Wie einer faktenblinden Ökonomie entkommen?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 2.12.2015

Hier einmal die „Plurale Ökonomik“ (http://plurale-oekonomik.de/home/ externer Link) als Quelle für weitere Ökonomie-Inspirationen über den neoliberalen Einheitsbrei hinaus: Ein Kongress der „Pluralen Ökonomik“ vom letzten Wochenende bot dazu ein breites Forum
(http://eaepe.org/content/documents/Teaching%20Economics%20in%20the%2021st%20Century_Preliminary%20Program%20%2803%2011%20%29.pdf externer Link pdf).

Ulrike Herrmann gab einen kleinen Einblick in der TAZ vom 30. November 2015 externer Link : „Finanzkasino von Ulrike Herrmann“. Irgendwie imponiert dabei Ulrike Herrmann die englische Queen, von der man überhaupt nicht gewohnt ist, etwas Imponierendes zu lesen: Von der Queen Elizabeth II. ist eine Frage hängen geblieben: „Wie konnte es passieren, dass niemand – von den Ökonomen – diese Finanzcrash 2008 vorhergesehen hat?“
Genauso legendär ist die Antwort der britischen Ökonomen – in einem drei-seitigen Brief -: „Um die Sache zusammenzufassen, ihre Majestät, war dies ein Versagen der Vorstellungskraft vieler kluger Menschen.“
Dies erklärt Ulrike Herrmann dann als das zentrale Problem dieser Mainstream-Ökonomie: Sie weiß nicht mehr was ein Argument ist. Es werden einfach – empirisch unüberprüft – Behauptungen aufgestellt – und sie verweist dann auf die diesbezüglich hervorragenden Ausführungen von Fabian Lindner im „Zeit-Blog“: „Wie wissenschaftlich ist die Neoklassik?“ (http://blog.zeit.de/herdentrieb/2015/11/10/wie-wissenschftlich-ist-die-neoklassik_9033 externer Link)

Ulrike Herrmann wehrt sich dabei noch etwas gegen die auch bei den „pluralen Ökonomen“ vorhandene Illussion, Ökonomie – wenn auch anders – überhaupt in einem – strikt aufgebauten – Lehrbuch vermitteln zu können. Weil ihnen doch allgemein gemeinsam sei, dass die Volkswirtschaftslehre ein objektives Wissen liefert – dabei gilt doch alles nur unter gewissen Annahmen.

Ihr schwebt daher ein empirisches Vorgehen vor, wie es bisher – empirisch vorbildlich – die Ökonomin Mariana Mazzucato mit ihrer Untersuchung geliefert habe, wie eigentlich Wachstum zustande komme: Und dabei führt sie schon über diese Empirie die Neoklassik ad absurdum, weil es überhaupt nicht der Markt ist, der den immer wieder wachstumstreibenden Fortschritt ermöglicht, sondern der Staat. (http://www.zeit.de/2014/40/mariana-mazzucato-staat-wirtschaft externer Link)

Aber noch kein Ende bei der Erkenntnis, wie Wachstum zustande kommt, sondern auch welche Arbeit bekommen wir dabei? – mit Joseph Stiglitz und einer – breit – lernenden Gesellschaft

Die nämlich noch fehlende – und für unsere heutigen Gesellschaft entscheidende – Frage ist, wie kommt man zu lernenden Gesellschaften – im allgemeinen und für möglichst viele.

Joseph Stiglitz – und zusammen mit ihm Bruce Greenwald – erklären nämlich in ihrem gemeinsamen neuen Werk „Die innovative Gesellschaft – Wie Fortschritt gelingt“. Die großen Fortschritte, die im Rahmen der Industrialisierung gemacht worden sind, basieren allein auf Lernen. Ökonomen aber stellen sich alle möglichen Fragen. Wie maximiert man Kapital, wie reduzziert man Störungen des Arbeitsmarktes? Aber nicht die Kernfrage: Wie maximiert man das Lernen?

Diese Antworten auf die klassischen Fragen der Ökonomie, etwa Kapitalmaximierung, führen aber oft zu falschen politischen Entscheidungen, die sich gegen das Lernen richten. Und indem wir uns so auf die falsche Frage konzentriert haben, haben wir unseren Lebensstandart gesenkt. (http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/griechenland-und-fluechtlinge-deutschland-ist-fuer-das-chaos-verantwortlich/12342306.html externer Link)

Wie größere Gleichheit zu besserem Wachstum führt

Nach sorgfältiger Abwägung aller Empirie kommen sie gleichzeitig zu dem Ergebnis, dass eine Gesellschaft mit ausgeprägterer Gleichheit – wie wir sie aus dem „nordischen“ oder „skandinavischen Modell“ kennen, besser zu innovativem Wachstum kommt.

Dieser Verbindung von Gleichheit und Wachstum geht bei uns in der deutschen Wissenschaft z.B. auch Till van Treeck nach. (vgl. https://www.uni-due.de/soziologie/treeck_aktuelles.php externer Link) – und stellt damit auch die Verbindung zu den empirischen Sozialwissenschaften her, was wieder Ulrike Herrmann auch ein Anliegen war, um die bisherige Dogmatik der Volkswirtschaft als „Glaubenslehre“ aufzubrechen.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=90025
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