90 000 gegen einen ultimativen „Clash“: TTIP vernichtet unter Merkel jetzt den Klimavertrag nebst allen weiteren positiven regulatorischen Standards in Europa – Ein Staatsstreich in Zeitlupe!

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 26.4.2016

Obama und Merkel kommen: TTIP&CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel! Demonstration am 23. April 2016 in HannoverJetzt demonstrieren noch einmal 90 000 gegen TTIP in Hannover – und eine Studie sagt, dass die Zustimmung zum Freihandel unter TTIP im letzten Jahr vollkommen „eingebrochen“ ist, weil wohl immer mehr Menschen dieser Betrug, dieses „Hinters-Licht-Führen“ mit dem sogenannten Freihandel aufgefallen ist – und mancher konnte sich noch an das ähnliche Projekt unter dem Stichwort „MAI“ in den 90-er Jahren erinnern: (http://www.attac.de/presse/detailansicht/news/90000-sagen-in-hannover-nein-zu-ttip-und-ceta/?cHash=6db419b5a2d5ec68fafa960bb1d5d870 externer Link. Ein hervorragender Überblick auch zu der ganzen aktuellen Kritik an diesem sogenannten Freihandelsabkommen ist bei Labournet zu finden: https://www.labournet.de/internationales/usa/wirtschaft-usa/freihandelsabkommen-mit-den-usa-tafta/)

Nur, während in der Flüchtlingskrise die Kanzlerin ein bemerkenswerte Offenheit gezeigt hatte, ist sie – wie in allen ökonomischen Dingen – von einer absoluten neoliberalen „Glaubensstärke“ beseelt – und treibt zur Eile bei TTIP (http://www.sueddeutsche.de/politik/barack-obama-handelsabkommen-ttip-usa-draengen-zur-eile-1.2963811 externer Link). So jedenfalls war es bei der Überschrift in der Printausgabe zu lesen: Merkel drängt zur Eile bei TTIP. Dabei versichert uns die Rechtsanwältin Lori Wallach aus den USA, gerade Europa hat wegen seines guten Regulierungsstandards die viel größeren Nachteile bei einem Zustandekommen von TTIP zu befürchten. (Siehe „Europa hat am meisten zu verlieren“: http://www.fr-online.de/politik/ttip–europa-hat-am-meisten-zu-verlieren-,1472596,34144110.html externer Link)

Und das führt auch die Gewerkschaften auf beiden Seiten des Atlantik gegen TTIP zusammen (http://www.dgb.de/themen/++co++a95ea76e-eb5f-11e5-a873-52540023ef1a externer Link), die vor allem durch die private Schiedsgerichtbarkeit ihre jeweiligen Rechte bedroht sehen. Und auch hier dürfte Deutschland und Europa die höheren Standards haben (http://www.gegenblende.de/34-2015/++co++48531aaa-9f55-11e5-b148-52540066f352 externer Link) – und so dürfte, wie Lori Wallach auch erklärte, es doch keinesfalls ausgeschlossen werden, dass doch bei solch einem gemeinsamen Abkommen auch die Hoffnung vorhanden sein müsste, die jeweils höheren Standards gegenseitig anzugleichen – anstatt sie nur dem Druck nach unten durch diese institutionelle Macht der Konzerne auszusetzen.

Will also Kanzlerin Merkel jetzt den regulatorischen Standard in Europa in die Pfanne hauen?

Diese Art Staatsstreich in Zeitlupe (Lori Wallach) konnte schon einmal in den 90-er Jahren bei MAI abgewehrt werden, liegt aber jetzt in dieser verschärften Form des TTIP wieder auf dem Tisch, um den Konzernen in den Status von Staaten zu verhelfen. Letztendlich sollen die bisher demokratischen Staaten doch den Konzernen einfach unterworfen werden. (https://blog.campact.de/2013/12/die-grosse-unterwerfung/ externer Link)

Was das mit Freihandel zu tun haben soll, ist überhaupt nicht ersichtlich. Oder soll das nur das Ettikett sein, um diese Unterwerfung der Welt unter die Konzerne zu verschleiern?

Und so weiß der Ökonom Heiner Flassbeck, „es gibt keine ökonomisch rationale Grundlage für das Freihandelsabkommen TTIP“ (http://www.taz.de/!5292227/ externer Link): Diese sogenannten Handelspolitiker treffen ihre Urteile auf Grund einer Doktrin, die mit der realen Welt nichts zu tun hat.
 Weder gewaltige Wechselkursänderungen ( Spielball von Spekulationen ), noch Direktinvestitionen , noch Lohndumping sind Gegenstand dieser Freihandelsideologie. Was die globalisierte Wirtschaft viel dringender braucht als eine derart doktrinäre Auseinandersetzung über Handelspolitik, ist ein Währungssystem, das verhindert, dass sich z.B. einzelne Länder über Lohndumping oder ähnliche Maßnahmen über lange Zeit ungerechtfertigte absolute Vorteile verschafft.

Und gleich noch den Klimavertrag dazu vollkommen zur Makulatur machen.

Ja, es scheint in das das so dogmatisch festgelegte Weltverständnis der Kanzlerin dann auch nicht nicht reinzupassen, dass sie damit auch gleich noch den Klimavertrag von Paris am 12. Dezember 2015 in den Eimer haut – wie es noch einmal der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz vor dem Treffen klargestellt hatte (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-sie-zerstoeren-ihr-eigenes-werk-1.2959846 externer Link).

Denn an diesem vergangenen Wochenende kam noch einmal alles zusammen – der Klimavertrag (= Unterzeichnug in New York) und ein angestrebter „Durchbruch“ beim Freihandelsabkommen TTIP in Hannover. – Nur es scheint so, als fänden das Zusammentreffen dieser so entscheidenden Ereignisse amerikanische Wissenschaftler spannender als die deutschen (= zu provinziell?)TTIP-Demo an diesem Wochenende (http://ttip-demo.de/home/faq-hannover/ externer Link)

Und der „Clash“ von Klimavertrag (1,5 Grad-Ziel) mit dem zerstörenden „TTIP“.

Kam es also just an diesem Wochenende jetzt zwischen Angela Merkel und Barack Obama zum ultimativen „Clash“ zwischen TTIP und Klimavertrag? Unter großem Jubel wurde am 12. Dezember letzten Jahres das Zustandekommen des Klimavertrages am 12. Dezember 2015 in Paris gefeiert – und am Freitag, 22.April 2016, wird er von mehr als 150 Staaten dieser gefährdeten Welt in New York unterzeichnet werden – und ebenfalls an diesem Wochenende treffen sich Angela Merkel und Barack Obama, der Präsident der USA, in Hannover um dem Freihandelsabkommen TTIP zum Durchbruch zu verhelfen.

Am Freitag vor der großen Demo machte zu diesem terminlichen Zusammentreffen der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz deutlich, dass Obama und Merkel mit TTIP ihr eigenes Werk, den Klimavertrag, zerstören. (http://www.sueddeutsche.de/politik/aussenansicht-sie-zerstoeren-ihr-eigenes-werk-1.2959846 externer Link)

Und er schreibt dazu: Das bei TTIP vorgesehene Streitschlichtungsverfahren (ISDS) schafft, selbst wenn es in einen „Handelsgerichtshof“ umbenannt wird, explizit ein Instrument, um gegen Maßnahmen der Regierungen zur Reduktion von Klimagasen vorzugehen. Solche Drohungen wirken: Man spricht von einem „Chilling“-Effekt auf staatliche Regulierungen, und genau den wollen die Fürsprecher von ISDS wohl erreichen.

Über die Klagen von Investoren entscheiden dann internationale Schiedsgerichte, die sich aus privaten Anwälten zusammensetzen. Derartige Streitschlichter haben wiederholt Handelsabkommen so interpretiert, dass Änderungen in der Umweltpolitik im Kern die Rechte der Investoren verletzen. Dies können dann Entschädigungen über Hunderte Millionen oder potentiell sogar Milliarden beanspruchen. (Es folgen Fälle solcher „Entschädigungen“…)

TTIP ist vermutlich noch nicht einmal ökonomisch vernünftig. Nach einer neuen Studie von Frank Ackermann (Boston University) basieren die erwarteten Vorteile von TTIP fast ausschließlich auf der Beseitigung „nicht-tarifärer Handelshemmnisse – im Kern also staatliche Regulierungen… (http://www.bu.edu/pardeeschool/research/gegi/program-area/bilateral-and-regional-treaty-systems/europes-regulations-at-risk/ externer Link)

Für das Klima-Abkommen geht es aber um die Zukunft des Lebens auf dieser Erde – also um viel mehr als „nur“ Profitsicherung für Konzerne.

Das relativ ehrgeizige – weil noch Wirkung erzielende – Ergebnis des Klima-Abkommen war, die Erde möglichst bei 1,5 Grad Erwärmung zu stabilisieren. Und just diese Ziel steht schon heute – am Tag der Unterzeichnung diese Vertrages in New York – in Frage. (http://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-ein-halbes-grad-zu-viel-1.2960273 externer Link) Mit TTIP wäre – rein zur Gewinnsicherung großer Weltkonzerne – eine Erreichung dieses Zeiles schon jetzt illussorisch, wie Stiglitz zu Recht mahnt.

Eben noch waren Obama und Merkel so stolz auf das erreichte Ziel in Paris – auf welch fragürdiger Grundlage und Perspektive dies auch immer beruhte – und nun soll das, was sie mit Händen zusammen mit der Weltgemeinschaft so mühsam erst einmal zustande gebracht haben, quasi mit dem „Hintern“ über das TTIP wieder eingerissen werden.

Dabei ist das – zwar mühsam – erreichbare 1,5 Grad Ziel eigentlich notwendig, wie erst wieder in einer Studie vorgestellt wurde. (http://www.earth-syst-dynam.net/7/327/2016/esd-7-327-2016-discussion.html externer Link) Und an diesem Wochenende – gerade unterschrieben – steht diese Möglichkeit schon wieder durch das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP wieder zur Disposition?

Da bleibt nur zu hoffen, dass die Verhandlungen zu TTIP an den Knackpunkten scheitern (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/transatlantisches-freihandelsabkommen-noch-vier-huerden-1.2960117 externer Link) – und der großen Demonstration in Hannover somit – zumindest längerfristig – ein Erfolg beschieden ist! (http://ttip-demo.de/home/faq-hannover/ externer Link)

Weitere Schritte einer Gegenwehr gegen dieses obszöne antidemokratische Ansinnen organisieren jetzt auch noch die Kommunen Europa, um ein Bündnis der politischen Grundeinheiten der Staaten gegen diesen Anschlag auf die politischen Gestaltung abzuwehren (siehe „TTIP-freie Kommunen organisieren sich“: http://www.attac.de/presse/detailansicht/news/ttip-freie-kommunen-in-der-eu-formieren-sich/ externer Link). Gerade mit dem Zwang zur Privatisierung bzw. dem Verhindern des Rückgänigmachens von so schädlichen Privatisierungen (z.B. beim Wasser) sind die Kommunen von diesem TTIP-Vorhaben auch noch besonders betroffen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=97232
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