„Geld für Alle“ : Plan C gegen den EU-Imperialismus

Albrecht Goeschel, 2.12.2015

Kurz vorab: Es gibt mittlerweile schon Leute, die begriffen haben, dass man diese EU und diesen Euro nicht „verbessern“ kann – weder mit einem Plan A oder mit einem Plan B. Leider, leider haben diese Leute aber keine Vorstellung davon, wofür die EU-People dieses Konzernlager Europa mitsamt seinen sogenannten Regierungen nebst Parlamentsanhängseln „löschen“ sollten.
Aber dazu kommt jetzt was.

1. „Sex für Alle“: Protestpopulismus der 1960er

Das treibende und das verbindenden Moment der politisch-kulturellen internationalen Revolte der 1960er, von Berkeley bis Berlin, war die mit den politische Protestthemen (Vietnam, Segregation, Schahregime, Kolonialismus etc.) unauflöslich verknüpfte Hoffnung und Erfahrung sexueller Befreiung: „Sex für Alle“. Keine Demo, kein Sit-in; keine Uni-Besetzung; kein Vietnam-Kongress ohne reichlich Geschlechtsverkehr zur wechselseitigen Belohnung.

Selbstredend hatte der unvergessene Herbert Marcuse mit seiner Warnung vor der „repressiven Entsublimierung“ so was von Recht: Protest-Demo verkommen zur Love-Parade; Parlamtensverein der sexuellen Beliebigkeit – mittlerweile verkommen zum Kriegstreiberverband Oliv-Grün.

Und: Das hat sich ja schon einmal so ähnlich ereignet: Die revolutionäre marx-freudianische Sexpol-Bewegung der dreißiger Jahre (Wilhelm Reich) wurde dann ganz locker von der national-sozialistischen Kraft-durch-Freude (hierzu: Dagmar Herzog) gekapert: Lustgewinn ja – aber nur für Arier(innen).

Trotz alledem: Auch diese offenen Türen mussten noch eingetreten werden und „Sex für Alle“ war in einer bestimmten Phase revolutionär, populistisch, alltagsumstürzlerisch. Auch wenn am Ende der ordinäre Hauswirt an die WG lieber vermietete als an das Spießerpaar, weil „Einer hat immer Kohle“ besser ist als „Immer nur einer hat Kohle“ – es lebt sich seitdem ohne Zweifel überall leichter.

 2. „Geld für Alle“: Europanationale der 2015er

Es ist ja schon sehr bemerkenswert, dass der vulgär-keynesianische Ökono-menhaufen (Attac, LINKE, Memo etc.) zu den immer unverschämteren Versuchen des Politischen Systems, das Bargeld zu verbieten, nichts weiß und noch weniger will. Schon mal gehört ? „Geld“ ist im Kapitalismus auch Zahlungsmittel – aber vor allem: „Wertform“ (Karl Marx). Es sind die sogenannten Ver- schwörungstheoretiker und Querfrontmedien, die immerhin einen Zwangsar- arbeitscharakter des Bargeldverbotes erkannt haben. Lohnarbeit, für die es kein Bargeld mehr gibt, ist Arbeitsdienst für Alle – bislang gibt es den erst im SGB II – Ghetto, aber dank Flüchtlingsschwemme wird das Volumen kosten- und damit wertloser „Gutschein“-Arbeitsbereitschaft ganz enorm zunehmen.

Die Flüchtlingsunterkünfte als Trainingszentren für Fresspakete und Kleiderspenden. Die Millionen „Gutmenschen“, die in den vergangenen Monaten Abermillionen von kostenlosen Arbeitsstunden für das Berliner Putsch-Regime geleistet haben, die Dummerle haben ökonomisch gesehen sogar noch „Geld“ mitgebracht.

Aber vergessen wir die Vulgär-Keynesianer: Kümmern wir uns wieder ums „Geld“ als solches. Mit der Errichtung des Hartz IV – Regelsatzregimes in Deutschland, mit den Abermillionen Jugendarbeitslosen im EU-Süden, mit den Millionen Bachelor-Simulanten und -Simulantinnen und jetzt mit den Millionen Flüchtlingen und ihren Millionen Kostenloshelfern ist wohl der kritische Punkt erreicht, an dem es einerseits das Politische System wagen kann, das Bargeld zu kassieren, an dem aber andererseits so viel nützliche Arbeit außerhalb des Lohnsystems geleistet wird (Hausarbeit, Pflegearbeit, Lernarbeit, Eigenarbeit, Freiwilligarbeit usw.), dass „Lohnarbeit“, noch dazu als „Niedriglohn-Arbeit“, zur eigentlichen Zwangsform von Arbeit geworden ist. Der Bargeld-Coup wäre so gesehen nicht der Übergang von Arbeit auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt in ein Stadium der Arbeit in virtuellen Arbeitslagern, sondern die Formanpassung wertlos gewordener abstrakter Arbeit an eine fiktiv gewordene Selbstverwertung des Kapitals. Usw. halt, müsste man mal genauer auffieseln…

Erreicht ist aber auch der kritische Punkt für den EU-Imperialismus: Wenn für Millionen und Abermillionen von Habenichtsen und Habenichtsinnen in Europa, einschließlich der Kapitalismus-Glaubensgemeinschaften im sogenannten „MOE“ (Mittel- und Osteuropa mit seiner ziemlich ekelhaften Nach-Versailleshistorie, seinen US-Foltershops und seiner Vorliebe für NATO-Manöver) die Lohnarbeits-Nummer nicht mehr geht – dann ist es an der Zeit, „Geld für Alle“ – heißt: „Bedingungsloses Grundeinkommen“ statt „Abschaffung Bargeld“ zu fordern. Die (jungen) Leute brauchen die Kohle wirklich !

Natürlich kommt bei so was sofort das Genöhle der „gewerkschaftsnahen“ Wissenschaftler(innen) – die wurden schon in den 1960er Jahren zu Recht als opportunistische Dünnbrettbohrer(innen) verhöhnt. Und das Gehetze irgendwelcher IG-Metallbonzen aus dem VW-Porsche-Himmel wollen wir uns lieber gar nicht vorstellen. Diese Exportprinzen sollen sich lieber um ihre Abgas-Werte kümmern.

3. Wer zahlt ?

Also: „Sex“ haben die Leute – aber „Geld“ brauchen sie dringend. Solange es keine längst fällige gesamtgesellschaftlich abgestimmte Produktion und Konsumtion gibt, bleibt nur die europanationale, d.h. in jedem der Ego-Staaten vorgetragene Forderung nach BGE („Bedingungsloses Grundeinkommen“).

Zahlen muss das der „Kapitalismus“, der einfach nicht aufhören und aus der Weltgeschichte wieder verschwinden will. Heißt: Steuern auf Vermögen, Abschreibungen, Gewinne und natürlich – zur Freude der Geldfratzen (v. Guttenberg & Co): Erbschaften.

Ja, damit wir das nicht vergessen: „BGE“ ist nur soviel wert, wie durch genügend gemeinwirtschaftliche Daseinsvorsorge (Wasser, Energie, Bildung, Gesundheit und Pflege, Einkaufen, Wohnung, Verkehr, Kommunikation etc.) nicht mit unverschämten Preisen wieder alles kaputt gemacht werden kann.

Also: Sollen es doch die „Überflüssigen“ europanational, d.h. jeder in seinem bestehenden Pferch mit dem „BGE“ probieren. Die Lohnarbeitsgläubigen können ruhig mitmachen – ist eine Art „Versicherung“ für wenn sie rausgeflogen sind bei ihrem tollen Job.

Das wäre mein „Plan C“.

 

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=89999
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