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In Griechenland ist die Auseinandersetzung um Syrizas Austeritätszusagen entbrannt: Die TäterInnen sitzen in Berlin und Brüssel

Athendemo gegen neues Memorandum 10.7.2015Mehr denn je befindet sich die Syriza-Regierung zwischen zwei Feuern: Während die Menschen in Griechenland am 5. Juli überdeutlich gemacht haben, dass sie die Diktatur kapitalistischer Austerität nicht mehr haben wollen, macht insbesondere die stärkste feindliche Kraft des griechischen Volkes, die Berliner Regierung, überdeutlich, dass immer weitere (Spar-)Konzessionen ihr bei weitem nicht reichen. Wenn sie massiv und öffentlich gegen die Syriza-Regierung vorgeht, will sie nicht in erster Linie diese weg haben – das selbstverständlich auch -, sondern die GriechInnen dafür bestrafen, dass sie gewählt haben. Die langandauernde Krise lässt den Kapitalismus in der EU bis zur Kenntlichkeit verkommen: Wo bisher europaweit antigewerkschaftliche Gesetze und Initiativen, Gesetze gegen Meinungsfreiheit und Bewegungsfreiheit an die Tagesordnung gekommen waren, stören nun selbst schon Wahlen, die wenigstens im Ansatz welche sind. Insofern ist die Reaktion auf den Twitterkanal #ThisIsACoup vor allem aus Griechenland selbst sehr stark, wie aus dem Artikel „#ThisIsACoup“ von Gregory Pappas am 12. Juli 2015 in der Greek Left Review externer Link hervorgeht, der in einem Tag bisher 200.000 Weiterleitungen weltweit registriert. Siehe dazu auch weitere Beiträge zur aktuellen Lage und Auseinandersetzung in Griechenland in einer Materialsammlung von Helmut Weiss vom 13. Juli 2015:

„Griechenland: Reformliste 09.07.2015“ Übersetzung des Dokuments der griechischen Regierung am 10. Juli 2015 bei Press Translations externer Link – um zu wissen, worüber gestritten wird.

„Soll Griechenland auch noch Frauen und Kinder übergeben?“ am 13. Juli 2015 im Griechenland-Blog externer Link ist der Bericht über ein Radio-Interview des Syriza Abgeordneten Stelios Kouloglou im kanadischen Rundfunk, worin der EU-Parlamentarier hervvorhebt „„In diesem Moment erleben wir Vergeltungsmaßnahmen„, erklärt Stelios Kouloglou, Europa-Abgeordneter der SYRIZA, in einem Interview an die staatliche Rundfunkgesellschaft in Kanada, als er gefragt wurde, wie man von den starken 61,31% des Referendums, die eine faire Vereinbarung verlangten, bei den zusätzlichen Forderungen von Seite der „Partner“ Griechenlands angelangt sei. „Das einzige was noch bleibt, ist, dass sie die Frauen und Kinder verlangen„, meinte er charakteristisch

„Kritik im Netz: »Das ist ein Staatsstreich«“ am 13. Juli 2015 in neues deutschland externer Link, worin die Berliner Peitsche wie folgt zusammengefasst wird: „Was nach der (parlamentarischen) Demokratie kommt...Die Gläubiger fordern unter anderem – um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen, wie es heißt -, dass das griechische Parlament bis zum kommenden Mittwoch ein erstes Gesetzespaket verabschieden soll, mit dem die Mehrwertsteuer vereinheitlicht und teilweise erhöht werden, das Rentensystem neu gestaltet und dabei Kürzungen vorgenommen sowie weitere Gesetze wie eines zur Unabhängigkeit der Statistikbehörde Elstat umgesetzt werden sollen. Außerdem drängen die Gläubiger auf Deregulierung etwa bei den Ladenschlusszeiten und beim Berufszugang, auch soll die griechische Regierung akzeptieren, seine Verwaltung unter der Aufsicht der EU-Kommission zu reformieren. Besonders fragwürdig: Athen soll bestimmte Gesetzesentwürfe nur nach Zustimmung der Gläubiger-Institutionen ins eigene Parlament bringen dürfen – das läuft auf die Aufgabe der demokratischen Souveränität des Landes hinaus„.

„Syriza zerbricht“ von Heike Schrader am 13. Juli 2015 in der jungen welt externer Link gibt zum einen die Ergebnisse der jüngsten Meinungsumfragen (letzte Woche) wieder, die weiterhin Zuwächse bei Syriza sahen und den rapiden Absturz der (Schäuble-Fans) Partei ND, wie auch den der KP, die mit ihrer Anti-Referendumshaltung nunmehr auch die 4% Linie unterschritten hat, hält aber dazu – voreilig? – fest: „Zumindest was die linke Regierungspartei angeht, ist die Umfrage jedoch kaum noch relevant. Nach dem Votum des griechischen Parlaments am Freitag, mit dem Ministerpräsident Alexis Tsipras das Mandat für den Abschluss der Verhandlungen mit den Gläubigern zugesprochen wurde, zeichnet sich ein Auseinanderbrechen von Syriza ab. Von den 251 Stimmen für die griechische Regierung stammten nur 132 von den Abgeordneten der Partei, die insgesamt über 149 Sitze verfügt. Während Kammenos alle 13 Parlamentarier der Anel auf Linie halten konnte, stimmten bei der Linkspartei zwei Abgeordnete gegen ihren Vorsitzenden, acht weitere enthielten sich, darunter die beiden Minister Panagiotis Lafazanis und Dimitris Stratoulis sowie Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. Gianis Varoufakis und sechs weitere Syriza-Vertreter waren der Abstimmung ferngeblieben„.

„Tsipras set to expel SYRIZA rebels“ von RENEE MALTEZOU und JAMES MACKENZIE am 12. Juli 2015 in Ekathimerini externer Link, worin die konservative Zeitung genüsslich Säuberungsaktionen bei Syriza ankündigt: Wer im Parlament die Initiative für weitere Verhandlungen mit der Troika nicht unterstützt hat, soll seinen Sitz im Parlament abgeben – ausser der Parlamentspräsidentin, wo das die Partei alleine nicht regeln kann – wobei, ohne jetzt auf die Vorlieben dieser Zeitung einzugehen, festgehalten werden kann, dass in jedem Fall der Umgang mit den „AbweichlerInnen“ ein Thema ist, das in den nächsten Tagen deutlicher werden wird.

„Replace facile criticism with criticism of the facile“ von Javaad Alipoor am 10. Juli 2015 im Blog Another Country externer Link – ein lesenswerter kurzer Diskussionsbeitrag zum Thema weder die stereotype Kritik „Verrat“ anzunehmen, noch die Verteidigung qua „Sachzwang“ zu übernehmen, sondern eine konkrete Kritik angesichts der realen Lage und Kräfteverhältnisse vorzunehmen.

„Streit bei Syriza: Linke Plattform fordert Euro-Austritt und kündigt Rücktritte von Ministern an“ am 10. Juli 2015 bei RT externer Link, worin die ersten Reaktionen nach dem Parlamentsbeschluss für weitere Verhandlungen berichtet werden, unter anderem anhand der Facebook-Seite eines der Repräsentanten der Linken Plattform Stathis Kouvelakis worin zahlreiche Kommentare (zumeist nicht aus Griechenland) deutlich machen, wie unklar und umstritten die Situation ist, und wie sehr jene, die schon immer alles wussten in der Minderheit sind – in jede Richtung.

„The Alternative to Austerity“ am 10. Juli 2015 im Jacobinmag externer Link – der Text des Vorschlages der Linken Plattform in Syriza für die Parlamentsdebatte am 10. Juli in einer Kurzfassung übersetzt, worin von der Kritik ausgegangen wird, dass die ganze Partei es versäumt habe, die Option eines Verlassens der Eurozone zu bearbeiten, was jetzt aber die Alternative sei – nicht als Selbstzwecke, sondern als ein Schritt zu einem neuen wirtschaftlichen Modell, das in Abgrenzung zur neoliberalen Austerität entwickelt werden müsse, und dies könne nur gelingen mit grossen Mobilisierungen.

„“Die Niederlage verstehen heisst den Sieg vorbereiten”“ am 12. Juli 2015 bei Bloccupy goes Athens externer Link, worin die Position vertreten wird: „Griechenlands Erpressung durch die Gläubiger lässt zwei Wege offen, die beide eine Niederlage sind. Diese ist unabwendbar. Erstens der Grexit, das bedeutet: Wir nehmen euch die Möglichkeit, den europäischen Klassenkonflikt im europäischen politischen Raum auszutragen. Wenn ihr weiter kämpfen wollt, dann kämpft zu Hause ums Überleben und lasst die Welt bei der Chancenlosigkeit dieses Kampfes zuschauen. Wenn ihr weiter im Namen eurer Bevölkerung kämpft, wird die Bevölkerung die Konsequenzen dafür zu spüren bekommen. Ein Grexit macht das Problem europäischer Innenpolitik zu einem der Entwicklungspolitik und der humanitären Hilfe. Er isoliert den politischen Konflikt in Europa auf griechisches Territorium. Zweitens, ein neues Memorandum: Damit würde es bei der politischen Architektur der EU bleiben, wie sie ist, allerdings nur um den Preis der vollkommenen Unterwerfung und der nun auch eingeforderten politischen Überwachung. Die Programme der Eurogroup und des IWFs sind nicht nur eine Schuld- und Insolvenzverwaltung, sondern der Versuch eines Nation Buildung von außen. Die Treuhand als Schattenregierung. Ihr Ziel ist ein neues griechisches Gemeinwesen im ökonomisch-technokratischen Sinne: Deregulierung, Privatisierung, Kapitalismus mit „asiatischen Werten“„.

„Privatsierung der Flughäfen = ca. 15 Mrd. Euro Verlust für den Staat“ am 11. Juli 2015 bei den Greek Independent News externer Link, worin – als ein Beispiel der Auswirkungen der Berliner Diktate – eben die Rechnung für die geforderte Privatisierung der Flughäfen – die, wohl nicht ganz zufällig von Seiten der Schäuble-Gang an eine kleine, feine Gesellschaft namens FRAPORT verkauft werden sollen.

Siehe dazu auch: Politik » Europäische Union » EU-Krise » Euro-Krise und Griechenland » Dossier: Nach dem Referendum = vor dem erzwungenen Grexit? Oder doch endlich der Schuldenschnitt!!!?

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=83364
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