Anlaß zur Debatte: Arbeitszeitverkürzung bei Porsche

Quelle: Artikel von Daniel Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 14.12.2012 externer Link

Solche Nachrichten hat es aus der Automobilindustrie schon lange nicht mehr gegeben: Beim Sportwagenhersteller Porsche wird die Wochenarbeitszeit der Bandarbeiter am Standort Stuttgart von 35 auf 34 Stunden verkürzt – bei vollem Lohnausgleich. Ist der Deal bei der VW-Tochter ein Zeichen dafür, daß die IG Metall ihre längst vergessen geglaubte Forderung nach Umverteilung der vorhandenen Arbeit wiederentdeckt hat? Schreibt sie sich das Motto »Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen« endlich wieder auf die Fahnen? Das ist leider nicht zu erwarten. Dennoch kann die am Donnerstag bekanntgegebene Vereinbarung vielleicht dazu dienen, die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit kürzerer Arbeitszeiten wieder auf die Agenda innergewerkschaftlicher Debatten und Aktivitäten zu setzen.Klar ist: Porsche kann sich die Arbeitszeitreduzierung inklusive Lohnausgleich locker leisten. Mit mehr als zwei Milliarden Euro fuhr das Stuttgarter Unternehmen im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn ein. Es erzielt mit jedem verkauften Fahrzeug im Schnitt ein Plus von fast 17000 Euro – weit mehr als jeder andere Autohersteller.Aus Sicht der rund 6000 Stuttgarter Bandarbeiter – allerdings auch für ihre Leipziger Kollegen, die von der Regelung ausgeschlossen bleiben – ist eine Verkürzung der Schichten bitter nötig. Denn ihre Arbeit wurde in den vergangenen Jahren durch beständige Rationalisierung immer weiter verdichtet. Mehr Zeit für Regeneration ist da ein probates Gegenmittel. Andere Elemente des Porsche-Deals gehen allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung.So soll dem Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Wochenarbeitszeit der Ingenieure bei entsprechend höherer Bezahlung auf 40 Stunden auszuweiten. Bislang war diese Option auf maximal 18 Prozent der Belegschaft beschränkt. Der Konzern erkauft sich damit also eine größere Flexibilität bei Forschung und Entwicklung. Die dortigen Angestellten dürften ihre Familien in Zukunft also noch weniger sehen.Auch für die Bandarbeiter hat die Vereinbarung einen gravierenden Schwachpunkt: Es soll keinen Personalausgleich geben. Das heißt, sie müssen dieselbe (und wahrscheinlich noch mehr) Leistung in kürzerer Zeit schaffen. Das entspricht leider vielfach den Erfahrungen mit der kleinschrittigen Maßnahmen der 1980er Jahre in Westdeutschland, die von den Konzernen zur Flexibilisierung und Verdichtung des Produktionsprozesses genutzt wurde.Will die Gewerkschaft die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung wieder populär machen, muß sie neben dem Lohn- auch einen vollständigen Personalausgleich durchsetzen. Dann wäre sie auch ein Mittel zur Reduzierung der Massenarbeitslosigkeit – als das sie ja ursprünglich einmal konzipiert war.Geschehen ist in den vergangenen 17 Jahren das Gegenteil: Die realen und teilweise auch tariflichen Arbeitszeiten wurden länger – oft unbezahlt. Folge war auch eine Schwächung der Gewerkschaften. Vor diesem Hintergrund ist es höchste Zeit für möglichst radikale Arbeitszeitverkürzung. Bei allen Schwächen könnte der Porsche-Deal Anlaß bieten, das endlich wieder zum Thema zu machen.
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