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Frankreichs umkämpfte Arbeitsrechts-„Reform“, Teil 28

Artikel von Bernard Schmid vom 25. Mai 2016

Frankreich 2016: Loi travail: non, merci!

Raffineriestreik beginnt Wirkung zu zeigen * 30 % der Tankstellen teilweise oder vollständig auf dem Trockenen * Bestreikt werden nun auch die Ölterminals in den Häfen von Le Havre und Marseille * Zwei Blockaden vor Raffinerien gestern und heute polizeilich aufgelöst * Streikaufruf im Energiesektor, darunter in Atomkraftwerken * Arbeitsniederlegungen kommende Woche bei der Bahn (SNCF), im Pariser Bus- und Métro-Verkehr und in der zivilen Luftfahrt * Neuer „Aktionstag“ mit Demonstrationen: morgen * Irrwitzige Repression; Haftforderung der Staatsanwaltschaft für fünf Jahre gegen Studentin * Und den ,Preis’ für den dümmlichsten Artikel der Woche (wirklich unter aller Sau) gewinnt dieses Mal das ,Handelsblatt’

Es gab früher einmal, ausgehend von einem Bonmot in einer Artikelüberschrift der Wochenzeitung ‚Jungle World’, die Weisheit: „Antifa heißt Busfahren.“ (Vgl. http://afata.blogsport.eu/1998/12/31/antifa-heisst-busfahren-ueber-die-verhinderung-von-naziaufmaerschen/ externer Link) Nun gibt es eine neue Devise. Und diese lautet: Streikunterstützung heißt Volltanken. Dieser Auffassung ist jedenfalls eine wachsende Zahl von Unterstützerinnen der französischen Sozialprotestbewegung. Ökologisch motivierte, und begründete, Bedenken gegen den motorisierten Individualverkehr hin oder her: Jetzt muss ein Autotank her, den man möglichst voll macht, und wenn es geht, auch noch ein paar Kanister dazu. Denn der Streik, der am Ende der vorletzten Maiwoche in den französischen Raffinerien begonnen hat, soll möglichst schnell seine Wirkung zeigen.

Durch den Arbeitskampf in der petrochemischen Industrie werden nun von Seiten der Gewerkschaften und der Sozialprotestbewegungen andere Saiten aufgezogen. Er erlaubt, aus dem Dilemma herauszukommen, dass im März und April dieses Jahres wochenlang darin bestand, zwischen folgenlosen Latschdemonstrationen einerseits und militanten Kleingruppenaktionen und einer Orientierung auf Glasbruch andererseits wählen zu müssen.

Grenzen der bisherigen Optionen & Repression

Beide Optionen haben längst ihre engen Grenzen gezeigt. Auf Demonstrationen reagiert die Regierung von Manuel Valls ganz offensichtlich nicht, und die parlamentarische Opposition hat sie unter Rückgriff auf einen Verfassungstrick und durch das Stellen der Vertrauensfrage ausgeschaltet. Respektive sie hat sich, was die sozialdemokratische Pseudo-„Opposition“ betrifft, freiwillig selbst ausgeschaltet: Trotz einer Petition (vgl. https://www.change.org/p/députés-socialistes-soutenez-la-motion-de-censure-pour-que-la-loitravail-ne-voit-pas-le-jour externer Link), die innerhalb von weniger als drei Tagen rund 350.000 Unterschriften erhielt und die Parlamentslinke dazu aufforderte, am 12. Mai d.J. für das Misstrauensvotum gegen Premierminister Valls zu stimmen, votierten letztendlich alle (ALLE!) sozialdemokratischen Abgeordneten gegen den Misstrauensantrag.

Die Militanz der Aktionen von kleinen Gruppen ihrerseits ist kaum oder nicht mehr steigerbar, sowohl aufgrund der brachialen Antworten des Staatsapparats als auch wegen der Notwendigkeit, unvertretbare Gewaltübergriffe auf Personen zu vermeiden. Am 18. Mai d.J. zündeten einige Individuen am Rande einer Spontandemonstration in Paris einen Streifenwagen, der daraufhin ausbrannte. Eine Polizistin und ein schwarzer Beamter befanden sich zu dem Zeitpunkt jedoch noch an Bord. Der männliche Polizist zückte zunächst seine Waffe, beherrschte sich jedoch und steckte sie wieder ein, obwohl er zum selben Zeitpunkt Schläge abbekam. Am 20,. Mai 16 wurde er, vor laufenden Kameras zu Tränen gerührt, mit einer Auszeichnung versehen. (Vgl. http://lci.tf1.fr/france/faits-divers/l-emotion-de-kevin-le-policier-heros-de-la-voiture-brulee-en-recevant-8744536.html externer Link) Es dürfte unschwer zu erkennen sein, wer aus dieser mehr als fragwürdigen Aktion einiger Individuen als politischer und moralischer Sieger hervorging. – Vier Mitglieder einer antifaschistischen Vereinigung wurden daraufhin festgenommen, um sie unter Anklage des „Mordversuchs“ zu stellen. Aber selbst die Pariser Polizeiführung räumt ein, dass sie über keinerlei (!) Anhaltspunkte verfügt, dass die Betreffenden an der Tat – dem Anzünden des Polizeiautos – beteiligt gewesen seien; sie nahm einfach diejenigen fest, die sich in der Nähe befanden und gegen die sie ohnehin eine Akte vorliegen hat. Am gestrigen Abend – 24.05.16 – wurde bekannt, dass drei der vier wieder auf freien Fuß gesetzt werden mussten, mangels konkreten Tatverdachts. (Vgl. http://www.lemonde.fr/police-justice/article/2016/05/24/voiture-de-police-incendiee-trois-des-mis-en-examen-remis-en-liberte_4925746_1653578.html externer Link) Heute Vormittag ging die Staatsanwaltschaft jedoch gegen ihre Freilassung in Berufung.

Auch die Schüsse mit scharfer Munition, die wohl am Wochenende auf (zu dem Zeitpunkt leere) Räumlichkeiten der regierenden „Sozialistischen“ Partei in Grenoble abgefeuert und am Montag früh (23.05.16) entdeckt wurden, stehen für eine – sagen wir – Aktionsform, die weder auf Massenebene durchführbar noch überhaupt wünschenswert ist. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/flash-actu/2016/05/23/97001-20160523FILWWW00092-isere-le-siege-du-parti-socialiste-vise-par-des-tirs.php externer Link) Weniger, weil man Mitleid mit der armen Regierungspartei hätte, sondern weil wirklich nicht wünschenswert ist, dass sich Waffen besitzende (und einsetzende) Gruppen breit machen, auch wenn diese sich für besonders „radikal“ halten mögen. Ansonsten ist es hingegen durchaus begrüßenswert, dass mehrere Dutzend von Büros der Regierungspartei quer durch ganz Frankreich farblich verschönert, bei einer öffentlichen Aktion – wie jener der CGT in Toulouse – zugemauert oder auch wie in Saint-Denis umbenannt (von „Sozialistische Partei“ in „Kapitalistische Partei“) worden sind. Die Tränen triefende Mitleidskampagne der Regierungspartei (vgl. http://www.lemonde.fr/societe/article/2016/05/23/le-siege-du-ps-de-l-isere-a-grenoble-vise-par-des-tirs_4924648_3224.html externer Link), kann einem/r dabei nur furzegal bleiben. Dennoch bleibt es dabei, dass der Einsatz von Schusswaffen als „Mittel der Auseinandersetzung“ eine Grenze überschreitet, die niemals hätte überschritten werden sollen.

Umgekehrt spart der Staatsapparat nicht mit ins Extreme gesteigerten Repressionsmitteln. Gegen eine Studentin, Manon Chelmy, Mitglied der ansonsten durchaus nicht übermäßig radikalen Jugendorganisation der französischen KP, forderte die Staatsanwaltschaft soeben eine fünfjährige Haftstrafe ohne Bewährung (!). (Vgl. https://blogs.mediapart.fr/pascal-maillard/blog/210516/etudiants-pas-criminels-soutenez-manon externer Link) Bei der Räumung eines besetzten Saals in Amiens hatte sie mit ansehen müssen, wie einer ihrer Freunde von Polizisten gewalttätig behandelt wurde, und spontan ein Saalmikrophon durch den Raum geworfen. Dieses fiel zu Boden, und niemand wurde verletzt. Das irrsinnige Strafmaß, das durch die Staatsanwaltschaft gefordert wurde, führte zu Petitionen und Protestbriefen.

Im nordfranzösischen Lille befindet sich ein anlässlich einer Demonstration am 17. Mai d.J. festgenommener CGT-Gewerkschafter und „libertärer Kommunist“, Antoine, seit nunmehr fünf Tagen im Hungerstreik. (Vgl. https://luttennord.wordpress.com/2016/05/20/antoine-prisonnier-politique-a-lille-entre-en-greve-de-la-faim/ externer Link) In mehreren Fällen wurden auch Gewerkschaftsräume polizeilich durchsucht, um im Anschluss an Demonstrationen Teilnehmer zu ergreifen. Dies betraf im April dieses Jahres ein Lokal der anarcho-syndikalistischen CNT in Lille – wir berichteten mehrfach darüber (vgl. auch https://solidaires.org/Lille-la-police-penetre-de-force-dans-les-locaux-de-la-CNT-Confederation externer Link) – und darüber eines der Studierendengewerkschaft SUD Etudiants in Caen in der Normanie (vgl. http://www.solidaires-etudiant.org/blog/2016/04/13/repression-a-caen-nous-ne-nous-laisserons-intimider-par-personne/ externer Link). Bislang hatte die Polizei noch faktisch die Unverletzlichkeit von Gewerkschaftsräumen respektiert.

Mehrwertproduktion blockieren!

Die Mehrwertproduktion zu stören, indem Transportmittel oder Treibstoffversorgung beeinträchtigt werden, erweist sich jedoch als geeigneter Ausweg aus dem Dilemma. Die petrochemische Industrie, die durch die CGT und mancherorts durch die Basisgewerkschaft SUD-Chimie zum Streik aufgerufen wurde, erweist sich mit ihrem Arbeitskampf dabei als am wirkungsvollsten.

Am Dienstag, früh, 24. Mai erklärte die CGT, alle acht französischen Großraffinerien würden inzwischen bestreikt. (Vgl. http://www.lefigaro.fr/conjoncture/2016/05/24/20002-20160524ARTFIG00024-le-gouvernement-emploie-la-force-pour-debloquer-une-raffinerie.php externer Link) Die Staatsmacht könnte jedoch, aufgrund der strategischen Bedeutung der Petrochemie, Personal dort zur Arbeit verpflichten – wer sich dem entzieht, riskiert Haftstrafen. Bislang gibt die Regierung (durch ihren Sprecher Stéphane Le Foll) jedoch an, dies nicht tun zu wollen. (Vgl. http://www.franceinfo.fr/emission/l-interview-politique/2015-2016/carburants-le-gouvernement-fera-ce-qu-il-faut-pour-assurer-l-approvisionnement-des externer Link)

Das Risiko besteht aber fort. Deswegen werden die Raffinerien, aber auch gefüllte Treibstoffdepots vielerorts zudem von externen Unterstützer/inne/n, wie Hafenarbeitern in Le Havre oder Mitgliedern der Platzbesetzerbewegung in mehreren Städten, blockiert. Zu diesem Thema wiederum fährt die Regierung eine harte Gangart, Justizminister Jean-Jacques Urvoas erklärte etwa, es gebe „keinerlei Grund dafür, warum sollte Blockaden fortdauern“ dürften; während Konservative wie der Abgeordnete Eric Ciotti oder Neofaschisten wie Florian Philippot vom Front National eine Verschärfung der Gangart fordern. (Vgl. mehrere Beiträge dazu im Liveticker der bretonischen Zeitung Le Télégramme: http://www.letelegramme.fr/bretagne/carburants-ruee-sur-les-stations-service-bretonnes-direct-20-05-2016-11075443.php externer Link) Bei einer Online-Umfrage eines bürgerlichen Medienunternehmens sprach sich jedoch vorläufig eine satte Mehrheit – bei Redaktionsschluss dieses Artikels waren es 67,5 % – gegen die gewaltsame Räumung solcher Blockaden aus. (Vgl. http://mobile.francetvinfo.fr/economie/automobile/essence/les-forces-de-l-ordre-doivent-elles-debloquer-les-raffineries_1465443.html externer Link)

Am Vormittag des Dienstag, 24. Mai im Morgengrauen löste die Polizei die Blockade vor der Raffinerie im südfranzösischen Fos-sur-Mer mit Wasserwerfern und schwerem Gerät auf. (VgL. http://www.lemonde.fr/economie-francaise/article/2016/05/24/evacuation-en-cours-a-fos-sur-mer_4925053_1656968.html externer Link) Gleichzeitig entschied sich jedoch das Personal des Ölterminals am Hafen von Le Havre, über den 40 % des Rohölimports in Frankreich laufen, zu 95 Prozent, ebenfalls in den Streik zu treten. Am Abend des gestrigen Dienstag folgte das Ölterminal im Hafen von Marseille. Am heutigen Mittwoch früh erfolgte jedoch eine erneute Räumung einer Blockade, dieses Mal vor einer Raffinerie in Douchy-les-Mines in Nordfrankreich. (Vgl. http://www.lemonde.fr/economie-francaise/article/2016/05/25/intervention-des-crs-pour-debloquer-le-depot-de-carburants-de-douchy-les-mines_4925790_1656968.html externer Link)

Ein Fünftel der französischen Tankstellen liegt mittlerweile trocken, oder kann mindestens einige Kraftstoffe nicht mehr in ihren Zapfsäulen anbieten; neuesten Meldungen zufolge sind es jedoch bei Redaktionsschluss bereits ein Drittel. (Vgl. http://lci.tf1.fr/economie/consommation/en-direct-carburant-la-raffinerie-de-fos-sur-mer-debloquee-apres-8745125.html externer Link und für eine neuere Auflistung: http://www.lefigaro.fr/economie/2016/05/25/20003-20160525LIVWWW00011-en-direct-greve-raffinerie-depot-carburant-penurie-loi-travail-valls-hollande-force-de-l-ordre.php externer Link; vgl. zur beginnenden Treibstoffknappheit auch: http://www.huffingtonpost.fr/2016/05/24/syndicat-penurie-essence-stations-service-raffinerie-_n_10118208.html?ir=France externer Link)

Premierminister Manuel Valls ruft dazu auf, doch bitte nicht „in Panik“ zu verfallen und keine Hamsterkäufe zu tätigen. Genau dies zu tun, dafür kursieren nun mehrere Aufrufe aus der sozialen Opposition, bei Facebook und anderswo. Manche Apps für so genannte Smartphones informieren das geneigte Publikum ihrerseits darüber, wo noch Tankstellen Kraftstoff auf Vorrat haben.

Im bretonischen Brest kam es zu einem hässlichen Zwischenfall mit einem ebenso gereizten, wie sich selbst für den Mittelpunkt haltenden Autofahrer: Er griff am Sonntag, den 22. Mai einen Tankstellen-Angestellten mit einem Baseballschläger an den begehrten Stoff zu kommen. Wie ein Drogensüchtiger auf Entzug… (Vgl. http://lci.tf1.fr/france/faits-divers/penurie-d-essence-excede-un-automobiliste-agresse-un-pompiste-8744895.html externer Link)

Und hier noch einmal unser ausdrücklicher Aufruf dazu: Wer von unseren Leser-inne-n nicht allzu weit von der französischen Grenze wohnt, sei also hiermit ausdrücklich dazu aufgefordert, das nächste Volltanken doch bitte westlich von ihr durchzuführen.

Schwerpunkte der Streikbewegung und des beginnenden Treibstoffmangels waren in den letzten Tagenvor allem die Bretagne und die Normandie, in Süd- und Südostfrankreich begann der Arbeitskampf hingegen erst richtig.

Nach dem Treibstoff könnte nunmehr auch die Elektrizität eventuell knapp werden. Die CGT im Energiesektor ruft jedenfalls dazu auf, auch dort Arbeitsniederlegungen vorzunehmen. Im Atomkraftwerk Nogent-sur-Seine – was immer man ansonsten auch vom Betrieb der französischen Atomkraftwerke als solchem halten mag – hat dies bereits begonnen. (Vgl. http://www.midilibre.fr/2016/05/25/mobilisation-contre-la-loi-travail-apres-l-essence-l-electricite,1337727.php externer Link)

In Paris ist das Personal der Nahverkehrsbetriebe RATP (Bus und Metro) nunmehr ab dem 02. Juni zur Arbeitsniederlegung aufgerufen. Bei der französischen Bahngesellschaft SNCF ist die stärkste Einzelgewerkschaft CGT nun – endlich – von ihrer bisherigen Linie abgerückt, die darin bestand, allwöchentlich zu einem 48stündigen Doppelstreiktag aufzurufen (immer Mittwochs und Donnerstags), um danach aber an jedem Freitag früh die Arbeit wieder aufzunehmen. Nachdem diese Streiktaktik bislang nicht fruchtete, ruft sie nun ihrerseits dazu auf, ab dem 31. Mai d.J. unbefristet zu streiken (vgl. http://www.francetvinfo.fr/economie/greve/greve-des-transports/sncf-la-cgt-appelle-a-la-greve-reconductible-chaque-jour-a-partir-du-mardi-31-mai_1465967.html externer Link)

Ab dem 03. und bis zum 05. Juni kommt nun auch noch das Personal der Fluggesellschaften hinzu, das ebenfalls zum Streik aufgerufen wird. (Vgl. http://www.francetvinfo.fr/economie/emploi/carriere/vie-professionnelle/droit-du-travail/greves-ce-qui-vous-attend-si-vous-devez-prendre-le-train-le-metro-ou-l-avion-dans-les-prochains-jours_1465935.html externer Link) Sowohl bei der Bahn/SNCF als auch im Flugverkehr stehen in den Streikaufrufen zwar unternehmensinterne Konfliktpunkte im Mittelpunkt, und nicht respektive „nicht nur“ der gesamtgesellschaftliche Kampf gegen das geplante „Arbeitsgesetz“. Die Tatsache jedoch, dass diese Streiks mit der sonstigen Mobilisierung zusammenfallen, hilft sowohl dieser – als auch den genannten Streikbewegungen selbst, um ihre Durchsetzungsfähigkeit zu steigern.

Das Letzte: Auf die Mütze…!

Und noch für unser deutsches Publikum: Den Preis für den dümmlichsten, unverschämtesten und unverfroresten Artikel in der deutschsprachigen Presse gewinnt diese Woche… natürlich das ,Handelsblatt’ (vgl. http://www.handelsblatt.com/politik/international/streiks-in-frankreich-eskalieren-feuer-und-flamme-gegen-den-franzoesischen-staat/13632820.html externer Link). Als Autor für den qualifizierten Rotz zeichnet Thomas Hanke verantwortlich. Als Hauptargument, um die französische Streikbewegung als eine Gefahr und unverantwortlich auszumalen, fällt ihm ein, dass ein solcher Arbeitskampf „in Deutschland illegal“ wäre. (Huch, jetzt sind wir aber schweeeer beeindruckt von der Kraft dieses Arguments!) Ansonsten behauptet er rotzfrech, die CGT vertrete nur höchstens drei Prozent der französischen Lohnabhängigen, pardon, „Arbeitnehmerschaft“. Das hat er nicht einmal selbst erfunden, sondern beim „Gewerkschaftsspezialisten“ der liberalen Abendzeitung,Le Monde’ – Michel Noblecourt – abgeschrieben, welch selbiger derzeit als journalistisches/publizistisches Sprachrohr der regierungsfreundlichen CFDT auftritt. (Im April dieses Jahres versuchte er mehrfach krampfhaft, herbeizuschreiben, im Jahr 2017 könnte, ja könnte, „die CFDT die CGT als stärksten Gewerkschaftsdachverband ablösen“. Abwarten und Tee trinken, aber vielleicht lieber nicht den Wunsch den Vater des Gedankens sein lassen..

Selbiger Noblecourt hatte jüngst kalkuliert, die CGT organisiere „2,62 Prozent“ der französischen Lohnabhängigen. Wohlgemerkt: organisiere, d.h. es geht um Mitglieder. Und dies im französischen Kontext, wo der Organisationsgrad – durchschnittlich 8 Prozent der Lohnabhängigen, öffentliche Dienste und Privatwirtschaft eingeschlossen – generell nicht hoch, da die Gewerkschaft überwiegend aus Aktiven bestehen (und kaum Passivmitglieder aufweisen wie die deutschen, denen viele Lohabhängigen lediglich beitreten, ungefähr wie man einer Versicherung angehört).
Doch der Oberidi…, der Autor Thomas Hanke schreibt nicht, dass die CGT so-und-so-viele Mitglieder aufweise (es sind rund 700.000 im Dachverband). Sondern er behauptet rundweg, dass die von ihm fälschlich als „kommunistisch“ charakterisierte – das ist sie längst nicht mehr, seit zwanzig Jahren hat die französische KP keinen direkten und organisierten Einfluss mehr auf ihren Vorstand (aus dem ihr Vertreter beim Parteitag 1996 verschwand) – CGT „maximal drei Prozent der französischen Arbeitnehmer vertritt“. Das wiederum ist schlichtweg barer Unsinn. Es gibt in Frankreich Wahlen zu den Arbeitsgerichten, jedenfalls hat es bislang gegeben (ein durch die amtierende Regierung auf den Weg gebrachtes Gesetz vom 06. August 2015 läuft darauf hinaus, sie abzuschaffen und durch eine Ernennungsprozedur für die Verbände zu ersetzen), sowie Personalvertretungswahlen in den Unternehmen und Betrieben. Bei ihnen wird die CGT im frankreichweiten Durchschnitt durch plus/minus dreißig Prozent der teilnehmenden Lohnabhängigen unterstützt. Also von wegen „maximal drei Prozent“…

Im Übrigen unterstützt die CGT den derzeitigen sozialen Kampf keineswegs allein, sondern dieser wird durch einen Verbund von sieben Vereinigungen (Dachverbänden, Gewerkschaftszusammenschlüssen sowie Jugendverbänden) unterstützt, getragen und organisiert. Auch wenn die bürgerliche Presse in Frankreich – darunter,Le Monde’, die nunmehr die Dinge dergestalt darstellt, als wolle die CGT sich als „stärkste Oppositionspartei“ profilieren – die Dinge quasi personalierend auf die CGT und ihren „Chef“, den Generalsekretär Philippe Martinez, zuzuspitzen versucht: Dem ist nicht so, er spielt keineswegs, keineswegs eine alleinführende Rolle!

Also, setzen, sechs!, lieber Schreiberling. Und Eselmütze aufsetzen!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=98757
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