spanischen Untersuchungsrichter Baltasar Garzón eine Völkermordanzeige wegen der Verfolgung der argentinischen Arbeiterklasse. Darin berufen sich die Juristen auf eine Auslegung der Völkermordkonvention, wonach die verfolgte Gruppe nicht nur ethnisch (wie die Indigenas in Guatemala) oder religiös (Juden) definiert sein kann, sondern auch nach politisch-soziologischen Kriterien. Auf insgesamt 500 Seiten wird die Zusammenarbeit zwischen Militärs und Wirtschaftsunternehmen und das Ausmaß der Verfolgung gegen die Gewerkschafter detailliert beschrieben. Im einzelnen werden die bekanntesten Fälle der Repression gegen Arbeiter dargelegt.

Der Fall Ford

In dem großen Industriegürtel im Norden von Buenos Aires existierten insbesondere in den Automobilfabriken Ford, Renault und Mercedes starke kämpferische unabhängige Betriebsräte. Im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne mussten sich diese Betriebsräte nicht nur mit den Unternehmensleitungen auseinandersetzen, sondern auch mit der korrupten Automobilgewerkschaft SMATA .

In der Ford-Niederlassung in General Pacheco in der Provinz Buenos Aires wurden zahlreiche Arbeiter, vor allem Betriebsräte, auf dem Gelände des Unternehmens festgenommen,teilweise zusammengeschlagen und dann in firmeneigenen Autos in klandestine Haftzentren verbracht. Dort wurden sie dann gefoltert und danach teilweise wieder entlassen. Während ihrer manchmal mehrmonatigen Haftzeit wurden die Arbeiter von Ford fristlos gekündigt. Der Kündigungsgrund lautete "unentschuldigte Abwesenheit" vom Arbeitsplatz.

Der Fall der Zuckerfabrik Ingenio Ledesma

In der kleinen Ortschaft San Martin war am 24.03.1976, dem Tag des Militärputsches, der Bürgermeister und Gewerkschaftsarzt, Louis Aredez, entführt worden. Der Bürgermeister hatte zuvor mehrfach bei der Zuckerfabrik vorgesprochen und die Bezahlung der Gemeindeabgaben eingefordert. Er hatte als Arzt die Firmenleitung aufgefordert, Filteranlagen einzubauen, um die Umweltvergiftung durch die Zuckerraffinerie einzudämmen. Am 24.06.1976, der sogenannten Nacht des Stromausfalles, verhafteten Militärs und Nationalpolizei gemeinsam mit dem Sicherheitsdienst der Zuckerfabrik Hunderte von der Polizei bekannten Arbeitern der Fabrik und transportierten diese mit firmeneigenen Fahrzeugen in die Folterzentren. Hunderte blieben teilweise Jahre in irregulärer Haft und wurden dort schwer gefoltert. Mindestens 30 bleiben verschwunden.

Der Fall Mercedes-Benz

Die Liste solcher Beispiele könnte beliebig verlängert werden. Sie belegen, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine gezielte Verfolgung legal auftretender Gewerkschafter handelte. Auch in deutschen Unternehmen gehörte dies zur täglichen Praxis, wie der Fall der verschwundenen Gewerkschafter von Mercedes-Benz zeigt. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen in erster Linie auf Recherchen der in Montevideo lebenden Journalistin Dr. Gabriele Weber, die sie in mehreren Radiofeatures veröffentlichte. Im Anschluss an das erste Feature reichte der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) am 27.09.1999 bei der Staatsanwaltschaft Berlin eine Strafanzeige ein. Diese richtet sich gegen die beiden überlebenden Ex-Junta-Mitglieder, Jorge Rafael Videla und Emilo Eduardo Massera, sowie gegen den deutschen damaligen Werksleiter der Mercedes-Niederlassung in Gonzales Catan/ Provinz Buenos Aires, Juan Tasselkraut, sowie gegen weitere unbekannte damalige Verantwortliche von Mercedes-Benz in Argentinien und in Deutschland.

Diese Strafanzeige wurde nach entsprechender Zuständigkeitsbestimmung durch den Bundesgerichtshof an die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth verwiesen. Dort wird sie mit den anderen 12 Einzelfällen deutscher und deutschstämmiger Verschwundener unter einem Sammelaktenzeichen bearbeitet. Ebenso wie in den anderen Fällen wird derzeit in dem Fall Mercedes-Benz auf die Vernehmung der benannten Zeugen bei der Deutschen Botschaft in Buenos Aires gewartet. Die Zuständigkeit der deutschen Strafjustiz ist nach dem sogenannten aktiven Personalitätsprinzip zweifellos gegeben, da der beteiligte Mercedes-Manager Juan Tasselkraut zum Tatzeitpunkt deutscher Staatsbürger war. Aber auch zwei der Opfer, Jorge Leichner und Esteban Reimer sind deutscher Abstammung, wenn sie auch nach bisher vorliegenden Erkenntnissen zur Tatzeit keinen deutschen Pass hatten.

In mehreren Verhaftungswellen wurden 1976 und 1977 mindestens 13 Gewerkschafter des Mercedes-Werkes in Gonzales Catan verhaftet. Es handelt sich um Ruben Oscar Caddeo, Miguel Grieco, José Vizzini, Esteban Reimer, Victor Hugo Ventura, Charles Del Carmen Grossi, Fernando Omar Del Connte, Hector Belmonte, Diego Eustaquio Nunez, Alberto Gigena, Juan José Mosquera, Alberto Francisco Arenas, Jorge Alberto Leichner Quilodran. Nach bisher vorliegenden Informationen überlebten nur zwei von ihnen. Die aktuelle Strafanzeige beruht auf den Aussagen einer der Überlebenden Hector Hannibal Ratto. Dieser war wie seine verschwundenen Kollegen Mitglied des unabhängigen Betriebsrates. Am 12.08.1977 wollten ihn Soldaten beim Betreten des Firmengeländes in Gonzales Catán verhaften. Sie begingen jedoch einen Fehler, der später sein Leben retten sollte. Sie nahmen nämlich nicht Hector Ratto, sondern Juan Jose Ratto am Werkseingang gefangen und bemerkten wenig später den Irrtum. Zu diesem Zeitpunkt war Hector Ratto schon in der Fabrik. Er wurde dann vom Sicherheitsdienst aufgesucht. Dieser teilte ihm mit, dass seine Frau wegen eines Unglücksfalles von zu Hause angerufen habe und er in seine Wohnung zurückkehren solle. Da bereits in der Nacht zuvor der Betriebsratkollege Del Connte verschleppt worden war, witterte Hector Ratto die Falle und erklärte, dass man ihn am Tor abfangen wolle und er deshalb das Werk nicht verlassen wolle. Kollegen von ihm fuhren im übrigen zur gleichen Zeit in seine Wohnung und konnten nach Rücksprache mit seiner Frau berichten, dass dort alles in Ordnung war.

Nachdem mehrere Versuche der Vorgesetzten gescheitert waren, Hector Ratto zum Verlassen des Geländes zu bewegen, wurde er vom Werksleiter Tasselkraut in dessen Büro gebeten. Dort erwarteten ihn zwei Polizisten in Zivil. Vor seinem Abtransport durch uniformierte Armeeangehörige wurde Hector Ratto Zeuge folgenden Vorganges:

Tasselkraut erhielt einen Anruf aus der Personalabteilung. Anschließend übergab er die Adresse des Betriebsratkollegen Diego Nunez den wartenden Polizeibeamten. Später wurde bekannt, dass Diego Nunez in der Nacht vom 12. auf den 13.08.1977 ebenfalls entführt und anschließend umgebracht wurde. Ratto selbst wurde zunächst in die nahegelegene Polizeiwache San Justo verbracht. Anschließend brachte man ihn in das klandestine Folterzentrum Campo de Mayo. Dort wurde er mit Elektroschocks gefoltert. Von den Folterungen ist er bis heute an den Armen teilweise gelähmt. In der Kaserne bekam er mit, dass seine Kollegen Gigena, Deconnte, Mosquera, Arenas und Leichner sich ebenfalls dort befanden. Am 31.08.1977 wurden Ratto und andere Gefangene auf den Hof geführt. Einer nach dem anderen wurde aufgerufen und musste einen Lastwagen besteigen. Ratto glaubte, dass er nun entlassen werde, da ja gegen ihn nichts vorlag. Als dann seine Nummer aufgerufen wurde, legte ihm ein Aufseher die Hand auf die Schulter und sagte "du bleibst hier". Hinterher erfuhr Ratto, dass die anderen Gefangenen in ein Flugzeug gesetzt und über dem Meer abgeworfen worden waren. Ratto wurde dann in sogenannte legale Haft verbracht und nach weiteren 19 Monaten entlassen. Er glaubt, dass er nur deswegen überlebt hat, weil er am Arbeitsplatz, also in der Öffentlichkeit, ergriffen wurde. Dies lag daran, dass den Militärs seine Adresse nicht bekannt war. Er hatte dem Werk seine neue Anschrift noch nicht mitgeteilt. Deswegen sollte seine Verhaftung vor dem Werksgelände geschehen. Auf Grund des geschilderten Irrtums geschah sie dann im Werk. Die anderen verschwundenen Betriebsräte waren alle nachts von zu Hause verschleppt worden. Ihre Adressen waren den Militärs bereits bekannt oder wurden ihnen durch die Firmenleitung mitgeteilt.

Diesen Sachverhalt hat Ratto bereits am 27.5.1985 vor dem argentinischen Bundesgericht als Zeuge im Prozess gegen die Junta-Chefs geschildert. Deswegen taucht sein Fall auch als Nr. 96 im Urteil gegen die Junta-Mitglieder auf. Er wird als Freiheitsberaubung eingestuft, die von einer bewaffneten Gruppe durchgeführt wurde, die dem argentinischen Heer angehörte.

Die direkte Kooperation zwischen Unternehmen und Militärs wird auch bei einem weiteren Fall deutlich: Bereits in der Nacht vom 4.auf den 5.1.1977 waren zwei der aktivsten Betriebsräte, Esteban Reimer und Hugo Ventura verschleppt worden. Sie waren die Verhandlungsführer des Betriebsrates, die am Vormittag des 4.1.1977 in der Mercedes-Firmenzentrale in der Innenstadt von Buenos Aires einen langen Forderungskatalog übergeben hatten. Als der Betriebsrat Reimer dann am frühen Abend zu seiner Familie nach Hause kam, berichtete er seiner Ehefrau Maria Luján Reimer, dass die Gespräche mit den Managern harmonisch verlaufen seien und alle Forderungen akzeptiert wurden. Er hatte den Eindruck, dass daran etwas faul sei. In der selben Nacht wurden Reimer und Ventura von Militärs verschleppt. Im nachhinein stellte sich heraus, dass Mercedes-Benz etwa zehn Jahre lang den Hinterbliebenen von insgesamt acht verschwundenen Betriebsräten eine Art Rente auszahlte. Der Grund für diese Rente wurde nach Angaben der Schwester des verschwundenen Hugo Ventura, Maria Ester Ventura nie genannt. Sie ist jedoch davon überzeugt, dass die Firma damit einen Teil der Verantwortung an der Ermordung der Arbeiter übernommen hat.

Aus naheliegenden Gründen konnte bis jetzt eine Zusammenarbeit der Firmenzentrale in Stuttgart-Untertürkheim und der argentinischen Mercedes-Führung mit den Militärs nur indirekt nachgewiesen werden. Denn die maßgeblich Beteiligten der damaligen Zeit schweigen hartnäckig. Unterlagen über die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und den Militärs wurden bisher nicht vorgelegt. Es finden sich allerdings in einem anderen Zusammenhang Hinweise darauf, dass die Mercedes-Firmenleitung Hinweise auf Namen und Anschriften von im Betrieb aktiven Gewerkschaftern den Sicherheitsbehörden übergeben hat. Dies soll im Rahmen der Ermittlungen zur Entführung des Mercedes-Produktionsleiters Heinrich Metz im Herbst 1975 geschehen sein. Dabei konnte der damalige Justitiar der Firma zwar keine Angaben zum Tathergang machen, nannte aber den Behörden mehrere Namen von Gewerkschaften, die angeblich im Betrieb als "Agitatoren" und "Kommunisten" aufgefallen waren, darunter den Namen des später entführten Hugo Ventura.

Die Indizien gegen den ehemaligen Werksleiter Juan Tasselkraut sind jedoch so stark, dass kaum ein Zweifel daran besteht, dass er sich einer Beihilfe zum Mord schuldig gemacht hat. Tasselkraut war zum damaligen Zeitpunkt der einzige noch verbliebene deutsche Manager in der Firmenleitung in Buenos Aires. Es ist nicht davon auszugehen, dass er aus eigenem Antrieb und ohne entsprechende Weisung von höheren Stellen gehandelt hat. Dies belegt nicht nu der zeitliche Zusammenhang zwischen den Verhandlungen der Firmenleitung mit den Betriebsratdelegierten Ventura und Reimer und deren Verhaftung am 04.01.1977. Auch die Auszahlungen einer jahrelangen Rente an die Familienangehörigen der verschwundenen Betriebsräte ist ein Indiz.

Dazu kommt, dass ein berüchtigter Folterknecht jahrelang bei Mercedes-Benz als Chef des Sicherheitsdienstes gearbeitet hat. Luis Lavallen war ausgerechnet Leiter der Brigada de Investigaciones in San Justo, wo u.a. Hector Ratto nach seiner Verhaftung die ersten Folterungen erlitt. Lavallen nutzte seine polizeiliche Führungsposition nicht nur dazu, um seine berufliche Karriere bei Mercedes-Benz einzuleiten. In dieser Funktion war er seit Ende der 60er Jahre gut mit dem Mercedes-Direktor Pedro de Eliás bekannt, der ihm später auch die Anstellung verschaffte. Im Mai 1978 waren in Uruguay im Rahmen der "Operacion Condor" die Oppositionellen Claudio und Monica Logares gefangen genommen worden. Sie wurden gemeinsam mit ihrer knapp zweijährigen Tochter Paula in die Brigada von Kommissar Lavallen gebracht. Claudio und Monica Logares sind seitdem verschwunden. Kommissar Lavallen nahm die Tochter Paula Logares kurzerhand mit nach Hause und ließ diese als seine leibliche Tochter eintragen. Der Fall Paula Logares war dann nach der Demokratisierung 1984 der erste Fall von mittlerweile mindestens 400 bekannt gewordenen Kindesentführungen. Lavallen wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er nur ein Jahr und acht Monate verbüßte. Bis zu diesem Zeitpunkt war er bei Mercedes-Benz als Chef des Sicherheitsdienstes aktiv. Bei der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses wurde er nicht nur großzügig abgefunden. Im Zeugnis vom 5.4.1984 wurde ihm bescheinigt, er habe "seine Arbeit optimal und vertrauenswürdig verrichtet".

Auch in den damaligen Geschäftsberichte von Daimler-Benz wird eine klare Sprache gesprochen. So hieß es im Geschäftsbericht 1975:

"Die Gesellschaft hat 1975 unter schwierigsten Verhältnissen – auch für die persönliche Position der leitenden deutschen Mitarbeiter – wieder ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt. Dank der inzwischen erreichten allgemeinen Fortschritte in der Ordnung der Arbeitsverhältnisse des Landes wird für 1976 wieder ein positives Ergebnis erwartet."

Nachdem der Putsch positiv kommentiert wurde, konnte dann im Geschäftsbericht 1976 ausgeführt werden:

"Die politische und wirtschaftliche Stabilisierung in Argentinien seit Frühjahr 1976 sowie die getroffenen geschäftspolitischen Maßnahmen haben sich positiv auf das Unternehmen ausgewirkt. Aufgrund der gegenwärtigen Entwicklungen in Argentinien kann auch für das Jahr 1977 mit einem positiven Ergebnis gerechnet werden."

Ein Jahr später hieß es dann:

"Der in Argentinien im Frühjahr eingeleitete Stabilisierungsprozess setzte sich – bei weiterhin allerdings hoher Inflationsrate – auch im Berichtsjahr fort und hat sich insgesamt positiv auf die Geschäftsentwicklung des Unternehmens ausgewirkt."

 

Deutsch-Argentinische Wirtschaftsbeziehungen

Die Mercedes-Benz-Leitung stand allerdings mit ihrem argentinischen Engagement keineswegs alleine. Im Juli 1976, also zur Hochzeit von Verhaftungen und Folter, wurde der argentinische Wirtschaftsminister Martinez de Hoz in Deutschland empfangen. Nach den Mitteilungen der deutsch-argentinischen Industrie- und Handelskammer im September 1976 schwärmte der Wirtschaftsminister nach seiner Rückkehr:

"Ich konnte da das große freundschaftliche Gefühl verspüren, das in Deutschland unserem Land gegenüber existiert. Es herrschte regelrechte Freude über das, was man als die Chancen für den Wiederaufstieg eines ernsthaften, stabilen, starken und potenten Argentinien verstand."

Dementsprechend wurden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der argentinischen Militärdiktatur verstärkt. So besuchte im Juni 1977 der Ehrenpräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dr. Hans-Günter Sohl die Militärdiktatur. Im Jahr 1976 wurde ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen; 1977 wurden mehrere zweiseitige Fischereiverträge geschlossen. Es kam zum Vertragsabschluss mit der Siemens-Tochter KWU über den Ausbau eines Atomkraftwerkes in Argentinien. Ende 1977 genehmigte das Bundeskabinett eine Bürgschaft für die Lieferung von Unterseeboten durch die Thyssen-Nordseewerke. Die Firma Thyssen-Henschel aus Kassel lieferte Panzerfahrzeuge des Typs TAM nach Argentinien. In deutscher Lizenz wurden Panzer, U-Boote, Schnellboote, Torpedos u.a. in Argentinien gebaut.

Die Recherchen und strafrechtlichen Ermittlungen im Falle von Mercedes-Benz haben diesseits und jenseits des Atlantik einige Aktivitäten ausgelöst. In Argentinien hat sich eine kleine Gruppe ehemaliger Mercedes-Gewerkschafter gebildet. Sie wollen mithelfen, die Verbrechen an ihren Kollegen aufzuklären. Sie haben den Fall in Argentinien öffentlich gemacht. Zwei von ihnen machen zudem eine Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft gegenüber dem argentinischen Staat geltend. Sie werden dabei von dem argentinischen Gewerkschaftsverband CTA unterstützt.

In Deutschland haben die Kritischen Daimler-Aktionäre schon kurz nach Einreichung der Strafanzeige im Herbst 1999 gefordert, dass Juan Tasselkraut von seiner derzeitigen Funktion im Daimler-Chrysler–Management suspendiert und der Fall nach Kräften aufgeklärt wird. Im November 2000 hat auch der Betriebsrat im Stammwerk Untertürkheim reagiert. Er fordert eine umfassende Aufklärung des Falles und stellt eine Reihe von Fragen an den Vorstand von Daimler-Chrysler. Bis heute sind die Fragen der Betriebsräte unbeantwortet geblieben. Das Weltunternehmen versucht, den Fall auszusitzen. Doch nicht nur die wachsende Zahl von Presseveröffentlichungen – eine sehr gute Dokumentation des Falles befindet sich auf der Homepage der kritischen Gewerkschafter von www.labournet.de , sondern auch eine Vielzahl von eingeleiteten juristischen Initiativen und vor allem die öffentliche Reaktion auf den Fall zeigen, dass Menschenrechtsverletzungen, die vor 25 Jahren unter Mitwirkung deutscher Unternehmen im fernen Argentinien geschehen sind bis heute unvergessen bleiben. Das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg läuft ebenso weiter wie die juristischen Bemühungen, in Deutschland und in Argentinien Entschädigungen für die zu Unrecht gefolterten und inhaftierten und zu Unrecht gekündigten Überlebenden einzuklagen.


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