Griechenland – und der verlorene rote Faden in der Eurokrise: Der unseriöse – habgierige – Gläubiger ist kein Deut besser als der unseriöse Schuldner für die Eurokrise

Riesenstreit zwischen Berlin und Athen – Nur um was geht es eigentlich? Gläubiger oder Schuldner: Wer „verschuldet“ die Eurokrise? So kann es zur Frage des Tages werden: Was ist naiv – ökonomisch gesehen gegen oder besser mit Griechenland in Europa. Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 17.3.2015

Griechenlands Botschafter beschwert sich im Auswärtigen Amt, weil Finanzminister Schäuble den Kollegen Varoufakis „naiv“ genannt und dadurch beleidigt habe. In Berlin kann man sich dagegen keinen Reim drauf machen, was Tsipras mit dem Konfrontationskurs erreichen will, was Tsipras mit seinen Verbalattacken gerade auf Deutschland und die Europäische Zentralbank erreichen will. Das sind doch gerade die Partner, die sie am nötigsten
haben, um eine Insolvenz zu verhindern. (http://www.sueddeutsche.de/politik/schuldenstreit-riesenkrach-zwischen-berlin-und-athen-1.2390198 externer Link)

Was beweist bisher, dass die EZB und Deutschland Griechenland nicht in die Insolvenz treiben wollen?

Vielleicht wird „umgekehrt ein Schuh draus“: die Griechen müssen nach dem bisherigen Vorgehen den Eindruck haben, dass gerade die EZB und Deutschland die Absicht haben, Griechenland in die Insolvenz zu stürzen – mit der achselzuckend dann hingenommenen Folge des Grexit.

Schäuble nennt das dann schon einmal „vorsorglich“ Graccident“ – die Griechen fliegen also aus Versehen aus dem Euro. (http://www.bild.de/politik/ausland/griechenland-krise/griechenland-krise-schaeuble-haelt-graccident-fuer-moeglich-40138322.bild.html externer Link) Und wie nicht anders zu erwarten stehen die meisten Deutschen inzwischen hinter dem Zentralorgan „Bild“ und Schäuble.

Rudolf Hickel hat zu dieser – nur verbalen – Variante zum Grexit noch einmal die gravierenden Fehler zusammengefasst (http://rhickel.iaw.uni-bremen.de/ccm/homepages/hickel/aktuelles/graccident-nochmals-zum-grexit-elend/ externer Link). Dese Finanzhilfen zur Schuldenfinanzierung bleiben nur ein Zeitgewinn – aber die Wiedereinführung der Drachme stabilisiert Griechenland endgültig als Armutsland.

Der gegen die Schäublesche Version „Graccident“ doch noch organisierte Protest vor dem Bundesfinanzministerium kann über einen kleinen Achtungserfolg gegenüber dieser „Bild-Macht“ kaum hinauskommen. (http://www.igmetall-berlin.de/betriebsraete-vertrauensleute/vertrauensleute/ externer Link) Da ist es dann ein Glück, dass in Frankfurt auch noch Bluckupy bei der EZB gegen das Spardiktat protestiert. (http://www.fr-online.de/blockupy-frankfurt/blockupy-ezb-eroeffnung–ein-zeichen-gegen-die-sparpolitik-,15402798,30127334.html externer Link) Deshalb kann Robert Misik in dieser deutschen Berichterstattung bisher nur „Verbohrtheit“ erkennen (http://www.gegenblende.de/-/idi externer Link).

Erfrischend angenehm interveniert in dieser einseitigen Orientierung nur im Interesse Deutschlands EU-Ratspräsident Donald Tusk: Ein versehentliches Ausscheiden von Griechenland – dieser „Graccident“ – wäre – trotz dieser mehrheitlichen Vorliebe der Deutschen dafür – eine Katastrophe für die Europäische Union – und hätte dramatische geopolitische Folgen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/interview-mit-praesidenten-des-europaeischen-rats-tusk-befuerchtet-katastrophe-fuer-die-eu-1.2394146 externer Link)

Von Polen aus – mit der Ukraine im Rücken – hat man eben anscheinend noch ein geopolitisches Verständnis über den Tellerand einseitiger „Pfeffersäcke“-Interessenwahrnehmung für Banken usw. hinaus. (Vgl. auch den Abschnitt „Auch noch Geopolitik in der „Schuldenkrise“? Europa in einer Doppelkrise: Griechenland und die Ukraine“ auf der Seite 7 bei https://www.labournet.de/?p=76151) Und auch der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer kommentiert diese aktuelle Situation: Merkel verlässt die Komfort-Zone – mit Blick auf Griechenland und die Ukraine. (http://www.sueddeutsche.de/politik/krisenpolitik-der-bundeskanzlerin-merkel-auf-frontalkurs-1.2394124 externer Link)

Kompromissfindung im Namen europäischer Werte der Demokratie notwendig

Wenn Europa doch noch bei einer demokratischen Identität bleiben will, geht es in der „Kompromissfindung“ dann wohl darum sowohl das Vertrauen der Deutschen (Regierung usw.) in klaren Verhandlungen – mit einem Ausgleich der Interessen zwischen beiden Seiten – wie auch der Griechen wieder zu finden – oder mit den Worten von Alexis Tsipras: „Herr Schäuble hat mir erklärt, dass ich das Vertrauen der deutschen Regierung verloren habe – ich habe ihm gesagt, dass ich es niemals genossen habe – ich habe das Vertrauen des griechischen Volkes.“

So steht es also – fest national verankert – Volk gegen Volk – nur die einen mit einer „hartz-IV-verstärkten“ besseren ökonomischen Potenz des eben auch unseriösen Gläubigers. (http://www.fr-online.de/politik/politbarometer-zu-griechenland-umfrage–mehrheit-fuer-grexit,1472596,30113012.html externer Link)

Dazu meint Ulrike Herrmann, die Eurokrise ist eben keine reine Wirtschaftskrise mehr – sie hat die Kommunikation zerstört. In Deutschland herrscht bräsige Selbstgerechtigkeit, die Finanzminister Schäuble gerne bedient – und die Greichen sind in ihrem Stolz verletzt. Auf`s Nationale verkürzt können die Adressaten der deutschen Besserwisser a la Schäuble & Co. eben auch nur wieder die anderen Besserwisser in Deutschland sein. (http://www.taz.de/!156464/ externer Link) So ist der rote Faden zur gemeinsamen Lösung der Eurokrise eben zerrissen: Keine weitere Perspektive für den Euro?

Da erscheint es doch erst einmal schon wie ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass die deutsche Bundeskanzlerin jetzt selbst mit Tsipras reden will – und sie ihn dazu nach Berlin einlädt. (http://www.sueddeutsche.de/politik/griechenland-merkel-laedt-tsipras-nach-berlin-ein-1.2396832 externer Link)

Sturer Rechtsstandpunkt will die „Luft zum Atmen nehmen“: Einbetonniert im selbstgeschaffenen Recht gegen vitale Überlebensinteressen

Ja, Varoufakis wagte es doch heftige Kritik an der Ankündigung der EZB, keine weiteren Athener Staatsanleihen mehr als Sicherheit für Liquiditätshilfen an die griechischen Banken mehr zu akzeptieren – indem er sagte die EZB verfolge eine Politik, die seiner Regierung „die Luft zum
Atmen nehme“ – also scheitern müsse. Dem wird dann wie schon üblich entgegengehalten, dass schon der bisherige Umgang mit griechischen Staatsanleihen als zu großzügig und damit rechtswidrig angesehen wird. (vgl. dazu auch Nikolaus Piper, „Ökonomie als Kult“: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/yanis-varoufakis-oekonomie-als-kult-1.2380898 externer Link) Das ist wie ein Gespräch zwischen einem Ertrinkenden und einem der am sicheren Ufer steht und dem Ertrinkenden zuruft: An dieser Stelle ist es dir gar nicht erlaubt zu ersaufen…..

Dagegen für die dominante deutsche Exportwirtschaft läuft die EZB mit ihrem starken Absenken des Euro-Kurses gegenüber dem Dollar wieder bestens. (http://www.sueddeutsche.de/thema/Mario_Draghi externer Link – siehe dort „Was eine Euro-Dollar-Parität bedeutet“)

Also auch bei der „Politik“ der EZB finden wir diese einseitige Bevorzung des ökonomisch Stärkeren. (Siehe auch die ständige Verbesserung der Position der Reichen durch die Politik der EZB – z.B. in dem Abschnitt „Politische Ideale und die Geldpolitik“ auf der Seite 2 ff. bei https://www.labournet.de/?p=73878)

Dennoch werden die Griechen in einer sehr verqueren Logik immer weiter – jetzt auch noch vom IWF – zur Kasse gebeten. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/griechenland-zahlt-kredit-an-den-iwf-zurueck-a-1023803.html#spRedirectedFrom=www&referrrer=http://newstral.com/ externer Link)

Auf jeden Fall droht Athen jetzt das Geld endgültig auszugehen. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/griechenland-athen-droht-das-geld-auszugehen,1471908,30126296.html externer Link) Aber die Griechen müssen in ihrer Not jetzt schon auf ihre Sozialkassen zurückgreifen – hoffentlich nur vorübergehend und der Ausgleich erfolgt alsbald wieder. (http://www.fr-online.de/schuldenkrise/griechenland-sozialkassen-sollen-helfen,1471908,30110762.html externer Link) Ja, zu solchen Tricks müssen die Greichen greifen, um nicht „unterzugehen“ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-in-griechenland-finanznot-treibt-athen-zu-neuen-tricks-1.2396723 externer Link). Einfach Wahnsinn, diese Deutschen!

Muss so viel Drama sein?

Das fragt Christiane Schötzer nüchtern – mit Blick auf die Reparationen aus dem 2. Weltkrieg (http://www.sueddeutsche.de/politik/reparationen-fuer-ns-verbrechen-tsipras-druckmittel-1.2388129 externer Link) – dabei ist die Sache rechtlich ziemlich ausgereizt (vgl. Niels Kadritzke, „Über deutsche Halbwahrheiten“: http://www.taz.de/Reparationszahlungen-an-Griechenland/%21154907/ externer Link – oder breiter „eingebettet“ noch bei https://www.labournet.de/?p=76151 – in der Mitte der Seite 8 dortselbst).

Chancen bestehen also noch bei der deutschen Zwangsanleihe von 1942, die zivilrechtlich eingeklagt werden kann. (http://www.fr-online.de/kommentare/griechenland-was-athen-zusteht,30085308,30096504.html externer Link) – und dies wird auch noch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gestützt (http://www.heise.de/tp/artikel/44/44348/1.html externer Link). Inzwischen sehen wohl auch SPD und Grüne, diese Kriegsanleihen-Forderung als berechtigt an. (vgl. auch den Abschnitt „Die Reparationsfrage – und wie mit ihr gespielt wird“ auf der Seite 2 bei http://www.nachdenkseiten.de/?p=25408 externer Link) Aber – wie meint noch einmal Christiane Schlötzer, juristische Details spielen jetzt – so mit dem Wasser bis zum Hals – nicht unbedingt eine Rolle. Es geht um politischen Druck auf Deutschland.

Die Botschaft lautet: Wir sind keine Bettler, im Gegenteil, wir haben mit euch auch noch ein paar Rechnungen offen – nur ist dabei der Griff in die Geschichte ein sensibles Unterfangen.

Dagegen bereiten sich die deutschen Mainstream-Medien gleich mit einem Propaganda-Coups gegen Varoufakis vor: Der ominöse Stinkefinger des Yanis Varoufakis muss jetzt mit Unterstützung des Günther Jauch als propagandistischer Schlagstock gleich vorurteilsbeladen gegen die Griechen eingesetzt werden. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=25415#h02 externer Link)

Dabei stellt sogar die „FAZ“ fest, dass es wohl so gar nicht war – also im Klartext gesprochen jetzt nur noch Hetze sein kann. (vgl. den letzten Absatz im letzten Link) Und das musste wohl auch dringend sein, da diese Sendung intellektuell und sachlich sehr flach war, weil eigentlich nur Yanis Varoufakis gut vorbereitet war, wie die TAZ festhalten muss. (http://www.taz.de/!156516/ externer Link)

So gut aufgestellt strafte Varoufakis eigentlich schon das Konzept der Sendung Lügen, die wohl unter dem Titel „Der Euroschreck stellt sich“ von vorneherein auf Krawall gebürstet war. In Wirklichkeit war also dieses Sendungs-Konzept schon durch den seriös argumentierenden Yanis Varoufakis „geschrottet“. Da musste er wohl einfach schräg von hinten in die Pfannen gehaut werden – mit diesem Stinkefinger!

Aber das Varoufakis-Bashing (vgl. den Abschnitt „Hau-den-Varoufakis“ auf der Seite 1 bei „Griechenland vs. Deutschland – Das klima ist vergiftet“ von Niels Kadritzke (http://www.nachdenkseiten.de/?p=25408 externer Link) gehört jetzt eben zum deutschen Propaganda-Material – um nur ja keine Kompromisse machen zu müssen.

Der rote Faden für eine „Lösung der Eurokrise“ ging verloren? Ist der potente unseriöse Gläubiger besser als der unseriöse Schuldner? Deutschlands fatale Rolle in der europäischen Schuldenkrise

Vielleicht wäre es ja angebrachter – sozusagen im internen Schlagabtausch gerade mit Schäuble (= denn wer versteht das bei den Griechen oder bei den Deutschen sonst noch so gut wie er ?) – auf die ökonomischen Ungleichgewichte in der Eurozone mit dem Exportüberschuss aus Deutschland hinzuarbeiten. (vgl. dazu noch einmal aktuell auf der Seite 8 bei https://www.labournet.de/?p=76151 – „Genügt der Blick in dieser Eurokrise allein auf Griechenland? Die drastischen Exportüberschüsse – dank des Euro – aus Deutschland schaffen auch gewaltige ökonomische Ungleichgewichte“)

Hervorragend hat dies jetzt gerade Heiner Ganßmann in der „Monde Diplomatique“ vom März analysiert, der hier nun einmal ausführlich zitiert werden soll: (siehe: „Lauter schwarze Nullen“ – Deutschlands fatale Rolle in der europäischen Schuldenkrise – http://www.monde-diplomatique.de/pm/2015/03/13.mondeText1.artikel,a0015.idx,5 externer Link)

Dazu muss zunächst noch einmal festgestellt werden, dass gerade Deutschland es war, das ein Hauptnutznießer der gemeinsamen Währung Euro war. Man braucht dazu nur die Entwicklung der deutschen Leistungsbilanz seit Einführung des Euro sich ansehen. Diese Entwicklung zeigt,mit kurzer Unterbrechung in den Nachkrisenjahren 2008 und 2009, einen kontinuierlichen Anstieg der Handels- und damit auch der Leistungsbilanzüberschüsse.

Die Währungsunion ist eine wesentliche Bedingung für diese Exportüberschüsse. Der gemeinsame Euro nämlich beseitigte den unmittelbaren Aufwertungsdruck, dem die D-Mark stets ausgesetzt war, wenn die Exportüberschüsse anwuchsen. Wegen der unterschiedlichen Einzelbilanzen der Länder in der Eurozone war eben der Euro nie dem gleichen Aufwertungsdruck ausgesetzt wie zu den „alten“ D-Mark-Zeiten.

Die Folge ist: Deutsche Unternehmen können dank des (relativ zur früheren D-Mark) schwachen Euro munter weiter exportieren, obwohl die – speziell – deutschen Überschüsse laufend ansteigen. (weiter zum Weg zur Euro-Dollar-Parität durch die EZB siehe oben) Dies zeigt zum einen, dass die deutschen Unternehmen vom Euro profitieren – wie sonst kaum andere – zum anderen zeigt es aber auch, dass dieser „deutsche Weg“ keinesfalls verallgemeinerbar ist.

Nach einfacher „Saldenmechanik“ ist es nämlich ausgeschlossen, dass alle Länder gleichzeitig Export – und Leistungsbilanzüberschüsse erzielen können. – Nur solange die anderen Mitglieder der Eurozone diesen ökonomischen Unsinn glauben, festigen sie die „permanente Dominanz“ Deutschlands in der Eurozone.

Und diese Dominanz von Deutschland hatte der „Kanzler der Bosse“ mit der Schaffung des größten Niedriglohnsektors in Europa noch einmal zu Lasten eines relativ großen Teils der arbeitenden Bevölkerung durch Lohnsenkung zementiert, die in anderen Ländern der Eurozone so nicht durchsetzbar gewesen wäre. Im neoliberalen Neusprech nennt man das „strukturelle Reformen“ zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Tatsächlich geht es eher darum, durch Angst und Schrecken vor Arbeitsplatzverlust und Verarmung einen wirtschaftlichen Entwicklungsweg durchzusetzen, der sich durch eine stetig sinkende Lohnquote und dürftige Wachstumsraten auszeichnet. (vgl. hierzu auch „Die große soziale Entsicherung“ durch Hartz IV in dem Buch von Christoph Butterwegge „Hartz IV und die Folgen“ (http://www.fr-online.de/kultur/christoph-butterwegge-die-grosse-soziale-entsicherung,1472786,30116086.html externer Link)

Dabei ist die durch diese wachsende Ungleichheit verursachte Armut auch teuer. (http://www.sueddeutsche.de/geld/wachsende-ungleichheit-armut-ist-teuer-1.2392438 externer Link) Dazu meint der „Spezialist“ Wilkinson mit seinen umfassenden empirischen Kenntnissen bezüglich unserer Gesundheit: Die Ungleichheit ist es die uns „umbringt“ (http://derstandard.at/2000012911001/Epidemiologe-Wilkinson-Die-Antwort-ist-simpel-Ungleichheit-bringt-uns-um externer Link)

Die Überschüsse des einen sind und bleiben die Defizite des anderen: Zu jeden unsoliden Schuldner gehört ein unsolider Gläubiger

Exportüberschüsse werden per Kredit – wiederum von den Deutschen (Banken) – an die Käufer finanziert. – Die Überschüsse des einen sind und bleiben eben die Defizite des anderen. – Welchen Gegenwert man letztlich bekommt, ob und wie diese Kredite bedient werden, steht in den Sternen. (zu den Verlusten Deutschlands siehe noch einmal das erste Drittel auf der Seite 3 bei https://www.labournet.de/?p=74377)

Daher: Wer Kredite vergibt ohne hinreichend auf die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers zu achten, wirkt genauso unverantwortlich am Aufpumpen einer Blase – also der Krisendynamik – mit wie der Kreditnehmer. Ganz einfach: Zu jedem unsoliden Schuldner gehört eben auch ein unsolider Gläubiger!

Im Falle der Eurokrise ist allerdings die Rolle der Gläubiger kein Thema! Dabei hat der unseröse Gläubiger erst die Sache ins Rollen gebracht

Und dies aus gutem Grund: Die Banken, allen voran die französischen und die deutschen (dazu siehe konkret auch noch einmal in dem wundervoll konkreten Beitrag von Harald Schumann auf Arte „Troika – Macht ohne Mandat“ – einfach den vierten Absatz auf der Seite 1 bei „Griechenland am Abgrund….“ https://www.labournet.de/?p=76151), haben den Boom und die Immobilienblasen durch Kredite an die Peripherie-Länder finanziert. An diesen Krediten haben sie gut verdient. Sie bekamen ihre Zinsen und Provisionen (vgl. „Bilanz des Spardiktats“: Berlin hat von Griechenland seit dem Beginn der Eurokrise mehr als eine Drittelmilliarde Euro kassiert – als Zinsen für die Hilfskredite… “ (http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59071 externer Link)

Joseph Vogl hat sich deshalb in seinem neuesten Buch „Der Souveräntätseffekt“ gerade dafür interessiert, wie über die Schulden ein politisches Regime konstruiert wird (frei nach Michel Foucault, der sich jedoch für die Finanzen noch nicht interessiert hatte) (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=li&dig=2015%2F03%2F11%2Fa0020&cHash=3bec7d969f6b7bee9e1aa6ef48b35320 externer Link). „Mich interessiert nicht das ökonomische Problem der Schulden, sondern die Frage, wie die damit verbundenen Finanzmacht eingesetzt wird, um Regierungspolitik zu betreiben„. – Das ist auch einer der Gründe, wieso die Rolle des Gläubigers nicht „erörtert“ werden darf, weil es seine Macht in Frage stellen könnte.

Finanz und öffentlicher Kredit sind nicht einfach – nur – ökonomische Phänomene, sie sind unmittelbar politische Machttypen, die die Fähigkeit entwickelt haben, elementare Lebensbedingungen mitzubestimmen. (siehe noch einmal „wachsende Ungleichheit und die teure Armut“ (http://www.sueddeutsche.de/geld/wachsende-ungleichheit-armut-ist-teuer-1.2392438 externer Link)

An dieser Stelle wird von Vogl die Frage formuliert, die von Michel Foucault herkommt, wie wir regiert werden – und wie wir regiert werden wollen. Konkret könnte das heißen, wollen wir in Europa – vor allem – von deutschen Gläubiger-Interessen regiert werden? (vgl. noch einmal zu Joseph Vogl „Jede Krise ein intellektueller Glücksfall“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=25415#h07 externer Link)

Das große Tabu für Europa: Das Regime der Gläubigerinteressen – zustandegekommen durch Exportüberschüsse auf Grund von Lohndumping

Nur genau dieses europäische Regime der deutschen Gläubiger-Interessen soll „knallhart“ weiter zum Tabu in Europa werden: Wer als Gläubiger seine Machtposition – wie unseriös auch immer – erreicht hat, darf diese skrupellos gegenüber der Schuldnerposition durchsetzen – und immer mehr Deutsche in Armut leiden „anstandslos“ mit.

Dies hat der deutsche Finanzminister noch einmal gerade in einem breiten Interview mit dem „Standard“ vorgeführt: Die Verantwortlichen stehen schon in der Pflicht, den Menschen zu sagen, was die Ursachen der Probleme in Griechenland sind. Die liegen nicht in Brüssel, Europa oder Deutschland. (welch dreiste Verfälschung der ökonomischen Tatsachen!). Sie liegen – allein – darin, dass Griechenland über seine Verhältinisse gelebt hat (- und dazu von dem Gläubigern aus Deutschland freigebig ermuntert wurde, weil sie so gut daran verdienen konnten !)(http://derstandard.at/2000012916317/SchaeubleVielleicht-war-die-Eurozone-eine-Verfuehrung externer Link)

Auf den realen Punkt gebracht bedeutet das nur: In dieser Konstellation, wo es keinen miesen Gläubiger geben darf, beharrt der deutsche Finanzminister schlicht und einfach auf der Unterwerfung von Griechenland – sozusagen als „Letzten“ in diesem unfairen Spiel beißen die Hunde eben Griechenland. (http://www.michael-schlecht-mdb.de/schaeuble-beharrt-auf-unterwerfung.html externer Link)

Nein, Herr Schäuble so leicht ziehen sie Deutschland und die deutschen Unternehmen und vor allem Banken nicht aus der Verantwortung, indem sie von der „Eurozonen-Verführung“ rumschwafeln. Für diese Verführung lassen sich sehr gut Ross und Reiter vor allem aus Deutschland nennen – oder wie es noch einmal Heiner Ganßmann ausdrückt: „Die Deutschen benutzten mit Hilfe ihrer Banken ihr eigenes Geld, um Ausländern ein verrücktes Verhalten zu ermöglichen.“

Also kann es ohne Deutschlands Überschuss-Position auf den Prüfstand zu stellen keine Lösung auch für Griechenland geben.

Um das genauer noch mit einem Blick auf die Banken zu fassen, lasst uns noch einmal zu Heiner Ganßmann zurückgehen: Den Banken aus dem Kern der Eurozone gelang es, sich rechtzeitig aus ihren riskanten Engagements zu lösen. aber nur mit Hilfe der Staaten. Die Schuldnerländer wurden durch noch mehr, aber dieses mal öffentliche Kredite „gerettet“. Damit konnten sie wiederum die dringendsten Forderungen ihrer Gläubigerbanken bedienen, bevor diese durch die anstehenden Verluste in ihrer Existenz bedroht waren.

Wirklich gerettet wurden also die Banken, ihnen wurde die Gläubiger-Rolle durch die Eurostaaten abgenommen.

Damit aber nicht gleich offenbar wird, dass wieder einmal wieder die Steuerzahler auslöffeln müssen, was die Banken angerichtet haben, bemühen sich die Finanzpolitiker – allen voran unser Finanzminister Schäuble – den Leuten weiszumachen, die Schuldnerländer seien an allem schuld. (soweit noch einmal Heiner Ganßmann a.a.o.)

Diese klare Ursachenzuweisung für diese Eurokrise, die jetzt – richtig rotzfrech und ohne eindeutige Kausalität – vor allem einseitig Griechenland in die Schuhe geschoben werden soll, kann noch einmal durch Ulrike Herrmann ergänzt werden: Die Eurozone sollte eingestehen, dass Griechenland seine Schulden nicht bedienen kann. Es erniedrigt – auf so „seltsame Weise“ – die Griechen, dass – indem immerzu dieses „unnütze Spiel“ weitergetrieben wird – über kleine Milliardentranchen gefeilscht wird, die nur einen „Kreisverkehr“ finanzieren: Es werden neue Kredite gewährt, damit die Griechen – wieder – ihre alten Schulden tilgen. Dieses – eigentliche – Nullsummenspiel bringt nichts, sondern befeuert nur den allseitigen Nationalismus. (http://www.taz.de/!156464/ externer Link)

Der Euro ist falsch konstruiert – aber jetzt aktuell auf dem Weg zu einer neuen Blase?

En passant hatte der Bestseller-Autor Thomas Piketty diese Bemerkung bezüglich der ökonomisch dominanten Position Deutschlands in der Eurozone in einem Buch „Die Schlacht um den Euro“ eingestreut. So ist es sehr anschaulich, wie Piketty den Wahnsinn der deutschen Exportüberschüsse illustriert: „Deutschland könnte, indem es Lohndumping betreibt, innerhalb von fünf Jahren die 40 umsatzstärksten französischen Aktiengesellschaften oder auch alle Pariser Immobilien kaufen. Zwar halten es viele Deutsche für normal, dass sie die Welt mit ihren Waren erdrücken, indem sie dieses Lohndumping betreiben.“ (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=li&dig=2015%2F03%2F11%2Fa0024&cHash=722867f7b1c6059341123e95449a2fcd externer Link)

Für Piketty sind Eurobonds die Lösung, die auch wieder aus Deutschland absolut blockiert werden. Aber, lieber Piketty genau dies – was du hier nur kursorisch andeutest – dieses Buch müsstest du jetzt doch genau noch schreiben, meint Ulrike Herrmann. Nur bis es wieder so weit ist, geraten die Finanzmärkte in einen Rausch: Der Euro fällt, die Aktien steigen. (http://www.fr-online.de/wirtschaft/wechselkurs-finanzmaerkte-im-rausch,1472780,30106672.html externer Link)

Nur wächst jetzt auch die Skepsis, ob diese Rekord-Rallye der Aktien nicht doch einfach nur eine Blase aufbaut? (http://www.fr-online.de/wirtschaft/aktienindex-dax-auf-rekordfahrt,1472780,30137846.html externer Link)

Und die Politik bringt wohl wieder einmal den Mut nicht auf eine Finanztransaktionsteuer durchzusetzen, um diese Märkte zu beruhigen – und einen finanzielle Grundlage für die Staaten der EU zu erhalten. (https://www.labournet.de/?p=76753)

Nur Draghi sieht die EZB mit ihrer Geld-Politik wohl auch am Ende „ihres Lateins“, deshalb schiebt er die Verantwortung für die aktuelle Perspektivlosigkeit wieder direkt an die Politik zurück: So entwickelt Draghi seine Euro-Mission weiter: Wenn die EU so „national-zentriert“ weiter macht, zerbricht der Euro. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/europaeische-zentralbank-draghis-mission-1.2396994 externer Link)

Die EU-Verträge müssen geändert werden, erklärt er, um ein europäisches Finanzministerium zu schaffen. Nur kurzfristig ginge das auch schon mit den Eurobonds.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=77203
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