Beratungswüste Karstadt. Regale füllen für Hungerlohn – Kaum noch Verkaufspersonal

Artikel von Herbert Schedlbauer vom 12.2.2015Karstadt: Hände weg von unserem Tarifvertrag (ver.di)

Der Stellenabbau geht weiter. Der neue Eigner und Immobilienunternehmer René Benko fährt erneut Angriffe auf die Beschäftigten und bedroht deren Existenz. Sechs Monate, nachdem der Österreicher und seine Signa Holding Eigentümer des Warenhauskonzerns wurde, sollen die Personalkosten um weitere 65 Millionen Euro sinken.

Die Manager des Handelskonzerns drohen den Betriebsräten und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), weitere Filialen zu schließen oder zu verkaufen, wenn den Konzernplänen nicht zugestimmt wird. Leitfaden ist dabei ein 32-seitiges Papier.

Im als „streng vertraulich“ gekennzeichneten Dokument wird vor allem im Verkauf weiteres Personal abgebaut. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten in den Filialen wird danach um 1.200 auf 8.000 reduziert. Nach Vorstellung des Zockers aus Wien wird ein großer Teil der Verkäuferinnen und Verkäufer nur noch als Regalauffüller beschäftigt. In den meisten Häusern wird es einen Verkaufsberater pro Etage geben.

Vorgesehen sind drei Beschäftigungsgruppen: Bei Verkäuferinnen und Verkäufer sowie Kassierer wird der Rotstift angesetzt. Die Regalbetreuer werden im bestehenden Haustarif zum neu geschaffenen Warenservice-Teams degradiert. Ihre Tätigkeit: Ware auspacken und Regale füllen. Setzt sich der Konzern durch, arbeiten 1.500 Beschäftigte für monatlich 300 Euro weniger.

Die Zumutung für die Kunden und der Umgang mit dem Personal lässt vermuten, dass es dem Eigentümer nicht um eine wirkliche Sanierung des angeschlagenen Handelskonzerns geht. Vielmehr sollen die noch übrig gebliebenen Filialen anscheinend auf die Stufe eines Discounters herabgestuft werden. Strategie dabei ist, nicht mehr gut laufende Häuser mit niedrigsten Personalkosten für neue Investoren interessant zu machen. Dazu passt, dass am 24. Januar die Signa Holding aus der Konzernzentrale in Essen grünes Licht gab für den Verkauf weiterer 20 Filialen an den israelischen Diamantenhändler Beny Steinmetz.

Doch nicht nur beim Verkaufspersonal wird gespart. Auch Abteilungsleitern und Substituten droht Arbeitsplatzverlust und Abgruppierung. Jeder zweite muss den Konzern verlassen. Von den sechs Filialen die 2015 geschlossen werden, sind 300 Beschäftige betroffen. In 83 Filialen sowie der Konzernzentrale in Essen und der Logistik werden 2.000 Stellen vernichtet. Auf der Kippe stehen nach neustem Stand die Häuser in Bottrop, Mönchengladbach, Neumünster, Mainz und Iserlohn.

Um die Ausbeutung der Beschäftigten bei geringsten Personalkosten zu erhöhen, wird der Konzern wieder einmal organisatorisch umstrukturiert. Künftig sind acht Kopffilialen vorgesehen: Berlin-Schlossstraße, Nürnberg, Dortmund, Köln, Braunschweig, Karlsruhe, Bremen und Frankfurt. Die dort übrig gebliebenen Abteilungsleiter werden die restlichen, sogenannten Anhängefilialen mit betreuen.

Laut Informationen werden Gesamtbetriebsräte und Betriebsräte der Filialen einem massiven Druck ausgesetzt. Sie sollen die Pläne nach unten umsetzen, die der Konzern durchsetzen will und für Ruhe sorgen. Dabei geht es, Abfindungen für die Beschäftigten schmackhaft zu machen. Bei genauer Prüfung sind diese niedriger, als unter einer Sozialplanregelung durchsetzbar wären, wenn die Arbeitnehmervertreter und ver.di nicht nur verhandeln, sondern auch Gegenwehr organisieren würden. Hinzu kommen Altersteilzeitregelungen, die Betroffene zu Aufstockern bei der Arbeitsagentur machen. Verschönt wird alles zum Abschluss mit einer Transfergesellschaft. Die für den Eigner günstigste Lösung.

Im Jahre 2006 hatte ver.di mit dem seit 2010 insolventen Arcandor Konzern einen Sanierungsvertrag vereinbart. Darin mussten die Beschäftigten auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie auf den gültigen Flächentarifvertrag verzichten. Rund 12 Prozent Reallohnverlust über die Jahre waren die Folge. Insgesamt wurden so über 700 Millionen Euro aus den Beschäftigten herausgepresst.

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