APuZ 52/2015: Europäische Integration in der Krise

Die Eurokrise und die Flüchtlingskrise prägten das politische Jahr 2015 in Europa. In beiden zeigen sich die Mitgliedsstaaten der Eurozone beziehungsweise der EU uneinig. In Bezug auf die Eurokrise stellt sich vor allem die Frage über die nächsten Reformschritte: Soll es eine „Wirtschaftsregierung“ in der Eurozone geben, die befugt ist, über sozial-, fiskal- und wirtschaftspolitische Maßnahmen die ökonomischen Ungleichgewichte auszubalancieren? Oder soll der Schwerpunkt auf der Einhaltung bestehender fiskalpolitischer Regeln und auf Haushaltskontrolle liegen, um die „Stabilitätsunion“ zu stärken? Schien schon mit den Auseinandersetzungen über die Hilfen für Griechenland ein Tiefpunkt erreicht, so hat sich die Krise der EU durch das Scheitern des gemeinsamen Asylsystems an der Realität der Flüchtlingsbewegungen dramatisch verschärft. Die Terroranschläge von Paris markieren schließlich den tragischen Abschluss des europäischen Krisenjahrs 2015.“ Sonderseite der Bundeszentrale für politische Bildung zu Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 52/2015): Europäische Integration in der Krise externer Link und eine Kurzbesprechung von Volker Bahl:

Kurzbesprechung von Volker Bahl vom 21.12.2015

Europäische Integration in der Krise | bpb (http://www.bpb.de/apuz/217298/europaeische-integration-in-der-krise externer Link). Darüber geht das neue Heft „Aus Politik und Zeitgeschichte“

Ich muss jedoch gestehen, dass mich ein Frage-und-Antwort-Spiel zwischen den zwei ÖkonomInnen Gustav Horn und Renate Ohr über „Der Euro und die Schuldenkrise kontrovers“ deutlich am meisten interessieren konnte. (http://www.bpb.de/apuz/217312/der-euro-und-die-schuldenkrise-kontrovers externer Link)

Nun während Renate Ohr (Uni Göttingen) dem Euro keine besondere Bedeutung beimisst (die entscheidenden Wohlstandseffekt resultieren aus dem Binnenmarkt – auch ganz ohne Euro) – und ihn am liebsten abgeschafft sieht, geht Gustav Horn – entsprechend der Komplexität dieser Fragestellung sowohl etwas ambivalenter als auch differenzierter an die Fragestellung ran. Ausgangspunkt war die Frage nach der Feststellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ – oder auch anders gefragt: „Scheitert Europa / die EU am Euro?“

Konsequent hält die Ohr diese Feststellung schon einfach für falsch. Gustav Horn erklärt dagegen zunächst, dass es vielleicht sinnvoler gewesen wäre, der damaligen Position der Bundesbank zu folgen, ob nicht vor der Einführung der Einführung des Euro eine Konvergenz in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik sinnvoll gewesen wäre. Die Idee der Befürworter des Euro war jedoch, dass der Euro selbst eine solche Wirkung auf das gemeinsame Handeln entfalten würde, dass dadurch die Integration schon weiter vorangetrieben würde. Dieser den Schöpfern des Euro vorschwebende Idealfall einer weiterführenden Prozesses zur Integration kam nur einfach nicht.

Ja, im Gegenteil die meisten Wirtschaftspolitiker haben nie verstanden, was eine gemeinsame Währung bedeuten muss – entweder die Einhaltung eines gemeinsamen Inflationsziels oder eine flankierende Finanzpolitik. Beides wurde gerade durch Deutschland zunichte gemacht – durch Nichteinhaltung des Inflationszieles (Lohndumping und Aussenhandelsüberschüsse) sowie die strikte Ablehnung einer Transferunion.

Vor diesem Hintergrund des fundamentalen Unverständnisses der wesentlichen Zusammenhänge in der Währungsunion (ist das der Grund wieso die Renate Ohr davon am besten gar nichts mehr wissen will?) war es dann nahezu folgerichtig, dass die Unsicherheit, die im Zuge der Finanzmarktkrise entstanden war auf den Euroraum in besonderer Weise übergriff. In dieser Krise wurde offenbar, dass es kein gemeinsames Verständnis für die Funktionsweise des Europäischen Währungsraumes gab.

Darin jedoch kann Gustav Horn auch eine Chance sehen: Es erscheint heute so, als ob das Grundverständnis einer Währungsunion erst durch Krisen erlernt werden kann. So gesehen könnte die jetzige Krise auch als ein notwendiger Schritt zu einer vertieften und stabilen Währungsunion angesehen werden. (Soweit man die Vorzüge einer gemeinsamen Währung für Europa im globalen Kontext „erkennen“ kann)

War Deutschland also der europäische Hegemon, der nur in das Chaos führt?

Bei den drei Perspektiven auf Deutschland in Europa kommt das auch darin zum Ausdruck (vgl. Kundnami sowie Miskimmon), dass Deutschland das falsche Narrativ für die Eurokrise hat, weil es das Notwendige nicht tun kann, da es innenpolitisch nicht durchsetzbar ist (Kundnani) oder / und weil Deutschland auch kein strategisches Narrativ für Europa mehr besitzt – wie es noch Kohl hatte (Miskimmon) (http://www.bpb.de/apuz/217463/deutschland-in-europa-drei-perspektiven externer Link)

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=91008
nach oben